Das seltsame Internet-Medienverhalten des ZDF
Über das ZDF muß man sich zunehmend wundern.
Schon kürzlich sind mir seltsame Erscheinungen aufgefallen. Eigentlich war ich von deren Mediathek ja ziemlich begeistert. Eigentlich.
Seltsam fand ich schon folgendes: Während einerseits Gerüchte die Runde machten, daß die CDU einen ziemlichen Einfluß auf die Personalentscheidungen und die Programmgestaltung nehme (was ja eigentlich den GEZ-Werbespruch, daß man unabhängige Medien braucht, ad absurdum führt), tauchte ausgerechnet zum Wahlkampfbeginn die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen gehäuft im Fernsehen auf. Erst turnte sie in Wetten dass…? mit einem minderjährigen Jungen in einer Mülltonne herum, dann wurde bei Mona Lisa über ihre Kinderpornoaktivitäten berichtet, und dann war sie bei Johannes B. Kerner im Programm.
Wetten dass…? war nicht nur mit, sondern auch für die Tonne. Die anderen beiden Sendungen wollte ich mir aber von der Mediathek runterladen. Ging nicht, die Beiträge fehlten. Nur der Rest der Sendung war runterzuladen, obwohl die Sendungen sonst immer komplett vorgehalten werden. Warum fehlten die Teile mit von der Leyen und seit wann legt Kerner nur einzelne Teile seiner Sendung auf den Server? Genauso seltsam wie die auffällig häufige Präsenz der von der Leyen im Fernsehen war deren Absenz in der Mediathek.
Nun passiert noch etwas anderes fragwürdiges. Das ZDF hat seine Seiten neu gestaltet und auch die Mediathek umgemodelt. Ergebnis: Geht nicht mehr unter Linux. Jedenfalls unter 64-Bit. Vorher ging das wirklich prima, ausgerechnet die Videos im Windows Media Player-Format waren bestens unter Linux abzuspielen. Hervorragende Qualität, ordentliche Auflösung. Und man konnte sie herunterladen.
Jetzt haben die nur noch das Flash-Format, und bisher hab ich noch keinen Weg gefunden, das auf einem 64-Bit-Linux abzuspielen. Proprietäres Format. Und selbst wenn, dann kann man das nur noch abspielen, aber nicht mehr einfach so runterladen, weil auch das Übertragungsprotokoll proprietär ist. Nur mit dem Windows-Tool Orbitdownloader kann man so Zeug überhaupt halbwegs abspeichern, und das auch nur durch die Hintertür.
Natürlich hat das im Forum auf der ZDF-Webseite schon jemand angemeckert. Die Antwort des ZDF:
Wir wollen ein Format verwenden, das auf allen Browsern und Betriebssystemen abspielbar ist – deshalb Flash. Übrigens sind die WMV/H.264-Streams noch abrufbar. Dafür hat jeder Videobeitrag einen eigenen RSS-Feed, in dem die Links auf die Videos enthalten sind.
Bisher habe ich den RSS-Feed der Videobeiträge noch nicht gefunden. Ist mir auch nicht klar, wozu ein Videobeitrag einen RSS-Feed haben sollte. Jedenfalls scheint es die WMV/H.264-Streams nicht mehr oder nicht mehr ohne weiteres zu geben.
Absurd erscheint die Begründung: Man setzt auf ein geschlossenes, proprietäres, undokumentiertes Format, damit es auf allen Betriebssystemen läuft und sorgt dafür, daß es unter Linux schon mal nicht mehr ohne weiteres läuft. Und es sorgt dafür, daß jeder auf seinem Rechner ein proprietäres Stück Fremdsoftware installiert. Nachtigall, ich hör Dir trapsen.
Auffällig ist auch, wieviele Sender immer mehr proprietäre Videoformate verwenden. Auch bei der ARD und anderen Sendern ist es verdammt schwierig, etwas zu schauen. Möglicherweise hat auch die Industrie da “überzeugende Argumente” auf den Tisch gelegt.
Das Paradoxe daran: Im Deutschen Bundestag verwenden sie bisher Flash. Darauf angesprochen teilte man mir mit, daß das halt eine Altlast ist, weil es damals, als man das angefangen hat, kaum taugliche Alternativen gab. Wohl wahr. Und das man es noch einsetze, weil die Verträge noch laufen. Demnächst aber werde der Bundestag von Flash auf H.264 umrüsten. Also genau das Gegenteil dessen tun, was das ZDF gerade getan hat. Und warum wird der Bundestag den Schritt zu H.264 tun? Na, damit es auf allen Betriebssystemen läuft.
Ich habe den Eindruck, es geht gar nicht darum, daß es auf allen Betriebssytemen läuft, sondern darum, die Verbreitung stärker zu kontrollieren. Denn es gibt ja wohl doch einige Interessen gegen eine nachträgliche Online-Verfügbarkeit. Bietet man ein proprietäres Verfahren an, das das Abspeichern deutlich erschwert und das Gucken nur online ermöglicht, hat man auch viel stärker den Finger drauf, wann man – falls irgendwer das will – etwas wieder aus der nachträglichen Verfügbarkeit entnimmt. Falls sich mal ein Politiker verquasselt hat oder so.
Medienkompetenz sieht jedenfalls anders aus. Und das ausgerechnet beim ZDF.
5 Kommentare (RSS-Feed)
Such mal nach “mtscrape”. Das ist ein Ruby-Script, das dir beliebige Inhalte aus der ZDF-Mediathen runterlädt.
Hast Du das schon mal unter Ubuntu 9.04 probiert? Ich war gestern erstaunt, dass das ad-hoc funktionierte! Unter 8.04 musste man ja noch zwei Pakete von VLC installieren. Unter 9.04 hatte ich lediglich die restricted-extras sowie den mplayer nachgezogen und die zdf-mediathek funktionierte fusselfrei! Auch kam gar keine Abfrage, welchen Player man denn benutzen will, bei mir stand dann lediglich “Mini-Player” in der Statusleiste beim Abspielen. Auch die Vollbildanzeige war top!
Das es kein download der Beiträge mehr gibt ist natürlich ärgerlich.
Mal eine ganz andere Frage:
Warum muss ich – um einen comment einzustellen – immer den IE “bemühen”?
Im Firefox kommt die comment-box nach der Authentifizierung nicht zum Vorschein…
Ja, aber AMD64. Muß noch mal rumspielen. Aber selbst wenn es geht, ist downloaden vermutlich nicht mehr ohne weiteres drin. Ich halte es für Schwachsinn – oder Hintersinn.
@yersinia
Mach einfach ein “shift-reload” mit FF, dann gehts (Irgeindein Problem zwischen wordpress und FF).
Zu medienbibliotheken:
Meine Erfahrung ist, daß man mit Linux (bei mir debian etch, ubuntu 8.04 und 9.04) inzwischen an die meisten Medieninhalte (auch beim ZDF) kommt. Was aber immer mehr in Mode kommt, ist, daß mit allen möglichen Mitteln versucht wird, das “downloaden” zu verhindern, so daß man es nicht fürspäteren Gebrauch archivieren kann. Das ist insbesondere dann ärgerlich, wenn man das ganze in “instabilen/langsamen” Netzwerken anschauen will (schlechtes WLAN oder schlchte Mobilfunkverbindung odser gar Modemverbindung.). Statt es einfach herunterzuladen und dann von Platte anschauen zu können, muß man meistens auf den “Genuß” verzichten.
Interessant. Etwa 5 Tage her, daß ich beim Bundestag mich beschwerte. Hr. Rösler antwortete am 7.: Ich freue mich darüber hinaus Ihnen mitteilen zu können, dass wir in den nächsten Wochen auf ein neues Videoformat umsteigen werden (Flash mit H.264).
Ich wollte am Tag der DNS-Falschauskunftsdebatte wissen, wer da gesagt haben soll 11 Mrd. Bilder seien im Umlauf – ich hatte mir 11 Mio. notiert.
Und beim Bundestag bieten sie Realplayer an – hu, ha – auf meinem Linux (32bit) tönte da nur Sound – ob auf anderen Systemen auch Bilder kommen weiß ich nicht.
Aber wieso sich Frau Grinsbacke im U-Fernsehen in Pose wirft, und dann das ZDF das rausschneidet? Extra-3, Raab und andere Zweitverwerter können doch einen Videorekorder mitlaufen lassen, oder YouTube befragen. Seltsam. Vielleicht einfach ein Anwalt, der rigoros jede Zweitverwertung ausgeschlossen hat?