Bayerische Logik
Seit ich in Bayern, genauer gesagt im Münchner Raum, wohne, wundere ich mich nur noch. Beispielsweise über die seltsamen Tarife der Münchner Verkehrsbetriebe.
Eigentlich fand ich U-, S- und Straßenbahn-Fahren immer ganz leicht. In Berlin. In London. In New York, Washington, Boston, New Orleans. In Peking. In Melbourne.
Nur nicht in München.
Als ich das erste Mal in München vor einem Fahrkartenautomat stand, habe ich gar nichts mehr verstanden. Da steht man davor und denkt “Hä!?”. Ein völlig undurchdringliches Tarif-Wirrwarr. Es gibt Kurzstrecken, Einzelfahrten, Mehrfachfahrten, Tageskarten usw. Und für jede gibt es unterschiedliche Arten, den Preis zu berechnen. Mal geht es nach Anzahl der Haltestellen, mal nach Ringen, mal nach Zonen, mal nach Bereichen, mal XXL oder sonstwas. Da herauszufinden, was man eigentlich braucht, dauert einige Zeit. Ein bis zwei Züge verpaßt man bis man weiß, welchen Fahrschein man vielleicht brauchen könnte. So unverständlich und unergonomisch, wie es nur geht. Von einer Boshaftigkeit und Ignoranz, wie sie nur die Bayerische Mentalität hervorbringen kann. Als ob man das gebaut hätte, um die Preußen vom Bahnfahren abzuhalten. Ich bin auch schon einige Male versehentlich mit dem falschen Fahrschein gefahren, weil ich erst später merkte, daß das Zonensystem anders zu interpretieren ist.
Als ich hier ankam, habe ich den Verkehrsbetrieben mal geschrieben, daß ich ihr Tarifsystem für verwirrend und für völlig verkorkst hielte. Sie meinten, sie wüßten, daß es schwer verständlich wäre, aber das müßte so sein, wegen der Gerechtigkeit und so, nur durch dieses ausgeklügelte System könnte man angemessene Preise nehmen ohne jemand zu sehr abzukassieren.
Inzwischen habe ich den Eindruck, daß das Gegenteil der Fall ist.
Ich fahre gelegentlich mit der S8 von Ismaning zum Flughafen München. Als ich mir da das erste Mal am Automaten eine Karte holen wollte, dachte ich, das kann doch gar nicht sein:
- Ein Einzelfahrschein kostet 6,90 Euro. Einmal fahren.
- Eine Tageskarte, mit der man nicht nur einen Tag lang beliebig oft hin und her fahren kann, sondern auch noch weitere Strecken als mit der oben genannten Tageskarte, kostet nur 5 Euro.
Ich wollte es erst nicht glauben, dachte ich hätte es immer noch nicht kapiert. Aber einige zufällig anwesende Eingeborenen, jedenfalls die, die ich sprachlich verstehen konnte, bestätigten mir, daß das tatsächlich so sei.
Heute habe ich nochmal am Flughafen am Kartenschalter der Bahn gefragt, ob das wirklich so sei. Ja, das sei so. Deshalb verkaufen sie keine Einzelfahrkarten, sondern geben gleich jedem, der eine Fahrt will, gleich die billigere Tageskarten. Sie fänden es auch blöd, aber die Preise würden hier nicht von der Bahn, sondern von der MVV festgelegt, und die seien irreparabel stur und uneinsichtig.
Aha.
Habe eher den Verdacht, daß das nicht Sturheit, sondern derbe Abzocke ist.
Denn die (billigere) Tageskarte wird auch von vielen gekauft, die irgendwo da draußen wohnen und mal nach München rein und wieder raus müssen.
Die Einzelkarte wird aber – ohne nähere Prüfung – von Leuten gekauft, die mal für eine Reise zum Flughafen oder von dort zurück müssen. Die kaufen sich normalerweise Einzelkarten, und die werden abgezockt. Genauso wie bei den Parkplätzen am Flughafen. Bei Dienstreisen passiert es mir immer wieder mal, daß der Parkplatz am Flughafen mehr kostet als das Hotelzimmer (größer, mit Stroß, Wasser, Fernseher, Bett) am Ziel, sogar in Genf. Da herrscht einfach nur die größtmögliche Abzocke.
Fahre ich statt von Ismaning von Unterföhring zum Flughafen, also nur eine Station mehr, kostet die Einzelfahrt 9,60 Euro und die Tageskarte 10 Euro. Die Tageskarte ist also gleich doppelt so teuer wie im Fall Ismaning, aber immer noch etwa genauso teuer wie die Einzelfahrt.
Und dann haben die noch die Frechheit einem zu erzählen, daß das nötig wäre, um gerecht und fair abzurechnen.
Manchmal habe ich den Eindruck, daß es im Münchner Raum nur noch darum geht, sie gegenseitig so derb wie möglich abzuzocken.