Ansichten eines Informatikers

Effizienz von Supermarkt-Kassen

Hadmut
25.10.2009 1:46

Heute ist mir beim Einkaufen noch ein betriebswirtschaftlicher Aspekt aufgefallen.

Jahrelang kenne ich das, daß es in den USA üblich ist/war, daß an der Kasse im Supermarkt nicht nur einer sitzt und die Abrechnung macht, sondern noch ein zweiter da steht, der einem den Kram einpackt. In Amerika sind Dienstleistung und Service eben groß geschrieben. Nie näher drüber nachgedacht.

Bei uns in Deutschland gabs das nicht. Servicewüste Deutschland.

Seit ein paar Monaten wohne ich in Unterföhring und habe damit natürlich auch meine Samstagseinkaufsgewohnheiten geändert. Und kaufe seither Samstags bei einer Supermarkt-Kette ein, die bisher nicht zu meinen gewohnten Läden gehörte.

Überraschung!

Wenn man da einkaufen geht, dann steht hinter jeder Kasse einer (ziemlich junge Leute, wohl Oberstufen-Schüler, Studis, Azubis, die sich ein paar Kröten verdienen und ab und zu ein Trinkgeld bekommen), die einem das Zeug einpacken. Die schaffen wie die Brunnenputzer. Man bekommt es fertig eingetütet in den Einkaufswagen gestellt. Wow. Netter Service. Wieder hab ich nicht drüber nachgedacht.

Kürzlich hab ich mich gewundert, warum drinnen Schilder hängen, daß die Papiertüten wegen der gestiegenen Rohstoffpreise leider teurer werden mußten, und an der Kasse bekommt man kostenlos das Zeug in diese Tüten eingepackt. Seltsam. Wieder nicht drüber nachgedacht.

Heute stand ich wieder an der Kasse in der Schlange. Und sehe ein neues Schild. Die Tüten wären nur Freitags und Samstags kostenlos. Nur Freitags und Samstags? Wieso denn das? Und plötzlich habe ich verstanden, warum die das machen. Kundenservice ist nur Nebensache.

Freitags und Samstags sind die Tage, an denen der Laden rappelvoll ist. Das sind die beiden Tage, an denen die Kassenkapazität ausgelastet ist und an denen vor den Kassen Schlangen entstehen. An denen mehr Kundschaft durch den Laden strömt, als die Kassen verkraften.

Mehr Kassen aufstellen ist nicht drin, weil schlichtweg der Platz fehlt. Und wenn man den Platz hätte, wird er besser durch Waren als durch Kassen genutzt. Was macht man also, um den Durchsatz der bestehenden Kassen zu erhöhen? Man muß die Zeit, die ein Kunde für seinen Einkauf die Kasse bindet, verkürzen, damit pro Kasse und Zeiteinheit mehr Kunden durchgehen.

Bei jedem normalen Kunden geht einige Zeit verloren, weil die Leute erst mit dem Band und dann dem Bezahlen beschäftigt sind, und dann erst mal langatmig ihren Kram in den Einkaufswagen räumen, wofür manche ewig brauchen. Stellt man aber einen hin, der dem Kunden das Zeug schon einpackt und in den Wagen stellt, solange der Kunde noch mit dem Band und dem Bezahlen beschäftigt ist, eliminiert man die Zeit für das Einpacken fast völlig und erhöht damit den Durchsatz der Kasse erheblich.

Man braucht im Vergleich zu einer Erhöhung der Kassenzahl nicht nur keinen zusätzlichen Platz, es ist auch erheblich billiger. Denn eine zusätzliche Kassiererin bedeutet eine zusätzliche ausgebildete Fachkraft in Festanstellung. Jemanden zum Einpacken dahinzustellen ist viel billiger, das geht auf 400-Euro-Basis oder weniger. Kleingeld. Ohne langfristige Bindung und Ausbildung. Zieht den Jungs und Mädels ein Poloshirt mit dem Supermarkt-Logo an und los geht’s.

Das Einpacken ist also kein Kundenservice, sondern eine Sparmaßnahme. Es ist für den Supermarkt billiger, den Kram selbst einzupacken als zu warten, bis der Kunde eingepackt hat. Trotzdem fühlt sich der Kunde nicht gedrängelt, sondern verbedienstleistet und ist zufrieden. Erstaunlich.

Generell scheint der Kassenbereich einer der üblen Kostenfaktoren im Einzelhandelsbereich zu sein, wenn man bedenkt, mit welchen Methoden die verschiedenen Läden da dran gehen, um die Effizienz zu steigern.

  • Metro hat in einigen Märkten Terminals an den Kassen, an denen der Kunde den Bezahlvorgang selbst abwickelt und dafür auf einem Digitalisierboard unterschreibt. Das wäre zwar im Streitfall nicht beweiskräftig, aber die Einsparungen durch die Effizienzsteigerung der Kassen liegen weit über den Kosten durch eventuelle Streitfälle.
  • IKEA hat Kassen, an denen der Kunde gleich alles selbst macht, scannen, einpacken bezahlen. Und trotzdem kann das für den Kunden noch von (vermeintlichem) Vorteil sein, weil es schneller geht als an einer der besetzten Kassen mit langen Schlangen anzustehen. Was natürlich eine Täuschung ist, weil IKEA gleichzeitig die Zahl der besetzten Kassen herunterfährt um Kosten zu sparen.
  • Aldi ballert kleine Sachen rundherum mit Barcodes zu, damit der Scanner die Sachen möglichst schnell erkennt. (Sie hatten sogar mal eine Sonnenmilch in einer Flasche mit einem Riesen-Sonnenuntergang drauf. Die Schattierung des Meeres rund um die Flasche war der Barcode.) Große Sachen haben einen dreistellige Produktnummer zum schnellen Eintippen.
  • Penny versucht was ganz anderes. Die bieten an, daß man sich bei einem Einkauf noch gleich Bargeld mit auszahlen lassen kann. Auch das erscheint als Service, ist aber eine Sparmaßnahme. Denn die Supermarktketten zahlen an die Geldtransporter ziemlich saftige Gebühren für Transport, Abzählen und Einzahlen von Bargeld. Mit jedem Kunden, der sich Bargeld auszahlen läßt um das elektronisch abzurechnen, spart man die anteiligen Gebühren für den Bargelddienstleister.

Mal gespannt, auf was für Ideen die sonst noch so kommen.

Das mit den Tüten finde ich angenehm.

8 Kommentare (RSS-Feed)

d.o.c.w.u.
25.10.2009 3:01
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Zufriedene Kunden? In Deutschland, wo Dienstleistung generell misstrauisch begegnet wird, nicht. Aber vielleicht ist das nur hier im Süden so. Hier erledigen diesen Job jedenfalls Schüler, die außer der “Trinkgeldkasse” keine sonstigen Einnahmen haben, diese aber dann vollständig der Klassenkasse zuführen.

Viel schlimmer finde ich diese neuartigen Kassen mit auf einem Schwenkarm montierten Touchscreen. Hat der Requirements Engineer da an die Kassierer gedacht? Die Haptik ist unter aller Sau und dazu schwingt das Teil auch noch bei jeder Berührung herum. Wer auch immer sich dieses Ding ausgedacht hat – er hat nie den Leuten, die damit arbeiten zugesehen oder sie auch nur nach ihrer Meinung gefragt. Eine Schande, wenn man mich fragt.


Hadmut
25.10.2009 9:33
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Naja, über die mangelnden technischen Fähigkeiten der Ladenkassen-Programmierer hab ich mich ja schon mal ausgelassen.

Jedesmal bei der Buchhaltung und Steuerklärung ärgere ich mich über das unordentliche Chaos auf den Kassenzetteln, wenn man ewig nach Datum usw. sucht, die auf jedem Kassenzettel woanders in der Informationsflut versteckt sind. Nur ganz wenige, die einen ordentlichen Kassenzettel produzieren. Die Leute, die die meisten heutigen Kassensysteme programmieren haben definitiv Qualifikationsdefizite.

Und diese Thermopapierstreifen gehen mir auch auf den Wecker, nicht lagerfähig.


cypher
25.10.2009 6:46
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Nunja
Aus einer Naechstenliebe machen die nunmal garnix. Es ist ein Geschaeft … ganz normal … nix schlimmes dabei. Und wenn deren Vorteil nich immer nur zum Nachteil des Kunden ist sondern hier und da auch mal das vielbeschworene “win-win” rauskommt, darf man direkt dankbar sein. Also eintüten damits schneller geht oder Bargeld abheben scheint ganz brauchbar. Möcht mal wissen was fürn Gesicht kommt wenn man nach dem aufs Band legen den Stoffbeutel reicht 😉 .
Diese SB-Kassen hab ich allerdings eher als Murks kennengelernt. Da war noch viel zu tun … und irgendwie seh ich da kaum den Kundenvorteil.


Stefan W.
25.10.2009 11:46
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Mich wundert ein wenig die Kassengestaltung bei neueren im Vergleich zu älteren Märkten. Bei älteren ist zum Kunden hin ein Band, und nach 2/3 Länge die Kasse, und dahinter ein weiteres Band, manchmal eine Weiche, wo für 2 Kunden die Waren gepuffert werden können.

Bei neueren ist hinten kein Band mehr, kein Bereich, wo man Waren puffern kann – ein Stummel wo man eine Mandarine ablegen kann, mehr nicht.

Meist kann man in dem Maße, wie der Kassierer die Ware scannt, diese in den Wagen oder gleich Tüten/Korb/Karton weiterpacken, und ist am Ende fertig, und zahlt, wenn schon alles eingepackt ist. Ich denke der Stummel ist dazu da, um den Kunden unter Druck zu setzen, sich zu beeilen, was bei renitenten Gestalten wie mir leider den gegenteiligen Effekt hat: Ich werde dann gerne umständlich, und brauche doppelt so lange, nur um mich dieser Gängelei zu widersetzen, obwohl ich selbst auch nicht Zeit zuviel habe.

Aber ich werde nicht für’s Einkaufen im Akkord bezhalt.

Weil es aber gerade so gut passt: Beim Schlangestehen hat man ja immer das Gefühl, eine halbe Stunde zu verlieren, und an der langsamsten Schlange zu stehen.
Und teilweise den Ehrgeiz die schnellste Schlange zu erkennen, und nicht, wie die Einfältigen, nur die mit der kürzesten Schlange (Falle!).

Also ist der Kassierer geübt, oder ein Neuling, der nicht Flugtomaten von Strauchtomaten unterscheiden kann? Wieviele der Leute in der Schlange bilden einen eigenen Geschäftsvorfall, und wieviele sind nur Begleitung. Leider schwer zu erkennen: Wer kauft mit einem fast leeren Wagen auf 3 Rechnungen? 3 Leute mit je 2 Produkten im Arm brauchen länger, als eine Person mit 2 prallvollen Wagen, weil das längste, auch bei großen Warenmenge, der Bezahlvorgang ist, selbst wenn er in Bar abläuft. Am schlimmsten mit Karte, wenn erst 2 Belege gedruckt werden, und dann auf einem unterschrieben werden muß – ratter, ratter, rattert der Bondrucker.

Deswegen sind die ewig langen Bänder in Innenrichtung nur nötig, damit die Leute ihren eigenen Einkauf komplett darauf schaufeln können, um sofort mit dem Wiedereinpacken beginnen zu können. Aber viele Kunden haben Panik, und drängen einem von hinten den Wagen in die Ferse, und schieben sich ganz dicht dran, als wäre die Zeit zum auf-das-Band-stellen knapp. Das ist sie quasi nie – meist reicht die Zeit eines einzigen Bezahlvorgangs völlig. Einfach mal stoppen.

Mit RFIDs versehene Ware, die man einfach nur rausschiebt, und drahtlos wird abgebucht – vielleicht ein Commitknopf noch, das könnte die Zukunft werden, wenn nicht der Datenschutz davor ist.

Das Serviceparadies USA entpuppt sich aber bei Deinen Überlegungen dann auch vielleicht nur als Hort besonders frühen Effizienzstrebens.


Hadmut
25.10.2009 12:03
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Klar, siehe McDonalds. Das ganze poppige Erscheinungsbild mit den grellen Farben, den harten Stühlen, der Durchgangsatmosphäre soll gezielt ungemütlich sein. Du sollst deinen Knatschburger und die Schnell-fritier-Fritten so schnell wie möglich reinquetschen und wieder verschwinden, um Platz für den nächsten Kunden zu machen. Und ja nicht auf die Idee kommen, da noch sitzen zu bleiben.


Usul
25.10.2009 12:44
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Die Schnellkassen bei IKEA (Leipzig) habe ich bisher nur einmal benutzt – furchtbar. Die Bedienung ist über 3 (drei!!!) Bildschirme verteilt, welche nicht etwa unmittelbar nebeneinander/übereinander angeordnet sind, sondern auf einer Breite von fast 1m. Wie soll man da den Überblick behalten?

Ich weiß, dass die Trennung des letzten Gerätes, der Bezahl- und Signierstation, wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen notwendig ist, trotzdem kann man das irgendwie besser integrieren. Die Geräte können ja gern logisch getrennt sein, aber trotzdem zu einer funktionalen Einheit, und sei es nur ein Gehäuse mit mehreren Monitoren (nah beieinander), verschmolzen werden.


Werner
25.10.2009 20:24
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@Usul: Die Schnellkassen bei IKEA in Pratteln haben einen einzigen Bildschirm und die Bedienung ist relativ einfach. Man muß nur den Anweisungen auf dem Bildschirm folgen, dann klappt es. (War mein erstes Mal an der dortigen Schnellkasse.) – Die Schnellkassen beim EDEKA-Hieber in Weil sind etwas besser im Ablauf, hier wird zur Kontrolle nach dem Einscannen noch das Gewicht der Ware gemessen. Klappt einwandfrei.


Anatol
27.10.2009 15:19
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McDonalds in Form des McCafes ist inzwischen im Vergleich mit manch angesiffter Pizzeria ein Hort der Gemütlichkeit.
Aber in einem hat der Autor recht: McDonalds war der Erfinder der Effizienz im Restaurant: Wege hinter der Theke wurden auf Teufel komm raus optimiert.

@Werner: IKEA in Freiburg hat auch die komische Aufteilung auf drei Terminals.