Ansichten eines Informatikers

Vom Ende der Demokratie…

Hadmut
25.10.2009 14:43

…und der Privatisierung des Staats als solchem.

Schäuble wird Finanzminister. Wenn er mit Banken und Investoren so umgeht wie bisher mit Bürgern, ist das vielleicht nicht mal schlecht.

Laut SPIEGEL hat er aber gesagt, daß wir mit exorbitant hohen Schuld zu kämpfen haben und nahezu auswegslos zum Schuldenstaat werden.

Eine alte Börsenregel besagt, daß wenn man Geld verloren hat, es ja nicht weg, sondern woanders ist. Was bedeutet das, wenn man das auf den Staat überträgt und das mal nicht aus der Sicht des mit Schulden überhäuften Staates sondern aus Sicht des jetzt woanders befindlichen Geldes sieht?

Es heißt, daß wir nicht nur eine offene, sichtbare, explizite Privatisierung des Staates haben, wie bei der Energieversorgung, der Bahn, der Post. Es kommt noch eine riesige, schleichende und anteilige, nicht genau bestimmbare Privatisierung des ganzen restlichen Staates hinzu.

Alles was der Staat herstellt – Schulen, Straßen, Bibliotheken, Universitäten, Justiz usw. – ist effektiv mit fremdem Geld gebaut. Der Staat gehört faktisch nicht mehr den Bürgern, sondern den Geldgebern.

Geldgeber sind die, die sich Staatsanleihen gekauft, und damit das Geld vorrübergehend gegeben haben. Damit wird der Staat erpressbar, denn er ist elementar darauf angewiesen, daß nicht nur das geliehene Geld, das Darlehen zeitlich verlängert, sondern auch noch immer weiter ausgedehnt wird.

Stellen wir uns vor, einige der Geldgeber würden sich kartellartig zusammentun und nach Ablauf der Anlagefristen ihr Geld wiederhaben wollen und nicht wieder neu anlegen. Oder nur zu drastisch höheren Zinsen. Das könnten die ohne weiteres tun. Auf dem Kapitalmarkt fließt so viel Geld, liegen so viele Milliarden herum, daß es keinem der Geldgeber richtig weh tun würde, da auch einfach mal 10, 20 Milliarden abzuziehen und woanders, sogar schlechter, anzulegen. Würden das 20 Leute tun, wären wir schon bei 400 Milliarden.

Dieser Staat kann auf Knopfdruck pleite gehen. Jederzeit. Ohne Vorwarnung.

Werden Staatsanleihen zur Rückzahlung fällig, ohne daß mindestens im gleichen Maß neues Geld reinkommt, muß der Staat seine letzten flüssigen Mittel herausgeben – oder die Rückzahlung schuldig bleiben, mit einem lawinenartigen Einsturz des Schuldenberges.

Damit wird der Staat erpressbar. Wer ihm Geld geliehen hat – genauer gesagt, wem die Bundesrepublik schon anteiligt gehört – kann Politik diktieren. Und hat damit weit mehr Einfluß, als der Wähler.

Wir sind keine Demokratie mehr. Wir sind eine feindlich übernommene Aktiengesellschaft am Rand der Pleite.

Und irgendwo sind wir auch wieder eine mittelalterliche Lehnsherrn- und Lehnsmannssystem, nur daß es kein direktes Lehnsverhältnis, sondern ein durch den Staat als Zwischenschicht abstrahiertes und anteiligt verteiltes Lehnssystem ist.

6 Kommentare (RSS-Feed)

HF
25.10.2009 19:53
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Solange die Versicherungsgesellschaften als sicherste Anlage für die Riester-Milliarden immer noch die — durch das Gewaltmonopol garantierten — Staatsanleihen kaufen, besteht wohl noch keine Gefahr.
Und die Eliten können die Kuh, die sie melken, nicht gleichzeitig schlachten. So dumm kann doch niemand sein. Oder? Oooutsch, merde.


Hadmut
25.10.2009 19:56
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Interessanter Aspekt. Was natürlich die Frage aufwirft, ob hinter dem ganzen Private-Vorsorge-mit-Rieste-Gerede nicht letztlich die Aufforderung “Leute, kauft Staatsanleihen, wir sind im Krieg” steht.

Was als Altersvorsorge daherkommt, als getarnte Abgabenerhöhung?


Werner
25.10.2009 20:27
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“Was als Altersvorsorge daherkommt, als getarnte Abgabenerhöhung?”
Ja, vor allem deswegen, weil es vom Staat so penetrant “empfohlen” wird.


Steffen
26.10.2009 11:52
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Das ganze kann man aber auch genau umgekehrt sehen.

Eben weil auf dem Kapitalmarkt derart viel Geld herumliegt. Das ist unglaublich viel Geld, das *verzweifelt* Anlagemöglichkeiten sucht. Ich bin zwar kein Freund von Karl Marx, aber seine Beobachtung der “fallenden Profitrate” hat durchaus was. Daß die Aktienmärkte derzeit wie wahnsinnig steigen, das kommt nicht von irgendwoher. Das viele Geld muß investiert werden, egal wie.

Deutschland hatte bisher noch keinerlei Probleme, Geldgeber für seine Staatsschulden zu finden. Es ist die Frage, wer hier wem was diktieren kann. Mal angenommen, ein Kartell von finanzkräftigen Geldgebern würde tatsächlich Deutschland drohen, seine Kredite abzuziehen. Würden dann nicht augenblicklich Dutzende andere auf den Plan treten, die Deutschland mit Handkuss ihr Geld in die Hand drücken wollen?

Daß dem so sein könnte, sieht man schon alleine an den derzeitigen Zinssätzen: Deutschland fast infinitesimal, ganz im Gegenteil zu Staaten wie Venezuela oder Argentinien, die gut und gerne 15% abdrücken müssen. Wer von diesen drei Staaten ist eher die Marionette in den Händen des Großkapitals? Hugo Chavez mag zwar gerne martialisch-sozialistische Rhetorik pflegen, aber als der Ölpreis vor 6 Monaten im Keller lag, da war er zahm wie ein Schoßhündchen.

Allerdings ist die weitere Aussicht so ebenfalls nicht so toll: Was passiert klassischerweise bei Liquiditätsüberschuss? Inflation. Etwas, worüber sich Schuldner freuen und Gläubiger graue Haare kriegen.


Hadmut
26.10.2009 13:43
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Das sehe ich etwas anders.

Erstens ist ja bekannt, daß gerade viele Firmen Probleme haben oder sogar pleite gehen, weil sie keine Kredite usw. bekommen, also ist das Geld doch nicht so flüssig.

Zweitens ist der Kapitalmarkt sehr, sehr wechselhaft, da bekommt man zwar viel flüssiges, aber kein langfristiges Geld.

Insofern könnte ich mir sehr gut vorstellen, daß man den Leuten unter der Flagge der Altersvorsorge tatsächlich Staatsanleihen angedreht hat, weil man damit weiß, daß die Leute erst mal jahrelang zahlen ohne zu fragen und man genau kalkulieren kann, wann die frühestens was fordern. Und bis dahin kümmert unsere heutigen Politiker das nicht mehr.

Falls das wirklich stimmt, daß ein signifikanter Teil der Staatsanleihen in der Riester-Rente versteckt sind, wäre das ein gigantisches Betrugsmanöver.


Dastutgut
3.11.2009 16:13
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Bei den Börsenweissheiten muss man sich doch fragen ob sie vor der Goldentkoppelung des Dollars (1971 : Pleite des amerikanischen Staats) entstanden sind oder nachher.

Das Geld sei bloß „woanders“. Das entspricht nicht einer kritischen Sicht der Wirtschaft.

Weil heute dem Geld keine Naturressourcen mehr gegenüberstehen, sondern nur die „Kreditwürdigkeit des Steuerapparats“ – ist die Kreditkrise von 2008 sehr wohl als Vernichtung von Liquidität zu bewerten.

Nun ja, das Geld „gibt es“ theoretisch noch: aber nicht „woanders“ sondern „zum anderen Zeitpunkt“ verlagert. Liquidität ist Synonym mit Ersparnissen und die gibt es kaum noch. Die Enkelkinder haben sie (in der Zukunft) hergegeben damit die Börse wieder steigt. Deren zukünftige Arbeitsleistung wurde ja vom Staat als Maßnahme gegen die Krise eingesetzt.

Können sich also Hauptgeldgeber erfolgreich abstimmen und die Staatsanleihen verkaufen oder einfach damit drohen? Kann ein Mensch der ein Stück Gold in einer Hand hält den anderen gegenüber der die Pistole in der Hand hält denn wirklich erpressen?

In Amerika wird das längst besprochen – aber nichts hat sich bewegt trotz Vernichtung des dollars: Japan und China die allein 50% der Treasuries besitzen leiden ohne einen Murks (http://www.treas.gov/tic/mfh.txt ). Von Privateigentümer kann ja nicht mal die rede sein. Die Wirkung wäre auch eigentlich nur eine Anhebung der Zinsen… auch so in Deutschland. Das schadet zwar die Staatskasse, …aber es gibt noch die Urenkeln zu besteuern.

Eine sozialdemokratische Republik kann in Wirklichkeit nie Pleite gehen und ist auch wenig erpressbar: die hat ja eine bewaffnete Polizei die die Entwertung des Geldes jederzeit erzwingen kann. Auch den Verzicht auf Staatsverschuldung schützt der Bürger davor nicht.