Aladin und die Wunderlampe
Oder: Hadmut und der E-Book-Reader. Mein neues Männerspielzeug.
Ich bin fest davon überzeugt, daß E-Book-Readern, oder allgemein, elektronischen Geräten die Papier und Buch ersetzen, die Zukunft gehört. Nicht so überzeugt bin ich, daß ihnen schon die Gegenwart gehört. Die Dinger haben zwar einige tolle Seiten, aber ich glaube, daß das erst die Vorläufer sind, und die Dinger noch größer, flacher, hochauflösender, billiger, schneller, besser, bunter usw. werden müssen. Aber die Initialzündung ist da, auf einmal kommen die Dinger in Schwung und es gibt immer mehr (angekündigte) Geräte. Als Technophiler, als Early Adopter und als Mann sowieso mußte ich so ein Ding haben. Auch, weil ich ein paar Sachen testen will und weil ich ein paar Sachen als epub publizieren will, was man unbedingt vorher testen sollte. Seit gestern habe ich eins.
Eigentlich wollte ich mir ein Hanvon N516 zulegen. Aus verschiedenen Gründen:
- Der schiere Preis. Es ist von allen Readern, die ich kenne, der mit Abstand billigste. Weil ich annehme, daß nächstes Jahr neuere, bessere, größere kommen und ich es ohnehin in nicht allzuferner Zukunft schon ersetzen werde. Außerdem will ich es mit auf Reisen nehmen, was die Gefahr mit sich bringt, daß es geklaut wird oder doch mal kaputt geht.
- Trotz des günstigen Preises hat es gute Kritiken.
- Es wird von Open Ink Pot unterstützt. Im Zweifelsfall kann man damit auf eine alternative Software ausweichen.
- Ganz normale SD-Speicherkarte. Laden über den USB-Mini-Connector. Das heißt, daß man nicht noch ein zusätzliches proprietäres Netzteil rumschleppen muß und das Ding überall geladen bekommt.
- Es ist bestell- und lieferbar. Was man nicht von jedem E-Book sagen kann.
Nun stellte sich aber heraus, daß das mit der Lieberbarkeit so eine Sache ist. Zwar produzieren sie die Dinger, aber die gehen weg wie nix, kaum kommt eine Lieferung rein, ist sie ausverkauft. E-Book-Reader scheinen der Renner zu werden, so wie die die wegkaufen. Nun ist es eben über wundersame Wege dann doch ein Hanvon N518 geworden. Er scheint mir ziemlich bauähnlich zu sein, etwas wertigeres Design, dazu ein Griffel mit berührungsempfindlichem Bildschirm. Und ich bin mir nicht sicher, ober der N516 auch Mikro und Lautsprecher des N518 haben, jedenfalls kann der N518 auch MP3 usw. abspielen und (viel wichtiger) als Aufnahme-/Diktiergerät dienen.
Kurz gesagt: Ich bin richtig begeistert. Das Ding ist toll. Jetzt muß ich nur noch herausfinden, wozu es gut sein könnte.
Jedenfalls macht es einen guten Eindruck. Auch wenn bei dem Bildschirm schwarz nicht schwarz sondern nur dunkelgrau ist. Es scheint schneller als andere E-Book-Reader zu sein, die ich schon in der Hand hatte. Aber das kann täuschen. Denn es scheint so zu sein, daß die Geschwindigkeit auf Kosten eines ordentlichen Refreshs gingen. Blättert man um, sieht man das, was auf der vorhergehenden Seite noch schwarz war, als eine Art weißen Schatten. Das ist aber kein Problem des Bildschirms, denn ein Druck auf die Refresh-Taste bringt das sofort in beste Ordnung; ein solcher Refresh dauert aber länger als ein Seitenumblättern. Also scheint man das etwas zu flott anzugehen, und hat wohl deshalb eine Refresh-Taste angebracht. Generell machen diese speziellen Displays aber einen guten Eindruck und sind dem Papier ähnlicher als dem Notebook-Display, wenn auch der Kontrast noch nicht optimal ist.
Weil ich das Gerät erst vorgestern abend bekommen habe, als ich gerade am Packen für eine Dienst- und Konferenzreise war, hab ich das Gerät einfach mal unbesehen eingesteckt um das dann am nächsten Morgen im Flieger zu testen.
Zuerst mal hatte ich damit Ärger an der Sicherheitskontrolle (und wieder eine heitere Episode der nie enden wollenden Serie Ich und die Flughafensicherheit…) Ich hatte in meinem Computer-Rucksack eigentlich genau den gleichen Krempel, den ich auf solchen Reisen immer dabei habe (und den Notebook wie immer rausgenommen und in eine separate Schüssel getan), zusätzlich den Reader. Aber diesmal hat der Scanner wohl richtig Alarm ausgelöst. Vielleicht hat die Software feste Patterns um Gegenstände zu erkennen und hat Alarm gegeben, weil sie das Ding nicht erkannt hat (sowas hatte ich schon mal mit einer Dose mit Filtern und Sonnenblenden für die Fotoausrüstung). Jedenfalls haben sie meinen Rucksack sofort mit ungewöhnlich scharfem Tonfall zur Untersuchung herausgezogen, für den Notebook mit ungewöhnlicher Schärfe eine Schnüffeluntersuchung angeordnet. Erst haben sie mir die Kamera (Taschenknipse) rausgenommen und wollten ein bewegtes Livebild des Flughafens sehen (anscheinend befürchten sie, daß Leute mit Kameraatrappen oder ohne die Aufnahmeoptik als Bombengehäuse eingeschmuggelt werden), dann haben sie eine kleine, etwas seltsam aussehende Taschenlampe (LED-Lampe, 3,50 euro bei Aldi) mißtrauisch und eingehend beäugt und reagierten sehr gereizt als ich mit schicksals-tod-ernstem katastrophenträchtigtem Tonfall verkündete „Es ist eine Taschenlampe.“ Als sie dann endlich den Reader im Rucksack entdeckten, haben sie in triumphierend hochgehalten, dann nochmal separat geröntgt und zu dritt am Monitor diskutiert.
Im Flugzeug habe ich ihn dann ausprobiert. Die Größe ist voll Flugzeugtischkompatibel. Und der Angeberfaktor hoch. Rings um mich lauter Business-Leute (naja gut, war ich auch, nur eben mal nicht mit Krawatte), und allesamt entweder mit Riesen-Notebook (die nicht auf Flugzeugtische passen) oder mit Apple iPhone, mindestens 4 Stück in meiner Umgebung. Und dann alle Stielaugen bekommen, als ich mit dem Reader dasitze. Strike!
Glücklicherweise wird der Reader auch nicht „leer” ausgeliefert, sondern hat eine Sammlung englischer Bücher auf der Karte (allerdings überwiegend wertloser uninteressanter Kram mit abgelaufenen Urheberrechten). Also sitze ich im Flieger und lese „Aladdin and the Wonderful Lamp“. Eigentlich gut. Nur daß ich den vermeintlichen Vorteil nicht nutzen konnte, denn bei einem Flug von München nach Berlin besteht die zweite Hälfte des Flugs aus Landeanflug mit der Durchsage, daß man die elektronischen Geräte ausschalten möge.
Wie ich also so dasitze und Aladdin lese, kommt die Stew… die Saf… die Flugbegleiterin und weist mich höflich aber sehr bestimmt an, das Gerät auszuschalten. Ich sage ihr, daß das Gerät aus ist und lese weiter. Kein guter Ansatz. Sie sagt noch einmal und mit Nachdruck, daß ich das Gerät ausmachen soll. Ich antworte, daß es aus ist, und daß das eine neue Bildschirmtechnik sei, die auch im ausgeschalteten Zustand lesbar bleibt und das Gerät deshalb trotz Anzeige aus ist. Sie fordert mich erneut mit noch mehr Nachdruck auf, das Gerät auszuschalten. Es ist aus, ausser geht’s nicht! Vergeblich. Sie ist erst zufrieden, als ich den Lederdeckel zuklappe und das Gerät in die Ablage des Vordersitzes stecke. Als ob das Zuklappen des Deckels und das Wegstecken irgendetwas am Betriebszustand ändern würde. Aber im Prinzip hat sie schon irgendwo recht, denn wenn man liest, blättert man auch, und blättern ist eben doch ein eingeschaltetes Gerät, und damit Hochfrequenzabstrahlung (auch wenn ihr das offensichtlich nicht bewußt war, sie wollte nur, daß das elektronische Ding irgendwie weg ist). Das heißt aber ganz klar, daß der Reader im Flug wesentliche Nachteile gegenüber einer Papierzeitung hat.
Problematisch ist die Größe. Einerseits paßt es gerade noch so in die Innentasche meiner Jacke. Das ist von Vorteil. Andererseits ist das Display zum entspannten Lesen objektiv zu klein. Spezielle E-Book-Formate mit Fließtext wie epub kann man passabel anzeigen, solange man linear liest und nur umblättert. Hypertext-artig vor- und zurückspringen scheint nicht möglich zu sein.
Und die Anzeige von PDF-Dateien im A4-format ist nur ein Notbehelf. Vollanzeige der Seite ist nicht lesbar. Den Reader auf Querformat zu stellen, lindert etwas. PDFs mit zweispaltigem Text kann man ordentlich vergrößern und lesen, dann tippt man sich aber zur Verschiebung des Textfensters einen Wolf. Nicht so doll. Eigentlich müßten die Dinger mindestens A5 groß sein.
Ich will unbedingt mal ausprobieren, was man alles ordentlich da drauf ziehen kann: Mailboxen, RSS-Feeds, Liedertexte mit Akkorden usw. sind alles Sachen, die ich mal versuchen werde.
Außerdem lenkt das Ding ab. Zweimal schon bin ich in der U-Bahn zu weit gefahren, weil ich so in das Ding vertieft war, daß ich nicht gemerkt habe, daß ich an der Zielstation war und hätte aussteigen sollen.
Und dann bin ich noch auf einen Nutzen gestoßen, an den ich vorher gar nicht gedacht hatte: Das Ding ist unterwegs ein (Behelfs-)Ersatz für den Drucker.
Wer schleppt schon einen Drucker und Papier auf einen Konferenzbesuch mit? Nun schickt aber der Veranstalter noch eine neue Version der Agenda per E-Mail/PDF herum. Oder man sucht sich im Internet noch irgendwas, was abens in der Stadt los ist. Wie kriegt man das nun auf Papier? Schließlich kann man nicht mit dem Notebook in der Stadt rumlaufen und den ständig ein- und ausschalten, nur um mal nachzusehen, wie die Straße hieß oder wann es nach der Pause weitergeht. Und plötzlich hat man doch etwas, um – im Prinzip – etwas „auf Papier auszudrucken”.
Ich glaube, die Dinger werden in Zukunft richtig wichtig. Besonders dann, wenn man sich unterwegs mal schnell ne neue Tageszeitung draufladen können wird. Und wenn das Display größer, kontrastschärfer (und vielleicht farbig) ist. Größeres Display heißt nicht automatisch auch größeres Gehäuse, es ist noch Platz. Man spart Schlepperei, kann leichter aktualisieren usw. und es hätte Vorteile, wenn sich das allgemein etabliert. Plötzlich werden auch Klein- und Kleinstauflagen möglich, das Angebot wird sich verbreitern. Etwas, was das Buch so nicht leisten kann.
Vorlesungsskripten oder Bücher in Entstehung werden plötzlich viel besser zugänglich, alternative Vertriebswege kommen dazu. Allerdings könnte es sein, daß der Buchhandel zwischendrin komplett eingespart wird.
Es gibt noch viel zu erforschen, Ideen zu haben, Software zu entwickeln, was man auf so ein Ding packen kann. Nun hab ich ja eins.
6 Kommentare (RSS-Feed)
Völlig anderes Display, funktioniert auch bei hellem Licht, strengt die Augen viel weniger an, muß nicht booten, paßt in die Jackentasche, ist viel kleiner und leichter,
Mir ist bekannt, dass das Display aus “e-ink” besteht. Deswegen sehen Fotos darauf besonders toll aus 🙂
Würden die Net/Notebookhersteller eine transflektive Schicht hinters Display legen, bräuchte man die Beleuchtung viel seltener (siehe OLPC). Je heller die Sonne schiene, desto besser.
Zum Booten schrieb ich: suspend2ram.
Allerdings müssen Netbooks beim Jackentaschenformat passen. Wollte nicht Intel so eine tolle Sorte Geräte_für_Internet_überall in Jackentaschengröße einführen? 2-3 Stück sollen über längere Zeit verteilt aufgetaucht sein – nur fällt mir der Name der Geräteklasse nicht ein.
Mein kleiner (9 Jahre) hat vor ein parr Tagen auf der aktuellen ct das Titelbild (ebook-reader) gesehen und mich gefragt was das ist. Nachdem ich ihm erklärt habe was das Ding ist und was man damit machen kann, war sein erster Kommentar:
Das Ding ist doch total blöd. Man hat nur eine kleine Seite, wenn die Batterien gerade alle sind, kann man kein Buch mehr lesen, und wenn es naß wird, gibt es eine Kurzschluß und das Buch ist kaputt. Nachdem er heute durch Zufall erfahren hat, was DRM ist und was man damit machen kann (z.B. Bücher nachträglich wieder sperren/löschen), war das Zeug für ihn gleich ganz gestorben, obwohl er eher technikaffin ist.
Ich denke, er hat recht gut zusammengefaßt, womit sich die Ebook-Reader noch lange werden herumschlagen müssen.
Daran sieht man, daß er noch keinen eBook-Reader hatte. Sonst wären ihm noch mehr Probleme eingefallen.
Diesen Beitrag hatte ich RSS-Reader als ungelesen markiert belassen, weil ich etwas dazu schreiben wollte, wenn ich die Zeit habe…
Heut hab ichs endlich geschafft und fast wortgleich auch in einem anderen Blog gepostet. (http://www.netzfundbuero.de/2009/11/10/wie-die-zeitungsbranche-ihr-debut-auf-amazons-kindle-versemmelt/)
Möglicherweise bin ich der einzige, der sich das fragt, aber: Welchen Vorteil hat ein eBook-Reader gegenüber einem Netbook?
Als einziges fällt mir die lange Akkulaufzeit ein.
Aufwecken aus Suspend2ram dauert bei einem Netbook nur wenige Sekunden (kein langwieriger Bootvorgang)
Mit einem Netbook kann man unbeschränkt im Netz surfen (geeigneter Tarif vorausgesetzt), man ist nicht auf wenige Internet-Seiten und vorsortierte Angebote beschränkt.
Man kann Onlinetexte von überallher lesen, zum Beispiel bei Projekt Gutenberg oder in der Adelaider Universitäts-Bibliothek. PDFs und Formate jeglicher Couleur sind kein Problem.
Dass eBooks nicht (oder selten) in nicht-proprietären Formaten verkauft werden, liegt nicht am Gerät, sondern an den Inhalteverkäufern.
Möglicherweise wird es in ein paar Jahren auf dem Buchmarkt so aussehen wie jetzt bei den Filmen: Wer das Original kauft (DVD), muss mit Verschlüsselung, Rootkits und anderen Systemmanipulationen und dem Copyright-blah-Vorspann leben – möglicherweise läuft die DVD auch gar nicht. Wer sich den Film herunterlädt, kann ihn ohne Probleme anschauen.
Zu guter Letzt denke ich mit Grausen an die Aktion, bei der Amazon “1984” und ein paar andere Bücher vom Kindle gelöscht hat. Da weiß man, was man (nicht) hat!
Natürlich hat Amazon gesagt: “Hups sorry, schlecht überlegt und reagiert, wir machen das nicht wieder.”…
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Amazon-loescht-gekaufte-Kindle-eBooks-6887.html und
http://www.heise.de/ct/meldung/Amazon-zahlt-150-000-US-Dollar-wegen-Loeschung-von-E-Books-807776.html
Zynisch könnte man die zweite Meldung so zusammenfassen:
“Jetzt löschen wir nur noch, wenn wir […] [wollen] oder […] [müssen].”
Nicht als letztes bekommt man für das selbe Geld (~300 EUR) mit einem Netbook ein recht universell einsetzbares Gerät, zu dem ich nicht ein zweites genau so teures nur zum Bücherlesen anschaffen möchte.