Softwarelizenzproblem der Woche
Ich habe ja schon viele absurde Fälle von Softwarelizenzproblemen erlebt oder davon gehört. Aber das sprengt alles.
In der neuesten Ausgabe des Rotorblatt (Fachzeitschrift für Helikopter) habe ich eine Meldung über folgendes entdeckt:
Die britische Armee in Afghanistan wäre dringend auf die Unterstützung durch große Helikopter vom Typ CH-47 Chinook angewiesen. Das sind diese ganz großen Dinger mit den zwei riesigen, gleich großen Rotoren. Solche haben sie auch, ganz moderne. Nur stehen die seit acht Jahren in Großbritannien am Boden und können nicht fliegen.
Der Grund sei, so Rotorblatt, laut Times, daß die britischen Behörden Geld sparen wollten und nur die „Hardware” der Helikopter bestellten und die Software dafür selbst schreiben wollten. Laut britischem Verteidigungsministerium habe man bei der Bestellung vergessen, die erforderlichen Zugangscodes für die Software bei Boeing mitzubestellen, den man aber für die Tests der Helikopter nach den Sicherheitsstandards gebraucht hätte. Boeing hätte die dann nicht mehr rausgerückt. Inzwischen hätten die Streitkräfte es aufgegeben, eigene Software schreiben zu wollen und die Helis auf den Stand eines älteren Chinook-Modells gebracht, damit die im nächsten Jahr endlich eingesetzt werden können. Die kaufen also ganz moderne Super-Hubschrauber und downgraden sie dann auf alt durch Einsatz alter Firmware.
Irgendwie weigert sich mein Verstand, sowas zu akzeptieren. Da sitzt man in einem riesig großen Kriegsgerät, das viele zig Millionen Euro kostet, soll dann vermutlich erst mal die Betriebssystem-CD ins Laufwerk einlegen, und dann geht’s nicht, weil irgendein Rindvieh die Lizenzcodes vergessen hat zu bestellen. Als würde man in einem Flugzeug fliegen, das unter Windows Vista läuft.
Noch etwas heikler liest es sich im Original bei der Times: Die meinten, sie könnten die Software besser selbst schreiben, aber Boeing hat sie gewarnt. Das sei nicht ganz so einfach (würde ich jetzt auch mal vermuten). Etwas später kam das Verteidigungsministerium dann auf den Trichter, das Boeing Recht gehabt hat und sie das wirklich nicht hinkriegen. Nur sei Boeing dann beleidigt gewesen und habe die Lizenzen nicht mehr nachträglich separat verkauft (wobei ich Boeing sogar in gewisser Weise verstehen kann…).
Was bin ich froh, daß ich gerade nicht mit einem Boeing-Helikopter in Afghanistan rumfliege. Stellt Euch vor, man fliegt da rum, wird von den Taliban beschossen und im wichtigsten Augenblick ist gerade die Lizenz abgelaufen. Da müssten sie ja schon wieder einen selbst zerstören.
(Wann gibt’s eigentlich ein OpenChinook-Projekt, das Linux auf Helis portiert und die Navigation mit Google Maps oder OpenStreetMap macht?)
4 Kommentare (RSS-Feed)
Möglicherweise kann man ja ein paar chinooks günstig von den Briten erstehen. Wenn die bei denen doch nur einfach so ‘rumstehen, kosten die denen ja nur Geld für die Instandhaltung. Vielleicht geben die diese ja für einen symbolischen Preis von 1€ ab. Oder man schaut mal bei ebay rein.
Wenn der Hubschrauber mit Linux liefe und zur Navigation GoogleMaps oder OpenStreetMap benutzte, würde ich ihn dennoch lieber am Boden stehen lassen.
Das war eigentlich auch nicht ernst sondern als Anspielung auf amerikanische Lizenzpraktiken gemeint…
> (Wann gibt’s eigentlich ein OpenChinook-Projekt, das Linux auf Helis portiert und die Navigation mit Google Maps oder OpenStreetMap macht?)
Wäre die Hardware bezahlbar, dann wäre das doch längst passiert. 🙂
Liest man von den 150 Mio. Euro für Softwarelizenzkosten für Tollcollect (pro Jahr, versteht sich) fällt einem aber auch nichts mehr ein.