Sonntags bleiben die Läden zu
Das Bundesverfassungsgericht hat es für verfassungswidrig erklärt, daß sonntags die Geschäfts geöffnet sein dürften. Die Kirchen haben geklagt. Und ich wundere mich.
Die Richter meinen, daß der Sonntag ein Tag der Ruhe und Zertreuung sein müße, es müsse einfach ein Tag zum Entspannen, zum Zusammensein mit der Familie da sein. Und auch die religiöse Komponente sei geschützt, der Mensch müsse Zeit und Gelegenheit zur Verrichtung seiner Religiosität finden. Und die Kirchen jubilieren.
Wunderbar. Hört sich richtig gut. Ist aber nicht gut. Es ist scheinheilig.
Schließlich erwartet man auch von Polizei, Feuerwehr, Krankenschwestern, Bus- und Taxifahrern, Lokführern, Piloten, Strom-, Wasser-, Wärmeversorgung, Restaurants, Telefon- und Internetprovidern, Rechenzentren und Webseitenprovidern, Google und eBay, Fersehen und Radio, daß sie alle am Adventssonntag funktionieren. Denen gesteht man dieses Recht nicht ein.
Aber der Verkäufer, der muß am Sonntag Ruhe finden können. Wieviel Prozent der Bevölkerung sind denn Verkäufer und gelangen so in diesen Schutz? Oder ist das eine besonders schützenswerte Sorte Mensch?
Ich kann mich noch an eine Radiosendung erinnern, die damals auf SWF3 (!) kam, als man den langen Donnerstag einführte, also die Läden donnerstags bis 20.30 öffnen durften. Muß so größenordnungsmäßig 20 Jahre her sein, da war ich noch in den frühen Semestern. Der Donnerstag vor dem ersten langen Donnerstag, so abends gegen Acht. Der Moderator fragte, wie man denn das so fände, wenn man jetzt um diese Zeit einkaufen können werde. Da rief einer an und hieß in Teufel und Hölle, regte sich fürchterlich auf, wie schlimm das wäre. Der Moderator meinte irgendwie sowas, daß er das jetzt nicht so schlimm fände. Ja, tobte der Anrufer weiter, der Moderator könnte sich ja gar nicht vorstellen wie belastend das wäre, wenn man Donnerstag abends arbeiten müßte (es war eben genau Donnerstag abend).
Der Moderator fragte angesäuert zurück, was der denn glaube, was er hier gerade mache, ob der da zum Spaß im Studio säße. Dem anderen fiel nichts mehr ein, soweit hatte der gar nicht gedacht. Das ist mir deutlich im Gedächtnis geblieben.
Es ist aber ein schönes Beispiel, wie eine einzelne Berufsgruppe durch Geschrei und Theater Vorteile bekommt/erhält, die anderen nicht zustehen.
10 Kommentare (RSS-Feed)
Du verstehst das gaaaaanz falsch.
Es soll nicht verhindert werden, dass noch mehr Menschen am Sonntag arbeiten. Es soll erreicht werden, dass all die Konsumenten, die am Sonntag einkaufen gehen würden zu hause bleiben und sich vom Konsumstreß der Woche in der heimeligen Atmosphäre der Familie erholen.
Darum ist es ja auch erlaubt, wenn ohnehin eine besondere Veranstaltung am Sonntag stattfindet und die Leute dahin gehen um zu konsumieren, dass dann auch die Geschäfte öffnen, denn dann ist es ja eh schon egal.
Es geht also nicht um “nicht verkaufen” sondern um “nicht konsumieren”.
🙂
Zwei Kommentare, sauber getrennt:
1. Das mit Trennung von Religion und Staat haben wir in Deutschland noch nicht so richtig hinbekommen. Traurig, aber sonst gaeb’s die Diskussion gar nicht.
2. Hier in England, wo ich derzeit wohne, sind viele Laeden 24h geoeffnet (die machen dann meist Samstags gegen 22-24h dicht, und Sonntags gegen 20h, also nicht *ganz* 24/7). Ziemlich beliebt ist das bei Studenten, die dann eher die Spaetschichten arbeiten, und dank Wochenends- und Nachtzuschlaegen auf einen vergleichsweise guten Stundenlohn kommen.
Die Aussage “Das Bundesverfassungsgericht hat es für verfassungswidrig erklärt, daß sonntags die Geschäfts geöffnet sein dürften.” ist so nicht richtig. Es ging um die Berliner Regelung, die u.a. an allen 4 Adventssonntagen die Öffnung gestattet. Laut Bundesverfassungsgericht sei die Regelung verfassungswidrig, weil durch die Öffnung an 4 Sonntagen hintereinander die “seelische Erhebung” nicht mehr in ausreichendem Maße erreicht werden kann. Leider sieht das Bundesverfassungsgericht shoppen nicht als seelische Erhebung. Trotzdem ist die Öffnung an einzelnen Sonntagen mit ausreichend Abstand zueinander wohl möglich – wenn auch nur Nachmittags. Was ich interessant finde: Das Grundgesetz garantiert die seelische Erhebung nur indirekt indem es auf die Weimarer Reichsverfassung verweist – soviel ich weiß von 1919. Autsch. Unter seelischer Erhebung wurde 1919 sicher hauptsächliche (nur?) Ausübung von Religion verstanden – das Bundesverfassungsgericht erkennt aber an, dass man sich auch anderweitig seelisch erheben kann – eben halt nur nicht durch shoppen. Mir wären liberale Öffnungszeiten auch lieber, vor allem weil bei der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht auch erwähnt wurde, dass die Verkäufer keineswegs nur dagegen sind – im Gegenteil – viele würden sogar gerne Sonntag arbeiten, alleine wegen dem Sonntagszuschlag.
Komisch, meine “seelische Erhebung” hat die noch nie interessiert…
Wieso – hattest du Sonntag einen Gerichtstermin? 🙂
Nein, aber welche Arbeitslast mir die Korruptionsvorgänge in Karlsruhe und die seltsamen Vorgänge in Zusammenhang mit dem BVerfG – auch an Abenden, Wochenenden, Feiertagen – schon bereitet haben, interessiert die nicht. Wer zu Hause das Wochenende durcharbeitet, den sieht man halt nicht.
Hab’ ich was verpasst – seltsame Vorgänge mit dem Bundesverfassungsgericht?!
Du hast es nicht verpaßt – es ist noch nicht geschrieben.
10.12.2009 13:33
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[…] Weitere interessante Meinungen findet ihr bei danisch.de […]
Ja, ich kann mich an damals auch erinnern.
Aber zum Thema: Mit dem gleichen Argument könnte man genauso den Samstag und den Freitag arbeitsfrei machen. Warum? Wenn die religiöse Erbauung wichtig ist und wir hierzulande Religionsfreiheit haben, sollten man doch die Juden und Moslems nicht benachteiligen. Und für die anderen Tage finden wir sicher auch noch genügend Religionen, zur Not könnte man ja mit dem fliegenden Spaghettimonster mal reden.
Oder wir führen ein, daß dieses Arbeitsverbot für alle Berufsgruppen gilt.
Dabei sind natürlich die Kirchen scheinheilig. Sie verlangen zwar, daß der Sonntag arbeitsfrei sein soll, aber wer muß denn Sonntags dastehen und Gottesdienst abhalten? Oder für die letzten Weihen sorgen? Die eigenen Mitarbeiter. Oder zählen diese Tätigkeiten nicht als “Arbeit”.
IMHO sollte man den Leuten keine Vorschriften machen, wann sie arbeiten dürfen und wann nicht. Es sollte nur gesetzlich geregelt werden, wieviel Arbeitnehmer maximal pro Woche arbeiten dürfen (z.B. 40h mit kurzzeitigen Ausnahmen bis 60h) um zu vermeiden, das Arbeitgeber das Abhängigkeitsverhältnis ausnutzen. Dazu feste Zuschläge für Arbeitszeiten außerhalb von 6.00 bis 18.00 und für Samstags/Sonntags. Ich kenne keinen, insbesondere Selbständige, die ein Problem mit Nacht- oder Sonntagsarbeit hätten.