Das Bundesverfassungsgericht und die Vorratsdatenspeicherung
Ein paar kritische Anmerkungen meinerseits. (Ausschließlich meine ganz persönliche und private Meinung.)
Ich hatte leider keine Zeit, zur gestrigen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zu fahren (und meine Karlsruher Wohnung habe ich nicht mehr). Bisher stammen meine Informationsfetzen nur aus dem, was in der Presse, in Blogs, in Twitter usw. so geschrieben wurde. (Quellen u.a. Telepolis, Netzpolitik, SPIEGEL, Twitter, AK-Daten, … ). Hoffentlich kommt bald das Verhandlungsprotokoll heraus.
Ich werde mich an dieser Stelle meiner Meinung über die Vorratsdatenspeicherung weitgehend enthalten, denn ich will hier nicht über die Vorratsdatenspeicherung, sondern über den Umgang damit, über die Argumentationsweise und die Meinungsmache schreiben. Denn vor dem, was ich das so lese, sowohl was angeblich in der Verhandlung gesagt wurde, als auch die Weise, in der darüber geschrieben wird, graust es mir. Auch wenn es so aussieht, will ich hier nicht für oder gegen Vorratsdatenspeicherung argumentieren, sondern sondern die Art und Weise der Argumentation kritisieren.
Ich habe immer stärker den Eindruck, daß wir in einer Gesellschaft leben, in der das rationale Argument, die inhaltliche Überzeugung, der vernünftige Gedankengang überhaupt keine Rolle mehr spielen und es nur noch darum geht, auf der emotionalen Schiene Meinungen zu machen und durchzuprügeln. Erschreckend daran ist für mich, daß man solches bisher immer nur der politisch unterwanderten Presse und den Medientycoonen unterstellt hat, aber so diese ganze alternative Szene, der OpenSource-Bereich, die Blogosphere usw. immer als objektiv ausgewogenen unkommerziellen erlichen Mittelwert hinstellt. Das kann man spätestens hier nicht mehr sagen. Was ich hier bisher so alles gelesen habe, ist extrem gefärbt, und oft übelste Meinungsmache. Man findet immer wieder so ein ganz einfaches Grundschema: Was meinen Interessen dient, ist gut, richtig, toll, was ihnen widerspricht, muß falsch, dumm, lächerlich sein. Eine objektive Abwägung findet nicht mehr statt. Intellektuell sind wir fast wieder im Mittelalter angekommen, wo man den Leuten auch nichts wissenschaftlich erzählte, sondern mit Teufeln und Hölle und Hexen und Zauberei einfach Angst machte. Es wird immer gerne so hingestellt, als hätten wir da inzwischen eine dezentrale Informationsstruktur, die der zentralen Meinungsmache einen Gegenpol gegenüberstellt.
Das stimmt überhaupt nicht. Ich habe inzwischen den Eindruck, daß sich da etwas kaum weniger gefährliches herausbildet, was man vielleicht am ehesten als selbstverstärkendes Schwarmverhalten beschreiben kann. Jeder hat schonmal die wundersamen Bewegungen gesehen, mit denen sich Vogel- oder Fischschwärme sagenhaft gleichartig bewegen, obwohl jeder Teilnehmer nur ein ganz primitives Steuerprogramm abfährt, nämlich sich an seinen Nachbarn zu orientieren. Ich glaube, daß da mit den Blogs und Twitters und wie sie alle heißen gerade etwas ähnliches passiert. Eine Art dezentralisierte Political Correctness. Da werden Meinungsströmungen von ungeheurer Gewalt gebildet, die sich selbst für (allein-)richtig erklären. Und ich sehe immer mehr Leute, die das systematisch und organisiert ausnutzen. Namentlich beim Chaos Computer Club habe ich zunehmend den Eindruck, daß die sich (so ein Effekt wie bei den 68ern) von den ursprünglichen Revoluzzern zur Meinungsindustrie wandeln. Andauernd und überall tauchen die auf, stecken die drin. Aber was sie sagen, wird immer flacher, immer substanzloser, immer standardisierter, immer stärker auf Massenbekömmlichkeit und Meinungsmache gewürzt – und eigentlich sagen sie immer nur das gleiche, egal was sie gefragt werden. Aus meiner Sicht unterscheiden sich die Argumentationsmethoden immer weniger von denen derer, als deren Gegner sie sich selbst darstellen.
- Was mir immer wieder auffällt ist die extreme Einseitigkeit und Egozentrik, mit der das Thema angegangen wird. Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung veranstalten ein Tohuwabohu und treten in Massenstärke an. Gut, dürfen sie. Eine Gegenseite wurde aber nicht geladen und nicht angehört. Denn immerhin werden mit der Vorratsdatenspeicherung auch viele Straftaten, auch Verbrechen aufgeklärt. Die Opfer, die Geschädigten, die durch Aufklärung zukünftig Geschützten werden hier überhaupt nicht gehört, nicht geladen. Und gerade im Umfeld der VDS-Gegner habe ich dazu immer wieder diesselbe dümmlich-polemische Reaktion erlebt, wenn man sie auf die Straftaten hinweist: Ja, ja, das sei das typische Terrorismus-Argument. Es wird gerne verballhornt und lächerlich gemacht, aber eine sachliche Auseinandersetzung habe ich damit noch nirgends gesehen.
In irgendeiner der Quellen habe ich gelesen, daß eine der angehörten Personen gesagt hätte, daß man die Befürworter bzw. die, die von der Vorratsdatensspeicherung oder deren Abschreckungswirkung in Bezug auf Kriminalität profitieren, nicht geladen hätte. Das ist genau der springende Punkt.
Die ganze Diskussion beruht auf emotionaler Einseitigkeit. Wir wollen das nicht, also erwarten wir vom Rest der Republik, sich eine Klasse von Straftaten schutzlos gefallen zu lassen. Weil sich die, die dagegen sind, derzeit stärker individuell konkretisieren als die anderen, aber deshalb noch lange nicht mehr sind. Wenn man das aber liest, wie die Gegner argumentieren, dann sind das alles weitgehend egozentrische und einseitige Sichtweisen. Noch nie habe ich irgendwo gelesen, daß sich irgendwer damit auseinandergesetzt hätte, welche Straftaten durch Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt oder verhindert werden. Alle schreien, es wäre unverhältnismäßig, aber keiner prüft die Verhältnismäßigkeit.
Von einigen derer, die hier als Gegner auftreten, müßte man erwarten, daß sie wissen, daß es heute eigentlich keine sicheren und allgemeinverfügbaren Systeme gibt, und daß die Wartung von Rechnern eine ziemlich zeitintensive Angelegenheit ist. Ohne Vorratsdatenspeicherung geben wir quasi alle Rechner, die wir haben, zum Abschuß frei. Und das könnte gewaltige Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit usw. haben. Irgendwann kommen dieselben Leute, die heute gegen Vorratsdatenspeicherung sind, und behaupten, der Staat würde unliebsame Blogs usw. einfach abschießen und sich hinter dynamischen IP-Adressen verstecken. Wir haben gerade den Fall, daß man in Italien Berlusconi-feindliche Webseiten sperren lassen will. Schon mal drüber nachgedacht, was passiert, wenn man eben keine Vorratsdatenspeicherung mehr hat? Dann könnten beispielsweise die Anhänger einer Partei oder Person gegensätzliche Meinungen durch Angriffe runtermachen, und keiner weiß hinterher, wer es war. Oder Marketing-Firmen könnten die Blogs, Wikipedia usw. mit Kommentaren, Änderungen usw. ihrer Auftraggeber manipulieren, und keiner kann es rückverfolgen.
Die Vorratsdatenspeicherung sei eine Sicherheitslücke wurde gesagt. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Ob aber das Fehlen einer Vorratsdatenspeicherung nicht auch eine große Sicherheitslücke wäre, nur eben eine andere, die man gegeneinander abwägen müßte, wurde nicht betrachtet. Immerhin müßte man berücksichtigen, daß die Vorratsdatenspeicherung Leben retten kann und dies auch tatsächlich tut, während ich jedenfalls vom Fehlen einer Vorratsdatenspeicherung nicht wüßte, wie das konkret Leben retten könnte. In den Twitter-Meldungen war zu lesen, daß irgendwo ein Amok-Läufer nur dadurch vom Amoklauf abgebracht werden konnte, daß es unbeobachtete Kommunikation gegeben hätte. Ich halte sowas für ziemlichen Quark. Erstens wird die Internet-Kommunikation sowieso nicht beobachtet, zweitens ist das völlig an den Haaren herbeigezogen und nicht nachprüfbar. Als ob ein Amokläufer sich nur wegen fehlender Vorratsdatenspeicherung abbringen liese. Ich weiß aus dem Stand von mehr Amokläufen, erweiterten Suiziden und anderen Anschlägen, die durch Vorratsdatenspeicherung verhindert wurden. Betrachtet aber keiner. Das erinnert mich so an die Argumentation, die man damals gegen die Anschnallpflicht im Auto vorgebracht hat, wo es hieß, daß irgendwo mal einer schneller aus dem brennenden Auto gekommen wäre, weil er nicht angeschnallt war.
Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten für und gegen die Vorratsdatenspeicherung oder ihre derzeitige Form. Noch nirgends hätte ich gelesen, daß sich irgendwer mit den Gründen dafür systematisch auseinandergesetzt hätte. Das ist alles ideologisch indoktriniert: Wir sind dagegen. Also brauchen wir keine Gründe dagegen, und Gründe dafür kann es gleich gar nicht geben.
Immer wieder wird geschrieben, wieviele Beschwerdeführer es gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt. Jemand, der dafür wäre, hat überhaupt keine Chance, Verfassungsbeschwerde zu erheben und gehört zu werden. Derzeit ist er nicht beschwert, denn es gibt sie ja. Und wenn das Verfassungsgericht sie aufhebt, ist das Gericht selbst daran gebunden und kann nicht mehr anders entscheiden oder Verfassungsbeschwerden gegen das Fehlen einer Vorratsdatenspeicherung annehmen.
Das ganze Trara beruht darauf, daß man nur die Gegner anhört.
Und daß ich mir hier wie ein Befürworter der VDS anhöre liegt daran, daß man die Befürworter ja kaum geladen hatte (bzw. die Regierung laut Berichten wohl keinen geschickt hat, der was sagen konnte), und ich deshalb hier auch keine Pro-Argumente auseinandernehmen könnte.
- Es wird immer wieder vorgebracht, daß der Staat den Bürger überwachen würde. Das ist in gewisser Weise zutreffend. In anderer Weise aber auch nicht. Denn der Staat betreibt nicht die Vorratsdatenspeicherung, sondern erhält nur die Daten, nach denen er fragt. Man müßte sich also mal das Abfrageverfahren näher ansehen. Ich könnte mich nicht erinnern gelesen zu haben, daß sich jemals jemand damit näher befasst hätte.
- Bisher habe ich auch nicht gesehen daß sich irgendwer mit den Konsequenzen auseinandergesetzt hätte, die ein Obsiegen vor dem Bundesverfassungsgericht haben würde. Da sind so Gutmenschen unterwegs, die fest davon überzeugt sind, daß das, was sie tun, uneingeschränkt gut sein müßte.
Der Knackpunkt ist aber gar nicht so sehr die Vorratsdatenspeicherung, sondern das Fehlen eines Rechts auf anonyme Kommunikation. Im Internet-Bereich werden in der Vorratsdatenspeicherung die Zuordnungen der IP-Adressen zu den Benutzern gespeichert. (Die abgerufenen Webseiten eigentlich nicht, das will ich aber nicht mit letzter Sicherheit sagen, weil manche Provider transparente Zwangsproxies einsetzen, von denen ich nicht weiß, was die mitloggen. Das wäre aber nicht Bestandteil der VDS.)
Jedenfalls ist die VDS im Internet-Bereich das Gegenstück zur Vergabe dynamischer IP-Adressen. Mehr als die Frage “Wer hatte die IP-Adresse x im Zeitpunkt y” wird aus der VDS zum Bereich Internet eigentlich nicht beantwortet. Nur: Es gibt keinen Anspruch auf die Vergabe dynamischer IP-Adressen.
Die dynamische Zuordnung dynamischer IP-Adressen ist eigentlich eher ein Relikt früherer Zeiten. Als Internet noch teuer war und Leute sich mit Modems nur zeitweise einwählten, konnte der Provider Geld sparen, indem er weniger IP-Adressen einkaufte als er Kunden hat. Dynamische IP-Adressen sind nicht aus Datenschutz- oder Grundrechtsgründen eingeführt, sondern aus technischen und betriebswirtschaftlichen Gründen, die nicht oder nicht mehr lange gelten. Wir haben immer mehr Geräte, die dauerhaft im Internet eingeloggt sind. Die weit überwiegende Zahl der Haushalt mit Internet-Anschluß hat inzwischen einen (WLAN-)Router, der angeschaltet bleibt. Handys, iPods, Internet-Radios, Bluray-Player, Internet-Fernsehen usw. wollen alle dauerhaft mit Internet versorgt werden. Der Provider spart immer weniger durch die Vergabe dynamischer IP-Adressen, denn zunehmend verbraucht sowieso jeder Kunde dauerhaft eine Adresse.
Dazu kommt, daß die Adressnot auch irgendwann behoben ist, wenn sich IPv6 in größerem Maßstab durchsetzt.
Wer sagt eigentlich, daß man auch in Zukunft dynamische IP-Adressen bekommt? Oder einem dynamisch IPv6-Ranges zugewiesen werden?
Vielleicht ist die Konsequenz eines Obsiegens vor dem Bundesverfassungsgericht, daß es in Zukunft keine Vorratsdatenspeicherung mehr gibt, aber dann eben auch keine dynamischen IP-Adressen, und daß die IP-Adresse dann ein ganz normales statisches Bestandsdatum ist wie die Telefonnummer. Damit hätte man einen viel gefährlicheren Zustand als jetzt mit Vorratsdatenspeicherung, weil dann nämlich die Zuordnung ohne weiteres jedem bekannt werden und von Adresshändlern mitverhökert werden kann. Wenn einmal bekannt wird, welchen Adressbereich ich habe, dann werden meine IP-Adressen für alle Zeit weltöffentlich Hadmut Danisch gehören. Ich brauche keine Cookies, keine Passworte mehr, weil sowieso gleich jeder weiß, wer ich bin (und wo er mich angreifen kann). Ich werde keine Bank-Seite, keine Autowerbung, keine Katalog mehr ansehen können, ohne daß mir anhand meiner IP-Adresse gleich die für mein Rating, meine Finanzverhältnisse, meine Vorlieben und sonstigen Bestellungen individuelle Webseiten angeboten werden. Nie wieder würden mein Nachbar und ich auf Bankseiten denselben Zinssatz angeboten bekommen. Und der ein oder andere fiele mir ein, der mich nicht mehr auf seine Webseiten schauen ließe.
Wer hätte sich schon mal Gedanken gemacht, ob der Zustand ohne Vorratsdatenspeicherung wirklich besser ist?
Bedenke, worum Du bittest. Es könnte Dir gewährt werden.
- Generell wundere ich mich, wie wenig Sachkunde da an den Tag gelegt wird. Und wen das Bundesverfassungsgericht da so alles als Sachverständige einlädt (obwohl ich in irgendeiner Quelle gelesen habe, daß das BVerfG Wert darauf gelegt hätte, daß es Auskunftspersonen und nicht Sachverständige seien).
Wer sich mit Vorratsdatenspeicherung auskennt, weiß wie sowas funktioniert und abläuft, und auch schon mal Auskunftsersuchen bearbeitet hat, dem würden eine ganze Menge guter und knackiger Argumente einfallen, sowohl dafür, als auch dagegen. Da könnte man in beide Richtungen aus dem Vollen schöpfen. Kommt aber nischt. Kommt nur Gezeter und heiße Luft. Von beiden Seiten.
Anscheinend treten in der ganzen Diskussion (und vermutlich auch in der Verhandlung vor dem BVerfG) nur Leute auf, die alle noch nichts mit der VDS zu tun hatten. Als würden da Leute reden, die nicht so genau wissen, worüber sie reden.
Ich frage mich, warum (zumindest meines Wissens, bitte um Quellenangabe falls doch) bisher noch keine von beiden Seiten sich Gedanken um RFC1918-Adressen gemacht hat. Manche Provider geben den Kunden keine offizielle IP-Adresse, sondern eine „private” Adresse (meist aus dem 10/8-Block), die dann bei Zugriffen in das Internet entweder (HTTP, Port 80) über Zwangsproxies oder über NAT gehen. Was im Ergebnis bedeutet, daß die VDS da eigentlich nicht viel nutzen kann, denn die IP-Adresse, die der Benutzer laut VDS bekommen hat, und die irgendein Server im Internet dann sieht und mitloggt, nicht gleich sind. Es sei denn, man würde jede einzelne TCP/UDP- Verbindung mitloggen, was ja aber nicht erlaubt ist und nicht stattfinden soll. Als Gegner könnte man argumentieren, daß die VDS da nicht funktionieren bzw. nutzen kann, und deshalb nicht verhältnismäßig sein kann. Als Staat hätte man schon längst eine zusätzliche Protokollierung fordern müssen. Nichts von beidem wäre mir bisher bekannt geworden.
- Immer wieder hört man das Argument, daß die wirklich guten, schlauen Kriminellen das ja zu umgehen wüßten.
Ja, und? Muß man nur die Straftaten aufdecken oder verhindern, die von intelligenten und gut geschulten Kriminellen verübt werden? Muß man sich gefallen lassen, von jemandem beispielsweise betrogen zu werden, nur weil der doof ist? Muß man Drogen- und Waffenhandel zulassen, solange die Täter hinreichend einfältig oder ungebildet sind?
- Es wurde viel darüber berichtet (und muß damit wohl als die einprägsamste Argumentation angesehen werden), daß einer einen Speicherchip im Wasserglas zum Runterschlucken vorführte und eine andere eine MicroSD-Karte zeigte. Muß wohl sehr beeindruckend gewesen sein.
Sorry und bei allem Respekt, aber solche Argumentationsweisen halte ich für unseriösen Hokus Pokus, billige Blendeffekte um Laien zu beeindrucken. Eigentlich peinlich.
Ich halte das für grob unsachlich und emotionale Panikmache. Daß eine MicroSD-Karte heute klein ist, ist nicht gerade Expertenwissen und hat mit dem Thema der Vorratsdatenspeicherung auch nichts zu tun. Hauptsache irgendetwas veranstaltet um irgendwie in den Zeitungen erwähnt zu werden und die Laien zu ängstigen.
Sowas kann ich beim besten Willen nicht ernst nehmen oder für argumentativ halten. Solche Taschenspielerrhetorik und Themensprünge macht man, wenn man nichts substantielles zu sagen weiß. Und von Sachkunde über die Vorgänge in der Vorratsdatenspeicherung zeugt es auch nicht. Übrigens eine sehr universitätstypische Argumentationsweise.
Für mich bewegt sich das auf demselben niedrigen Niveau wie die Argumentation mancher Politiker, die alles mit dem Wort „Terrorismus” oder „Die Kinder…” rechtfertigen wollen.
Immerhin: Es zeigt, wie erschreckend unkritisch und schon mit simplem Firlefanz zu beeindrucken viele derer sind, die auf die ein oder andere Weise über diese Anhörung schreiben und sich selbst als Oberschiedsrichter aufspielen – und wie mit Augenpulver die öffentliche Meinung beeinflusst wird.
Und ich habe den Eindruck, daß solche Argumentationsmethoden zunehmend üblich werden.
8 Kommentare (RSS-Feed)
@Jens Kubieziel: Buchhandel, Musikindustrie usw. sind Interessenvertreter, die auch gerne Zugang zur VDS haben wollen. Sie sind aber nicht die, die dadurch tatsächlich geschützt werden.
Die Daten des BKA können nicht maßgeblich sein, weil das BKA nur einen sehr geringen Teil der Anfragen stellt. Die allermeisten Anfragen kommen von den Polizeien und die sind Ländersache, und werden selbst in den Ländern nicht zentral erfasst. Insofern kann das BKA das nicht wissen. Und woher das MPI das wissen will, ist mir auch schleierhaft. Ausserdem befasst sich das BKA nur mit ganz bestimmten Straftaten, ist deshalb überhaupt nicht repräsentativ was die Abfragen angeht.
Das mit den IT-Systemen stimmt auch nicht. Die EA des BVerfG deckt nämlich nicht alles ab. Die Auskünfte zur Nutzung von IP-Adressen laufen ganz normal weiter.
Quick Freeze is Hokus Pokus , das funktioniert in der Realität nicht. Das sind so Luftschlösser von Leuten mit wenig konkreter Ahnung.
Guter Beitrag, vielen Dank.
“Hoffentlich kommt bald das Verhandlungsprotokoll heraus.”
Wie meinen? Das ist nicht öffentlich.
@Jens: Ich bekomme auch einiges, was nicht öffentlich ist.
“Man müßte sich also mal das Abfrageverfahren näher ansehen. Ich könnte mich nicht erinnern gelesen zu haben, daß sich jemals jemand damit näher befasst hätte.”
Doch, beispielsweise der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in seiner Stellungnahme.
Auch wenn Du insgesamt sicher Recht hast, Ich denke, die Diskussion hätte VOR dem Durchpeitschen des Gesetzes stattfinden müssen.
Im Internet, vor allem auch im TV. Da wurde kein Argument DAGEGEN zugelassen und die VDS gegen alle Proteste in Gesetz gegossen. Nun haben wir die andere Seite der Medallie und die Gegner wollen ebenso keine Argumente mehr hören.
Schwierig. Vorher hatte man keine Erfahrungswerte darüber, wofür es gut ist, wozu es taugt, und wo die Problemstellen sind.
Ein paar kurze Anmerkungen:
Bei der Anhörung waren sehr wohl “Anhänger” der VDS geladen. Börsenverein des Buchhandels, Musikindustrie, BKA-Präsident und Polizeipräsident. Diese haben aus meiner Sicht auch den Nutzwert für sie dargestellt. Das MPI für Strafrechtsforschung hat in einer Studie IIRC festgestellt, dass der Nutzwert (im Sinne von mehr aufgeklärten Straftaten) nicht messbar ist, d.h. er geht im statistischen Rauschen unter. Andere Leute haben das auch direkt aus den Zahlen des BKA herausgelesen.
Der Punkt mit den IT-Systemen zieht meiner Meinung nach ebenfalls nicht. Denn einerseits kann man dafür die VDS derzeit nicht nutzen (sofern sich die LEAs an die einstweilige Verfügung des BVerfG halten). Andererseits würde hier der Gegenvorschlag Quick Freeze greifen. Das heißt, sobald konkreter Verdacht besteht, werden die Rekorder angeschaltet und aufgezeichnet.
Die Regierung hatte Möllers und Grundmann. Zumindest der erste hat seine Sache recht gut gemacht.
Soweit ich weiß, gibt es zum Abfrageverfahren keine näheren Bestimmungen. Du kannst das mit Rauchzeichen, Brieftaube oder anderem machen.
ZUmindest BKA- und Polizeipräsident sollten die von dir gewünschten praktischen Erfahrungen mit der VDS haben und hätten entsprechenden Bericht abliefern können.
Was nützt dir ein Ermittlungsinstrument, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit wertlos ist? Stell dir vor, Wattestäbchen zur DNA-Gewinnung wären immer verunreinigt. Dann wäre ich persönlich vehement gegen die Nutzung dieser. Genauso ist es hier. Die Studie des MPI spricht für sich. Auch sagen die Ermittler im privaten Gespräch, dass sie das Instrument für ihre tägliche Praxis nicht wirklich nutzen können. Vielleicht ist es besser, sinn- und wirkungsvollere Intrumente zu entwickeln. Verbrechen will, so glaube ich, niemand erlaubern oder legitimieren nur weil die Gegner “zu schlau” sind.