Ansichten eines Informatikers

Foto-Recht? Mehr oder weniger…

Hadmut
19.12.2009 14:15

Immer wieder liest man in den Zeitschriften allerlei Artikel und Belehrungen über Foto-Recht.

Scheint so ein Dauerbrenner zu sein – und ein Dauerthema für Juristen. Was man alles nicht fotographieren (oder zumindest nicht veröffentlichen) darf.

Dazu gehören immer auch Bilder von Leuten, die dem nicht schriftlich zugestimmt haben. Solche Bilder bekommt man als Semi-Profi auch in Bildagenturen nicht los. Seltsam jedoch, daß die bekannten, professionellen und besten Reise- und Berichtsfotographen fast immer Leute fotographieren. Auf Reisen vor allem Einheimische in Landestracht, ortsüblichem Aussehen, im entsprechenden Kontext. Alter arabischer Mann in der Sonne. Mexikaner bei der Siesta. Und so. Es müssen allerdings meistens erhebliche Zweifel daran bestehen, daß die abgebildeten Leute Deutsch oder Englisch können und sich mit dem Fotographen verständigen können. Profis schießen bei sowas mindestens 1.000 Bilder am Tag, unmöglich dafür jedesmal lange mit den Leuten zu verhandeln. Und ob heute wirklich jeder weiß, was das Internet ist, was ja eine richtig deutsche Willenswerklärung erst umfassend macht, wage ich auch zu bezweifeln. Und ob der Fotograph dann immer schriftliche Verträge in Landessprache dabei hat, und daß die Abgebildeten alle einverstanden waren, sofort einen Vertrag zu unterschreiben, erscheint mir auch nicht plausibel.

Komisch erscheint mir auch, daß die Juristen immer von deutschem Recht ausgehen (das haben sie eben studiert…). Wieso aber deutsches Recht?

Wenn ich als Deutscher mit einer japanischen Kamera in China einen Afrikaner mit mexikanischem Paß fotographiere und das auf eine Webseite packe, die in Australien gehostet wird – welchem Recht unterliegt das dann? Warum ausgerechnet dem deutschen Recht? Und was wäre, falls ein Agypter genau das gleiche tut wie ich? Wäre das auch rechtlich das Gleiche?

Oder mal etwas trockener gefragt: Wonach richtet sich die Auswahl des anzuwendenden Landesrechts? Meine Staatsangehörigkeit? Wohnsitz? Aufnahmeort? Wohnort des „Opfers”? Ort wo der Server steht? Ort wo die Webseiten abfragbar sind? Also letztlich jedes Recht jedes beliebigen Landes?

Was ist, wenn irgendein Indianerstamm der Meinung ist, daß man Menschen gar nicht fotographieren darf? Soweit ich mich erinnern kann, haben die Maori ein Problem damit, wenn ein Abbild eines Verstorbenen in einer Küche hängt (weshalb die Holzschnitzereien von Gesichtern für Touristen bewußt schlechter gemacht werden, damit sie niemandem ähnlich sehen, weil man ja nicht ausschließen kann, daß ein Tourist die Schnitzerei in die Küche hängt – so wurde es mir zumindest von einem Maori mal erklärt). Darf ich Bilder von verstorbenen Leuten dann nicht mehr ins Web stellen, weil ja irgendwer seinen Rechner in der Küche stehen haben könnte? Es gibt Länder, in denen Pornographie verboten ist, und die den Pornographie-Begriff sehr viel weiter auslegen als wir. Muß man die Rechte aller Länder berücksichtigen? Und kann ich in jedem Land der Welt verklagt werden? Gibt es den berüchtigten deutschen „fliegenden Gerichtsstand” auch international? Kann ein Mexikaner mich wegen eines Bildes vor einem koreanischen Gericht veklagen, weil die dort strenger sind? Was ist, wenn sie sich die Gesetze oder die Rechtsprechung widersprechen? Wenn beispielsweise irgendein Land es als „freedom of speech” ansieht, wenn ich alles fotographieren und veröffentlichen darf, was ich von öffentlichem Gelände aus sehen kann, egal was? Welches gilt dann?

Obwohl in den Fotofachzeitschriften andauernd Foto-Recht gepredigt wird, habe ich bisher nicht ansatzweise eine Antwort darauf gefunden. Die gehen immer davon aus, daß das alles innerhalb von Deutschland stattfindet.

Ich China habe ich mal gefragt, wie die es dort halten. Die Antwort: „Nach Gefühl.”

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Stefan W.
20.12.2009 17:47
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“die dem nicht schriftlich zugestimmt haben” – schriftlich?

Ich verstehe, daß es in der Praxis, z.B. Bildagentur, nicht weiterhilft, eine mündliche Zusage zu haben, aber dass eine solche Erlaubnis juristisch der Schriftform bedarf, das glaube ich nicht.

“Wenn ich als Deutscher mit einer japanischen Kamera in China einen Afrikaner mit mexikanischem Paß fotographiere und das auf eine Webseite packe, die in Australien gehostet wird – welchem Recht unterliegt das dann? Warum ausgerechnet dem deutschen Recht? Und was wäre, falls ein Agypter genau das gleiche tut wie ich? Wäre das auch rechtlich das Gleiche?”

Die Nationalität der Kamera lassen wir mal außen vor – das dürften heute eh Patchworknationalitäten sein.

“Afrika” ist auch kein Land, sagen wir Kameruner?

Der pragmatische Ansatz lautet, dass man sich an das Recht des Landes halten muß, in dem man Klage einreicht. 🙂 Also in Deutschland an deutsches Recht, und dieses sagt http://bundesrecht.juris.de/kunsturhg/__22.html “Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten …” und schränkt dessen Recht nicht aufgrund seiner Nationalität ein, oder der Frage, wo das Bild gemacht wurde. Sonst wäre es ja schwierig mit Bildern von hoher See, oder aus dem Weltraum.
Wo die Seite gehostet wird, ist in Deutschland m.W. unerheblich, wenn sie nur in Deutschland abgerufen werden kann, und wenn der Betreiber deutsch ist. Also in Deutschland kann ich bestimmt keinen österreichischen Betreiber verklagen, und die Nationalität des Fotografen dürfte auch unerheblich sein, weil das Fotografieren nicht in Frage steht, sondern das Verbreiten des Produkts.

Ich bin aber kein Anwalt, und rate hier also nur rum. 🙂

Aber jetzt hast Du mich auf eine neue Einnahmequelle gebracht: Ich verkleide mich als brasilianische Strandschönheit, lasse mich von Touristen fotografieren, bändel mit denen noch an, um deren Emailadresse abzugreifen, und sehe dann, wenn ich ein halbes Jahr später verklagen und abmahnen kann. 🙂 Das Verkleiden klappt sicher besser, wenn ich mich mit einer Decke mit Loch zwischen ein paar Lamas mit Panflöte stelle, und den bolivianischen Hirten gebe, aber wochenlang im Hochgebirge zwischen Lamas rumstehen – das ist es irgendwie nicht wert.