Ansichten eines Informatikers

Quantenkryptographie geknackt?

Hadmut
31.12.2009 15:11

Überlegungen zu fragwürdiger und unseriöser Forschung.

Im Zusammenhang mit der Tagung des Chaos Computer Clubs wird gerade ein Verfahren vorgestellt, mit dem man angeblich Quantenkryptographische Verschlüsselung überwinden und die Daten abhören kann. Laut Kommentaren in Bruce Schneiers Blog soll das schon im Juli auf der Defcon vorgestellt worden sein.

Genaugenommen hat man auch nicht die Quantenkryptographie selbst, sondern den Detektor angegriffen. Ich kenne mich bei weitem nicht genug mit Quantenkryptographie aus, um das beurteilen zu können. Aber es bestätigt meine schlechte und zweifelnde Meinung, die ich bisher von Quantenkryptographie habe.

Zum ersten Mal in Kontakt mit dem Thema bin ich gekommen, als ich noch bei Beth am Europäischen Institut für Systemsicherheit EISS war. Bisher habe ich – Beth mitgezählt – mit drei Universitätsprofessoren näher zu tun gehabt, die in Quantenkryptographie machen, und die mir – unabhängig von Quantendingsda – alle drei als sehr unseriöse Schwätzer und Hochstapler aufgefallen sind. Auch die Art und Weise, in der sich Beth damals (wie an den Universitäten eben so üblich) ohne jede Vorkenntnis von jetzt auf gleich als einen der führenden Forscher auf diesem neuen Gebiet ausgegeben hat, ist mir damals schon überaus sauer aufgestoßen. Seither habe ich den latenten Verdacht, daß Quantenkryptographie wenig seriös ist und ein bevorzugtes Thema der Tafelschreiber, Dampfschwätzer und Antragsteller.

Außerdem hatte ich in der Oberstufe Leistungskurs und im Studium als Nebenfach Physik, einschließlich Teilchenphysik, Wellengleichung usw. (was übrigens nicht jeder Quantenkryptofuzzi von sich behaupten kann). Und habe daraus die Erkenntnis mitgenommen, daß Teilchenphysik weitaus weniger esoterisch ist, als manche sie gerne hinstellen, sondern daß vieles statistische Effekte sind, die sich manchmal mit Teilchen- und manchmal mit Wellencharakter erklären lassen. Und vor allem, daß sich diese ganzen Quanteneffekte deshalb nur zeigen, wenn man wenige oder einzelne Teilchen betrachtet. Je mehr Teilchen mitspielen, desto mehr glättet sich das statistisch, und desto näher kommt man an die traditionelle Makrophysik (die ja immer gleich sehr viele Teilchen zusammen betrachtet). Ich habe deshalb schon länger Zweifel, ob man Quantencomputer wirklich in nennenswerter Größe bauen kann, denn je mehr einzelne „Bauteile” man zusammenfügt, desto mehr Teilchen betrachtet man und desto mehr gerät man in die Makrophysik. Wie dem auch sei, das Thema hat mich nie näher interessiert.

Ganz andere Zweifel muß man aber an der Behauptung haben, daß Quantenkryptographie an sich sicher sei.

Bisher beruht das nämlich alles auf Annahmen, Vermutungen und Effekten, die m. W. noch keiner so genau und eindeutig erklären kann. Wie oft in der Physik beobachtet man ein Phänomen und bastelt dann an irgendwelchen Modellen. Die erste Aufgabe eines Modells ist, mit den empirischen Beobachtungen übereinzustimmen. Die zweite Aufgabe ist, die Beobachtungen plausibel zu erklären und zu beschreiben. Die dritte Aufgabe ist, Voraussagen über zukünftige Beobachtungen usw. zu machen. Mir wäre jetzt nicht bewußt, daß es zur Quantenverschränkung ein Modell gäbe, das die zweite und dritte Aufgabe löst. Manche Universitätswissenschaftler finden es toll und wissenschaftlich, so ganz locker und hemmungslos mit irgendwelchen Theorien und Modellen zu arbeiten, die man noch nicht hinreichend verstanden hat. Das hängt damit zusammen, daß einem in manchen Fächern mit starkem Mathematikeinschlag schon in den ersten Semestern beigebracht wird, axiomatisch mit Gebilden zu hantieren und zu rechnen, die man nicht mehr vollständig verstandesmäßig erfassen kann. Man könnte das vergleichen mit der Ausbildung eines Piloten, dem man beibringt, nicht mehr nach dem Gleichgewichtssinn zu fliegen, der einen sehr täuschen kann, sondern stur nach den Instrumenten. Insofern bewegt man sich da leicht auf einem vermeintlich vertrauten Gebiet. Man nimmt ein physikalisches Modell als axiomatisch gegeben und rechnet dann damit herum. Und weil man im Wissenschaftsbereich alles behaupten, wenig beweisen und fast nichts in die Realität überführen muß, fällt es leicht, die beweisbare Sicherheit einfach mal so zu fordern und zu behaupten. Reicht allemal, um in die Zeitung zu kommen und einen Drittmittelantrag durchzubekommen oder eine Professur zu erhaschen.

Schon in den ersten Quantenkryptovorlesungen bekam ich das Grausen. Da wurde etwas behauptet von absoluter Sicherheit, es aber an keiner Stelle bewiesen. Beruht alles auf Vermutungen. Es ist absolut sicher weil wir einfach annehmen, es sei absolut sicher, und es gerade keiner widerlegen kann. Jedenfalls damals war es aber so, daß die Quantenkryptographie keine eigenständigen Verfahren lieferte, sondern nur irgendwelche Schlüsseltauschverfahren, die dann mit herkömmlichen Kryptoverfahren kombiniert werden mußten. Womit schon belegt war, daß Quantenkryptographie keinesfalls sicherer, sondern bestenfalls gleich sicher wie herkömmliche Kryptographie sein konnte. Wenn man aber herkömmliche Kryptographie mit Verfahren kombiniert, von denen man einiges vermutet, aber eigentlich nichts weiß, dann kann man nicht unterstellen, daß die Kombination aus beidem wenigens so sicher wäre wie die herkömmliche Kryptographie alleine.

Im Gegenteil waren sogar Zweifel angebracht, denn die Quantenkryptographie beruht darauf, daß ich den Zustand eines Photons eben nicht kopieren, sondern nur einmalig mit einem Detektor auslesen kann. Und das führt eben strukturell dazu, daß der Detektor unmittelbar und ungeschützt an Feindesland ausgeliefert sein muß, weil man ihm eben keine Vordetektor wie eine Firewall o.ä. vorschalten kann. Ich habe aber noch nie gehört, daß sich irgendwer mit der Sicherheit des Detektors auseinandergesetzt hat. Und genau an dieser Stelle haben die jetzt wohl angesetzt, denn nicht die Quantenkryptographie, sondern der Detektor wurde kompromittiert.

Das zeigt aber wieder systematische Grundprobleme der Universitätsforschung in Informatik und IT-Sicherheit – Probleme die so oft und immer wieder auftauchen. Es wird nicht etwas hergestellt, was eine gewisse Eigenschaft hat. Sondern es wird solange der Blick verengt, bis man nur noch das sieht, was man sehen will. So wie Beth damals der Meinung war, ein Weltklassekryptosystem mit überlegender Marktmacht entwickelt zu haben, indem er nur eine Formel an die Tafel schrieb. Der ganze Realitäts- und Realisierungskram sei alles unwissenschaftlich, nachrangig, Kleinkram und schnell erledigt. Daß Sicherheit nicht auf einem einzelnen genialen Kettenglied, sondern auf einer geschlossenen Kette beruht, deren Gesamtstärke zählt, war vielen Leuten nicht beizubringen. Weil viele derer, die in der Forschung auf Sicherheit machen, keine Grundkenntnisse in Sicherheit haben, sich selbst ernennen und so etwas wie ein Angreifer in deren Welt nicht vorkommen kann (wurde sogar explizit gesagt bzw. es als Fundamentalfehler angesehen, im Bereich IT-Sicherheit einen Angreifer zu betrachten, so etwas gäbe es theoretisch gar nicht). Nach Meinung der Bundesregierung ist Sicherheit, wenn die Sicherheitsbranche steigende Umsätze meldet und die Forschung Drittmittel einfährt. Für die Forschung ist Sicherheit, wenn die Veröffentlichungslisten wachsen und Drittmittel reinkommen. Das Abwehren eines Angreifers spielt keine Rolle.

Insofern muß man – wie auch Bruce Schneier – sehr kritisch hinterfragen, was die Wissenschaft da als absolute, beweisbare Sicherheit auftischt. Meistens ist das nur Geschwätz (am übelsten, wenn, wie im deutschen Wissenschaftsbereich nicht selten, „garantierte Sicherheit” gefordert oder behauptet wird und keiner weiß, was es ist).

Insofern freut mich dieser Angriff da überaus, denn ein weiteres Mal wird die universitäre Behauptungsindustrie in Frage gestellt.

8 Kommentare (RSS-Feed)

Peter
1.1.2010 11:17
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… ich will Dich jetzt nicht völlig enttäuschen: aber verschränkte Zustände sind eigentlich ganz gut verstanden (zumindest von theoretischen Physikern 🙂 ).

Vielleicht setzt Du Dich doch noch mal in eine Quantenmechanik I Vorlesung bei den Physikern (oder ziehst Dir die entsprechenden Bücher dazu rein).

Für den Anfang hilft vielleicht auch der englische Wikipedia-Artikel:

http://en.wikipedia.org/wiki/EPR_paradox

(wirkte etwas ausführlicher und fundierter als die deutsche Version)

Über die Qualität von Beth’s Quantenkrypto-Vorlesungen will ich jetzt besser mal nichts sagen, ich saß da auch mal drin, (was als Physiker dann tendenziell eher als mal belustigend war)…


Hadmut
1.1.2010 11:59
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Wenn ein theoretischer Physiker behauptet, etwas verstanden zu haben, dann heißt das nicht unbedingt, daß er eine Erklärung hat, sondern nur, daß er zufrieden ist und nicht mehr fragt. Wenn ich schon sowas da lese:

Most physicists today believe that quantum mechanics is correct, …

In meiner mündlichen Prüfung damals habe ich den Physik-Prof damit geschockt, daß ich ihm in der Herleitung der Schrödinger-Gleichung einen Rechenfehler gezeigt habe, weil die Physikar die analytische Mathematik zu einfach und hemdsärmelig angegangen sind und deshalb eine unrichtige Differentialgleichung aufgestellt hatten.

Ich bestreite ja auch gar nicht, daß es die Quantenverschränkung gibt. Man will ja auch nachgewiesen haben, daß sie sich mit mindestens einem erheblichen Vielfachen der Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Mag ja sein. Aber erklären kann man es bisher nicht. Was für mich einfach bedeutet, daß man weder die Teilchen-, noch die Welleneigenschaften so hinreichend erfaßt hat, daß man das Phänomen hinreichend erklären und beschreiben kann.

Der Physiker kennt sowas wie den Meßfehler und ist schon zufrieden, wenn die Meßergebnisse und die Gleichung so ungefähr die gleiche Form haben und es nicht allzuviele Ausreißer gibt. Kryptographie kann man so aber nicht machen.
Die Physik stellt (notwendigerweise) viel geringere Erkenntnissicherheitsanforderungen als die Kryptographie. Und diese Lücke hat noch keiner gefüllt.


Peter
1.1.2010 14:26
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… hätte Dir doch den Wikipedia-Artikel nicht verlinken sollen.

Das in den Herleitungen als furchtbar geschludert wird (insbesondere in Vorlesungen) ist auch nichts neues. (Such mal nach Fermi’s goldener Regel. Es gibt tatsächlich eine richtige Herleitung. Die scheint nur kaum einer soweit verstanden zu haben, daß er sie auch in der Vorlesung oder in Einführungsbüchern verwendet. Am lustigsten ist da der Sakurai. Fängt die Herleitung falsch an, fällt eigentlich krachend auf die Nase, aber: damit’s nicht so auffällt ist zwischen den zwei Schritten, in denen er es eigentlich hätte merken müssen, ein Seitenumbruch. Ein Schelm, wer arges dabei denkt 🙂 )

Das ändert aber nichts daran, daß man Hidden-Variable-Theorien per Experiment ausschließen kann, und damit auch die Aussagen der Quantenmechanik im Bezug auf verschränkte Zustände im Experiment bestätigt wurden.

Das ganze ist zwar unintuitiv, aber deswegen nicht gleich falsch oder auch nur umstritten oder nicht hinreichend erklärt. (Ich weiß nicht, was Du konkret nicht für hinreichend erklärt hälst und schaffe da gerne Erhellung 🙂 )

Ich hatte beim zweiten Lesen des Wiki-Artikels langsam auch den Eindruck, daß da zuviele Quanten-Informatiker am Werk waren und hätte ihn daher lieber doch nicht verlinken sollen…

Zum Thema Informations-Ausbreitung mit Über-Lichtgeschwindigkeit: das ist schlicht ein Mißverständnis. (Haben wir übrigens damals unseren Experimentalphysik-Prof auch mit auf’s Glatteis bekommen 🙂

Der wesentliche Punkt bei der Verschränkung ist nur, daß es *einen* Zustand für das Gesamtsystem aus *zwei* Teilchen gibt, aber *keine* separaten Zustände für die einzelnen Teilchen.

D.h.: Du führst eine Messung an einem Teilchen des Pärchens durch und legst *mit* der Messung den Zustand des Gesamtsystems aus *beiden* Teilchen fest.

Den Satz bitte nochmal genau lesen. Eine der wichtigen Aussagen ist hierbei, daß erst die Messung den Zustand festlegt.

Kannst Du damit Informationen übertragen? Nein, kannst Du nicht, da Du leider im Vorfeld nicht weißt, *wie* die Messung das Gesamtsystem festlegt.

Ja, das ist super-unintuitiv, nein, falsch ist es nicht und experimentell bestätigt ist es obendrein.

Und zum Thema Quanten-Krytographie: ich sehe das recht ähnlich: eher lustige Spielerei mit Quantenmechanik, aber praktische Anwendbarkeit doch eher – naja – sagen wir mal: akademisch 🙂

Ansonsten: das Gedankenexperiment mit Schrödinger’s Katze (wir nannten es immer Schrödinger’s Zombie) spielt ja gerade mit der Überlegung, wie groß das Gesamtsystem denn werden kann, das ich da verschränke.

Könnte man drüber lachen, aber wenn ich mich richtig erinnere, gibt es Leute, die Doppeltspaltexperimente mit immer größeren Molekülen machen. (Lief dann unter Quantenfußball 🙂 )


Hadmut
1.1.2010 15:13
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Oh, ich kenne diese Begründungen. Nur weil man sie ständig wiederholt, werden sie weder plausibler noch richtiger.

Das Argument, daß keine Information übertragen wird, ist Humbug. Denn es heißt nur, daß der, der das eine Teilchen mißt, nicht nicht Polarisation festlegen kann. Das heißt noch lange nicht, daß keine Information übertragen wird. Denn so, wie die Physiker da argumentieren, wird zumindest der Zeitpunkt der Messung übertragen, weil jetzt plötzlich das zweite Teilchen sagen soll “Huch, jetzt ich plötzlich in meiner Polarisationsebene festgelegt”.

Es mag sein, daß der, der das eine Teilchen mißt, dessen Polarisation nur ablesen und nicht erzwingen kann und damit darüber keine Information an den übertragen kann, der das andere Teilchen mißt. Folgt man aber Theorie, daß die Teilchen im Prinzip eine Überlagerung aller Zustände sind und die Messung eines Teilchens sich auf dieses und damit zwangsläufig auch auf das andere auswirkt, dann müßten sich Teilchen, die noch nicht über das andere festgelegt worden sind und solche, bei denen das der Fall ist, in der Messung statistisch unterscheiden. Und damit müßte doch Information zu übertragen sein, zwar nicht durch das Ergebnis der Messung, aber durch die Frage, ob man überhaupt mißt oder nicht.

Wie man es auch dreht und wendet, es zwischen einen Teilchen einen Zusammenhang mit großer räumlicher Ausdehnung, der bisher nicht erklärt ist. Mein Verständnis ist, daß man die Wellennatur des Teilchens nicht richtig verstanden hat. Irgendwie kommt mir das ganze so vor, daß die Physiker es geil finden und sich voll dran gewöhnt haben, daß sie etwas nicht vernünftig erklären können und deshalb mit Standardsprüchen (“es wird ja keine Information übertragen”) behelfen um zu überdecken, daß sie es nicht vernünftig erklären können.

Sei’s drum. Selbst nach Lesart der Physiker gibt es zwei Teilchen, die eine “gemeinsame Information” tragen, in Form der Polarisationsebene.

Gehen wir da mal kryptoanalytisch ran: Woher kommt diese Polarisationsebene? Licht polarisiert sich eigentlich nicht zufällig.

Soweit ich weiß, erzeugt man zwei verschränkte Photonen aus einem einzelnen hochenergetischen Photon. Hat die Polarisation der verschränkten Teile nun etwas mit der des ursprünglichen Photons zu tun?

Falls nein: Woher kommt sie, und woher weiß man, daß sie zufällig und nicht von Dritten vorhersagbar oder anhand anderer Quellen (Kristallgitter usw.) ablesbar ist.

Falls ja: Was genau hält einen davon ab, eines dieser verschränkten Photonen noch einmal aufzuteilen und damit effektiv drei verschränkte Photonen zu bilden, damit der Angreifer auch eins hat?


Peter
1.1.2010 17:00
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erstmal: es wird definitiv *keine* Information übertragen – und: die Teilchen tragen das Meßergebnis nicht im Vorfeld mit sich herum. (Das wäre “Hidden-Variable” und läßt sich mit den Bell-Ungleichungen (und den daraus folgenden Experimenten) erschlagen.)

Falls Du ein Experiment konstruiert bekommst, bei dem Du tatsächlich Informationen mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen *kannst*, darfst Du demnächst nach Stockholm fahren.

> Folgt man aber Theorie, daß die Teilchen im Prinzip eine
> Überlagerung aller Zustände sind

Du meinst das vermutlich nicht genau so, wie Du es geschrieben hast. Der Witz bei der Verschränkung besteht gerade darin, daß ein Teil der Zustände eben nicht realisierbar ist (wenn man das Gesamtsystem aus beiden betrachtet).

> und die Messung eines Teilchens sich auf dieses
> und damit zwangsläufig auch auf das andere auswirkt,
> dann müßten sich Teilchen, die noch nicht über das andere
> festgelegt worden sind und solche, bei denen das der Fall
> ist, in der Messung statistisch unterscheiden.

die Statistik ist die gleiche, wer zuerst festlegt, ist egal, da danach jede weitere Messung immer wieder das gleiche Ergebnis liefert.
Sonst wäre es ja bei dem ganzen Spiel auch wichtig, sich mal darauf zu einigen, wer eigentlich zuerst messen darf, oder?
(Oder: Begründe mal genau, warum die Statistik eine andere sein sollte… ?)

Zur Photon-Präparation: Zeilinger erklärt eigentlich ganz nett, wie er das in seinen Experimenten mit Kristallen in der Praxis hinbekommt:
http://www.univie.ac.at/qfp/publications3/pdffiles/2003-24.pdf

(Ansonsten müßtest Du genauer ausführen, was Du mit Deinem “woher kommt eigentlich die Polarisationsebene?” genau meinst. Also: welchen genauen Versuchsaufbau Du eigentlich meinst.)

Zum Fall ja ganz unten: http://en.wikipedia.org/wiki/No_cloning_theorem

Wiederum: falls Du da eine Lösung findest, machst Du die Jungs (und Mädels 🙂 ), die gerade versuchen, Quantencomputer zu bauen, mit Sicherheit sehr glücklich (Stockholm again…), da ein wesentliches Hinderniß bei Quantencomputern gerade die Fehlerkorrektur ist. Und: die wäre deutlich simpler, wenn man überlagerte Zustände kopieren könnte.

Zum Quanten-Kryptographie-Hokuspokus: mich stört an der Argumentation eigentlich mehr die Existenz eines zusätzlichen Kanals. Oder anders ausgedrückt: mir konnte bis jetzt noch keiner so richtig erklären, was so toll daran sein soll, Eve aufzuhalten, wenn die Rolle von Mallory doch viel lustiger (und insbesondere realistischer in diesem Zusammenhang!) ist: ich bin einfach auf *beiden* Kanälen (also dem Quantenkanal und dem zusätzlichen klassischen Kanal) Man-In-The-Middle. Und jetzt? Oder anders ausgedrückt: wenn sich da schon einer die Mühe macht, das Glasfaserkabel aufzuschneiden, dann schafft er den nächsten Schritt, das restliche Kommunikationsnetz mit dem zweiten Kanal zu kontrollieren doch sicherlich auch noch, oder?

Oder: was machen eigentlich Alice und Bob genau, wenn sie merken, daß jemand auf dem Kabel sitzt? Warten bis das einer repariert hat? Andere, weniger sichere Verfahren einsetzen…? Kein anderes Kryptoverfahren verlangt von mir, daß ich doch tatsächlich mehr oder weniger Sichtverbindung zwischen den Kommunikationspartnern habe. Das ist aus Störanfälligkeitsgesichtspunkten doch einfach nur weltfremd.

Mir kommt das gesamte Verfahren ungefähr so praktisch wie Bingo Voting vor. Klingt irgendwie total abgespaced und sexy, scheint aber nicht wirklich was mit der Praxis zu tun zu haben…


Hadmut
1.1.2010 17:56
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Ja, mit den Quantenphysikern ist das wie mit den Teilchen: Je genauer man was fragt, desto diffuser werden sie.

Nun tu mal Butter bei die Fische:

Heißt das mit der Verschränkung, daß aus einem Photon zwei werden, die von vornherein, also seit ihrer Entstehung paarweise korrespondierende Zustände haben, oder entsteht der Zustand erst durch eine spätere Messung? Und wenn letzteres, warum korrespondiert das eine Photon gerade mit dem anderen und nicht mit irgendeinem der anderen, die noch herumfliegen? Soll ja mehr als nur zwei oder drei geben.

Wieso verläuft das, was ursprünglich als “spukhafte Fernwirkung” bekannt war, so präzise, daß nur dieses eine Photon, aber nicht andere beeinflusst werden?

Ist das einfach deshalb so, weil nur dann die Gleichung erfüllt ist? Das wäre weder ein Verständnis für das, was da vor sich geht, noch eine Grundlage für eine kryptographische Anwendung.

Meines Erachtens macht man es sich zu leicht, wenn man einfach so etwas wie eine Verschränkung oder Fernwirkung postuliert, weil dann die Gleichungen stimmen, und sich einfach sagt, daß das dem normalen Verstand nicht entsprechen könnte. Sowas ist Religion. Oder Zauberkunststückchen. Die Erfahrung lehrt, daß man sich auf seinen Verstand verlassen kann und muß.

Wenn es wirklich so ist, daß die nachträgliche (bezüglich der Spaltung) Beeinflussung eines Photons auch das weit entfernte andere Photon beeinflusst, dann heißt das, daß unsere bisherige Auffassung von der räumlichen Ausdehnung, dem zeitlichen Ablauf oder überhaupt von Raum und Zeit nicht richtig ist (was übrigens einigen Überlegungen entsprechen würde, die ich dazu mal angestellt habe). Sowas sollte man erforschen, aber nicht einfach drauflosbehaupten, daß es kryptographisch sicher wäre.


Peter
1.1.2010 19:10
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ich gehe mal kurz zum Kühlschrank für die Butter. Hmm, sieht ziemlich unscharf aus.

Ernsthaft: damit wir vom gleichen Experiment reden: wir präparieren uns bewußt mit einem ganz speziellen Versuchsaufbau einen Zustand bestehend aus zwei verschränkten Photonen. Das stecken wir vorne rein, da kann man sich dann schlecht beschweren, daß wir es hinten auch wieder rausholen.

Du kannst sicherlich auch Experimente bauen, bei denen noch mehr Teilchen verschränkt werden, kein Problem. (Zumindest in der Theorie, in der Praxis ist das ziemlich ätzend.)

Und: um es nochmal zu betonen, der Gag besteht darin, ein Gesamtsystem aus zwei Photonen zu konstruieren. Es gibt schlicht keine Einzelzustände (sonst könntest Du ja gerade beide Systeme getrennt betrachten und dann wäre das ja alles nicht besonders lustig oder bemerkenswert.)

Das “warum korrespondiert das nicht mit einem anderen Photon”: weil wir hoffentlich unseren Versuchsaufbau so gut gewählt haben, daß es dahingehend keine weiteren Wechselwirkungen gibt.

Dann ist nämlich der tolle präparierte verschränkte Zustand bereits durch Messung (eine Wechselwirkung mit der Umgebung ist leider nix anderes) über die Wupper gegangen.

Und: der Unterschied zum Zauberkunstückchen besteht darin, daß man Experimente zum Nachweis bauen kann und das offenbar auch mit Erfolg getan hat. Insbesondere konnte man nachweisen, daß die Quantenmechanik leider Recht und die deutlich intuitivere Theorie mit den versteckten Parametern leider falsch war.

Was meinst Du denn? Daß Physiker Theorien in der Botanik aufstellen und es keine Experimentalphysiker gibt, die den blöden Theoretikern mal kräftig eine einschenken wollen? Die machen den ganzen Tag doch nichts anderes 🙂 Es gibt ja auch die Sportart “Phänomenologie”: Du hast irgendwelche Meßwerte, rätst eine Formel und schaust mal, ob Du irgendwas findest, was die Formel widerlegt. Der Nachweis ist und bleibt in der Physik am Schluß immer das Experiment. (Fefe würde sagen: der Realitätsabgleich 🙂 )

Wenn der “Zaubertrick” mit den EPR-Paaren nicht durch Experiment nachgewiesen wäre, würde das doch keiner wirklich ernstnehmen. (Wir sind doch nicht in der Informatik 🙂 )

Und: Hand auf’s Herz: findest Du die Ergebnisse der allgemeinen Relativitätstheorie wirklich besonders intuitiv? Ich nicht.

Aber freundlicherweise gab es mal die eine oder andere Sonnenfinsternis, die einen entsprechenden Nachweis mit dem Merkur ermöglichte und Fallexperimente zum Nachweis, daß die Träge gleich der Schweren Masse ist, machen die bis heute.

Einfach: weil kein Experimentator es sich nehmen lassen möchte, dem ollen Einstein als erster zu zeigen, daß er eben vielleicht doch nicht 100%-ig Recht hatte.

Nur: bis jetzt lag er dahingehend wohl richtig.

Hat einer meiner Profs so schön auf den Punkt gebracht: Wir Physiker haben das ja eigentlich eingesehen, daß sich nichts mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen kann. Aber aus irgendeinem Grund scheinen wir immer zu meinen, etwas dagegen unternehmen zu müssen 🙂

Ansonsten: Mit Religion hat es insofern auch recht wenig zu tun, da Ethik bekanntermaßen ein zur Physik orthogonales System ist. (Darin steckt keine Wertung, man sollte sich aber dessen in beiden Richtungen bewußt sein. Insofern verstehe ich bis heute nicht, wo Kreationisten eigentlich ihr Problem hernehmen. Mit Ethik hat’s nix zu tun und mit Physik auch nicht. Muß wohl der zu beiden Systemen orthogonale Bullshitraum sein 🙂 )

So: genug Butter oder einfach zuwenig Fisch?


Peter
1.1.2010 19:45
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und: möglicherweise liegt das Mißverständnis auch darin, was da genau präpariert wird: bezüglich des Meßoperators werfen wir ein Gesamtsystem aus zwei Photonen rein, die, so der wesentliche Punkt die Zustände 1 und 2 annehmen können, jedoch nur (so die Präparation, werfen wir vorne rein), die Überlagerung aus:

Gesamtzustand = 1/Norm (|1>|2> + |2>|1>)

jedoch _nicht_:

Gesamtzustand = 1/Norm (|1>|2> + |1>|1> + |2>|1> + |2>|2>)

Durch Messung an einem der beiden Enden wird daraus dann:

Gesamtzustand = |1>|2> oder
Gesamtzustand = |2>|1>

Aber eben nicht:

Gesamtzustand = 1/Norm |1>(|1> + |2>)
Gesamtzustand = 1/Norm |2>(|1> + |2>)

Und das bleibt dann auch so für weitere Messungen.

Vielleicht macht das den Spaß etwas klarer.
(Falls Du Dich über Vorzeichen wunderst: ich hoffe es mal richtig getroffen zu haben, aber bei Bosonen hängen da überall Plus-Zeichen = vollständig symmetrisch, bei Fermionen sind’s dann teilweise Minus-Zeichen = vollständig antisymmetrisch)