Eine Korrelation ist keine Kausalität
Ein Schultest hat ergeben, daß die Schüler im Süden besser sind als im Norden Deutschlands. Schon überschlagen sich Politiker wie Seehofer, sprechen von der Überlegenheit des bayerischen Schulsystems und gratulieren sich selbst. Bildung scheint nicht deren Stärke zu sein.
Tun wir zum Zwecke des Disputs einfach mal so, als sei die Studie im Ergebnis richtig und zutreffend und die Schüler in Bayern und Baden-Württemberg wirklich deutlich besser, und die im Norden wirklich schlechter als der Rest.
Kann man daraus folgern, daß die südlichen Schulsysteme besser sind, wie es die Politiker tun? Nein, nicht auf diesem empirischen Material. Denn die Korrelation mit den im Süden vorherrschenden Schulsystemen ist noch lange keine Kausalität. Vielleicht sind die Schüler im Süden ja nicht wegen sondern trotz der Schulsysteme besser. Beispielsweise wirkt sich die von der Politik geförderte Korruption in Baden-Württemberg massiv negativ auf die Hochschulqualität aus, während es gleichzeitig die Bewertungen beeinflußt. Das Bildungssystem im Süden ist nicht automatisch besser nur weil die Bewertungen besser ausfallen. Und eine Korrelation für eine Kausalität zu halten ist nicht einfach nur irgendein Fehler. Es ist der wissenschaftliche Fehler schlechthin, der Fundamentalfehler, die Mutter aller Fehler sozusagen. Kann ein Schulsystem gut sein, das solche Politiker hervorbringt? Oder war Seehofer in Bremen auf der Schule? Naja, wir wissen ja inzwischen, wie es um die Statistik- und Wissenschafsfähigkeiten deutscher Politiker und deren Unfähigkeit zur Unterscheidung von Korrelation und Kausalität bestellt ist.
Aber jetzt mal ganz im Ernst:
Es gibt eine ganze Menge anderer Einflüsse, die zu einem besseren Ergebnis der Schüler im Süden führen können, ohne daß es tatsächlich am Schulsystem liegt.
Da ist zum Beispiel die Ausländer- bzw. Migrantenquote. Nichts gegen Ausländer oder Migranten, aber wer Deutsch nicht als Muttersprache hat und in der Familie nicht muttersprachlich deutsch aufgezogen wird, kann einfach nicht so gut sein (mein Englisch ist ja auch meilenweit von einem Muttersprachler entfernt). Und wie es mir scheint gibt es beispielsweise in Berlin sehr viel mehr Migrantenkinder als in München. (Scheint mir jedenfalls so, wenn ich in der S- oder U-Bahn sitze.) Damit sind bessere Deutsch- und auch viele sonstige Schulleistungen erklärt, ohne daß es mit dem Schulsystem zusammenhängt.
Beispielsweise könnte man aus den unterschiedlichen Ergebnissen auch durchaus (wenigstens genausogut) folgern, daß in Bayern die Ausländerfeindlichkeit höher ist und deshalb weniger Ausländer hier unterweg sind (und Kinder in die Schule schicken).
Man könnte auch einfach mal betrachten, daß im Süden die Mieten und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser höher sind. München hat deutschlandweit die höchsten Mieten. Dafür ist München auch High-Tech-Standort. Das heißt, daß hier eher Leute mit hohem Bildungsgrad arbeiten, während Leute von eher einfacher intellektueller Konstellation es hier eher schwer haben, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften und sich eher in andere Gegenden Deutschlands verlagern werden, wo Mieten usw. billiger sind. In Bayern und Baden-Württemberg gibt es ja auch andere Arbeitslosenquoten. Die Situation und Befähigung der Eltern muß sich aber zweifellos auch auf die Kinder auswirken. Insofern kann man die besseren Fähigkeiten der Schulkinder durchaus auch auf die höhere Akademikerquote zurückführen, während Berlin und Bremen eher zu Hartz-IV-Städten werden. Bei solcher Lage zuerst auf das Schulsystem zu schließen und alles andere zu übergehen halte ich für grob unseriös – wie deutsche Politik eben.
Auch kulturelle Einflüsse können ursächlich sein. Vielleicht spielen bayerische Kinder mehr miteinander, oder vielleicht haben die Familien hier ein traditionelleres konservativeres Selbstverständnis und machen eher mal eine Familienausflug als den Sonntag von der Spielekonsole zu verbringen oder die Kinder vor der Glotze zu sedieren. Vielleicht sorgen die höheren Gehälter und das konservativere Selbstverständnis dafür, daß mehr Kinder am Nachmittag einen Elternteil zu Hause haben, der bei den Hausaufgaben hilft oder mit dem sie einfach reden können.
Auf den ersten Blick dachte ich, verdammt, die haben mir meinen Lieblingswitz versaut (Was ist der Unterschied zwischen Türken und Bayern? Die Türken sprechen besser deutsch.) Aber vielleicht hängt die bessere Verständnisfähigkeit der Kinder im Süden in Bezug auf deutsche Sprache einfach damit zusammen, daß die besser trainiert sein müssen, weil Schwaben und Bayern nun mal wirklich viel schwerer zu verstehen sind als die restlichen Deutschen. Da muß man gewaltige Hirnleistung, Interpretationsfähigkeiten, Improvisation, das Lesen von Lippen, Gestik und Mimik mit einfließen lassen, um einen Bayern oder Schwaben verstehen zu können. Das ist klar, daß die Kinder da stärker trainiert sind.
Die ständige Verwechslung von Korrelation und Kausalität geht mir jedenfalls ziemlich auf den Wecker. Ein Zeichen von Bildung ist das nicht. Nicht von denen, die sich am meisten darauf einbilden.
9 Kommentare (RSS-Feed)
War ja auch nur ein Beispiel. Ich wollte nicht den gleichen Bockmist bauen indem ich ihn durch einen anderen ersetze, sondern nur ein Beispiel geben, daß das ganz andere Ursachen haben kann. Und daß die Politik sich immer das raussucht, was gerade in den Kram paßt.
[…] Danisch.de » Blog Archive » Eine Korrelation ist keine Kausalität Da lasse ich einfach mal den ersten Abschnitt stehen: "Ein Schultest hat ergeben, daß die Schüler im Süden besser sind als im Norden Deutschlands. Schon überschlagen sich Politiker wie Seehofer, sprechen von der Überlegenheit des bayerischen Schulsystems und gratulieren sich selbst. Bildung scheint nicht deren Stärke zu sein." (tags: wrb Bildung) […]
In dem Bericht steht auch dass die Leistung unmitelbar mit Wohlstand korreliert Stichwort: Soziale Durchlässigkeit. Im Süden wird halt nominell auch mehr Kohle verdient. Deswegen: Geld schiesst Tore
Der Politiker würde nun sagen: Siehst Du, das bayerische Schulsystem ist so gut, daß es sogar zu mehr Wohlstand führt…
Vielleicht können sich die Bayern aber auch einfach nur mehr Nachhilfelehrer leisten.
Anmerkungen und Hypothesen:
Hier in Baden ist das Schulsystem IMHO in den letzten Jahren deutlich abgewirtschaftet worden. ZUmindest ist das mein Eindruck, wenn ich das, was die Grundschüler und Gymnasiasten heute machen mit dem vergleiche, was zu meiner Zeit gefordert war. Ich habe den eindruck, daß einiges von den Änderugnen ziemlich konzeptlos war.
Es kann natürlich sein, daß die anderen Schulsysteme noch schlechter sind, das kann ich aber nicht beurteilen, da ich keiner Vergleichswerte habe.
Was meiner Erfahrung entspricht ist aber, daß der Schulerfolg deutlich davon abhängt, wieviel Mühe sich die Eltern geben, das Kind zu unterstützen, unabhängig davon, ob die Eltern Akademiker oder Arbeiter sind. Meist ist die Unterstützung Akademikerfamilien höher, weil diese einfach bessere Möglichkeiten haben, Ihre Kinder zu unterstützen.
Ich kenne Kinder, die nur deswegen auf der Hauptschule gelandet sind, statt auf dem Gymnasium, weil sich keiner um sie gekümmert hat.
Zum Thema sichbarer Ausländeranteil (ich mag das Wort Migrantenhintergrund nicht, ist zuviel PC drin):
Man sollte beachten, daß hier im Süden auch ein großer Ausländeranteil vorhanden ist, dieser aber nicht imemr so “sichtbar” ist, weil zumindest viele von denen, die schon mehrere Generationen hier sind, sich angepaßt haben. Man sieht und hört es vielen einfach nicht mehr an. Es sind nur noch die, die sich nicht angepaßt haben, die auffallen. Das heißt für mich, daß man, ohne wirklich jeden einzeln zu Fragen, nicht wirklich Aussagen darüber treffen kann, wieviel Ausländer hier sind. Man sollte auch beachten, daß viele auch nicht mehr als Ausländer erfaßt sind, sobald sie deutscher Staatsbürger sind. Da meine ich, ohne das mit Quellen belegen zu können, daß der Anteil dieser “eingedeutschten” Ausländer im Süden höher ist. Was natürlich sofort zur nächsten These führt: Im Süden strengen sich die Ausländer mehr an, und “verfälschen” damit die Statistik.
Und letztendlich nach meiner Erfahrung der wichtigste Einflußfaktor überhaupt: Die Lehrer! Meine eigenen Erfahrungen und auch die mnit meinen Kindern stützen meine These, daß der Lernerfolg im wesentlichen von der Chemie zwischen Lehrer und Schüler und dem Engagement des Lehrers abhängt. Da kann das Schulsystem noch so schlecht sein, ein engagierter Lehrer reißt es trotzdem heraus.
@Hadmut
Was war zuerst (Henne Ei)? Und zu Bayern: ohne das – zugegebener Massen- geschickt eingesetzte Geld aus anderen Bundesländern wärs mal interesssant, wie das Land heute dasteht.
Ich glaub eher es liegt an der Art wie etwas vermittelt wird also am Lehrer.
Aber man darf nicht zu gut sein:
http://www.sueddeutsche.de/karriere/kritik-an-guten-noten-nicht-zu-viele-einser-bitte-1.592366
Wenn die Hauptschulen vom Test ausgenommen werden, ist es kein Wunder, dass die Länder mit einem selektiveren Schulsystem besser abschneiden. Dort schiebt man einfach die Schüler “unterdurchschnittlichen” Leistungen in die nächstniedrigere Schulform ab.
Auch ein sehr guter Punkt.
Das Ergebnis der Studie ist mit dem Ausländeranteil nicht zu erklären. Abgesehen von den Stadtstaaten ist der Ausländeranteil in den südlichen Bundesländern etwas höher als im Norden und im Westen deutlich höher als im Osten. Baden-Württemberg hat ca. 12% Ausländer, Mecklenburg-Vorpommern nur 2,5%.
Eine Korrelation zwischen dem Ausländeranteil und dem Ergebnis der Schulstudie gibt es nur, wenn man in Stadtstaaten und Flächenländer clustert. Was zu der Frage überleitet, ob das ganze nicht mit der Bevölkerungsdichte zusammenhängt… aber dazu ist die Studie zu grob.
Ansonsten stimme ich dir zu.