Identitätsdiebstahl beim Zoll möglich
Dieses Land hat Behörden, die sogar mich noch dazu bringen, mich zu wundern.
Ich hatte mir ein paar Sachen in den USA bestellt. Fotozubehör, Kleinkram, nichts besonderes. Ich mußte das Paket vorhin beim Zoll abholen.
In dieser dreiviertel Stunde beim Zollamt habe ich einiges beobachtet und erlebt, worüber man bloggen könnte. Beispielsweise die Tatsache, daß es überhaupt eine Dreiviertel Stunde gedauert hat, ein Paket dort abzuholen, weil das alles so langatmig und umständlich ist. Der Staat muß einfach zu viel Geld haben und nicht wissen, wohin damit, wenn er sich leisten kann, soviel Arbeitszeit seiner Mitarbeiter zu vergeuden. Ich will aber auf etwas anderes hinaus.
In der Warteschlange vor mir war nur eine Frau (also keine lange Schlange, derentwegen es gedauert hätte). Sie war da, um ein Paket abzuholen. Die Dame vom Zoll guckte auf die Karte, las den Empfängernamen vor (ein Männername!), guckte die Frau vor mir an und fragte in schnippischem-zweifelndem Ton „Sind Sie das?”
„Nein, ich hole das Paket für Herrn … ab.”
„Ja, dann brauche ich Ihren Personalausweis.”
„Warum denn das?”
„Damit wir wissen, wer das Paket abgeholt hat. Könnte ja sein, daß Sie das nicht dürfen. Außerdem müssen Sie hier Zollerklärungen abgeben, und wir müssen wissen, wer das dann war, wenn es nicht stimmt. Weil das strafbar ist.”
Das leuchtet ein.
Die Frau vor mir sucht genervt in ihrer Handtasche nach ihrem Ausweis. Als ich dann dran bin, habe ich meinen Ausweis schon in der Hand.
„Hadmut Danisch. Sind Sie das selbst? Sind Sie der Empfänger?”
„Ja.”
„Dann brauchen Sie keinen Ausweis.” (Sie will ihn nicht sehen.)
„Das verstehe ich jetzt nicht. Wieso brauchen Sie einen Ausweis, wenn man Pakete für andere Leute abholt, aber nicht, wenn man sie selbst abholt?”
„Weil, wenn Sie selbst der Empfänger sind, dann wissen wir doch, wer Sie sind. Und dann dürfen Sie das Paket doch auch abholen. Ist ja Ihres.”
„Aber woher wissen Sie denn, daß ich wirklich Hadmut Danisch bin? Ich könnte das ja einfach so behaupten. Und ein Paket abholen, das mir nicht gehört. Oder falsche Angaben machen.”
„Hören Sie zu! Wir arbeiten hier sehr hart und wir haben es wirklich nicht nötig, uns provozieren zu lassen!”
„Was hat denn das mit provozieren zu tun wenn ich wissen will, warum andere hier in meinem Namen Pakete abholen und falsche strafbare Angaben machen können?”
„Das ist ganz einfach. Sie werden nachher beim Abholen des Paketes noch einmal gefragt, wer Sie sind.”
Aha.
Ich sitze auf der Wartebank. An einem anderen Schalter ruft ein anderer Zoll-Mitarbeiter „Hadmut Danisch” auf. Ich gehe hin. Nach einem Ausweis fragt er nicht. Ob ich eine Rechnung hätte, will er wissen. Ich lege den Ausdruck der E-Mail vom Versender vor. Öder ASCII-Text. Hätte man beliebig selbst hinschreiben können. Wird überhaupt nicht geprüft. Komischerweise brauchen sie eine knappe halbe Stunde dafür, es nicht zu prüfen. Ich bekomme schließlich mein Paket und gehe.
Das heißt also, daß jemand sich ausweisen muß, wenn er behauptet, für Hadmut Danisch ein Paket abzuholen, aber nicht, wenn er behauptet, Hadmut Danisch zu sein. Und das ist viel übler, weil ich mir dann im Zweifelsfall das Verhalten jemandes zurechnen lassen muß, der sich als mich ausgegeben hat, etwa die Abholung eines Paketes oder falsche Angaben.
Was mache ich denn, wenn da jemand illegales Material (Drogen, Waffen, Kinderpornos,…) an meinen Namen sendet und das abholt, indem er sich als mich ausgibt? Das ist nicht abwegig, gerade diese Woche habe ich wieder Phishing-Mails für eine Packstation-Kennung bekommen. Eine Menge Krimineller ist darauf aus, in fremdem Namen Pakete zu empfangen.
Vor einigen Jahren hatte ich mal das Problem, daß mir ein Schreiben eines Gerichtes zugestellt worden sein soll, das ich nie erhalten habe, und an einer Adresse, wo ich schon lange nicht mehr gewohnt habe. Interessierte keinen. Es gab eine Postzustellungsurkunde, in der der Postbote (die übrigens schon lange keine Beamte mehr sind) reingeschrieben hat, daß er mir den Brief persönlich übergeben haben will. Und auf Nachfrage des Gerichts hat er das – Wochen später – nochmal ausdrücklich bekräftigt. Er könne sich genau daran erinnern. Auf meine Gegenfrage, wie er das denn wissen will, wer ihm die Tür geöffnet hat, hieß es, daß der mich doch selbstverständlich kennen müßte, wenn ich da wohne. (Ich wohnte da aber seit Jahren nicht mehr. Und an meinen letzten vier Wohnorten habe ich die Postboten nie kennengelernt und die mich auch nicht.) Und auf die Frage, wie es möglich sein soll, daß sich ein Postbote nach Wochen noch an jede Zustellung erinnern können soll, hieß es, ja der ist eben ganz sorgfältig, das spricht für ihn. Das das nicht stimmen und der mich noch nie gesehen haben konnte, interessierte das Gericht nicht. Urkunde ist Urkunde. Was mich damals gerettet hat: Ich war an diesem Tag in einer anderen Stadt und habe zufällig gerade in dem Zeitraum der Zustellung Geld gebraucht und am Geldautomaten abgehoben. Und meine Bank druckt in die Kontoauszüge Ort und Straße des Automaten und die Uhrzeit. So hatte ich kurioserweise über meinen Kontoauszug ein Alibi. Die schwören dann nachher noch Stein und Bein, daß ich es war, der Kokain, Handgranaten, Hehlerware und Kinderpornos abgeholt und den Zoll mit gefälschten Scheinen bezahlt hat.
12 Kommentare (RSS-Feed)
Das weiß der Bösewicht. Siehe Packstation-Phishing.
Es geht ja dabei nicht darum, mir mein Paket zu klauen, sondern darum, eine fremde Empfängeradresse zu mißbrauchen (deshalb schrieb ich ja Identitäts- und nicht Paketdiebstahl). Jemand könnte beispielsweise betrügerisch Waren bestellen oder ähnliches, während ich gerade in Urlaub bin. In diesen Fällen hat der Täter immer mit der Absendung irgendwie zu tun und weiß deshalb, daß was kommt.
Hast Du noch nie diese Spam-Mails bekommen, in denen sie Leute suchen, die Pakete in Empfang nehmen und weitersenden? Das ist sowas ähnliches.
@Oli: In dem Szenario kann der „Bösewicht” einfach eine Benachrichtigung seines Komplizen erhalten, dass dieser das Paket losgeschickt hat und entsprechend beim Zoll eintrudeln.
Oder er wühlt einfach ein wenig im Briefkasten des vermeintlichen Empfängers herum – nicht jeder Briefkasten ist einbruchssicher.
Kurz und knapp: an dem Wissen, dass ein Paket am Zoll auf den vermeintlichen Empfänger wartet, wird es nicht scheitern.
Normalerweise bekommt man doch vom Zoll einen Brief (!), den man dann mitnimmt. Bei mir haben die Jungs vom Zoll den immer sehen wollen. Den hat der Bösewicht nicht…
Wie auch immer, die Story hat mich gerade an das hier erinnert:
http://enno.verbrennung.org/2007-06-04-how-to-get-the-packchen/
Das war kein Brief, das war eine Kopie der Zollerklärung des Absenders (USA) mit dem Standard-Merkblatt zusammengetackert.
Kann man trivial fälschen, wenn man mit dem Absender zusammenarbeitet. Der hat das Ding ja ausgefüllt und kann selbst eine Kopie rübermailen.
Kann ich bestätigen.
So wie in dem Artikel beschrieben, scheint es bundesweit zu sein. Ist mir 2x ziemlich genau so gegangen.
Ansage: “Ich bin der Empfänger” – und alles ist gut.
Außer: Ich musste einmal ein Paket öffnen und den Zöllnern den Inhalt zeigen. Das waren dann ein paar (sehr) persönliche Sachen von meiner Frau, die gerade für 6 Monate in Kanada war und das Zeug vor ihrem Rückflug nicht in ihrer Reisetasche unterbekommen hätte.
Die Leute in der Schlange hinter mir zeigten sich sehr interessiert…
Ich will meine Meldeadresse auf dem Kfz.-Meldeamt ändern:
Ich: Ich möchte meine Adresse ändern.
Behördenhostess: Haben Sie Ihre Anmeldung dabei?
Ich: Nein, aber auf meinen Personalausweis steht schon meine neue Adresse.
Behördenhostess: Das reicht nicht.
Ich: Warum?
Behördenhostess: Der Ausweis könnte gefälscht sein.
Am nächsten Tag. Selbe Dame.
Ich: Ich möchte meine Adresse ändern. Ich habe meine Anmeldung heute auch dabei.
Behördenhostess: Haben Sie Ihren Ausweis dabei?
Ich: Ääh, ja sicher. Wozu?
Behördenhostess: Ich muss sehen ob Sie Sie sind.
Ich: Ach so, aber der Ausweis könnte gefälscht sein.
Behördenhostess: Sehr Sehr böser Blick.
Meine Fresse, wo bin ich hier.
Der ist auch gut. Wobei die Anmeldung leichter zu fälschen ist als der Ausweis.
Die Zollbeamten sind halt so schlau, das könnt ihr als Gelegenheitszollgutverschicker gar nicht nachvollziehen.
Die sind quasi Materie gewordene Kompetenz, Psychologie und jahrelange Erfahrung.
Also die Denke ist wahrscheinlich so:
Wenn, sagen wir mal Herr Danisch ;-), seinen Drogenbestand aus Kolumbien aufstocken wollen würde, käme er sicher nicht selbst, sondern würde einen ahnungslosen, “nützlichen Idioten” schicken der das erledigt. Denn beim Abholen würde ja die Gefahr bestehen gleich “festgesetzt” zu werden.
Holt er also sein Paket selber ab ist er wahrscheinlich eine ehrliche Haut. Und das stimmt ja auch.
Ganz schön schlau, die vom Zoll. Bin beeindruckt. 😉
Besonders negativ ist mir die gemischte Verwendung von handgeschriebenen Karteikarten und Computern im Zollamt Garching aufgefallen, als ich dort war.
Neben der Zollerklärung musste ich auf einem Screenshot unterschreiben der an die (schlechte) Kopie der Zollerklärung angetackert war.
Insgesamt war mein Eindruck dass die Abläufe und vielleicht auch die Mitarbeiter auf dieser Behörde sich seit 20 Jahren nicht verändert haben.
Sag mal, ist Hadmut nicht ein
genialer Frauenname? ;–)))
Nicht schlecht, gar nicht schlecht … 😉
hanna.
😉
Hm.. Dann muß der Bösewicht immer noch wissen, daß gerade ein Paket für den falschen »Hadmut Danisch« beim Zoll rumliegt…