Ansichten eines Informatikers

Warum im Islam die Frauen verschleiert werden

Hadmut
5.8.2010 20:27

Endlich weiß ich, warum die in manchen islamischen Ländern ihre Frauen verschleiern: Damit’s nicht so blöd aussieht, wenn die ihren Frauen Nase und Ohren abgeschnitten haben.

Das aktuelle amerikanische TIME Magazine schreibt, daß die US-Armee in Afghanistan notwendig ist, weil die Barbaren dort ihren Frauen die Nasen und Ohren abschneiden (siehe auch SPIEGEL darüber). Und wenn ein amerikanisches Nachrichtenmagazin das schreibt, muß es ja auch stimmen. Oder?

Ich habe damit ein Problem. Genauer gesagt zwei Probleme. Nämlich daß ich beiden Seiten kein Wort mehr glaube. Oder eigentlich drei Probleme: Bildern glaub ich auch nichts mehr.

Den Amerikanern glaube ich schon lange nichts mehr, jedenfalls dann, wenn es um Krieg geht. Beim letzten Irak-Krieg war ich an den Tagen, an denen der Krieg begann, in San Francisco. Im Fernsehen kam abends ein Bericht, daß eine wackere amerikanische Mutter mit wackerem amerikanischem Kind im Kinderwagen nicht zur Golden Gate Bridge konnte und ein wackerer amerikanischer Soldat sie höflich aber bestimmt aufhalten müsse. America sei under Attack, und man müsse die amerikanische Bevölkerung davor schützen, daß sie fiesen Anschlägen zum Opfer fielen, weshalb die Golden Gate als Wahrzeichen der Freiheit von der Armee zu schützen wäre. Am nächsten Tag war ich dort um zu sehen, wie nahe ich rankäme. Keine Sperre, kein Soldat, keine Polizei weit und breit. Nix los. Ich bin ganz normal wie alle Touristen auf der Brücke rumgelaufen. Abends saß ich im Starbucks (wo es damals kostenlos WLAN gab) mit Notebook und habe Tagesthemen geguckt. Die hatten das damals neu angefangen die auf ihren Webserver zu legen. Kamen zwei Polizisten rein und fragten, was ich da machen würde. Och, sag ich, ich bin deutscher Tourist und müßte halt deutsche Nachrichten gucken. (Kam mir komisch vor, daß man schon dafür Ärger kriegen sollte.) Sie wollten dann wissen, ob es mich stören würde, wenn sie sich dazusetzen. Sie würden dem amerikanischen Fernsehen gar nichts mehr glauben, das wäre nur Schwindel. Sie würden gerne deutsches Fernsehen sehen um zu erfahren, was da im Irak los wäre. Also hab ich damals mit zwei amerikanischen Straßenpolizisten Tagesthemen geguckt. Und war es beim Irak-Kuweit-Krieg nicht so, daß behauptet wurde, die Iraker hätten in Kuweit Säuglinge aus Inkubatoren geworfen um diese mitzunehmen? Soweit ich mich erinnern kann, stellte sich das später als amerikanische Propaganda heraus. Amerikanische Kriegführung geht stets mit Desinformation und Propaganda einher. Und weil sie gerade – auch nach den Wikileaks-Veröffentlichungen – ein internes Glaubwürdigkeitsproblem haben, muß jetzt natürlich fett und dick auf die Betroffenheits- und Mitleidsdrüse gedrückt werden, damit die USA weitere Kosten, Tote und Blamagen in Kauf nehmen. Die Frage stellt sich nämlich durchaus, warum die Amerikaner, denen das Geld ausgeht, jahrelang Milliarden verpulvern und so viele Tote produzieren, wenn doch kein richtiges Ergebnis zu erkennen ist.

Und daß man gerade die Todesstrafe für Wikileaks-Verräter fordert, ist auch nicht gerade ein Anzeichen einer demokratiewürdigen Wahrheitsliebe der amerikanischen Regierung. Da ist eine Frau mit abgeschnittener Nase geradezu harmlos.

Gut, ich gestehe zu, daß ich an der abgeschnittenen Nase nicht wirklich Zweifel habe. Es ist bekannt, daß die Taliban ein gewalttätiges rückständiges Volk sind, die Gewalt gegen alles anwenden, was ihnen nicht in den Kram paßt – also quasi alles. Ob die Nase ein Einzelfall oder verallgemeinerbar ist, mag dahingestellt bleiben. Ob man dann allerdings gerade ein Land als Besserwisser braucht, in dem die Bevölkerung sich täglich gegenseitig und selbst über den Haufen schießt und Schußverletzungen eine der häufigsten Todesursache sind, ist eine offene Frage. Wie soll jemand Afghanistan aufräumen können, der nicht einmal sein eigenes Land befrieden kann? Wie soll jemand Demokratie in ein Land bringen können, der die Desinformation der eigenen Wähler als schützenswertes Gut ansieht?

Und welche moralische Rechtfertigung könnte jemand, der wiederholt unschuldige Zivilisten und Reporter tötet, und der sich einen Spaß draus macht, Leute vom Kampfhubschrauber aus zu erschießen, der mit Uran-Munition herumballert und bombardiert, sich als Verteidiger abgeschnittener Nasen zu geben? Fehlt mir da die Verhältnismäßigkeit oder ist das nur wieder die notorische omnipräsente amerikanische Doppelzüngigkeit, deren permanentes Messen mit zweierlei Maß? Wäre es dem Times Magazine eine Erwähnung wert gewesen, wenn der Mann seiner Frau die Nase nicht mit dem Messer abgeschnitten, sondern mit dem Kampfhubschrauber abgeschossen hätte? Warum wird überhaupt eine Nase – so grausam es sein mag – selektiv herausgenommen und über alles andere gestellt? Könnte man nicht dadurch viel mehr Leid und Verletzungen verhindern, daß man afghanischen Autos neue Bremsen und Sicherheitsgurte installiert?

Und wie kommt man überhaupt auf die Idee, daß amerikanische Anwesenheit notwendig sei, um das Abschneiden von Nasen zu verhindern? Die sind doch seit Jahren dort, und die Nase wurden in deren Anwesenheit abgeschnitten. Wo ist da die Logik zu behaupten „What happens if we leave Afghanistan”?

Da sich die Sache vorrangig gegen die Taliban als eine der Verkörperungen eines bösen extremen Islam richtet, steht damit natürlich auch diese islamische Welt als Gegner im Raum. Denen glaube ich aber auch nichts mehr. Wer sich so fürchterlich aufregt und töbert, wenn in Dänemark Karrikaturen erscheinen oder Buchautoren mit dem Tod bedroht, aber zu den Machenschaften der Taliban – ja nun immerhin begangen im Namen Allahs oder des Islam – schweigt, dies stillschweigend oder gar explizit gestattet, der begibt sich jeder Glaubwürdigkeit. Und wenn ich dann noch lese, daß in Dubai ein Paar wegen eines Kusses ins Gefängnis wandert, daß in Malaysia eine Frau mit Stockhieben bestraft werden soll, weil sie ein Bier getrunken hat, oder man im Iran eine Witwe (!) wegen Ehebruchs am verstorbenen Mann steinigen will, und sich dabei jedesmal allein auf religiöse Gründe, die Scharia, stützt, dann stellt das für mich den Islam als Religion schlechthin in Frage. Sicherlich könnte man argumentieren, daß es in der Souveränität jedes Staates liege, solche Gesetze zu erlassen und durchzusetzen. Aber gerade das tun sie ja nicht, sondern berufen sich auf nicht-weltliches, religiöses Recht.

Eine – meines Erachtens – fundamentale und völlig unverzichtbare Vorraussetzung der Religionseigenschaft und der Anwendbarkeit von Glaubensfreiheit ist, daß der Einzelne tun und lassen kann, was er glaubt bzw. was er nicht glaubt. Glaubensfragen haben notwendigerweise was mit dem eigenen Glauben zu tun. Und die Konsequenz daraus ist, daß Verstöße gegen den Glauben eigentlich – vom Menschen im Diesseits – gar nicht bestraft werden können, denn man kann gegen seinen eigenen Glauben nicht verstoßen. Wenn die in Dubai sich küssen, wenn die in Malaysia ein Bier trinkt, wenn die im Iran ihren verstorbenen Mann „betrügt” – hat niemand von denen gegen seinen Glauben verstoßen, weil sie eben davon überzeugt sind, daß es nicht notwendig wäre, auf Bier, Küssen oder Sex zu verzichten. Wenn sie das so tun, dann weil ihr Glaube eben so ausgerichtet ist. Sonst würden sie es ja nicht tun.

Wenn man diese Leute aber dafür bestraft – oder wie die Taliban mit Gewalt ihre Lebensauffassung aufzwingt – dann hat man ein Gewaltsystem, in dem der Einzelne zu tun und zu lassen hat, was andere glauben, und nicht, was er selbst glaubt. Oder anders gesagt: Gewaltausübung oder Scharia sind ein Widerspruch in sich, weil sie dem Grundprinzip der Religion, der Ausübung des eigenen Glaubens, fundamental und unvereinbar widerspricht. Was mit Gewalt und Bestrafung einhergeht, kann daher systemimmanent keine Religion sein und das Religionsprivileg für sich nicht in Anspruch nehmen. Solange der Islam sich nicht von jeder Gewalt und jeder Strafung löst, kann man ihn als Gesellschaftsform, als Staatsform, als Gewaltform, als Drucksystem, als alles mögliche auffassen – nur eben nicht als Religion. Weil er zwang- und gewaltbasiert und nicht glaubens- und überzeugungsbasiert ist. Scharia und Religion schließen sich gegenseitig aus. Und wegen dieser Widersprüche und Unstimmigkeiten ist ein Islam, der sich als Religion ausgibt und trotzdem straft, nicht glaubwürdig. Und wenn er nicht glaubwürdig ist, fehlt ihm die Rechtfertigung. Und ein Islam, der dänische Karrikaturisten extrem bekämpft, sich aber nicht von Gewalt, Mord, Terrorismus und abgeschnittenen Nasen im Namen des Islam distanziert, ist schon gar nicht glaubwürdig.

Den dritten Zweifel habe ich am Bild selbst. Nicht daß es gephotoshoppt wäre, es gibt so viele verletzte und verstümmelte Menschen, die man fotografieren kann. Es sagt aber nicht darüber aus, wie die Frau ihre Nase verloren hat. Vielleicht war es gewöhnliche „häusliche Gewalt”, wie sie leider mehr oder weniger an vielen Orten der Welt vorkommt und eigentlich überhaupt nichts mit diesem Krieg zu tun hat. Man denke mal an den Fall Dominik Brunner, wo man auch gerade über Monate der Meinung war, daß der Held von zwei Bestien erschlagen wurde – und nun sieht das alles irgendwie anders aus.

Heute erschien in Fefes Blog eine Meldung, wonach die berüchtigten Nacktscanner in Wirklichkeit Bilder nahe an der Wichsvorlage lieferten, und die Scannerbilder immer nur deshalb so komisch aussähen, weil sie zur Vertuschung negativ dargestellt würden. Zusammen mit der Meldung, daß die doch die Bilder archivieren, wird ebenfalls so eine heftige Abwehrreaktion geschürt, emotional manipuliert. Wir kommen jetzt alle nackt ins Internet und dienen als Wichsblatt. So halb ist das berechtigt, die Archivierung solcher Scans ist eine ganz gefährliche und heikle Sache. Nachdem in den USA ja jede beliebige Information per Data Mining gehandelt wird, könnte das extrem gefährlich werden. Man würde beispielsweise bei der Beantragung eines Kredits, der Bewerbung um eine Stelle oder dem Abschluß einer Versicherung nach seiner Physiognomie beurteilt werden. Nur: Das Bild war ein Fake.

Wenn man mal hinschaut, fällt einem nicht nur auf, daß das eigentlich ganz anders aussieht als normale „Nacktscanner-Bilder”, und die sich auch beim Invertieren nicht verbessern. Das sieht eher nach Röntgenbild aus. Dann muß einem auffallen, daß die Frau unterschiedliche Hauttöne hat, man die Farbe der Haare, der Lippen, der Augenbrauen, die Brustwarzenhöfe, sogar die Bikini-Blässe deutlich erkennen kann. Sowas kann ein Nacktscanner nicht. Und sie hat Schatten an den Haaren, an den Augen, unter den Brüsten, in der Leiste. Man sieht, woher das Licht kam und daß die Frau mit einer Studiobeleuchtung beleuchtet und nicht gescannt wurde. Sucht man mal per Google, kommt man auf Seiten wie diese hier (siehe Kommentare unten), wo dann auch aufgedeckt wird, daß die Fälschung von der BILD-Zeitung stammt, die das aus einem gewöhnlichen Stockphoto geschnitzt hatte.

Das heißt im Ergebnis: Man kann gar nichts mehr glauben. Im Prinzip ist das Rauschen von Manipulationen und Falschinformationen heute so hoch geworden, daß die Echtinformationen kaum noch herausstechen und kaum noch zu erkennen sind. Informationstheoretisch gesprochen können wir Signale kaum noch vom Rauschen unterscheiden, ist der Signal-Rausch-Abstand zu gering geworden. Wir haben einen Informationsfluß fast wie jemand, der gar keinen mehr hat.

7 Kommentare (RSS-Feed)

Johannes
6.8.2010 0:09
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Zur Scharia:

Ich verstehe das so im Islam wie das Kirchenrecht in der röm. kath. Kirche (oder soll ich sagen Sekte?).

Da ist schon eine Basis in der religiösen Hauptschrift.
Die Kirche bzw. die entsprechenden Gruppen haben daraus jedoch ein völlig verdrehtes Teil daraus gemacht: Hauptzweck MACHT.

Dass die rks keine Macht mehr haben ist unser Glück. Als sie die Macht noch hatten (und nur dazu war das Kirchenrecht gut) sah das anders aus.
Es wurde eben nicht gesteinigt oder Nasen abgeschnitten sondern “hochnotpeinlich” befragt und ein “Gottesurteil” abgewartet.

Ein Beispiel: Für das Zölibat gibt es nur eine Stelle. Die rk Kirche hat diese Prinzip jedoch aus Gründen der Macht der Kirche und dass sie nicht von einer Dynastie übernommen werden kann zum Prinzip erhoben.
Oder Maria, oder die Wandlung (rk glauben dass sie !wirklich! das Fleisch Jesu essen – keine Symbolhandlung, nein wirklich nach der Wandlung in echt).

Das hat alles nicht mit dem Glauben wie er wirklich gemeint war und sein sollte zu tun.

Ebenso ist es mit den Muslimen. Einige bauen unsinnige (auch von der Glaubensbasis her gesehen) Dinge auf – vor allem um Macht zu erhalten – z.B. die Macht des Mannes über die Frau. Andere stehen auf der Basis des Koran und sehen das ganz anders.
Den Dritten (wie auch die Masse der “Christen”) ist das alles egal weil sie nur dem Papier nach Gläubige sind und eben die wichtigen Feiertage einhalten (bzw. zu Weihnachten und Ostern in die Kirche gehen).

und noch ein Wort zum Schluss:

Terrorist|Freiheitskämpfer es kommt auf den Standpunkt an.


Hadmut
6.8.2010 0:18
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Eine „Schrift” ist kein Argument, denn Religion muß Glaubens- und nicht Gesetzessache sein. In dem Moment, in dem nicht mehr maßgeblich ist, was der Einzelne glaubt, sondern was in irgendeinem Buch steht, ist es keine Religion mehr.

Der Unterschied zwischen einem Terroristen und einem Freiheitskämpfer besteht aus weit mehr als nur dem Standpunkt. Freiheitskämpfer heißt, wofür jemand kämpft. Terrorist heißt, wie jemand kämpft.

Im übrigen gestehe ich jemandem, der Menschen umbringt, weil es irgendein ein Gott so befohlen habe, damit er später ins Paradies kommt, nicht die Eigenschaft als Freiheitskämpfer zu. Und jemanden, der von kleinauf indoktriniert wurde, dem keine Denk- und Handlungsalternative mehr bleibt, halte ich für so sehr seiner Freiheit beraubt, daß er nicht mehr als Freiheitskämpfer taugt. Und auch jemandem, dessen primäres Ziel Gewalt und nicht Freiheit ist, kann ich die Eigenschaft als Freiheitskämpfer nicht zugestehen. Und wer – wie die Taliban – Leute gewaltsam vom Wählen abhält, ist ganz sicher auch kein Freiheitskämpfer. Von keinem Standpunkt aus.


Manuel
6.8.2010 6:20
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Der meiner Meinung nach wichtigste Punkt zu der Sache mit der Nase fehlt:
In jeder Gesellschaft gibt es Kriminalität. Ein Land zu ächten ist nur dann legitim, wenn es gewisse Unmenschlichkeiten nicht kriminalisiert oder nicht verfolgt, also duldet. Ich bezweifel, dass das Nase Abschneiden der Frauen in Afghanistan legal ist oder war. Es war/ist dort eine kriminelle Handlung und insofern kein Grund dort einzumarschieren. Dann könnte man in jedes beliebige Land einmarschieren, weil es in jedem Land abschäuliche Kriminalität gibt.

Sollte ich mich doch irren und eine solche Handlung war/ist in Afghanistan legal gewesen oder wurde zumindest geduldet, dann mag meine Argumentation hinfällig sein. Aber die Frage danach, ob eine solche Handlung nun legal ist/war halte ich für unverzichtbar.

Dass Frauen im Islam keine Rechte hätten ist auf jeden Fall falsch. So manche Forderung der hiesigen Feministen ist in radikal-islamischen Ländern schon längst umgesetzt. (Geschlechtersegregation in weiten Teilen des öffentlichen Lebens, also Frauenparkplätze, Frauensitzplätze, Frauenschwimmtage, Frauenbereiche am Strand (wo die Frauen sich unbeobachtet streifenfrei bräunen), Frauenbereiche im Krankenhaus ; Todesstrafe für Vergewaltiger ; Witwen haben wirtschaftlich ausgesorgt ; Frauen werden nicht zu Sexualobjekten degradiert ; Pornographieverbot ; Frauenrecht auf sexuelle Befriedigung in der Ehe)
Diese Aufzählung versucht weder eine moralische Wertung zu beschwören noch ist sie abschließend.
Es gibt Gerüchte darüber, dass in islamischen Ländern der Umgang zwischen den Geschlechtern ungezwungener sein soll, weil sexuelle Absichten dabei keine Rolle spielen. Und es gibt Gerüchte, dass in den westlichen Ländern die Sexualisiertheit manchen Frauen zum Verhängnis wird^^ Das ist durchaus polemisch, zynisch und etwas ironisch gemeint. Vielleicht kann darüber ja noch jemand lachen.


Stefan W.
6.8.2010 9:17
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In anderen Kulturen, nicht nur bei den Taliban, gibt es unseren Individualismus nicht, sondern die Familie, das Dorf, die Nation und die Religion sagen eigentlich alles vor, was man tun muß, tun kann, womit man glücklich wird, was die eigene Rolle im Leben ist.

Wenn man von klein auf nur von dieser festen Rollenstruktur und anderen Leuten, die ganz fest an diese glauben, umgeben ist, wenn niemand fordert sich selbst zu verwirklichen, auszubrechen, ‘Du darfst!’ sagt, dann findet das Denken auch in ganz anderen Bahnen statt.

Was Religion bedeutet, da kann man natürlich mit europäischen Vorstellungen kommen, und sagen, daß die Spielregeln gelten, die wir uns ausgedacht haben. Sonderlich originell ist das nicht. Dass Religion=Glauben ist, und Glauben=freie Entscheidung – wer sagt das denn?

Aus unserer Kultur mag das plausibel klingen, aber unsere Kultur war selbst 1000 Jahre lang ‘so steht geschrieben’. Und die Gruppe bestimmt, was geglaubt wird, denn das ist ja eine Hauptfunktion der Religion: Gruppenbildung.

Gemeinsame Ziele definieren und Werte, Verhaltensregeln festzulegen, was darf gegessen werden, was getragen, wer gefickt. Dann wird gemeinsam gesungen, getanzt, gegessen und die Schädel der Feinde zertrümmert – wir gegen die, die Guten gegen die Bösen. Menschen gegen Bestien.

Allerdings postuliert auch die Religion, die das Individuum verleugnet dessen Individualität, und zwar in dem sie es bestraft. Würde die Leugnung des Einzelnen perfekt sein, dann könnte man kaum einen Einzelnen bestrafen, sondern allenfalls das ganze Dorf.

Auch muß man aufpassen, daß nicht Männer gegen Frauen ausgespielt werden – ein häufiger Fehler des Vulgärfeminismus. Glaubt wirklich jemand, es mache Spaß die eigene Schwester aufzuschlitzen, blos weil diese vor der Hochzeitsnacht zum Drachensteigen war? Der junge Mann wird durch Familie und Clan zum Mörder gemacht, und hat ähnlich wenig Wahl wie sein Opfer. Er muß die Waffe führen, und seine Schwestern, die Mutter, die Tanten – sie stehen mit den Männern mit im Hintergrund, und fordern Blut für die Übertretung der Gebote.

Man muß die jungen Muslime als Verbündete gegen die unmenschliche Deuung des Geistes gewinnen, und darf sie nicht vorschnell als Feinde betrachten.

Und dann ist natürlich die Frage, wie man einen Freiheitsgeist mit einer Armee in eine fremde Kultur tragen will. Wenn Chauvinismus und Patriachale Strukturen irgendwo überlebt haben, dann doch wohl in der Armee – oder (ja, und in der kath. Kirche, und im Fußballclub wohl auch).

Das Fräulein ohne Näschen wird instrumentalisiert, und so macht sich niemand Gedanken darüber, was ihr oder anderen wirklich weiterhelfen könnte, von wenigen Figuren wie vielleicht Todenhöfer und Roger Willemsen abgesehen.

Auch die politische Opposition glänzt hier nicht durch Kreativität, und die intellektuelle Debatte ist tot.


Fabian
6.8.2010 9:18
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“Die sind doch seit Jahren dort, und die Nase wurden in deren Anwesenheit abgeschnitten. Wo ist da die Logik zu behaupten „What happens if we leave Afghanistan”?”

Propaganda bedient nicht den Verstand, sondern die Gefühle. Bei Wikileaks kam vor dem großen Afghanistan-Leak und dem Irak-Video eine Lageeinschätzung der CIA ans Licht, in dem erörtert wurde, wie man den kriegsmüden Plebs zu hause und insbesondere in Europa das ganze Unternehmen wieder schmackhafter machen könnte, ich zitiere:

“Afghan women could serve as ideal messengers in humanizing the ISAF role in combating the Taliban because of women’s ability to speak personally and credibly about their experiences under the Taliban, their aspirations for the future, and their fears of a Taliban victory. Outreach initiatives that create media opportunities for Afghan women to share their stories with French, German, and other European women could help to overcome pervasive skepticism among women in Western Europe toward the ISAF mission.”

http://file.wikileaks.org/file/cia-afghanistan.pdf

Die Sitten in Afghanistan sind aus europäischer Sicht irgendwo zwischen unmenschlich und archaisch. Aber das sind sie mit und ohne ISAF. Der Krieg den die NATO dort führt ändert daran nichts, der war verloren bevor er begonnen hatte.


Johannes
6.8.2010 9:18
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Freiheitskämpfer|Terrorist

Wie man kämpft ist mehr eine Sache der Mittel. Wenn ich nichts anderes mehr habe kämpfe ich “dreckig”. Meine Leute sehen mich als Freiheitskämpfer.
Der Besatzer sagt Terrorist die Bevölkerung Freiheitskämpfer. Im 3.Reich waren die Terroristen noch Partisanen.

Wenn Claus Schenk Graf von Stauffenberg damals als Selbstmordattentäter erfolgreich gewesen wäre würden wir ihn als den absolut selbstlosen Freiheitskämpfer für Deutschland sehen.

“Wo gehobelt wird fallen Späne” ist ebenso zynisch.

Leider ist das Leben komplizierte und das “Richtige” ist auch nicht immer das gelbe vom Ei.
In jeder Situation ist es schwierig.

Ich rede nicht dafür Kinder zu Selbstmordattentätern zu erziehen.
Wenn jedoch eine Frau, deren Mann ermordet wurde, das als letzten Ausweg sieht – kann ich ihr Richter sein?

Diese Konflikte in denen laufend neue Frauen (wie oben) oder Männer (deren Familie plötzlich fehlt) entstehen können nicht zu einem Ende gebracht werden – “Bombing for Peace is Like Fucking for Virginity”

Südtirol – dort waren Terroristen|Freiheitskämpfer unterwegs und Nordirland wurden nicht mit Gewalt befriedet sonder damit dass die Menschen !mehr! als nur ihr Leben zu verlieren hatten.

Ich weiss nicht wie ich in diesen Situationen reagieren würde. Ich bin froh nicht vor diese Wahl gestellt zu werden und das Glück zu haben hier geboren zu sein.


Hadmut
7.8.2010 10:44
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@Johannes: Es ist nicht nur eine Frage der Mittel.

Wenn man ein klares und vertretbares Ziel hat, wenn es überhaupt um eine „Freiheitssituation” geht, und man abgewägt hat, daß es kein anderes Mittel gibt, dann ist das das eine.

Wenn man den Terror aber zum Selbstzweck macht, wenn man schon kleinen Kindern, die von Zielen und Freiheit noch gar nichts verstehen, einimpft, daß sie mal Selbstmordattentäter werden müssen, wenn man sie schon als Kleinkinder mit Bombengürtelattrappen als Terroristen verkleidet, und wenn man den Leuten einredet, daß es nicht um Freiheit geht sondern darum, drüben im Paradies von Allah belohnt zu werden, dann hat das mit Freiheitskampf gar nichts zu tun. Und insbesondere Taliban haben in meinen Augen überhaupt nichts mit Freiheit zu tun. Taliban als Freiheitskämpfer einzustufen halte ich für grundfalsch und desinformativ, denn deren Absichten sind ja nicht deren eigene Freiheit, sondern dem Rest der Bevölkerung die Freiheit zu nehmen und sie zu terrorisieren. Schulen in die Luft zu sprengen und Leute fürs Wählen zu bestrafen hat so gar nichts mit Freiheit zu tun.

Und diese Form von Terrorismus mit einem Hitler-Attentat zu vergleichen ist meines Erachtens unredlich.