Ansichten eines Informatikers

Der Bundestag und der Lobbyismus

Hadmut
23.8.2010 0:41

Oder: Verkohlt der Bundestagspräsident Lammert die Öffentlichkeit?

Am 14.8. ging es durch die Presse (siehe z. B. hier):

Ludwigshafen (ddp). Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat sich für mehr Transparenz und Kontrolle des Lobbyismus bei der Gesetzgebung ausgesprochen. Es gebe einen «beträchtlichen Einfluss» von Lobbyisten auf die Erarbeitung von Gesetzen, sagte Lammert in einem Gespräch mit der «Rheinpfalz am Sonntag». Die Vertretung von Interessen müsse jedoch erlaubt sein, auch in organisierter Form. Nach Auffassung des CDU-Politikers müsse allerdings klar sein, «dass die Lobbyisten dem Gesetzgeber nicht die Feder führen dürfen». Das wäre unzulässig und inakzeptabel, meinte Lammert.

Da hat er Recht. Aber sollte erst einmal in seinem eigenen Laden aufräumen.

Denn wie hier im Blog anhand der Internet-Enquete-Kommission beschrieben

  • gibt der Bundestag in seinen Beschlüssen zwar vor, die Enquete-Kommissionen mit „Sachverständigen” zu besetzten, tatsächlich aber können die Fraktionen da ohne jeden Nachweis von Sachverstand jede beliebige Person reinsetzen. Der Bundestag hat es selbst so vorgesehen, daß da getarnte Lobbyisten eingeschleust werden können.
  • Warum man also für die Enquete 17 „Sachverständige” bestellt und dann für die Beantwortung konkreter Fragen noch mal andere, echte Sachverständige braucht, kann oder will der Bundestag auch nicht beantworten. Es zeigt aber doch schon, daß man nicht einmal selbst davon ausgeht, daß die der Enquete angehörenden Sachverständigen echte Sachverständige sind.
  • Und im Fall padeluun wollen sie nicht einmal dessen Klarnamen mitteilen. Der Bürger soll sich neuerdings damit abfinden, daß Sachverständige unter Pseudonymen und Künstlernamen auftreten. Damit ist dann der Lobbyismus gar nicht mehr aufzudecken. Lobbyisten müssen sich nur noch einen Künstler- oder Phantasienamen zulegen, und schon kann der normale Bürger die Verbindung nicht mehr nachverfolgen.

Während also einerseits der Bundestagspräsident öffentlich den starken Lobbyismus in der Gesetzgebung beklagt, schaffen sie gleichzeitig die perfekte Lobbyismus-Infrastruktur und blockieren eben diese Transparenz die Lammert gerade anmahnt.

Was heißt das? Heißt das, daß Lammert die Öffentlichkeit verkohlt? Oder heißt das, daß er mit seiner Meinung völlig Recht hat und als Insider weiß, warum er es beklagt?

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Manuel
23.8.2010 0:57
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1. Naja, die Enquete-Komission macht keine Gesetze, sie gibt bestenfalls Empfehlungen ab.
2. Die Enquete ist öffentlich. Also bis auf den Etikettenschwindel mit den Sachverstänigen und der Problematik mit dem Künstlernamen ist das Gebahren der Lobbyisten dort nachvollziehbar. Das ist es im normalen Gesetzgebungverfahren nicht. Dort sind Lobbyisten geheim eingebunden.

Da Lammert sich bzgl. seiner Lobbyismuskritik ausschließlich auf das Gesetzgebungverfahren beschränkt, begeht er zumindest keinen Wortbruch, wenn er Lobbyismus in Enquete-Komissionen zulässt.

Lammert selbst habe ich bisher als einen durchaus integeren Mann kennengelernt, der durchaus auch mal Kritik äußert, die für unsere Politiklandschaft ungewöhnlich ist.
Aber für Lammert selbst ist das ein Tanz auf dem Drahtseil. Wird er zu engagiert in seinen Bestrebungen, etablierte Mechanismen im Politikerbetrieb abzuändern, dann wird er nach der nächsten Bundestagswahl abgesägt und durch eine reine Marionette ersetzt. So übernimmt er jetzt leider eher die Rolle des ins-Gewissen-Redners, der sich ein echtes Eingreifen nicht leisten kann. Aber vielleicht hat er eh nicht vor wieder als Bunestagspräsident zu kandidieren und macht deshalb diese Legislaturperiode ernst.
Oder er gefällt sich schon immer in einer Rolle, die nur für die Öffentlichkeit vorgibt, kritisch zu sein, um insgesamt das jetzige System des Politkbetriebes vor Angriffen zu schützen. Das halte ich allerdings für unrealistisch.