Kindesmißbrauch in Stuttgart
Ich krieg zuviel,
wenn ich lese, daß es in Deutschland Leute gibt, die zu einer Demonstration, bei der absehbar ist, daß es etwas rauher zugehen könnte, mit Kindern hinzugehen. Ich halte das für unverantwortlich.
Und dann diese Sichtweise, das sei ja alles so friedlich, nur die Polizei sei aggressiv (warum nimmt man dann die Kinder mit).
Also wenn mich jemand einparkt, damit ich nicht wegfahren kann, oder wenn sich jemand vor meine Wohnungstür stellt, damit ich nicht rein kann, oder mich sonst von irgendwas abhält, dann ist das zwar noch kein tätlicher, offensiver Angriff. Aber friedlich ist das nicht. Ich würde mich dabei angegriffen fühlen.
Der Streit um den Bahnhof ist ja nicht neu. Ich halte das auch nicht für in Ordnung. Diesen neuen Bahnhofsentwurf halte ich für potthässlich, und das Projekt für eine monströse Geldverschwendung. Da werden wieder mal Interessen auf Kosten der Allgemeinheit bedient. Und daß ich die Regierung in Baden-Württemberg für erzkorrupt halte, ist auch kein Geheimnis. Hoffentlich kracht’s da mal richtig.
Der Punkt ist aber doch, daß das schon früher entschieden war. Der Zeitpunkt für eine vertretbare und sinnvolle Demonstration ist vorbei. Das hat man verschlafen. Jetzt bei Umsetzung, wenn es los gehen soll, daher zu kommen, halte ich für Populismus und für Selbstjustiz. Das hat was von Lynchmob. Demokratie kann nicht bedeuten, daß eine Interessengruppe, die etwas gegen eine staatliche Entscheidung hat, egal wie blöd sie sein mag, diese mit aktiver oder passiver Gewalt durchsetzt. Wenn wir da reinrutschen, daß die Entscheidungen von denen bestimmt werden, die mit der größten Masse und der größten körperlichen Gewalt da ankommen, dann ist die Demokratie in Gefahr. Es kann nicht sein, daß sich Mehr- oder sogar Minderheiten im Entscheidungsprozess dadurch durchsetzen, daß sie etwas körperlich verhindern. Was machen wir denn als nächstes? Das Finanzamt niederbrennen? Woher kommt diese Naivität zu demonstrieren, wenn die Bagger kommen und nicht, wenn der Vertrag geschlossen wird? Hirn oder Muskeln?
Ich hätte ja noch ein gewisses Rand-Verständnis dafür, wenn Leute sagen, daß sie da was verhindern wollen. Der Meinung kann man ja sein. Aber dann schiebt man doch nicht Kinder vor. Die verstehen weder, worum es da geht, noch können sie eine eigene Meinung vertreten. Die werden von ihren Eltern als Hemmnis, als Empörungsverstärker, als emotionale Bremse vorgeschickt.
Ich halte es für einen Skandal, für völlig unerträglich, wenn Polizisten mit Schlagstöcken auf Kinder losgehen. Aber die Eltern, die ihre Kinder dahinbringen, sind auch nicht besser, eher noch schlimmer. Da werden die eigenen Kinder für Interessen mißbraucht. Ein Erwachsener kann immerhin noch in gewissem Umfang vor prügelnden Polizisten und Wasserwerfern davonlaufen, oder sich entscheiden, gar nicht erst hinzugehen. Aber das Kind kann sich nicht gegen die Eltern entscheiden oder vor denen davonlaufen. Das hat keine Wahl (und selbst wenn, kann es sie noch nicht eigenverantwortlich wahrnehmen). Kinder zu so einer Demonstration mitzunehmen kommt mir genauso rabenelterlich, genauso unerträglich, genauso kindesmißbräuchlich vor, wie wenn man mal wieder die Bilder aus extremislamischen Gegenden sieht, in denen man dreijährige mit Gewehr- und Bombenattrappen als Terrorist verkleidet rumlaufen läßt.
Mir kommt das Kotzen, wenn ich das Zitat von Cem Özdemir (von dem ich sonst eigentlich eine relativ gute Meinung habe) lese:
“Es ist eine skandalöse Art und Weise, Schüler und ältere Damen mit Pfefferspray zu besprühen”, sagte Özdemir am Freitag im ARD-“Morgenmagazin”. “Das macht man in einem Rechtsstaat nicht.”
Natürlich ist es skandalös. Aber was ist denn mit Leuten wie mir? Sind Männer mittleren Alters weniger wert? Darf man die mit Pfefferspray besprühen? Tun den die Augen dann weniger weh? Gilt für die der Rechtsstaat nicht? Die Äußerung an sich ist doch diskriminierend nach Alter und Geschlecht. Irgendwie habe ich den Eindruck, daß man hier ganz bewußt die Empörungstatbestände auswählt und heraufkocht. Da drängt sich mir der Eindruck auf, daß man Schüler und ältere Damen dahinschickt, um sich hinterher darüber aufregen zu können.
Ich weiß zu wenig über den alten Bahnhof und den Neuentwurf, um mir da wirklich eine abschließend fundierte Meinung zu bilden. Ich halte unsere finanzielle Lage in Deutschland und die immer höher steigenden Abgaben, dieses immer perversere Abmelken der Bürger, diese – wie ich ja am eigenen Leib erlebt habe – völlige korrupte Versumpfung in Baden-Württemberg allerdings für genügend Gründe, um erstens jedem beliebigen Großprojekt skeptisch gegenüberzustehen und zweitens den Zeitpunkt für völlig ungeeignet zu halten.
Ich habe aber das Problem, daß ich beide Positionen für unvertretbar halte.
Also schlagt Euch von mir aus weiter die Köpfe ein. Und was Ihr mit alten Damen macht, ist mir auch egal, solange die dort freiwillig sind. Alte Damen können nicht per se eine Unantastbarkeit beanspruchen, die einem durchschnittlichen Mann nicht zusteht, die haben nicht per Alter und Geschlecht eine diplomatische Immunität. Gleiche Dosis Pfefferspray für alle.
Aber laßt die Kinder da raus.
27 Kommentare (RSS-Feed)
Ja, kam ja in allen Nachrichten. Aber die meine ich damit auch nicht. Ich meine „Mütter mit Kindern” und sowas.
Wenn Schüler groß und alt genug sind, da selbst was zu organisieren und hinzugehen und dann noch – wie zumindest mal behauptet wurde – Polizeiautos zu besteigen, dann sind die ja freiwillig und nicht auf Druck der Eltern da. Sowas zähl ich dann aber unter Erwachsene. Man kann darüber streiten und müßte mehr über die Vorgänge wissen um zu entscheiden, ob Pfefferspray und wenn ja in welcher Dosis angemessen war. Aber ich sehe nicht ein, warum man da nach Altersgruppen so differenziert, daß man für die gleiche Demonstrationshandlung unterscheidet, ob es skandalös ist oder nicht, den Leuten Pfefferspray in die Augen zu sprühen. Ich komme mir da echt abgewertet vor, wenn selektiv Bevölkerungsgruppen herausgegriffen werden, bei denen Pfefferspray besonders skandalös sein soll, weil man in der Argumentation besonders viele Empörungstatbestände mitnehmen will.
Du hast ganz Recht, man schüttelt bei dem was in Stuttgart im Augenblick so abgeht den Kopf – egal von welcher Seite es kommt.
In dem Video http://www.youtube.com/watch?v=a2wNgq_30Ss wird das ganz deutlich: dem einen oder anderen der darin zu sehenden Polizisten mag man tatsächlich direkt den Schlagstock wegnehmen und ihm auf den eigenen Kopf geben. Andererseits: die Polizisten werden da ja direkt in eine defensive Position gedrängt, die stehen da Rücken an Rücken in einem Mob, der ihre Fahrzeuge stürmt und sie mit Gegenständen bewirft – was sollen die denn machen? Warten?
Dazu werden von beiden Seiten Phrasen, Bezeichnungen eingesetzt und eine Engstirnigkeit an den Tag gelegt, daß man nur noch den Kopf schütteln kann. Um den Bahnhof gehts schon lange nicht mehr.
Danke für den Link.
Ich verstehe nicht, wie die zu der Behauptung kommen, die Demonstranten wären friedlich und die Gewalt ginge nur von der Polizei aus. Wer sowas behauptet hat Realitätsverschiebung.
Was ich da sehe ist nicht friedlich. Auf keiner Seite.
Du vergisst eins Hadmut: Da war das Bürgertum auf der Straße, die haben keine Demo-Kampferfahrung.
Die nahmen an die gehen da hin und demonstrieren und diejenigen, die eine Sitzblockade machen (nein, das ist keine Nötigung sagt das BVerfG!) trägt die Polizei einen nach dem anderen weg.
Und so hätte es auch laufen müssen. Ich kann niemandem vorwerfen, dass er seine Kinder dort mit hingenommen.
Denn ich will auch nicht in einem Land leben, wo man zu Demos keine Kinder mehr mitnehmen kann. Auch diese haben ein Recht dazu, ihre Meinung zu äußern, wenn sie in ein Alter kommen, wo sie eine haben. Im Ergebnis dürfen dann nur noch junge, männliche Erwachsene auf Demos gehen, weil die am ehesten Beschädigungen überstehen?
Und zum Thema Gewalt:
Polizisten, die austicken, wenn sie einer großen Menschenmenge nah gegenüberstehen sind für diese Beschäftigung psychisch ungeeignet oder mangelhaft ausgebildet.
Natürlich ging die Gewalt nicht nur von der Polizei aus; wie soll das auch der Fall sein; bei einer so großen Demo gibts immer welche, die aus der Reihe tanzen oder spontan ihre Wut nicht mehr unter Kontrolle haben.
Wer aber vermummte Polizei in Kampfmontur einen Park stürmen lässt, der schürt genau diese Wut und lässt die Situation bewusst eskalieren.
Einen Tag später gings doch auch: Da waren dann eher ältere, besonnene Cops da, nicht in Kampfmontur und ohne aufgesetzte Helme.
Ich will die Polizei da nicht in Schutz nehmen.
Ich kann nur diese elende Schwarz-Weiß-Malerei nicht ab, von wegen Volk =gut und friedlich, Polizei=böse und aggresiv.
Vor allem diese Logik, Kinder als unangreifbare Joker oder Super-Trumpf da einzusetzen, finde ich übel, unvertretbar, unsauber. Nach der Logik, wir stellen einfach die Kinder vor den Bahnhof, und dann kann keiner mehr durch. Pfeifen auf Demokratie und alles andere, Kinder sind die Ultrablockade. Und wenn es dann doch nicht geht, dann regt man sich über Gewalt gegen Kinder auf (siehe Bild hier).
Als ob man einfach alles und jedes durchsetzen kann, indem man einfach ein paar Kinder ins Getriebe wirft und dann die anderen beschuldigt. Meines Erachtens müssen denen, die dahin Kinder mitnehmen, mindestens so harte Vorwürfe gemacht werden wie einer prügelnden Polizei.
Mag sein, daß das BVerfG eine Sitzblockade nicht für Nötigung hält. Der Nötigungsbegriff ist juristisch stark abgegrenzt.
Ich empfinde Sitzblockaden aber als eine Form der Gewalt und der Selbstjustiz. Wenn auch eine milde Form.
Sie sind keine Nötigung, weil sie keine Gewalt sind.
Naja, auch die Einordnung des Verfassungsgerichtes ist kein Persilschein. Zitat aus Wikipedia: „Eine Sitzblockade verbunden mit Anketten, Einhaken oder aktivem Widerstand gegen das Wegtragen wird auch vom Bundesverfassungsgericht im Regelfalle als Nötigung nach § 240 des Strafgesetzbuches (StGB) angesehen […]“ Speziell die ersten beiden Punkte waren in Stuttgart den Berichten zufolge doch gegeben. Leider setzt die Fähigkeit zur kritischen Betrachtung ganz schnell aus, wenn man eigene Handlungen bewerten soll.
Abgesehen davon stimmt es schon: Man kann bei nüchterner Betrachtung nicht nachvollziehen, aus welchem Grund heraus schweres Gerät (Wasserwerfer, die wohl extra ausgemottet werden mußten) in Stellung gebracht wurde und so unvermittelt massiv vorgegangen wurde. Ich habe das auch noch keine gute Begründung für gehört.
Abgesehen davon, daß ich keinem unterstelle, daß er seine kinder bewußt in Gefahr bringt:
1.
Das Demonstrationsrecht ist hierzulande ein Grundrecht. Wenn jetzt jeder Demonstration fernbleiben soll, weil es da ruppig zugehen könnte, braucht die Staatsgewalt nur bei jeder Demonstration einfach mal den Wasserwerfer kurz anzuschmeißen (egal ob berechtigt oder nicht) udn schon hat man diese Grundrecht ad absurdum geführt.
2.
Stuttgart ist keine typische “Demostadt” wie Berlin oder Hamburg. Wenn dort eine Demo stattfindet, muß man immer mit ein paar Idioten rechnen, die mit der Polizei aneinandergeraten (Obwohl es da auch Hinweise zu geben scheint, daß da auch mal ein paar agents provocateur von der Polizei dabei sind).
In Stuttgart ist normalerweise das brave Volk, daß bisher kaum gegen die Obrigkeit aufgemuckt ist, und wenn, dann doch sehr gemäßigt. Daher hat das dortige Volk keinerlei Demoerfahrung. Von daher durfte man als normaler Bürger davon ausgehen, daß wenn man hier eine Demo macht, die ordentlich gesittet vor sich geht und diejenigen, die sich benehmen auch von der Polizei nicht gleicht verprügelt oder mit Reizgas und Wasserwerfern vertrieben werden.
3.
Es wurden offensichtlich aus Hamburg und Berlin “Prügelpolizisten” importiert. Die ganze Zeit vorher waren auch Demonstrationen. Da waren allerdings nur die normalen, von ihren üblichen abgezogenen “Dorfpolizisten” aus Baden-Württemberg” im Einsatz und es kam zu keinen nennenswerten Vorfällen. Zumindest ist mir nicht bekannt, daß es da zu größeren Zwischenfällen gekommen ist. Mit den “demoerfahrenen” Polizeistaffeln aus Berlin und Hamburg scheint das aber ganz anders zu laufen.
4.
S21 mag zwar formal korrekt zustandegekommen sein, aber das heißt nicht, daß es auch rechtens ist. Zumindest scheint die übliche Vetterleswirtschaft dabei mitzuwirken, wenn man mitbekommt, daß manche derjenigen, die dafürgestimmt haben auch in diversen Baufirmen mitverdienen. Weiterhin scheint man auch die Verträge schnell noch abgeschlossen zu haben, obwohl oder vielleicht weil es klar war, daß ein Bürgerenstscheid versucht wird, mit dem die Bürger selbst über diesen Punkt bestimmen wollen. Ein Bürgermeister der dann trotzdem schon Verträge festmacht und nicht wartet bis klar ist, ob genügend Bürger da sind, daß eine entsprechende Abstimmung auf den Weg gebracht werden kann, hat daher gezeigt daß ihm die Bürger egal sind.
5.
Entscheidungen können revidiert werden. Der Souverän hierzulande ist formal immer noch das Volk. Wenn eine Uneinigkeit darüber besteht, ob S21 durchgeführt werden soll oder nicht, sollte zumindest solange mit dem schaffen von Tatsachen gewartet werden, bis das Volk entschieden hat. Natürlich kann man nicht jedesmal bei irgendwelchen Planungen das Volk befragen, aber hier ist offensichtlich so viel schiefgelaufen, daß es das sinnvollste wäre, das Volk auch entscheiden zu lassen. Aber vermutlich hat man Angst, daß das Volk sagt “Nee, so nicht”.
6.
Entscheidungen von Behörden sind nicht immer rational nachvollziehbar und manchmal auch gegen die Interessen der Bürger, insbesondere dann, wenn wortschaftliche Interessen dahinterstehen. Wenn also Bürger daher eine Sitzblockade machen, um zu verhindern, daß vollendete Tatsachen geschaffen werden – Bäume wachsen nicht so einfach mal wieder schnell nach, wenn sie erstmal gefällt sind -, so ist das als ziviler Ungehorsam in meine Augen durchaus gerechtfertigt. Das ist durchaus davon zu unterscheiden, ob sich jemand vor deine Haustür setzt, um dich zu ängstigen.
7.
Ich versuche meinen Kindern politische Bildung zu vermitteln. Dazu nehem ich sie zu Gemeinderatssitzungen mit, lasse sie bei Wahlen mitschauen und erkläre ihnen wie die Wahlverfahren funktieren. Gehe auch zu den Auszählungen bei den Wahlen mit ihnen, damit sie eine Vorstellung davon bekommen, warum man hieruzulande meistens einer Wahl (noch) vertrauen kann. Ich hätte sie auch zu einer normalen “Bürgerlichen” Demonstration, mitgenommen, so ich den das für sinnvoll erachtet hätte. Und bei einer Schülerdemo, wie sie in Stuttgart angesetzt war, hätte ich erstmal nicht damit gerechnet, daß man da allzuschnell in Bedrängnis kommt.
—
Fazit:
Aus meiner Sicht bleibt das offen, ob das tatsächlich “Kindesmißbrauch” war oder nicht. Zumindest hätte ich bei einer Demo in Stuttgart nicht mit so einer Eskalation gerechnet und wäre auch der Ansicht gewesen, daß man seine Kinder nicht in Gefahr bringt, wenn man sie mitnimmt. Auch in Karlsruhe würde ich nicht damit rechnen, daß eine Demonstration gegen eine U-Strab gewalttätig wird. In Berlin oder Hamburg würde ich hingegen fortbleiben, einfach weil ich da mit einer Eskalation rechne.
Sofern aber Eltern vorsätzlich Ihre Kinder mitnehmen, obwohl sie damit rechnen müssen, daß es Gewalttätigkeiten geben wird, stimme ich Dir aber zu. Aber ich glaube nicht, daß es in Stuttgart der Fall war. Wenn es solche Eltern tatsächlich öfter gäbe, würde man bei den Krawallen in Hamburg oder Berlin genauso Eltern mit Kindern sehen.
PS: Auch ich habe an Demonstrationen, sogar schon als 16-jähriger, teilgenommen. Und es ist nichts passiert, sowohl politisch (leider), als auch von den Vorfällen. Man ist marschiert hat seine Meinung kundgetan und ist dann wieder friedlich auseinandergegangen. Es geht also, wenn sowohl Polizisten (damals waren nur welche, die den Verkehr geregelt haben) als auch Demonstranten vernünftig sind. Aber die Polizisten, die in den Videos gezeigt werden, sind eindeutig nicht für diese Aufgaben geeignet.
Eine interessante Erklärung für das Auffahren großer Geschütze bei der Demo bietet diese Seite:
http://www.n-tv.de/politik/politik_kommentare/Alle-Gewalt-geht-vom-Staate-aus-article1616901.html
Nachdem die Landesregierung übrigens behauptet hatte, die Demonstranten hätten zuerst mit Pflastersteinen geworfen, musste sie diese Behauptung wieder zurücknehmen. Danach waren es Flaschen und Steine, die angeblich geflogen sind und wenig später völlig unspezifische “Wurfgeschosse”.
Zeugen sagen, dass mit Kastanien geworfen wurde und vereinzelt auch mal ein Stuhl geflogen ist! Ich habe sehr stark den Eindruck, dass man wirklich versucht hat, die Leute zu provozieren und sie dann in die Extremisten-Ecke zu stellen. Pech nur, dass immer mehr Menschen Handys mit Kameras haben und sich viele Aussagen anschließend beweisen bzw. widerlegen lassen.
Nachtrag:
Wie schnell man als “Familie” in so eine Situation kommen kann, haben meine Eltern in den 70ern erlebt:
Ich lag damals in der Kinderklinik in HD und sie haben mch zusammen mit meinen Geschwistern besucht. Diese liegt bekanntlich auf dem Unigelände wohin man üblicherweise als Nur-Besucher nicht mit dem PKW darf. Nun war ausgerechnet an diesem Tag eine Demo in Heidelberg (quasi die Nachwehen der 68er-Demos), die sie vorher nicht mitbekommen haben (bei uns auf dem Land hat man da wenig mitbekommen was in HD gerade abgeht). Und als sie nach dem Besuch wieder zurück zu unserem Auto gelaufen sind, sind sie auch in den Genuß von Wasserwerfern und Tränengas gekommen, obwohl sie total unbeteiligt waren. Und so wie sie und meine Geschwister es geschildert haben, hatten Sie gar keine Chance dem auszuweichen.
Noch ein Nachtrag:
ZU der Vorgehensweise des Oberbürgermeisters:
http://www.zeit.de/2010/39/Bahnprojekt-Stuttgart-21?page=2 (gefunden bei HAL Faber, aber den Sachverhalt habe ich auch schon woanders gelesen).
Daher verstehe ich die Leute, die verhindern wollen, das mit Gewalt vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen. Und ich bin auch der Meinung, das man sich nicht einfach damit abfinden sollte, da mach den “Spielregeln” der Regierenden ja alles ordnungsgemäß beschlossen wurde.
Wenn das so weitergeht, werden die Deutschen vermutlich doch öfter den Rasen betreten und Lenin seinen Irrtum aufzeigen, so wie zumindest ein Teil dieses landes vor 20 jahren es vorgemacht hat.
Wer es sich antun möchte: hier gibt es 2 Stunden ungeschnittenes Rohmaterial zwischen 11.30 und 15 Uhr: http://www.ustream.tv/recorded/9913357
Ich habe das Video nicht vollständig gesehen, die ersten 20 Minunten schon. Man erkennt darin ganz gut die Eskalationsstufen. Hm, was man davon halten soll… mir fehlt für eine genau Bewertung die Kenntnis inwieweit solche Situationen „normal“ sind auf Demos.
Ist es nicht merkwürdig, dass Stumpf behauptet, er habe den Einsatz der Polizei ganz alleine zu verantworten?
Vor den Vorfällen am Donnerstag hatte Innenminister Rech bei einer Pressekonferenz geäußert, es sei „Aufgabe der Polizei, diese rechtlich genehmigte Baumaßnahme zu sichern“.
O-Ton Heribert Rech auf der Pressekonferenz: „ Dem kommen wir ohne Wenn und Aber nach“.
Eine solche Aufforderung an die Polizei, Maßnahmen „ohne Wenn und Aber“ durchzusetzen, klingt ganz nach totalitärem Staat.
Rechs Aussage beinhaltet eine Aufforderung an die Polizei, unter Missachtung des pflichtgemäßen Ermessens und des Verhältnismäßigkeitsprinzip und ohne Rücksicht auf das konkrete Verhalten der Demonstranten gegen die Demonstration und die Demonstranten vorzugehen, die hier bereits im Vorfeld von Innenminister Rech kriminalisiert wurden.
Es ist wirklich lachhaft, wenn Stumpf nach der oben zitierten Äußerung von Rech, die durch alle Medien gegangen ist, allen Ernstes behauptet, die alleinige Verantwortung für das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten einer zuvor angekündigten Demonstration zu tragen.
Vor wenigen Tagen wurde ein Experte befragt, ob der Einsatz von Wasserwerfern gegen Sitzblockaden von Jugendlichen bei der Stuttgart 21-Demonstration rechtlich zulässig war.
Dies wurde von dem Experten mit der Begründung verneint hat, dass es klare Regeln für den Einsatz von Wasserwerfern gebe, dass der Einsatz von Wasserwerfern bei der Sitzblockade von Jugendlichen in dem konkreten Fall jedoch nicht zulässig gewesen sei.
Inzwischen wurden von Juristen bereits Rechtmittel gegen Stumpf und Rech eingelegt, wie folgender Artikel zeigt, aus dem hier auch zwei Ausschnitte zitiert werden:
’„Auch gegen Stumpf sind Strafanzeigen angekündigt. Ein Schorndorfer Anwalt wirft ihm Körperverletzung im Amt vor, weil die Polizei gar nicht gegen die Schülerdemo hätte vorgehen dürfen. “Das hätte die Auflösung der Versammlung durch die zuständige Behörde
vorausgesetzt”, so der Anwalt.
Ein pensionierter Strafrichter des Landgerichts hat bei Innenminister Heribert Rech Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Besatzung im Wasserwerfer erhoben. Der Richter war außerhalb der polizeilichen Absperrungen und fern der zu räumenden Straße von einem Wasserangriff voll getroffen worden. Er blieb unverletzt.’
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stuttgart-21-staatsanwaltschaft-erwartet-anzeigenflut.a54fa671-f6e7-45c5-a73b-bd33d2e8d975.html
Generell gibt es unter den Polizisten in Deutschland leider so einige schwarze Schafe, die anscheinend nicht in der Lage sind, zwischen rechtmäßigem Vorgehen zur Gefahrenabwehr und schwerer Körperverletzung im Amt zu unterscheiden:
http://www.stern.de/politik/deutschland/polizeigewalt-schlaege-schikanen-kaefighaft-590898.html
bochum-polizeigewalt-ermoeglicht-pro-nrw-mahnwache/
http://www.forum-thueringen.de/thread.php?postid=295601
http://www.blindnews.eu/politik/10138.html
polizeigewalt-in-deutschland.html
Gelegentlich kommt es zu Verurteilungen solcher Polizisten:
http://www.bz-berlin.de/tatorte/gericht/geldstrafe-pruegel-polizist-verurteilt-article996908.html
In manchen Fällen, v.a. bei G-8 sowie auch bei Stuttgart 21, drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass die Polizeigewalt ganz von oben angeordnet oder zumindest stillschweigend geduldet wurde/wird.
Die ersten Absätze über dachte ich, der Artikel ist irgendwie sarkastisch gemeint…
Kinder nicht mit auf Demos nehmen zu können, heißt für mich, Politik sollen sie in der Schule lernen und sonst bitte nirgends. Für Kinder bitte nur Vertragspolitik oder wie? Und es mag sein, vielleicht gab es Eltern, die ihre Kinder da aus instrumentalisierenden Bestrebungen mithin genommen haben, aber das dürfte wohl auf die Wenigsten zu treffen. Es ist eine ziemlich infame Unterstellung, die Eltern würden da ihre Kinder opfern wollen. Wohl eher ist anzunehmen, dass man den Eltern eine gewisse Naivität unterstellen könnte, die Gewalt auf der Demo unterschätzt zu haben, andererseits: wer rechnet damit, wegen einem Bahnhof, in solche Aktionen zu geraten?
Aber auch auf zb. AntiNazi Demos sollte man Kinder mithin nehmen können, eben weil Freiheit eine Sache der Praxis ist und das kann man Kindern nicht theoretisch vermitteln. Man sollte sie nicht zu Demos zwingen, aber verbieten darf man es erst recht nicht. Lässt man sich zu Hause einsperren oder seine Kinder zu Hause einsperren, hat man schon ein Teil des Kampfes verloren. Ausserdem ist es praktischer Unterricht in Politik, in dem auch Erfahrungen gemacht werden, die politisch nicht irrelevant sind. Dass da Kinder vermöbelt wurden hat jedenfalls sicher keiner geplant, dass es aber nicht verhindert werden konnte ist in meinen Augen das Problem. Zu sagen “Keine Kinder mehr auf Demos!” wirkt auf mich doch eher wie eine etwas engstirnige Bissigkeit aus einer wohl verständlichen (ressentimentären) Angst, die man deswegen aber nicht zum Leitprinzip erheben kann. Wenn wir anfangen Kinder von Demos abzuziehen, ziehen wir auch irgendwann Rentner ab und dann Arbeitslose, Behinderte usw.. Ausschluß kann nicht der Weg sein, davon abgesehen wäre es unfassbar schwer zu organisieren und glücklicher Weise gäb es genug (sogar konservative) Kräfte, die so etwas verhindern würden.
Es mag auch sein, dass die Verträge für den Bahnhof nach geltendem Gesetz verfasst worden sind und die Demo daher jetzt irgendwie verspätet wirkt und ausserdem dämlich, aber Gesetze sind wohl nicht (mehr) die absolute Gewißheitsinstanz und zudem sind in den letzten Monaten doch wohl auch Bedenken von Fachleuten viel eindeutiger geworden, als das noch am Anfang (“Während der Vertrag gemacht wurde”) der Fall war. Wie es aussieht, wurde ja nicht gerade zu viel über die Sache verhandelt und zu dem auch schneller, als es gut war. Könnte man die “Rettungspaket-Politik” nennen, die meistens eine Blendgranate ist und alles ausserdem schlimmer macht, als es vorher war.
Gesetz und Vertrag sind jedenfalls keine zweifelsfrei bindenden Gegebenheiten mehr, die quasi Unantastbarkeit beanspruchen könnten. Adamek und Otto haben ein Buch drüber geschrieben (“Der gekaufte Staat”), wie sich Firmen Gesetze einfach selbst schreiben. Mag sein, dass die Sache nach geltendem Gesetz verfasst wurde, aber wie kam dieses Gesetz wohl zu stande? Wer hat es gemacht? Wer hat es geschrieben? Waren alle Beteiligten wirklich legitimiert für legislative Aufgaben? Das muss man heute wohl bezweifeln. Und nur weil etwas Gesetz ist, ist es aber noch lange nicht ethisch richtig. Ein Beispiel dafür wäre §175, aber auch die Euthanasie-Aktionen der Nazis referrierten aufs Gesetz (gleichwohl sie keines waren) und deswegen waren diese beiden Gesetze aber noch lange nicht richtig!
Ich denke ebenfalls, dass man zwischen Kindern, Erwachsenen und Rentern usw. differenzieren muss. Nicht nur trägt jeder ein Risiko auf einer Demo (auch Polizisten), sondern es hat auch jeder unterschiedlich Kraft. Es sind nicht alle gleich. Wenn ein alter Mensch einen Knüppel in die Knie bekommt, kann das Invalidität bedeuten; bei einem 30-jährigen Menschen wäre das weit unwahrscheinlicher und insofern sollten Knüppelnde nicht nur Respekt vorm Alter besitzen, sondern auch den Verstand, dass ein Rentner weit weniger gewalttätig werden kann als ein Mitdreißiger; und weil der Mitdreißiger in diesem Punkt gefährlicher ist, ist Gewalt gegen ihn legitimer, als gegen einen Rentner (wenngleich sich streiten lässt, welche Gewalt gegen alle illegitim ist). Ebenso kann ein Knüppelschlag auf den Schädel eines 12-jährigen durchaus zu Entwicklungsproblemen führen, die bei einem Erwachsenen nicht auftreten würden; gleichfalls sind Kinder weitaus schwächer als Erwachsene und insofern ein Problem, dass nicht mit Knüppel, Wasserwerfer oder Pfefferspray gelöst werden muss; in Fragen der Gewaltanwendung gilt aber: was nicht muss, dass darf dann auch nicht. Sonst feiern wir demnächst wieder Blutschlachten.
Für mich besteht die Frage eher darin, wie “erwachsen” es wohl ist, Politiken mit Wasserwerfern, Knüppeln und Pfefferspray durchzuführen, wie es auch fragwürdig ist, wie fliegende Stühle oder Kastanien die Politik verändern sollen; aber auch hier ist beides nicht dasgleiche. Demonstranten und Polizisten sind nicht gleich. Zwar mögen beide “organisierte Gruppen” sein, aber die Organisationsintensitäten dürften bei den Polizisten weit höher liegen als bei den Demonstranten, von denen die meisten auch noch anonym für die anderen sind, während die Polizisten sich gegenseitig kennen (wichtig für die möglichen und unmöglichen Organisationsstrukturen). Deswegen ist es auch nicht dasgleiche, wenn Demonstranten “austicken” und wenn das gleiche Polizisten tun. Demonstranten gebrauchen eine Macht, die sie sonst nicht besitzen ‘dürfen’ (Gewalt), während Polizisten eine Macht gebrauchen, zu der sie legitimiert sind (Gewalt). Gewaltgebrauch ist für Demonstranten immer illegal, für Polizisten nicht (deswegen sind die Verantwortungen unterschiedlich gelagert), d.h. es sind nicht die selben Menschen, die sich hier gegenüberstehen. Und wenn nun die, die Gewalt legitim benutzen können, diese gegen Kinder oder Rentner einsetzen, dann ist das wieder ein Unterschied zu den normalen, kräftigen Menschen. Gewalt gegen Kinder und Rentner ist im Vergleich zu Gewalt gegen “Normale” immer exzessiver, weil ungerechtfertigter und unethisch: auf Schwache kann jeder einprügeln. Selbst im Krieg ist es etwas anderes, wenn Soldaten Erwachsene erschießen und wenn sie Kinder und Rentner erschießen. Das ist nicht nur für alle, die es von den schießenden Soldaten erfahren etwas unterschiedliches, es ist das auch für die Soldaten. Nicht wenige Kriegstraumata haben mit Kindern, die Soldaten erschoßen haben zu tun.
Dass der Einsatz von Pfefferspray etc. an sich fragwürdig ist, denke ich allerdings auch. Man muss sich schon fragen, wieviel die Zivilisation eigentlich “fortgeschritten” ist, wenn die Lösung zur Begegnung von politischem Widerstand Pfefferspray etc. heißt. Das ist ja nicht unbedingt gerade kultivierte Kommunikation, eher arschaische!
Zwar wird es nie Politik ohne Gewalt geben, aber öffentliche Gewalt gegen Kinder war an sich schon fast immer tabu (wer sich an Kindern rächt, ist dumm, wer an ihrer Unterdrückung Spaß hat, ist schwach), jedenfalls war es bisher zu keiner Zeit zweifelsfrei legitim und ebenso war es nicht legitim, solche Gewalt zu legitimieren (“gerechtfertigt”), allerdings aus ethischen Gründen, nicht aus rechtlichen oder gesetzlichen (die gesetzlichen Gründe kamen später hinzu). U.a. Herr Rech hat nun aber meinen wollen, dass Polizisten im Notfall (aber jede Demo ist ein Notfall, weil Ausnahmezustand…) Kinder schlagen dürfen. Damit tut er nicht mal Polizisten einen Gefallen, denn ich kann mir nur schwer vorstellen, dass allzu viele Polizisten so ein Recht wollten (wo Recht und Pflicht bei Polizei eng zusammen liegt). Vielleicht sind es genauso viel Polizisten, die darauf stehen würden auf Demos Kinder zu schlagen, wie Eltern, die ihre Kinder absichtlich auf Demos instrumentalisieren. Beide sind aber keine Refernzgruppe, um über alle anderen zu richten.
Sein Kind mit auf eine Demo zu nehmen kann schlichter Teil einer (sogar sehr bürgerlichen) Erziehung sein.
Nee, war nicht sarkastisch gemeint.
Erziehung ist gut.
Ich kann es aber gar nicht ab, wenn die Kinder als Meinungsverstärker der Eltern herhalten müssen. Genausowenig mag ich es, wenn irgendwelche Islamisten dreijährige Kinder mit Kalaschnikow und Bombengürtel(attrappen) rumlaufen lassen. Ich hab da mal eine völlig kaputte Mutter erlebt, die so einen undefinierbaren Weltschmerz und eine Untergangsangst hatte, die sich ernsthaft einbildete, daß wir gerade alle an der bösen Atomkraftwerkstrahlung jämmerlich zugrunde gehen und alle gerade elendiglich sterben müssen. Die glaubte zu fühlen, wie sie zerstrahlt wird von bösen Mächten. Sei ihr gegönnt. Nun hatte sie aber noch zwei Kinder (so ca. 3 und 5) dabei und hat sich ständig mit denen heulend umarmt, weil alles so schlimm ist und sie jetzt zusammen sterben werden. Die Kinder waren davon voll überzeugt und haben da voll mitgeheult und auf den Tod gewartet. Ich finde das ganz, ganz schrecklich, wenn man den Kindern nicht die Freiheit läßt, etwas zu begreifen und sich eine eigene Meinung zu bilden, sondern sie zwangsideologisiert (weshalb ich auch solche Sachen wie Taufe, Kommunion, Konfirmation ganz entsetzlich finde).
Der zweite Punkt ist, daß Eltern für ihre Kinder vor allem mal eine Fürsorgepflicht haben. Und daß es bei einer Demo Menschenmengen gibt, und Menschenmengen eine Gefahr darstellen, wissen wir doch spätestens seit der Love-Parade-Katastrophe. Kinder sind einfach körperlich unterlegen, und nicht hinreichend reaktions-, urteils- und selbstschutzfähig, und werden im Zweifelsfall gnadenlos niedergerannt. Da brauchts keine Polizei, da reichen ein paar Idioten mit Feuerwerkskörpern oder Besoffene.
Wer Kinder mit zu einer solchen Demo nimmt, der spielt mit deren Gesundheit, und wie ich meine nicht aus Erziehung, sondern aus persönlichen Gründen. Wer nicht selbst die Situation überblicken, selbst Gefahr erkennen und sich selbst in Sicherheit bringen kann, wer sich nicht auch mal mit Ellenbogen Durchgang verschaffen kann, wer einer Masse von Erwachsenen schon von der Körpergröße und Körperkraft hoffnungslos unterlegen ist und sich auf Höhe der Füße und Beine bewegt, der hat auf einer Demo nichts, aber auch gar nichts verloren.
Solche Eltern halte ich für noch schlimmer als schöne alte Bäume abzusägen und einen hässlichen teuren Bahnhof zu bauen. Das meine ich ernst.
Nicht jede Demo ist Berlin-Kreuzberg am 1. Mai. Auf der sind glaube ich auch keine Kinder. Die Eltern wissen wohl, wohin mit den Kindern und wohin nicht.
Wie sie das bezüglich Duisburg schon einmal erwähnt haben, haben auch die Demonstrierenden als Masse Verantwortungen. Wenn Demos dann dergestallt sind, dass Demonstranten Demonstranten niedertrampeln, dann ist das ohne Frage ein Problem, das auch in der Verantwortung der Demonstranten selbst steht; für Duisburg war es aber auch eindeutig eine Organisationsfrage, deren Verantwortliche zum Großteil nicht die Demonstranten waren.
Aber um dieses Problem ging es in Stuttgart gar nicht, weil die Verletzten nicht von Demonstranten, sondern von Polizisten verletzt wurden, jedenfalls zum überwiegenden Teil, so viel bekannt ist. Das Verhalten der Demonstranten war ausschlaggebend für die Empörung nicht wegen ihrer Gewaltbereitschaft, sondern gerade wegen ihrer Gewaltlosigkeit! Die Leute haben da zu Trommelmusik in bunten Klamotten getanzt, ein Bild, dass in Berlin Kreuzberg am 1. Mai jedenfalls sehr selten ist.
Darüber hinaus gibt es seit bestimmt 50 Jahren kaum Meldungen über Demos, auf denen Kinder, Jugendliche oder Rentner zu schaden kamen. Dass die Demo in Stuttgart so ausartet, war meines Erachtens nach nicht antizipierbar, da es sich nun wirklich um eine sehr bürgerliche Demo handelte: das war keine Demo Gewaltbereiter gegen Gewaltbereite, sondern eine Demo wegen einem Bahnhof und Bäumen. Eine Demo gegen ein Kohlekraftwerk wäre ähnlich ungefährlich, zumindest würde man sich das vorher so denken. Wie sorglos bezüglich Gewaltausschreitungen die Demonstranten vorher waren (aka: wie wenig sie Gewalt antizipierten) erkennt man auch daran, dass nicht mehr als Kastanien und vereinzelt Flachen geflogen sind, dass sich da keiner Mollis mit hingenommen hat oder Eisenstangen und dergleichen (wie auf Demos mit heftigem Gewaltpotential üblich). Bis Donnerstag hatte diese Demo da eher den Charakter einer gediegenen Nachmittagsveranstaltung. Massive Polizeigewalt hielt niemand für nötig.
Die Taz berichtet heute übrigens, dass der Mann (ein Rentner!) mit dem zerstörten Auge mit dem anderen auch noch nicht sehen kann und, dass ungewiss ist, ob er es überhaupt je wieder können wird. Auch zu lesen war an andere Stelle , dass 12 Kinder gebrochene Nasenbeine haben, nicht wegen Demonstranten, sondern wegen Schlagstockeinsatz. Kinderschlagende Polizisten sind nicht Normalität, zum Glück; deswegen sind sie ein Problem: schlimm wäre es, wenn sie kein Problem deswegen wären.
Ich will sagen, dass ich denke, dass viele Eltern sehr wohl überlegen, zu welchen Demos sie ihre Kinder mitnehmen und, dass ich ihr Urteil, die meisten Eltern seien eine Gefahr für ihre Kinder, ungerecht finde und ausserdem gewaltig pauschal.
Es mag solche Eltern geben, wie die, die sie beschreiben; dass aber – sagen wir: hysterische – Eltern, die paranoisch auf Strahlung reagieren der Normalfall wären, kann man wohl nicht behaupten. Es ist eine fast extreme Ausnahme.
Es ist sicher wahr, dass es eine Form der Ideologisierung ist, sein Kind mit auf eine Demo zu nehmen. So viel es Ideologisierung ist, so viel ist es aber auch Bildung (und deswegen nicht hysterisch-extrem) und wer über Politik lernen will, muss sich der gegebenen politischen “Ideologie” (unsere heißt Demokratie) nun mal irgendwie verpflichten. Ausserdem ist Ideologie auch ein äußerst schwammiger Begriff, weil er alles und nichts bedeuten kann.
Dass die Kinder auf Demos ruhig bleiben ist Wunsch fast aller Eltern, nicht, dass die Kinder vermöbelt werden. Die Eltern rennen nicht mit den Kindern an die Front; das zu unterstellen, dass das kategorisch so wäre, finde ich unfair von Ihnen, weil es der Realität nicht entspricht. Der überwiegende Teil der Eltern ist nicht so hysterisch oder verantwortungslos, wie Sie das hier sagen.
Die Loveparade-Katastrophe war ein GAU und ist nicht der Normalfall einer Demo. Dieses eine Bild, in dem die Fluchtwege der Berliner Loveparade mit dem einen (!) Fluchtweg der Duisburger Loveparade verglichen wird, ist quasi ein gutes Bild vom Unterschied zwischen “normal” und “katastrophisch”. In Stuttgart allerdings war das Katastrophische nicht so antizipierbar, wie das bei der Loveparade zumindest theoretisch der Fall war (es gab kein “Bild” vorher darüber, dass das so passieren könnte).
Wir haben mindestens die letzten 50 Jahre lang gewusst, dass man Kinder und Rentner auf bestimmten Demos akzeptieren kann und gleichzeitig, dass es nicht auf allen möglich ist; Sie sagen nun, man müsse Kinder und Rentner auf Demos generell untersagen, was ich für eine Flucht nach hinten halte, weil Sie damit quasi jede mögliche Demo zu einem Ausbruch irrationaler Volksgewalt erklären, die Polizisten gleichzeitig total von Verantwortung befreien: kein Polizist MUSS ein Kind schlagen, das muss festgehalten werden! Aber 12 Nasen von Kindern wurden gebrochen, durch Polizisten, nicht durch Demonstranten.
Der Tag, an dem wir beschließen würden, “keine Kinder und Rentner mehr auf allen Demos!” wäre ein verdammt trauriger Tag nicht nur für die Demokratie, sondern für unsere Kultur.
@ Herbert:
Ich möchte einmal ganz heftig widersprechen:
„Es sind nicht alle gleich. Wenn ein alter Mensch einen Knüppel in die Knie bekommt, kann das Invalidität bedeuten; bei einem 30-jährigen Menschen wäre das weit unwahrscheinlicher und insofern sollten Knüppelnde nicht nur Respekt vorm Alter besitzen, sondern auch den Verstand, dass ein Rentner weit weniger gewalttätig werden kann als ein Mitdreißiger; und weil der Mitdreißiger in diesem Punkt gefährlicher ist, ist Gewalt gegen ihn legitimer, als gegen einen Rentner […]“
Der Einsatz körperlicher Gewalt ist immer mit dem Risiko verbunden, daß mehr passiert als man eigentlich vorhat. Ich denke Beispiele gibt es in der letzten Zeit genug, ob das nun das verlorene Augenlicht des älteren Herren in Stuttgart oder den Tod von D. Brunner aufgrund eines Herzfehlers nimmt.
Daher verstehe ich die Unterscheidung nicht. Natürlich darf man keinen Unterschied machen, gegen wen man die Gewalt einsetzt. Das Maß ist bestimmend, und das darf sich nur an der tatsächlichen Notwendigkeit festmachen. Solange jemand nur herumsteht und ruft (und seinen es noch so böse Beleidigungen) darf er auch gerne 25 sein, bunte Haare haben und eine Lederjacke mit Antifa-Sprüchen tragen, er hat gefälligst nicht zusammengeknüppelt zu werden. Wenn jemand aber Polizisten in körperliche Gefahr bringt darf er – und sei er ein dreijähriges Kind – mit dem *unbedingt nötigen* Maß an Gewalt davon abgehalten werden.
Der Vergleich mit Soldaten, die nicht auf Frauen und Kinder schießen dürfen hinkt. Denn „Frauen und Kinder“ war damals™ schlicht und ergreifend die Umschrift für „Nichtkombattanten“. Spätestens in der heutigen asymmetrischen Kriegsrealität dürfte das Geschlecht und das Alter wohl nicht mehr interessieren.
Im “Weinberghäuschen” an einem Rebenhang über dem Stuttgarter Talkessel treffen sich immer wieder sehr mächtige Leute – mächtiger als Mappus, Rech, Schuster und das gesamte Parlament zusammen!
Hier nur mal eine Auswahl der Namen einiger einflussreicher Strippenzieher im Hintergrund, welche unbedingt Alles in Stuttgart, im Land und darüber hinaus bestimmen möchten und damit die Demokratie zerstören könnten:
Späth, Teufel, Oettinger, Mehdorn, Dürr, Stihl, Grube, Häussler, Herrenknecht, Hundt sowie führende Medien-Vertreter.
Vielleicht weiss irgendjemand mehr darüber als in dem aufschlussreichen Sternartikel mit dem sprechenden Titel
“Fahrt auf schwäbischem Filz” dargelegt wird: http://www.stern.de/politik/deutschland/streit-um-stuttgart-21-fahrt-auf-schwaebische
Welche Rolle könnte bei diesen Treffen die – laut BKA – in Stuttgart äußerst aktive Mafia spielen?
Der Link tut nicht…, dürfte wohl der sein:
1 Wie kann denn ein Kind einen Polizisten in körperliche Gefahr bringen? Mit einem Schienbeintritt? Wie kann es notwendig sein, ein Kind zu verknüppeln?
2 Ich sage nicht, Soldaten dürfen nicht auf Kinder schießen, sondern, dass die Kriegstraumate schlimmer sind für Soldaten, wenn sie Kinder erschoßen haben. Das ist ein kriegspsychologisches Faktum, dass Kinder mit größerer Zurückhaltung erschoßen werden. Pervers wie es ist, sind deswegen Kindersoldaten tatsächlich kriegspsychologische Instrumentalsisierungen. Ich nehme an, dass sie das auch immer bleiben werden.
Polizeigewalt gegen Kinder ist für mich in keinem Fall legitimierbar und die gegen Jugendliche und Rentner in jedem Fall fragwürdig. Kinder unter 14 sind ja auch aus gutem Grunde nicht strafrechtlich verfolgbar. Den Grund nennt man Unmündigkeit. Unmündige zu verprügeln ist nicht nur sozial fragwürdig, sondern auch schlicht dumm und ausserdem ein Zeichen von Schwäche. Ein Kind (und m.E. ein Rentner) kann Widerstand gegen die Staatsgewalt nicht leisten und wegen dieser Sache des möglichen Widerstandsrechtes muss man hier auch durchaus unterscheiden und ist “gleiche Gewalt gegen alle” eben gerade nicht mehr geboten. Es gibt mit Sicherheit auch Kinder mit Pfefferspray-Verletzungen. Kinder mit Pfefferspray zu bearbeiten ist nun aber einfach grausam und barabarisch. Dann dauerts vielleicht noch 5 Jahre, und dann haben wir auch keine Skrupel mehr, sie mit Elektroschockern zu bearbeiten, weil “Gleiche Gewalt gegen alle”?
Ich meine es pädagogisch, wenn ich sage, dass sowas vielleicht keine direkten Auswirkungen heute hat, aber in 20 Jahren hat es dann vielleicht welche, die wir nicht abschätzen können.
In etwa so, wie man 20 bis 30 Jahre vor dem ersten Weltkrieg so tolle Erziehungs”ratgeber” gelesen hat wie “Die Kunst Kinder zu kneten” oder die Kallipädie mit all ihren tollen technischen Instrumenten etabliert hat. Knüppel und Pfefferspray gegen Kinder ist schwarze Pädagogik im Deckmantel der Demokratieverteidigung und des Gleichheitsanspruches.
Warum nur läßt sich ein so gebildeter, hochintelligenter und sympathischer Mann wie Dr.Geißler auf die Mappus-Show mit Mr. Piggy ein?
Wahrscheinlich nur aus Mitleid mit einigen möglicherweise korrupten Marionetten, die an den Fäden der Baumafia baumeln und nicht in der Lage sind, sich aus deren Fängen zu befreien.
Sicherlich möchte Dr.Geißler als guter Christ und großherziger Mensch diese habgierigen Würstchen vor dem Fegefeuer bewahren. Eine wirklich schwere Aufgabe, die viel Mut erfordert …
(Aufzeichnung der Pressekonferenz der Jugendoffensive gegen Stuttgart 21. )
Eine Mutter berichtet recht zu anfang: 12-jährige, die mit Pfefferspray bearbeitet wurden, scheinen traumatisiert, finden teilweise in den Folgetagen nicht mal zu ihren Strassenbahnhaltestellen ohne elterliche Begleitung.
Solche “Verwirrung” wurde auch von Eingekesselten des Hamburger Kessels berichtet, die tage- oder wochenlang Weinkrämpfe wegen der Polizeigewalt hatten. Im Grunde ist das wie eine kurze depressve Psychose durch ein gewaltiges Ohnmachtsempfinden. Jedes überwältigende Ohnmachtsempfinden kann zu paranoider Schizophrenie führen. Man muss aber nicht Psychopathologie studieren, um denken zu können, dass das nicht gut für Kinder sein kann, wenn sie im Park Pfefferspray in die Augen bekommen und überall Augen bluten.
In Stuttgart hat man einen Jugendlichen, der auf einem – weder im Moment, noch demnächst zu fällenden – Baum saß, versucht mit Wasserwerfern vom Baum zu schießen. Der Jugendliche hatte keine Raketenwerfer in der Hand und auch keine Atombombe. Es ist in Deutschland nicht verboten auf Bäume zu klettern und selbst dann wäre ein vom Baum herunterschießen zu wollen die nordvietnamesische Methode, aber keine deutsche oder europäische, abendländische, west-weltliche.
Wie auch inzwischen bekannt: man hat die Wasserwerfer nahezu von Beginn an mit dem maximalen Druck laufen lassen; der ist nur legal, wenn die Polizei direkt angegriffen wird, MIT FAHRZEUGEN ODER WAFFEN. Diese 20bar-Strahlen haben dem bekannten Rentner das Auge gekostet und Polizisten hatten keine Skrupel, die Strahlen in Menschen-Mengen zu feuern, in denen offenbar Kinder und Jugendliche sich aufhielten. Man kann von Glück reden, dass die Demo nicht an so einem schlechten Ort wie dem Duisburger Bahnhof passierte, denn da hätte ein solche Verhalten der Polizei zu dem geführt, was die Loveparade erreichte, wiederum auch da nicht ohne Unterstützung der Polizei.
Es geht wohl nur wenigen darum zu sagen, “schafft die Polizei ab!”. Es geht darum, dass die Polizei-Repressions-Macht auszuufern beginnt, dass wir Zustände wie in den späten 50igern und frühen 60igern zu haben scheinen, aber nicht mal wegen einem Napalm-Krieg, sondern wegen einem Bahnhof; und darum, dass niemand darauf warten will, dass es deswegen wieder Tote gibt – was nicht unwahrscheinlich und anscheinend gedankenlos oder freudenvoll hingenommen wird, wenn man mit 20bar-Strahlen Jugendliche von Bäumen schießen will, denn bei sowas ist ein Genickbruch nicht unwahrscheinlich.
Und darüberhinaus haben sich sogar schon Polizisten öffentlich darüber beschwert, dass sie zusehends öfter Bollwerk zwischen Staat und Gesellschaft spielen müssen.
Es geht nicht um das Problem von Ausnahmerowdys bei den Polizisten und Standard-Extremismus bei den Demonstranten, sondern um das umgekehrte: Standard-Brutalität der Polizisten trotz Ausnahmeextremismus bei Demonstranten; es geht um Polizisten, die es wirklich geil finden, Leute zu verprügeln; es geht seit Donnerstag darum, dass manche Polizisten es jetzt schon geil finden, Kinder zu verprügeln, dass sie offensicthtlich nicht(mehr) aus Skrupel davor zurückschrecken.
Bei Ihnen Herr Danisch habe ich nun den Eindruck, dass sie das alles auf Seiten der Eltern schieben wollen und nicht sehen wollen, dass sich dort Polizisten fehlverhalten haben, massiv, dadurch Provokationen ausgelöst haben; dass trotz dieser Provokationen die Leute nicht volles Rohr gewalttätitg geworden sind (es gibt KEINEN verletzten Polizisten, dafür bis zu 400 verletzte Demonstranten); dass niemand seine Kinder in die Menge geschmissen hat und nicht mal irgendwer einen Stein; dass die Demonstrationsfreiheit ein Grundrecht ohne Anseheung des Alters ist und das prügelnde Polizisten dieses Recht gefährden, weil sie den Eindruck vermitteln, man riskiere vielleicht sein Leben auf Demos, was einer demokratischen Gesellschaft jedenfalls nicht würdig wäre.
Als Forschungskritiker finde ich Sie sehr gut, habe manches von Ihnen sehen und hören gelernt. Aber als Gesellschaftskritiker finde ich sie irgendwie ressentimentär und in diesem Fall hier finde ich, liegen Sie wirklich falsch.
Den Vorwurf weise ich entschieden zurück. Ich habe nie gesagt, daß ich “alles auf Seiten der Eltern schieben” wollte. Erzählen Sie nicht so einen Quatsch.
Ich sehe durchaus erhebliches Fehlverhalten bei der Polizei.
Wie ich aber auch schon bei der Love-Parade-Katastrophe schrieb, geht mir diese in Deutschland leider zunehmend verbreitete neo-ideologische Schwarz-Weiß-Malerei auf den Wecker, diese Vollkasko-Mentalität, daß man so überhaupt nicht mehr Denken und auf sich selbst (oder seiner Kinder) achten müßte, daß man sich hirn-, hemmungs- und bedenkenlos in jeden beliebigen Mist stürzen könnte und wenn’s schief geht auf irgendjemand anderen schimpfen könnte.
Um Wiederholungen zu vermeiden: Im Prinzip das Gleiche wie unter https://www.danisch.de/blog/2010/07/26/beruht-die-love-parade-katastrophe-auf-gesellschaftlicher-inkompetenz/
@Herbert:
Sie scheinen nicht verstanden zu haben, worauf ich hinaus will: ich schrieb explizit von der „unbedingt nötigen“ Gewaltanwendung. Und doch, daran halte ich fest. Ein 15jähriger, der sich an einer Sitzblockade setzt wird im Zweifelsfall genauso von Polizisten „herausgehebelt“ und abgeführt. Das ist bereits Anwendung von „unmittelbarem Zwang“, also Gewalt. Und wenn ein Jugendlicher – hypothetisch – bei einer Demo Steine wirft sehe ich auch kein Problem darin, daß gegen ihn mit dem Wasserwerfer oder Pfefferspray vorgegangen wird.
Bezüglich Ihres Kommentars „In Stuttgart hat man einen Jugendlichen, der auf einem – weder im Moment, noch demnächst zu fällenden – Baum saß, versucht mit Wasserwerfern vom Baum zu schießen. Der Jugendliche hatte keine Raketenwerfer in der Hand und auch keine Atombombe.“
Wenn Sie genau hinschauen erkennen Sie auf dem Bild (http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-60015-4.html) hinter dem Jugendlichen einen Backstein im Baum. Ich klettere jetzt schon ein paar Jahre nicht mehr, aber das letzte Mal kam ich auch ohne Ziegel auf dem Baum. Warum also der Stein?
Ich will mit all dem nun gar nicht igendetwas rechtfertigen – nur aufzeigen, daß man bei aller Begeisterung eben auch selbstkritisch bleiben muß.
“habe ich nun den Eindruck, dass sie das alles auf Seiten der Eltern schieben wollen”… ich habe nicht gesagt, dass Sie das machen, sondern, dass das der Eindruck ist, den Sie bei mir gerade hinterlassen.
Ich schätze, der Punkt, in dem sich unser beider Denken unterscheidet, ist der, dass ich die Gesellschaft und ihre Menschen nicht für dämlich halte oder für inkompetent, sondern schlechtestenfalls für schlecht organisiert; aber auch nicht im Ganzen, sondern in verschiedenen Teilen und in den Kommunikationen zwischen den Teilen.
Zu Ihrem Loveparade-Artikel will ich sagen, dass ich dort ihre Forderung, Alkohol zu verbieten, auch für falsch halte. Auf Festen Alkohol zu verbieten ist eine Forderung oder ein Vorschlag, der absurd ist. Sowas macht nicht mal die katholische Kirche, hat es noch nie gemacht. Und die Menschen haben auf Festen auch schon seit der Existenz der Zivilisation (vielleicht auch schon davor) Drogen auf Festen genommen. Die Forderung nach Prohibition des Alkohols ist erwiesener Maßen falsch (Amerika in den 1920igern): was man damit bewirkt ist lediglich eine Verschiebung der Konsumptionsräume, was m.E noch gefährlicher werden kann, wenn zb. jeder anfängt, für sich alleine zu trinken. Vom Standpunkt der Kultur-Philosophie aus gesehen, könnte man hier noch Nietzsches Schriften über das Dionysische hinzufügen. Mit dem Dionysischen werden die Menschen zwar wahnsinnig, aber ohne es werden sie mörderisch, barbarisch, gesetzbrecherisch, gewalttätig. Nimm den Menschen die Drogen und sie rasten aus. Es gab nie eine Gesellschaft ohne Drogen und ich bezweifle, dass es sie je geben kann. Ich würde es mir aber auch nicht wünschen.
In diesem Punkt stimme ich aber mit Ihnen darin überein, dass es immer gefährlich ist, in Menschenmengen zu gehen. Das wird wohl auch immer so bleiben. Allerdings gibt es Differenzen zwischen Festen und Demonstrationen, die man nicht einfach aufheben kann. Auf ein Fest geht man aus anderen Gründen als auf eine Demo, selbst wenn die Demo zum Fest erklärt wird.
Ich finde es allerdings komisch, wenn Sie schreiben, dass Ihnen “diese Vollkasko-Mentalität, daß man so überhaupt nicht mehr Denken und auf sich selbst (oder seiner Kinder) achten müßte, daß man sich hirn-, hemmungs- und bedenkenlos in jeden beliebigen Mist stürzen könnte und wenn’s schief geht auf irgendjemand anderen schimpfen könnte” auf den Wecker geht. Sie müssen ja nicht mit allem übereinstimmen, weswegen Menschen demonstrieren gehen oder sich in riskante Dinge stürzen. Deswegen sowas aber als hirnlos usw. zu bezeichnen, finde ich nicht sehr klug. Sie müssen ja nicht alles verstehen, was die Menschen antreibt, deswegen aber alles zu verurteilen, was Sie nicht verstehen ist nicht der Weg zur Erkenntnis, sondern der Weg zum Ressentiment. Im Übrigen weiß ich auch nicht, was es bringen soll, auf die Dummheit anderer zu schimpfen. Beenden wird man sie damit jedenfalls nicht.
Noch ein Nachtrag:
Im folgenden Bericht wird auch deutlich, daß man in Stuttgart bis dahin davon ausgehen konnte, daß die Demonstration ohne besondere Vorkommnisse hätte sein können:
http://gffstream-9.vo.llnwd.net/c1/m/1287686700/monitor/wdr_fernsehen_monitor_20101021.mp4
In Stuttgart ging die Polizei bis dahin so souverän mit bürgerlichen Demonstrationen um, daß sich sogar der Name “Stuttgarter Linie” für die Strategie eingebürgert hatte (was mir als Name jetzt neu war). Da muß jemand massiv Interesse daran gehabt haben, die Demonstranten in die Chaotenecke zu rücken.
Dir ist bekannt, dass da Schüler eine angemeldete Demonstration durchgeführt haben?