4. Europäischer Monat der Fotografie Berlin 2010
…immer noch nicht so begeistert.
Heute war ich wieder in Sachen Fotografie-Ausstellungen in Beriln unterwegs.
Die „Erfolgsquote” war heute deutlich besser als vorgestern, nachdem ich aus meinem Stadtplan alle Ausstellungen entfernt habe, die erst später eröffnen. Auch dann waren immer noch einige wenige dazwischen, bei denen die Öffnungszeiten nicht stimmten oder die trotz der angeschlagenen Öffnungszeiten offen sein müßten aber trotzdem geschlossen waren. Im Endeffekt habe ich heute aber wirklich viele Ausstellungen besucht und gesehen.
Meine Begeisterung hält sich in gewissen Grenzen. Da waren schon einige sehr gute Sachen dabei, aber eben nicht nur. Viele Ausstellungen sind verblüffend mager, haben nur einige wenige Bilder, manchmal nicht mal zehn, und die sind dann oft auch eher zum Gähnen.
Ich habe vor allem häufig den Eindruck, daß die Leute einfach irgendwas knipsen und den Übergang zur Fotografie einfach dadurch bewerkstelligen, daß sie das Bild möglichst groß – und teils hochwertig – ausdrucken oder ausbelichten lassen, und dann in groß und mit Rahmen drum in einer Galerie aushängen. Die Bildwirkung vieler Bilder, die ich heute gesehen habe, beruht allein auf der außergewöhnlichen Größe, in der sie ausgedruckt/belichtet wurden. Eine ganze Menge dieser Bilder sind nicht mehr als hundsgewöhnliche Schnappschüsse, teils sogar unscharf oder verwackelt.
Ein Bild muß irgendwas haben, was einen hingucken läßt. Das kann eine Situation sein. Das können Farben sein. Das kann ein Bildaufbau sein. Die Geschichte, die dahintersteht, ein Bild, das etwas zu erzählen hat. Oder Information, etwa wie es irgendwo aussieht, wo man nicht himkommt. Oder etwas vergangenes, was man nicht mehr anschauen oder erleben kann. Das kann schiere Ästhetik sein. Es kann eine hohe fotografische Qualität sein. Komik. Erotik. Dramatik. Horror. Schönheit. Leid. Wetter. Tiere. Was auch immer. Es gibt so viele Möglichkeiten, die ein Bild zu einem Hingucker machen. Es ist grenzenlos. Ein Bild ist, wenn man stehenbleibt um es zu betrachten. Selbst auf den Plakatwänden mit Werbung auf der Straße habe ich heute viele verdammt gute Bilder gesehen.
Aber in den Ausstellungen habe ich davon wenig gespürt. Das meiste war „Guten Tag”, einmal rumgehen, „Danke, schönes Wochenende”. Eine Ausnahme war wieder mal eine Galerie, die nicht zum Monat der Fotografie gehört, an der ich zufällig vorbeigekommen bin und die keineswegs jugendfreie Aktaufnahmen eines japanischen Fotografen zeige. Da fiel dann auch auf, daß die Leute länger blieben und schauten. In den meisten Galerien war ich heute nämlich als Besucher ganz allein und hatte den Eindruck, daß da auch sonst nicht viele kommen.
Die Ausstellung, von der ich heute am meisten enttäuscht war, war ausgerechnet die wichtigste um mit Abstand am meisten beworbene (in ganz Berlin hängen die Plakate herum) Ausstellung, die auch das Titelbild für die ganze Veranstaltung Monat der Fotografie geliefert hat: Peter Lindbergh im C/O Berlin. Auch noch die einzige Fotoausstellung, für die ich bisher Eintritt zahlen mußte (von den mit Museen verbundenen mal abgesehen).
Ach, was wird da ein Brimborium gemacht. Peter Lindbergh, der große Meister, die Wahnsinnsausstellung. Zugegeben, da sind ein paar sehr gute Fotos dabei. Aber eben auch Bockmist. Das gleiche Prinzip, nur noch stärker: Mach ein Foto riesengroß, hier teils sogar wie eine Zimmerwand, und der Besucher wird automatisch beeindruckt sein. Einige Bilder, die er von Berlin gemacht hat, sehen aus, als hätte er während der Fahrt mit dem Auto mal eben ungezielt die Kamera aus dem Fenster gehalten. Und das angeblich beste und tollste Foto, das auch das Titelbild für diesen gesamten Monat der Fotografie ist, das Porträt von Milla Jovovich, eigentlich ein tolles Foto, kam mir, als ich vor dem großen Ausdruck stand , – sorry – verwackelt vor.
Nett ist auch die Vitrine mit dem Einblick in die Arbeitsweise von Lindbergh. Zwar schon professionell und beeindruckend. Aber gerade dadurch auch entzaubernd. Denn von einer Szene mit dem Motor einfach mal 30, 40, 50 Aufnahmen durchzuziehen und dann die beste auszuwählen, ist zwar Profitechnik, aber es ist halt Material und Handwerk, und nicht Genialität. Es gibt eine ganze Menge Amateur- oder Semiprofifotografen, die das besser draufhaben, die nur eben nicht die Verbindungen und den Bekanntheitsgrad haben, daß sie Leute wie Milla Jovovich vor die Linse bekommen – oder sich einen Ausdruck in dieser Riesengröße leisten können, um die Bilder so aufzupeppen.
Positiv aufgefallen sind mir auch heute wieder viele Schwarzweißaufnahmen. Aber irgendwie jetzt nicht so positiv, daß ich mir davon konkret etwas gemerkt hätte.
Kommen wir zu meinem Highlight des Tages. ich habe heute Bilder gesehen, die mich in ihrer Ungewöhnlichkeit, in ihre Schönheit, ihrem Bildaufbau, ihrer dreidimensionalen Wirkung, ihren einfach geilen Farben umgeföhnt haben. So richtig tolle Bilder, vor denen man sehr lange stehen bleibt, nochmal zurückgeht, sie vergleicht, drüber nachdenkt, fasziniert ist. Und um auf meine Kritik an den anderen Galerien zurückzukommen: Die hatten da nicht nur dei oder vier, die hatten da so, weiß nicht, geschätzt um die 60 bis 100 Aufnahmen, eine so schön und bestechend wie die andere. Und die waren ganz klein, nur so ungefähr im Format 30×30 oder so (unterschiedliche Formate). Die hatten das gar nicht nötig, das aufzublasen. Allerdings waren das nicht mal Fotografien im eigentlichen Sinne, sondern mikroskopische Aufnahmen. Ich rede von den Mikrofotografien von Manfred Kage in der Alfred-Ehrhardt-Stiftung. Ihr habt vielleicht schon mal das berühmte Bild von der Ameise mit dem Zahnrad eines Mikromotors auf dem Fühler oder das Bild einer Ameise mit einem Mikrochip zwischen den Kiefern. Die sind auch von dem, die hängen da auch. Und ansonsten alles, was winzig ist, vornehmlich Natürliches. Pollen, Milben, Materialien, und solches Zeugs. Nicht einfach nur mikroskopiert, sondern – meist mit Falschfarben – zu erstaunlichen Aufnahmen verarbeitet. Klasse. Und einfach schön anzusehen, Bilder, bei denen man stehenbleibt, lange stehenbleibt, um sie zu betrachten, um die Details zu erfassen, um mit dem Blick umherzuschweifen. (Viele der Aufnahmen sind auch in seinem Bildarchiv öffentlich zugänglich, aber da nun wieder zu klein um zu wirken.)
2 Kommentare (RSS-Feed)
Ken-Ichi Murata, glaub ich, war das.
Wie hieß den der japanische Fotograf?