Ansichten eines Informatikers

Castor-Schottern: Warum wir uns eine Basisdemokratie gar nicht leisten können

Hadmut
7.11.2010 18:31

Da wird immer gejubelt, wie toll doch die Basisdemokratie wäre und daß wir mehr Abstimmungen, Demonstrationen und sowas bräuchten.

Wenn ich mir das mit dem Castor-Schottern – und kommt mir jetzt ja nicht mit dem Argument, daß das alles getarnte Polizisten als Provokateure wären – bei den Aktionen gegen Castor-Transporter ansehe, dann fehlt mir dafür jedes, aber auch wirklich jedes Verständnis.

Schlimm genug, daß Züge mit radioaktivem Material durch die Gegend fahren. Bahnschienen zu sabotieren, was die Gefahr eines Entgleisens oder sonst einer Schädigung von Menschen mit sich bringt, halte ich für völlig inakzeptabel und für schwer und gefängniswürdig kriminell. Das geht einfach nicht, egal welcher Meinung man über die Transporte ist.

Und ein Polizeifahrzeug, in dem Polizisten sitzen, egal wie rechtswidrig die sich da aufführen, mit Teer zu begießen und anzuzünden, ist – wenn es nicht gerade durch äußersten Notstand und Notwehr unbedingt notwendig war, was nicht der Fall war – in meinem Augen versuchter Mord.

Und das ganze Theater ist eigentlich keine Demonstration, sondern so etwas ähnliches wie Lynchjustiz. Es geht da gar nicht um Demokratische Prozesse, sondern darum, daß ein Bevölkerungsteil die eigene Meinung gewaltsam durchsetzt – oder die Gelegenheit nutzt, um völlig meinungslos der Gewalt zu frönen. Und wenn man sich ansieht, wer dieses Castor-Schottern alles publiziert und unterschreibt, sind das auch keine kleinen Randgruppen.

Manchmal frage ich mich schon, was eigene das schlimmere Übel ist – unsere Politiker oder unser Volk. Basisdemokratie ist möglicherweise nicht so gut, wie viele glauben. Siehe auch den hier.

Nachbemerkung: Man muß sich mal überlegen, ob wir noch eine Demokratie sind, wenn wir immer mehr Bürger haben, die eigentlich gar nicht mehr an Demokratie interessiert sind, sondern ihre Erfüllung in Dagegen, in Randale, in Blockieren finden. Ich habe immer öfter den Eindruck, daß die auf Demokratie pfeifen, und es denen nicht um Meinungen, sondern um Freizeitgestaltung geht.

14 Kommentare (RSS-Feed)

Mehr direkte Demokratie ja oder nein, das ist keine einfache Frage. Vergessen wir aber nicht, wer diese Situation herbeigeführt hat. Politiker, die permanent geltendes Recht mißachten. Gorleben und Asse, das ist eine einzige Lügen- und Intrigiengeschichte. Gorleben war nie als Standort geplant. Als 250 taugliche Standorte geprüft wurden setzte jemand den Namen Gorleben unter die Liste. Ob das Albrecht selbst war? Vielleicht hat er auch den Endlagerstandort gegen die Einführung des privaten Fernsehens getauscht, wer weiß.

Bei solchem massiv gesetzesverachtenden Vorgehen der Politiker ist es billig, jetzt Straftat zu schreien.

Wenn es gegen Polizisten geht wird gleich Mord geschrien. Das kann man leicht an aktuellen Klagen nachweisen. Benimmt sich ein Polizist daneben, dann hat sich ein Schuß gelöst — so ein pflichtvergessener Schuß aber auch. Benno Ohnesorg — Notwehr in den Hinterkopf. Eisenberg — Zwei Magazine Notwehr reingepumpt.

Wie wäre es denn, mal Frau Merkel zu schottern, wenn sie wieder mal ihre Banker schottert? Vielleicht machen es die Moslems doch richtig.

Demokratie — habe wir nicht
Rechtsstaat — haben wir nicht

Carsten

http://www.youtube.com/watch?v=SohMW2aa9IQ


Mathias B.
7.11.2010 20:55
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Ich war persönlich nicht auf der Castor Demo, weil ich persönlich nichts gegen die Atomkraft habe – solange die vernünftig eingesetzt wird. Aber geht es bei den Demos wirklich um “das eigentliche Thema”?

Ich denke nicht. Es geht darum, dass Politiker und andere mächtige Lobbyisten untereinander Abmachungen treffen, nach denen sich das Volk zu richten hat. (Siehe S21)

Jetzt bei den Castoren – und da kann ich das Volk wirklich verstehen – haben die Menschen Angst, dass Gorleben zu einem Endlager wird. Und als Anwohner würde ich alles dafür tun, dass ein Castor Transport möglichst schwer hat, durchzukommen. Damit eben andere Möglichkeiten geschaffen werden. Aber hier in KA geht mir das am A*** vorbei 😉


Usul
7.11.2010 21:12
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Naja, ich sehe das mit dem Schottern nicht so kritisch. Richtig ist, wie schon im Law Blog bemerkt, dass es rein rechtlich eine Straftat ist und damit von dieser Sicht aus für die Täter sehr mit Vorsicht zu genießen ist. Andererseits muss man wohl auch sehen, dass es NICHT heimlich gemacht wird, es wird KEIN Hinterhalt gelegt, Ziel ist es, den Zug aufzuhalten. Dieses Jahr betoniert sich also niemand mit Ketten auf den Gleisen ein, sondern die Gleise selber werden sabotiert. Effekt ist der gleiche. Es wird beim Schottern nicht dazu kommen, dass der Castor-Zug entgleist, dazu ist der meines Wissens nach viel zu langsam unterwegs, als das er nicht rechtzeitig anhalten könnte. Ich glaube, die zuckeln da nur mit 30km/h oder so durch die Gegend. Schottern ist also eindeutig strafbar, aber es wird im Spezialfall Castor nicht zu einem Schaden kommen. Dazu passen die einfach zu gut auf …

Zur Nachbemerkung bzw. den Bemerkungen zur Demokratie allgemein: Ich glaube, dass liegt daran, das viele das Gefühl haben, mit den regulären Mitteln der Demokratie einfach nichts mehr bewegen zu können. Da fallen mir Stichworte wie Lobbyismus ein, der sich praktisch jeder demokratischen Kontrolle nahezu entzieht, dass viele das Gefühl haben, wenn sie zur Wahl gehen, nur zwischen Pest und Cholera wählen zu können bzw. dass die Parteien ihre Wahlversprechen eh nicht halten (Sachzwänge! Dieses Vorhaben ist alternativlos!). Dazu beschleicht mich z. B. auch das Gefühl, dass demokratische Mittel wie Demonstrationen komplett witzlos sind. Sofern da nicht irgendwas eskaliert (S21), interessiert eine Demo doch nur den Lokaljournalismus, weil es mal wieder einen Artikel abwirft, aber die Politik? Kann mich aus dem Stehgreif an nichts in letzter Zeit erinnern, was eine Demonstration geändert haben sollte.


Hadmut
7.11.2010 21:26
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@Usul: Da magst Du Recht haben. Trotzdem ist Gewalt aus dem Gefühl, daß demokratische Mittel versagen, etwas wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod.


Papa Gai
8.11.2010 12:26
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Man muß sich mal überlegen, ob wir noch eine Demokratie sind, wenn wir immer mehr Politiker haben, die eigentlich gar nicht mehr an Demokratie interessiert sind, sondern ihre Erfüllung in Machtausübung, Machterhalt und Klientelpolitik finden. Ich habe immer öfter den Eindruck, daß die auf Demokratie pfeifen, und es denen nicht um Meinungen, sondern um platte PR geht.


Hadmut
8.11.2010 12:47
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@Papa Gai: Stimmt. Aber das eine Unrecht rechtfertigt nicht ein anderes, und ein zweites macht das erste nicht besser.


quarc
9.11.2010 1:52
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Dieses “schottern” dürfte wohl höchstens auf “Gefährlichen Eingriff
in den Bahn- Schiff- und Luftverkehr” hinauslaufen. Das ist zwar
ernst, gefährdet aber die Demokratie nicht. Wer solche Taten
begeht, muss dann eben die strafrechtlichen Konsequenzen tragen.
Dieses “Unrecht” ist also heilbar, weil durch die Bestrafung der
Rechtsfriede wiederhergestellt wird.

Die herrschende Politik ist für die Demokratie weitaus gefährlicher,
weil diesem “Unrecht” der herrschenden Klasse eben kein Paragraph
im StGB entgegensteht, mit dem der Rechtsfrieden wiederhergestellt
werden kann.


Hadmut
9.11.2010 2:03
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Klar. Immer die gleiche Logik:

Diese Missetat ist gerechtfertigt, weil da drüben ist einer, der macht noch eine viel größere Missetat und ist viel gefährlicher.

Erinnert mich stark an die Broken-Window-Theorie. Hat die Politik erst großen Mist gebaut, dann dürfen wir losziehen und kleinen Mist bauen.

Oder wenn ich sehe, daß einer die Bank ausraubt, kann ich auch mal rein und mir nen Tausender klauen, weil der andere war ja vieeel gefährlicher.


pepe
9.11.2010 13:05
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> Da magst Du Recht haben. Trotzdem ist Gewalt aus dem Gefühl, daß
> demokratische Mittel versagen, etwas wie Selbstmord aus Angst
> vor dem Tod.

Die Frage ist doch, wo hier die Grenze zu ziehen ist. Es ist meines Erachtens nicht so, dass die Demokratie nur “aus dem Gefühl” heraus versagt hat. Und wenn das so ist, dann besteht grundsaetzlich die Pflicht zum Widerstand.

Es wird seit Jahrzehnten in der Endlagerfrage massiv manipuliert. Es fliessen jedes Jahr wieder neue Spendengelder und die Sachverstaendigen im Bundestag sind zT direkt von der Industrie bezahlt. Da die Faesser in Gorleben auch nur in einer grossen Halle mitten im Wald rumstehen, stellt sich sowieso die Frage warum dieser Transport unternommen wird. Das ist meines Erachtens eine reine Geldfrage: Die Unternehmer wollen ihren Muell loswerden solang es noch geht. Danach kann man Konkurs anmelden, weil hinreichend lange und sichere Aufbewahrung schlichtweg zu teuer ist.

Was mich an diesen Schotter-Leuten wirklich stoert ist ihre enorme Ineffektivitaet. Im Video rennen sie auf die Gleise zu und reissen mit den Haenden schnell ein paar Steine weg, bevor sie von der Polizei weggezogen werden. Das ist natuerlich totaler Unsinn, da muss man die Nacht davor mit der Schubkarre ran.


pepe
9.11.2010 13:14
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Der Bezug auf Basisdemokratie ist auch schief.

Mit Basisdemokratie haette es aller Wahrscheinlichkeit nach gar keine Laufzeitverlaengerung gegeben und damit auch keine so massive Demo und kein Polizeieinsatz. Ebenso keine Gesundheitskarte, einen ePass und kein HartzIV.

Mit Basisdemokratie wuerde einem so ruecksichtslosen Vorgehen der Demonstranten auch komplett die Legitimation entzogen und die Einsatzkraefte der Polizei muessten sich nicht fragen, ob sie gerade aktiv gegen den eigentlichen Souveraen im Staat vorgehen, wie es bei S21 geschehen ist.

Vorraussetzung dafuer ist aber, dass das quasi-Monopol von Bertelsmann und Springer gebrochen wird, die hochwertigen Sendungen bei den Oeffentlich-Rechtlichen muessten stark ausgebaut werden.


Mikkel
10.11.2010 15:10
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Hallo,

von den Castor-Schotter Webseite habe ich über “Gesichtsbuch” erfahren und habe mir deren Block, Twitter und Webseite genauer angesehen. Ich kann bis heute die Aufregung zu dieser Seite gar nicht so recht verstehen.
Die Castorgegner wollen den Transport blockieren. Dabei habe sie nicht die Illusion, dass der Transport komplett aufgehalten oder gar verhindert wird. Es geht einzig darum, ihn so lange wie möglich aufzuhalten und so viele Kosten wie nur möglich für deren Sicherung (z.B. Polizei) zu verursachen. Das Gleisbett zu schädigen ist dabei nur eine von vielen gewaltlosen Möglichkeiten.
@Danisch: Sind wir doch mal ehrlich: Glaubst du wirklich, dass der Castortransport in ein kaputtes Schienenbett fährt, entgleist, aufplatzt und eine umfassende Umweltverschmutzung verursacht? Da laufen hunderte Beamte vorweg, um jede Form der Behinderung der Weiterfahrt zu identifizieren und zu beseitigen. Deine Argumentation finde ich sehr weit hergeholt. Fehlte ja nur noch ein “Vergleich” mit Terroristen.
Und wenn du schon über die Gefahren der Demokratie sprichst: gebrochene Wahlversprechen, nicht-umgesetzte Volksentscheide, Beeinflussung durch Lobbyisten, Beeinflussung durch wirtschaftliche Interessen, völlig überlastete Gerichte und Polizei, immer schärfere Überwachung, Kontrolle, falsche oder unvollständige Informationen durch öffentliche Stellen … das sind Gefahren für die Demokratie.

Ich bin der Meinung, dass wir Deutsche nicht immer vorm Fernseher sitzend über diese “Hooligans”, “Punks” oder “Terroristen” urteilen sollten, welche die armen Polizisten verletzen, Sachbeschädigung verursachen oder “uns nur immer so viel Geld kosten”. Wir sollte uns mal von der Illusion lösen, dass es nur Probleme gibt, die gewaltfrei gelöst werden können. Wobei ich das “Schottern” noch nicht einmal als Gewalt empfinde.

Gruß
Mikkel


Hadmut
10.11.2010 15:20
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@Mikkel: Inakzeptabel.

Erstens ist das Beschädigen eines Gleises oder das Anzünden eines Autos in meinen Augen Gewalt. Und es ist hanebüchener Selbstbetrug und Realitätsverlust, sich dabei noch einzureden, man wäre friedlich.

Zweitens gibt es zwischen vorm Fernseher hocken und sich mit Polizisten zu prügeln noch etwas dazwischen.

Alles, was Du da schreibst hört sich für mich nur an wie jemand, der sich selbst einreden will, daß das, was er tut, gerechtfertigt wäre. Hör auf, Dich selbst anzulügen.


quarc
10.11.2010 22:38
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> Klar. Immer die gleiche Logik:
>
> Diese Missetat ist gerechtfertigt, weil da drüben ist einer,
> der macht noch eine viel größere Missetat und ist viel gefährlicher.

Wenn ich dieser Ansicht wäre, dann hätte ich es auch genau so geschrieben.
Habe ich aber nicht. Weil ich von solchen Rechtfertigungen nicht viel
halte. Mir ging es um Deinen Vergleich:

> Da magst Du Recht haben. Trotzdem ist Gewalt aus dem Gefühl, daß
> demokratische Mittel versagen, etwas wie Selbstmord aus Angst
> vor dem Tod.

denn dieser besagt ja, dass die Demokratie durch obige Straftaten
einiger Demonstranten in mindestens gleicher Schwere gefährdet sei
wie durch das Verhalten der politischen KLasse.
Das bestreite ich nach wie vor.
Natürlich gibt es auch demokratiegefährdende Straftaten, die haben
ihre eigenen Abschnitte im StGB.


moni
11.11.2010 20:16
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Aus Antipathie gegen die Kurz-Fassen-Mentalitäten:

Ich stimme Danisch zu, dass die Zustände merkwürdig desolat sind und zwar auf allen Seiten.
Wir wollen Demokratie “so” nicht mehr, aber wie wir sie dann machen sollten oder könnten, wissen wir auch nicht.

Es ist sicher richtig, dass sich die Sachen auch hochschaukeln und immer mehr an Intensität gewinnen. Ich halte es dabei aber wiederum für fragwürdig, zu sagen, wegen der schlechten Politik zu schottern sein wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Das würde jeden zivilen Ungehorsam auf das gleiche Verhältnis reduzieren und das ist auch nicht sehr gesund. Niemand hat das Recht gehorsam zu sein…

Dass die Menschen vielleicht nicht demoktratie-geeignet seien, sei dahingestellt. Die Ursachen aber kann man sicher benennen. Nur mal als Ansatz: geht mal in unsere Schulen, schaut zu, wie dort heute und seit Jahrzehnten Demokratie gelehrt wird. Schaut an die Universitäten und seht, wie dort Demokratie gemacht wird (RheinlandPfalz hat bspw. seine Unipräsidenten wieder mehr Macht in Richtung Herrschaft gegeben und was macht die Uni? Sie informiert mit lustig-bunten Postern darüber. Was machen die Studenten? Nichts. Was könnten sie aber dagegen machen? Wer weiß das?).
Ich bin weniger der Auffassung, dass die Menschen “nicht mehr” wissen, wie Demokratie funktionieren kann, denn das ist nicht nur eine technische Frage, sondern eine der ganzen Grundbefindlichkeit der Menschen und der Gesellschaft, die sie sich aufgebaut haben, jeden Tag reproduzieren und in der sie leben. Es würde ausserdem voraussetzen, dass die Individuen und die Gesellschaft irgendwann bereits mal in dem dafür nötigen Zustand gewesen wären und ich wüsste nicht, wann das gewesen sein sollte. Man könnte dafür bestenfalls bis zum Ende des 2.WK zurückgehen und von hier aus schauen: was hat sich in Richtung “Erziehung zur Demokratie” usw. verändert? Nun, nicht viel, will mir scheinen. Unsere Schulen funktionieren noch nach den selben Grundprinzipien (bspw Curricula von oben, Benotungen verquickt mit einem perversen Verständnis von “Leistung” usw); dasselbe an den Unis; in den Gefängnissen und Psychiatrien behandeln wir auch nicht gerade demokratisch, sondern benutzen sie auch durchaus in Riichtungen, die China usw. auch zusagen würden usw.usw.. Lascher Veränderungswille.

Adorno hat das das Problem der Mündigkeit genannt. Mit der wird man nicht geboren und, wie er es formuliert hat, die Individuen werden in den einzelnen Insitutionen auch gleich noch “abgebeizt” und so hingerichtet, dass sie der Gesellschaft als Anhängsel dienen können und sonst bitte nichts. Er meinte auch: Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
Gegen die Falschheit des Lebens sind manche Menschen heute durchaus (unbewusst oder bewusst) in Opposition und die CastorDemo war ein Zeichen dafür. Sie würden daran durchaus gerne was ändern. Aber was ihnen fehlt ist die Macht zu verändern, sowohl die Verhältnisse als auch sich selbst (und beides müsste geschehen).
Der Adorno hat sich auch aufgeregt über die Wut und Empörung der Menschen (“Ich wusste nicht, dass die Menschen meine Theorie mit Molotov-Cocktails umsetzen wollen”) und er hat dabei Recht und Unrecht. Denn wer will entscheiden, ob die Wut der Leute, die sie nicht nur in sich selbst produzieren, nun besser rausgelassen oder doch besser unterdrückt werden sollte? Was ist denn besser? Die Wut zu unterdrücken oder sie rauszulassen? Das ist nicht einfach zu entscheiden und jedenfalls nicht pauschal.
Und man kann das ganze noch ausweiten: wieso regen wir uns hier auf, wenn in Dt. ein Auto angezündet wird und warum ist es uns gleichzeitig egal, wie es gleichgültiger nicht sein könnte, dass auch mit unserem Uran in Faludja ganze Regionen verseucht, Häuser zerstört, Mtuationen hervorgerufen werden? Wer sind wir denn, so einfach zu richten? Will hier vielleicht jemand, dass an seinem Haus Atommüll vorbeigefahren wird oder Uranmunition in dein Haus geschossen, in deinen Garten?

Ich denke, dieses Schottern ist mehr als nur eine Straftat und es ist weniger: es ist mehr, weil es gefährlich sein kann, aber auch mehr, weil es eine Präventivpolitik ist: bis hierhin und nicht weiter! – oder doch? Es ist eine Art Verhandlungsbasis – und natürlich könnten die Leute auch zu Gerichten gehen, aber die brauchen ewig und das Vertrauen in sie schmilzt auch von Tag zu Tag, was verständlich scheinen kann, aber trotzdem gefährlich ist.
Es ist aber auch weniger, denn es ist nicht mehr als eine Zeitverzögerung und das Ganze Gewimmel von Problemen, das mit Atomenergie zusammenhängt, wird dadurch jedenfalls nicht verändert(begonnen bei der Uranmine, deren Müll gerade vor der Haustür der dortigen Einwohner gelagert wird, die für Hungerlöhne ihre Gesundheit riskieren und ihr Land versuchen lassen müssen bishin zu den Menschen in X-tausend Jahren, die mit unserem Komfort-Müll zu kämpfen haben werden).
In beiden Fällen aber ist es ein Zeichen und zwar eines für und gegen Veränderung (“anders weiter” und “nicht so weiter”). Es ist mindestens ein Zeichen eines Willens zur Demokratie, aber auch ein Zeichen der Unfähgikeit diesen Willen in akzeptable Formen umzusetzen. Das aber hat auch Ursachen in der Geschichte. Wie demokratisch war es denn bis heute auf der Welt?

Dieser Umstand und Zustand wurde vielleicht nicht exzessiv, aber doch wenigstens ein wenig beschrieben und analysiert. Zb. bei Adorno, bei Foucault, bei Deleuze/Guattari, bei Arendt, bei Theweleit und manch anderem noch. Allerdings hat man daraus eigentlich so gut wie keine praktischen Konsequenzen auf gesellschaftlicher Ebene gezogen, bestenfalls Lippenbekenntnisse und nichtssagende Denkmäler. Ein paar vereinzelte Einzelne haben es in ihr Leben versucht einzubauen, versucht sich danach zu verändern. Aber auch das hat Grenzen und auch diese Grenzen sind gemeint mit “Kein richtiges Leben im falschen möglich”.

Ich stimme Herrn Danischs Kritik sowohl zu als auch nicht. Denn zumeist ist es nicht klug, jemanden wegen Aktionen aus Wut anzuklagen, und zwar einfach deswegen, weil man das selbst zumeist aus Wut tut. Gegen die ist zwar etwas zu sagen und das sollte man auch tun, aber erst, wenn sie verflogen ist, weil man sich sonst selbst disqualifiziert, eben weil man selbst bloß wütend war.
Die Gefährlichkeit der Sache darf man aber richtiger Weise deswegen nicht aus den Augen verlieren. Ein Pauschalurteil jedenfalls, in welche Richtung auch immer, scheint mit ganz falsch und ein richtiges Urteil äußerst schwer.

Die Menschen versuchen sich vom falschen Leben zu befreien, aber wer hätte gesagt, dass das einfach ist? Wir sind alle ein ganzes Leben damit aufgewachsen. Die Gewalten, mit denen das Leben und die Gesellschaft auf die Menschen einprescht können nicht wie in Maschinen kompensiert werden und in einer Zeit, in der mehr oder weniger alles Gesllschaft ist, entlädt sich dies notwendig immer in die Gesellschaft zurück. Dass das ein Dilemma ist, haben manche erkannt; wie es gelöst werden könnte, das wollte niemand vorschlagen, weil es das letzte Mall fatal war; wie man anders denken lernen kann, das haben die genannten Autoren gezeigt oder wenigstens zu zeigen versucht.

Ich denke, man kann verurteilen oder aber sagen: “Ein Wunder, das nicht schlimmeres passiert.” und mit beidem hat man dann Recht und Unrecht. Pauschal abzuurteilen, in welche Richtung auch immer (“gut oder böse”) ist genauso fehl am Platze.