Terror-Warnung: Stunde der Schwätzer, Demagogen und Selbstbetrüger
Aktuell hagelt es Terror-Warnungen. Erst allgemein, dann die Sache mit der Pseudo-Bombe, dann wieder wollen böse Menschen angeblich den Reichstag angreifen und inzwischen tickert gerade noch eine Meldung vom BKA durch die Webseiten, wonach uns noch ein zusätzlicher Selbstmord-Anschlag blüht. Die Reaktionen der Blogs und der Journalisten bleiben nicht aus. Ein paar kritische Anmerkungen dazu von mir.
Wenn ich so durch die Blogs und manche Nachrichtenmagazine lese (ich verkneife mir jetzt mal die Links, der Leser wird selbst leicht entsprechende Veröffentlichungen finden), finde ich immer wieder den Standpunkt, daß man sich über die Warnungen, über die Flugzeug-Test-Bombenattrappe, über die Polizeipräsenz lustig macht, diese verhöhnt, als Unfug hin-, oder mehr noch, das in den Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung stellt. Als würde die Politik dies alles aufbauschen, um gutes Wetter und hohe Akzeptanz für die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung zu bereiten.
Sicherlich, der Gedanke ist nicht fernliegend. Wir haben nun gerade eine Regierung, die auch schon systematisch mit Desinformation und Intrigen gearbeitet hat, beispielsweise auch bei den Kinderpornosperren. Wer mein Blog liest, wird wissen, daß ich ganz sicher nicht regierungsgläubig bin und dieser Regierung mißtraue, und dabei habe ich die stärksten Gründe für mein Mißtrauen in meinem Blog nicht erwähnt, weil ich gewisse Vertraulichkeitspflichten habe. Der Leser möge mir aber glauben, daß ich konkrete Kenntnis von einer Desinformationskampagne der Politik habe und damit weiß, daß solche Verdachtsmomente, wie sie gerade in den Blogs geäußert werden – Reichtagsbrand, Vorratsdatenspeicherung – nicht so abwegig und aus der Luft gegriffen sind.
Aber sind diese Zweifel deshalb automatisch richtig? Kann man grundsätzlich alles anzweifeln, ohne sich noch der Mühe eigener Denkarbeit zu unterziehen? Ich glaube nein.
Das Sprichwort sagt, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Das ist eine Suppe, die sich die Politik durchaus eingebrockt hat. Insofern ist das Volk, der Mob, der Pöbel immer schnell dabei, nach diesem Schema die Unglaubwürdigkeit zu zitieren. Und hat damit an sich auch gar nicht mal so Unrecht. Nur daß die Unglaubwürdigkeit noch lange keine Unrichtigkeit ist. Viele begehen den Denkfehler (oder die bewußte rabulistische Täuschung) daß sie mit Unglaubwürdigkeit argumentieren und daraus die Unrichtigkeit folgern, ohne jemals irgendetwas zur Frage der Wahrheit zu sagen.
Ich glaube, daß viele der Meinungen in den Blogs und teils den Medien, die da so in die Richtung laufen, die Regierung lügt sich das zusammen, um die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen, und die Vorratsdatenspeicherung ist axiomatisch falsch und schlecht, als muß jeder ein Lügner sein, der sie haben will womit die Terrorwarnung zwangsläufig Lüge ist, geballter Unfug ist.
Sicherheit heißt (und wer das nicht glaubt, möge sich den Wortsinn anschauen), daß man etwas verhindert, daß man vorsorgt. Vorsorge ist von der Wortbedeutung eng mit Sicherheit verwandt (von lat. sed cur = ohne Sorge). Und damit bedeutet Sicherheit zwangsläufig, daß man durch Vorsorge etwas verhindert und damit auch in Kauf nimmt, sich gegen etwas zu schützen, auch wenn es sich als übertrieben oder falscher Alarm herausstellt. Erst zu warten, ob der Anschlag stattfindet, um dann zu reagieren, ist keine Sicherheit.
Was anderes sollte eine Regierung in dieser Situation tun? Sollte sie nichts tun? Dieselben Leute, die jetzt blöken, würden genau umgekehrt blöken, wenn die Regierung die Warnungen auf die leichte Schulter nähme und es dann zu Toten käme. Wie groß wäre das Geschrei, wenn es einen Vorfall gäbe, und dann käme heraus, daß da einer beim BKA angerufen und gewarnt hat, und man hätte das nicht ernst genommen.
In Deutschland breiten sich zunehmend so ein geistiges Wichsertum, so eine Selbstgefälligkeit, so ein fieses Heckenschützentum aus. Aus der sicheren Position, keine Verantwortung zu haben und hinterher sowieso immer alles besser zu wissen, läßt sich trefflich und risikolos mit Dreck werfen. Und derzeit entsteht so eine politische Strömung, die geistig eigentlich gar nichts auf der Pfanne und auch keinen greifbaren Standpunkt hat, sondern durch Demagogie immer alles lächerlich macht, alles in Frage stellt, agitiert, und sich damit ein breites Publikum verschafft, das zu hören bekommt, was es hören will.
Man fragt beispielsweise nicht, ob die Vorratsdatenspeicherung sinnvoll ist. Man gibt axiomatisch-ideologisch fest vor, daß die Vorratsdatenspeicherung schlecht, falsch, böse, dumm, unerwünscht sein muß, produziert sich damit ein Publikum, das genau das hören will, und betrügt damit sich und alle anderen. Wenn etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar sich Gedanken macht, wie eine Vorratsdatenspeicherung zulässig wäre, wird er gleich als „Verräter” gebrandmarkt, was ja ganz deutlich sagt, daß es nicht um Vernunft und Argumentation, sondern um Lager-Denken und Loyalität geht (und damit um kein in dieser Debatte ernstzunehmendes Argument, sondern um unseriöse Sichtweisen). Und aus der gleichen Denkweise kommen auch diese Vorwürfe.
Die Verlogenheit dessen zeigt sich daran, wie diese Leute – als Hinterher-Schlaue – ihr Fähnchen immer so hängen, daß sie gerade schimpfen, polemisieren und ihr Publikum bedienen können. Wenn man diese Blogs und Medien länger liest, dann sieht man, daß dieselben Leute auch gegen Rolls-Royce wettern, weil sie die A380-Triebwerke nicht vorsorglich ausgetauscht haben, obwohl sie von Problemen wußten. Oder daß man den Anschlag in New York (9/11) nicht verhindert hat, weil doch Geheimdienstinformationen vorlagen und nicht ernst genommen wurden. Oder das Love-Parade-Unglück in Duisburg, wo man ja auch vorher hätte ahnen können, daß was schief geht, und nicht reagiert hat. Nun macht die Regierung (ausnahmsweise) mal etwas besser, macht also genau das, dessen Unterlassen die Autoren in den anderen Fällen vorwerfen, aber wieder ist es nicht Recht.
Es ist so in Mode gekommen, daß man jeden beliebigen Standpunkt einnimmt, nur um immer schimpfen und hacken zu können, ohne jemals selbst einen substanziierten oder gar durchgängig konsequenten Standpunkt einnehmen zu müssen oder irgendwas zum Thema auf der Pfanne haben zu müssen. Immer nur zu sagen, daß man es anders machen müßte (insbesondere, wenn man selbst keinerlei Verantwortung hat), und das dann noch ohne Argumente, sondern mit Spott, Polemik, Hohn, ist so billig wie schäbig. Aber das ist so das neue deutsche Abräumertum. Schlimmer als die, die das tun, sind die, die darauf anspringen und sich gut bedient fühlen.
Es ist erschreckend, wieviele Leute sich über die Terrorwarnungen ereifern, obwohl sie selbst eigentlich gar nichts über die Sache wissen und auch nicht die Ausbildung und das Wissen dazu haben, es zu beurteilen. Dieselben Leute, die sich daran hochgeilen, wenn die Polizei mal irgendwo nicht schnell genug reagiert um etwas zu verhindern.
Was anders als Warnen, Informieren, Sichern sollte die Regierung denn tun, selbst wenn es sich als Fehlalarm herausstellt? Die ganze Zeit fordern wir, mündige Bürger zu sein, wollen informiert werden, fordern, daß die Regierung nicht über unsere Köpfe entscheidet. Bei Stuttgart 21 gab es riesige Demonstrationen, weil die Leute sich übergangen und nicht ausreichend informiert fühlten. Nun werden sie informiert und gewarnt, und nu ist es auch wieder nicht recht. Die meisten Reaktionen auf die Warnungen lassen für mich nur den Schluß zu, daß ein großer Teil der Bevölkerung gar nicht reif und erwachsen genug ist, um über sowas informiert zu werden.
Und gerade die Logik, daß das alles falsch sein muß, weil es gerade in die Zeit der Forderung nach Wiedereinsetzung der Vorratsdatenspeicherung fällt, erscheint mir bizarr. Daraus kann man nicht auf die Unwahrheit schließen (sondern nur darauf, daß der, der solche Behauptungen erhebt, selbst nicht nach Fakten sondern nach Interessenlagen entscheidet, was wahr ist).
Mich erinnert diese Denkweise immer an eine Szene im Roman „Der Campus” von Dietrich Schwanitz. Am Ende kommt es zu einer Anhörung wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung einer Studentin. Zwar hat die Studentin letztlich ausgesagt, daß sie nicht vergewaltigt worden ist, aber gerade das nimmt die behandelnde Ärztin als Argument dafür, daß sie vergewaltigt worden sein muß (Seite 350 ff. im Buch). Die Psychologin erklärt, daß die Studentin früh ihren Vater verloren habe, und sie jetzt nicht erneut ihren Professor verlieren will, der sie vergewaltigt habe. Daß sie also nun sagt, von ihm nicht vergewaltigt worden zu sein, sei Folge der Traumatisierung und würde über eben diese Traumatisierung beweisen, daß sie gerade vergewaltigt worden sei. Wenn die Studentin also sage, daß sie nicht vergewaltigt worden sei, sei das der Beweis dafür, daß sie vergewaltigt worden ist. Egal was die Studentin sagt, die Psychologin folgert daraus immer das, was sie hören will. Darauf fragt in der Anhörung ein Mathematik-Professor:
„Wenn ich mir vorstelle, es wäre genauso gewesen, wie Ihre Patientin es in ihrer Erklärung behauptet, wie hätte sie das dann ausdrücken müssen?”
Und das ist genau die richtige Frage.
Eine ganze Menge Leute hält die Terrorwarnungen a priori für Unfug und erfunden, und stellt es mitunter auch als unglaubwürdig hin, daß islamische Terroristen Anschläge verüben würden. Alles nur ausgedacht, um die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Als würde die Tatsache, daß die Regierung vor Anschläge warnt, in sich selbst den Beweis tragen, daß es erfunden und erlogen ist, um die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen.
Man müßte also – wie dieser Mathematikprofessor im Roman – die Frage stellen, wie die Bundesregierung und das BKA, wenn man sich vorstellte, es würden tatsächlich Anschläge geplant oder es gäbe jedenfalls ernstzunehmende Hinweise, es ausdrücken müßten, damit die Leute es verstehen und akzeptieren.
Was müßte die Regierung aktuell in dieser Situation tun, um jetzt und in Zukunft (auch rückwirkend) dafür nicht kritisiert zu werden? Was wäre das richtige Verhalten in dieser Situation?
Ich habe den Verdacht, daß die, die jetzt schreien, mit nichts zufriedenzustellen wären, daß es für die Regierung kein akzeptiertes Wohlverhalten mehr gibt. Weil es beim Geschrei nicht mehr auf Fehler der Regierung ankommt, sondern das Geschrei längst zum unvermeidlichen Selbstzweck geworden ist, zur Ideologie, zum axiomatischen Zwangszustand, zur Dauerbeträufelung eines geist- und kritiklosen Publikums, das sich an der unendlichen Wiederholung dessen ergötzt, was es ohnehin schon glaubt. Das weder willens noch in der Lage ist, noch irgendetwas anderes zu hören.
Oder anders gesagt: Es gibt heute eine immer weiter wachsende politische Strömung, deren einziger und unverseller Programmpunkt darin besteht, dagegen zu sein. Egal wogegen. Es kommt nicht darauf an, wogegen. Auch nicht warum. Dagegen als Selbstzweck. Weil es so unendlich leicht, geistlos, risikolos, anspruchslos, charakterlos, billig ist, einfach dagegen zu sein. Weil es ein – völlig ungerechtfertigt und unverdientes – Gefühl der Überlegenheit und des Besserwissens verschafft, mit dem es sich so trefflich kollektiv masturbieren läßt.
Warten wir also ab. Diese Leute werden es garantiert hinterher besser wissen. Gibt es keinen Anschlag, wird es heißen, es war alles nur heiße Luft. Gibt es Tote wird es heißen, die waren gewarnt und haben es trotzdem nicht geschafft, es zu verhindern. Oder daß das der Beweis wäre, daß die Vorratsdatenspeicherung Terroranschläge nicht verhindern könne. Selbst wenn die VDS es tatsächlich verhindern würde, wird es heißen, das ist nur ein Vorwand, das wäre auch ohne gegangen.
Nur die, die jetzt schreien und agitieren, die werden niemals etwas falsch machen, niemals daneben liegen, niemals einen Fehler zugeben, immer Recht behalten. Weil sie ihren Standpunkt ständig nach dem Tageswetter ändern – oder erst gar keinen haben.
20 Kommentare (RSS-Feed)
@Kristian: Dabei ist es bemerkenswert, daß die Gesellschaft problemlos viel mehr Tote durch Straßenverkehr, Unfälle usw. hinnimmt, aber schon bei einer kleinen Zahl von Terror-Toten durchdreht. Die 3.000 Toten vom Anschlag in New York waren eine Katastrophe, aber die höhere Zahl der Toten durch die anschließende Reaktion interessiert niemanden. Weil die Plötzlichkeit, die Dramatik fehlt.
Trotzdem bleibt die Frage, wie eine Regierung in dieser Situation sich verhalten sollte, wenn nicht so.
Langsam habe ich den Eindruck, daß du von der Regierung bezahlt wirst.
Nun ja, wenn die Regierung sich ernsthaft bemüht, dann tun sie es derart dilettantisch, daß es einen graust. Da wird jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf getrieben – Bomben in Flugzeugen nach Deutschland, die sich als Testobjekte herausstellen, Infantrieattacken auf den Reichstag (hatten wir da nicht schon mal einen Reichstagsbrand?), jetzt wieder Selbstmordanschlag.
Das alles derart konfus, konzeptions- und hirnlos, unabgestimmt, daß mich das kalte Grauen packt, wenn ich mir überlege, DIE sind für unsere Sicherheit zuständig?
de Maiziere weiß bis heute nicht, wer denn nun die Fakebombe in Windhuk plaziert hat, BKA-Chef Ziercke ist anscheinend generell nicht auf der Verteilerliste (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-11/spiegel-anschlag-reichstag) und der Hr.Geiss träumt mal wieder von Lagern (http://www.n-tv.de/politik/Gefaehrder-sollen-in-Haft-article1973186.html)
Und das alles soll ich als ernsthafte Bemühungen um unsere Sicherheit auffassen? Sorry, aber nein, das ist entweder konzeptions- und sinnfreie Stopselei, verbunden mit totalistischen Träumereien, oder – und das halte ich für wahrscheinlicher, ein Versuch die zunehmende Unzufriedenheit der Leute mit einem anderen Thema abzulenken.
@Helmut: Nein, ich werde nicht von der Regierung bezahlt. Im Gegenteil, ich kriege einen Koller, wenn ich auf meine Gehaltsabrechnung und meinen Steuerbescheid schaue, wieviel mir diese Regierung wegnimmt.
Ich kann nur diese Schwarz-Weiß-Malerei nicht ab, bei der aus der Ideologie heraus schon vorgegeben ist, zu welcher Meinung man kommen muß.
Du hast mit Deiner Kritik überwiegend Recht, aber nicht überall. Woher soll de Maiziere wissen, wer den Koffer da abgestellt hat? Hellsehen kann der auch nicht. Man muß auch irgendwo genug Ehrlichkeit aufbringen um von den Leuten nicht etwas zu fordern, was nicht erfüllbar ist.
Ich halte auch nicht viel von BSI und BKA, und habe das auch schon öfters zum Ausdruck gebracht. Das erlaubt es aber nicht, sich in Dauerkritik zu aalen, sondern man muß schon sagen können, was sie denn eigentlich anders machen sollten.
Wie sollten sie sich denn Deiner Meinung nach verhalten?
Ich denke, du machst es dir doch viel zu einfach. Die Bedrohungslage, die momentan aufgebaut, dient nur dazu Angst in der Bevölkerung zu schüren. Um mehr Zustiummung für die Sicherheit – durch neue, schärfere Gesetze – zu erreichen. Gerade wenn es wirklich eine Bedrohung in Dt. geben sollte, was ändern denn solche ungenauen Warnungen? Irgendwo, in irgendeiner Stadt, irgendwann. Es wäre doch viel sicherer und wirkungsvoller in Ruhe und besonnen zu reagieren und alles dafür zu tun, dass mögliche Szenarien nicht passieren. Mit den gegeben Rechtsmitteln und ohne eine Panik auszulösen die niemanden hilft. Wie war das noch: Wer seine Freiheit für die Sicherheit opfert …
Vor allem hat doch der Herr Zierke dem ganzen wiedersprochen und die Panik, die wegen der angeblichen Gepäckbombe aufgebaut wird ist doch ebenfalls verantwortungslos. Weder war es eine Bombe, noch war eine dt. Adresse auf dem Paket, geschweige denn das Paket in dem Gepäck das auf dem Weg nach Dt. war. Es war lediglich in dem Hangar, in dem dt. Gepäck abgefertigt wurde. Aber unsere Medien stellen es so dar, als ob wir gerade einem 9/11 entkommen wären.
Und wo verdammt noch mal bleibt denn die Verhältnissmäßigkeit bei der VDS oder allen anderen Bestrebungen? Alle Menschen werden von vornerein überwacht, es wird eine falsche Sicherheit vorgegauckelt und wenn dann dennoch was passiert, was dann? Spätestens dann ist doch jegliches Vertrauen in alle Institutionen und Personen ganz weg und wir brauchen noch krassere Wege. Mehr Informationen helfen nicht, Verbrechen zu verhindern sondern – im Gegenteil – sorgen dafür, dass die Polizei die Datensätze schon jetzt nicht mehr aufarbeiten kann und den Blick für das wesentliche verliert.
Außerdem sind seit 2001 in Europa (!!) – nicht Deutschland – ca. 247 Menschen durch Anschläge ums Leben gekommen. 253 durch Unwetter, 9000 Menschen alleine in Deutschland 2006 (?) durch die Hitzeperiode im Sommer. Und deswegen sollen wir die ganzen Errungenschaften der letzen 250 Jahre über Board werfen und uns die Freiheiten wegnehmen lassen für dessen Errungenschaft mehr Menschen gestorben sind als jetzt dadurch gerettet werden können?
@Mattes: Die einen werfen mir vor, ich machte es mir zu einfach. Die anderen werfen mir vor, ich vergeudete viel zu viel Zeit damit, mich damit zu beschäftigen.
Jeder erhebt immer die Vorwürfe, die ihm gerade in den Kram passen. Es ist immer sehr einfach und billig, einem anderen vorzuwerfen, daß er es sich zu einfach macht.
Daß die Regierung sich so verhält, wie sie sich verhält, hängt damit zusammen, wie eben diese Öffentlichkeit, die sich gerade echauffiert, in der Vergangenheit agiert hat. Wenn irgendetwas passierte, und es käme heraus, daß man vorgewarnt war, sei es durch einen noch so unglaubwürdigen Anruf, und man habe die Öffentlichkeit nicht informiert, wäre der Teufel los.
Bei aller gebotenen und berechtigten Kritik an der Regierung machen die Kritiker einen entscheidenden Fehler: Sie sagen nicht, was das richtige Verhalten wäre.
Und man sollte – Thema Testkoffer – auch nicht unbedingt das Verhalten der Medien mit dem der Regierung gleichsetzen, auch wenn die Medien bei uns sehr stark von der Regierung unterwandert sind und politisch gesteuert werden. Journalisten sind nochmal eine eigene Kategorie der Unseriosität.
Übrigens halte ich das meiste, was in der Debatte um die VDS vorgetragen wird, für ziemlichen Unsinn. Aber das ist ein anderes Thema. Es ging mir hier gar nicht um die VDS, sondern darum, wieviele Leute sich damit befriedigen, einfach nur Vorwürfe zu erheben, egal was passiert. Mir geht es darum, daß gerade die, die am lautesten zetern, selbst nur mit heißer Luft arbeiten.
Du hast es doch schon erklärt: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Seit 9/11 haben alle deutschen Regierungen sich im Spannungsfeld Öffentliche Sicherheit und Bürgerrechte gegen die Bürgerrechte entschieden. Und seitdem wird jeder Anschlag irgendwo auf der Welt und jede Terrorwahrnung dazu benutzt, reflexhaft die immer gleichen Forderungen zu stellen. Aktuelle Beispiele:
Jörg Zierke, BKA, fordert VDS
Hans Peter Uhl, CSU, fordert VDS, Bundestrojaner und Kryptographieverbot
Norbert Geis, CSU, fordert Vorbeugehaft für islamistische Gefährder
usw usw…
Diese gebetsmühlenartigen Wiederholungen sind es doch, die zu der von dir beschriebenen Wahrnehmungsverzerrung führen. Wenn wir nicht so eine Horde selbstverliebte Populisten in Berlin sitzen hätten, sondern kompetente, der sachlichen Politik verpflichtete Politiker, dann würden die sich in genau diesen Momenten mit solchen Forderungen zurückhalten. Ich halte unseren Innenminister trotz grösster politischer Differenzen für einen sehr intelligenten Mann, und denke, seine Aufforderung Ruhe und Besonnenheit zu bewahren, galt nicht nur der Bevölkerung, sondern auch seinen eigenen Parteifreunden. Denn er weiß genau um den negativen Effekt solcher Forderungen in so einem Moment.
@Zensurgegner: Du hast völlig Recht. Und es gilt eben, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.
Das heißt aber eben nicht, daß der, der dem (ehemaligen) Lügner nicht glaubt, damit richtig liegt, und die Aussage deshalb gelogen ist. Die Redewendung beschreibt das menschliche Verhalten, aber es liefert keine Rechtfertigung dafür. Und wenn diese Regierung zehnmal gelogen hat, dann halte ich das Thema immer noch für wichtig und gefährlich genug, um auch beim elften Mal noch immer die Warnung zu prüfen und nicht in den Wind zu schlagen.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung auch hier noch einmal schön aufgemacht:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,730301,00.html
@Kristian: Da ist was dran.
Als Security-Consultant komme ich immer wieder mal zu dem Ergebnis, daß die „sicherste” Methode, mit einer Gefährdung umzugehen, die ist, gar nichts zu tun und den Schaden in Kauf zu nehmen, weil jede Absicherung teurer ist als der Angriff. Wer Sicherheitsberater hat, braucht keine Angreifer mehr.
Vgl. auch die früheren Erwägungen hier im Blog (und Forschungsmafia) über die Sicherheitsmaßnahmen gegen Phishing usw.
Soweit ich weiß, wird in der Luftfahrt ein Risiko auch erst dann bearbeitet, wenn der Schaden durch Tote höher als die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen wird. Aber sowas ist dem Volk halt politisch nicht zu vermitteln.
@ Hadmut:
Was, wenn nicht Argumente, warum sich die zuständigen stellen falsch verhalten und was sie besser machen könnten, sind denn die Dinge die hier in den Kommentaren aufgezählt werden?
Außerdem enthält prangert Kritik ja auch oftmals fehlverhalten und sagt dadurch indierekt, was anders gemacht werden kann/muss.
100% Sicherheit ist zudem eh eine Illusion. Ich fordere auch nirgends, dass die zuständen Behörden Informationen als eh falsch abstellen sollen, aber ich erwarte dass gewissenhaft und seriöus damit umgegangen wird! Und nicht bei jedem Scheiß direkt Politiker und Beamte die Medien alamieren und sonst was für Szenarien und Forderungen vermelden.
Die Vollkoffer da oben sollen die Schnauzen halten und sie nur aufmachen, wenn sie was wissen. Bei den meisten Anschlägen in Europa hatten dubiose Doppelagenten ihre Finger drin. Das nicht vergessen! Die Medizin bringt uns um. Der Schaden in der Bevölkerung ist bereits eingetreten aber die Koniferen merken nix.
Es ist ein Affenstall, ein Dilettantenstadel!
http://www.google.com/search?&q=%22Gro%C3%9Fangriff+von+Islamisten%22
167 Ergebnisse, gestern waren es 305 — ist wer aufgewacht?
Wissen die was ein Großangriff ist? Waren die im Kursker Bogen dabei? Offensichtlich nicht. Sechs Sandlatscher machen Großangriff. Die haben komplett ein Rad ab, vielleicht auch zwei!
Carsten
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“Allein, der versprochene Terroranschlag blieb aus.”
Fefe
Du fragst was die Regierung tun soll. Ganz einfach, sie soll Ihre Arbeit machen. Wenn konkrete Hinweise auf einen Anschlag vorliegen, dann sollen sie dem nachgehen und ermitteln, anstatt Panik zu verbreiten.
Was genau bringt denn die Terrorwarnung? Sicherheit nicht, es führt eher zu einer erhöhten Fremdenfeindlichkeit und definitiv zu massiver Mehrbelastung der Behörden aufgrund von Fehlalarmen.
Nur daß das mit dem “dem nachgehen” nicht so einfach ist, wie man sich das von Fernsehkrimis her vorstellt…
Dem Nachgehen ist aber auch nicht durch Panikmache seitens Politik und (wie du ganz zu recht meintest: unseriöser) Journaille geholfen. Letzteres geht mir in den letzten Tagen insbesondere auf den Wecker; da gibts kein anständiges Blatt mehr in Deutschland, was noch irgendwie distanziert und kritisch berichtet.
Sie haben schon Recht, Herr Danisch, dass es da eine Art reaktive Opposition insbesondere bei Terrorwarnungen gibt. Allein, nach 9 Jahren ohne wesentliche Ereignisse in Deutschland trotz zahlreicher Terrorwarnungen (hat das mal wer gezählt?) ist das eher eine Gewöhnung als eine rein reaktive Position.
Hinzu kommt ein gewaltiger Vertrauensverlust gegenüber den zuständigen Behörden. Es kann jedenfalls schlecht abgesprochen werden, dass seit der Terror-“Mode” der meiste Terror aus den eigenen Landen kam – in Form von Terrorwarnungen und Überwachungsintensivierung – und, schätze ich, viele Menschen würden vielleicht gerne mal einen Monat ohne hysterische Weltuntergangsmeldungen verbringen und ohne Weltuntergangspräventionsmethoden, die wieder einmal “notwendig” sind. Wenn ich das richtig überschaue, ist in den letzten 10-15 Jahren kaum ein politisches Programm mit Ruhe angegangen wurden, sondern alles war sofort notwendig und alles sollte hysterisch folgen. Für mich scheint es, mit aller Polemik, die es auch gibt, auch eine Opposition gegen sofort-notwendige-Folgsamkeiten zu geben, nicht nur eine gegen Terrorwarnungen an sich. Die sind nur ein Trigger.
PS: Gerichtspsychologen sind ohnehin eine der merkwürdigsten Erscheinungen. Menschen aus gut situierten Häusern sind häufig “ganz normal, nur kurz aus der Spur gefallen”, während die “Unterschichten” natürlich die monströstesten Psychogaphien haben. Hierzu sei ein Besuch in einem Jugendgericht empfohlen, wenn man es nicht glaubt…
Was sie denn sagen sollen, damit man Ihnen glaubt:
Ganz einfach: entweder sie haben Erkenntnisse, und legen diese konkret offen, oder sie halten die Klappe, statt irgendwelche Allgemeinflosklen zu benutzen und das volk erst recht in Panik zu reden. Sofern sie der Meinung sind, daß das die Ermittlungen gefährden könnten sollen sie halt die Klappe halten anstatt die Angst vor dem arabisch, persisch oder allgemein anders aussehenden Nachbarn zu schüren.
So gesehen, müßte man jeden Tag die Leute davor warnen, morgens Ihre Kinder aus dem Haus zu lassen oder selbst vor die Haustür zu treten, weil man viel wahrscheinlicher von irgendeinem Idioten mit dem Auto totgefahren wird, als einem Terroristen umgebracht zu werden. Ich meine jetzt nicht die versehentlichen Unfälle, sondern die Fälle in denen jemand mit Absicht Leute totfährt . Da sind hierzulande auch deutlich mehr Tote durch Autos zu beklagen als durch Terroristen.
Und ich muß sagen, ich fühle mich nicht sicherer, wenn Leute mit Knarren durch die Gegend laufen (z.B. auf Weihnachtsmärkten), sondern eher verunsichert, weil der Staat anscheinend ratlos ist und nur durch hektische Aktivitäten versucht das zu kompensieren.
Mmmh, jetzt sollen die Politiker die Klappe halten?
War’s nicht letztens bei Stuttgart21 noch so, daß man forderte, daß das Volk stärker beteiligt und informiert wird?
Sie sollen dann die Klappe halten, wenn es nichts wichtiges zu sagen gibt. Einfach zu sagen, es könnte mal wieder sein, daß ein paar Leute eine Anschlag planen und man soll auf den arabischen nachbarn aufpassen, daß der nichts dummes anstellt, ist genauso als wenn sie sagen, die Leute sollen die nächsten Wochen nicht mehr aus dem Haus gehen, weil demnächst wieder besoffene von den Weihnachtsmärkten mit dem Auto nach Hause fahren und man überfahren werden könnte. (Wobei letzteres imho eine sinnvollere Warnung als die bisherigen Terrorwarnungen ist). Ansonsten sollen sie einfach die Erkenntnisse die sie haben offenlegen.
Bei Stuttgart 21 gab hingegen konkrete Tatsachen mitzuteilen, die hingegen verschwiegen wurden und teilweise immer noch nicht offengelegt. Insbesondere Gutachten, die (vermutlich) nicht passend zurechtzubiegen waren, wurden verschwiegen.
Genauso die Gutachten, die bessere “Endlager” in Baden-Württemberg oder Bayern von Atommüll ausweisen, werden von der CDU unter Verschluß gehalten.
Apropos aufden Nachbarn aufpassen:
Dann kommt sowas wie
heraus, wo man verdächtig ist, bloß weil man ungewöhnliche Musik hört (Auch wieder über fefe draufgestoßen). Hat mich ein bischen an deien Erzählungen aus Lonon erinnert.
Deine Argumentation kommt, mit Verlaub, zu spät – der Schaden ist bereits zur Gänze eingetreten – es geht darum, Angst zu erzeugen, in der Art, daß diese die Gesellschaft bis zu ihrer Selbstzerstörung verändert.
Das ist gelungen, denn der Schaden stammt nicht von einem Anschlag, sondern von der Drohung eines Anschlages und der Reaktion des Staates darauf. Die Gesellschaft ist hysterisch geworden, und geht gerade an “Ideen” wie der Vorratsdatenspeicherung und der Wiedereinrichtung von Internierungslagern (http://www.n-tv.de/politik/Gefaehrder-sollen-in-Haft-article1973186.html) den Bach runter.
Ohne einen einzigen Toten, bisher. Die Schatten der Wand reichen, daß wir vor Angst sterben.