Welche Aufgabe haben ARD und ZDF?
Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, nichts zum Unfall bei „Wetten dass…?” zu schreiben.
Und daran werde ich mich mehr oder weniger auch halten. Denn ich möchte mich keineswegs wieder in die Riege dieser Hinterher-Besser-Wisser stellen, denen erst hinterher einfällt, daß man besser hätte aufpassen sollen und jetzt Forderungen erhebt. Solche Im-Nachhinein-Schlaumeier haben wir zu viele.
„Wetten dass…?” habe ich früher mal gerne gesehen. Seit der ersten Sendung bis vor ungefähr 10 Jahren. Es wurde immer langweiliger, der immer oberflächlichere Mist, die Wetten wiederholten sich im Prinzip, und die dumme Couch verkam zur Selbstdarstellungsbühne irgendwelcher Leute, ihren neuen Film, ihr neues Buch oder ihre neuen Silikonbrüste anpreisen wollen (obwohl ich den aufgesetzt künstlich familienkompatiblen Spielemasterstil Frank Elstner noch nie abkonnte, da war mir der junge Gottschalk immer viel lieber), und die Wettbewerber zum reinen Unterhaltungslieferanten einer widerlichen Glamourbesetzung, die nicht mal die ganze Sendung dableibt, sondern sich nur mal für 20 Minuten ins Scheinwerferlicht setzt. Mir kam „Wetten dass…?” zunehmend widerlicher vor. Ich habs in den letzten Jahren eigentlich auch nicht mehr geguckt, sondern selbst die langweiligsten Filme vorgezogen. Daß ich es gestern abend so nebenbei eingeschaltet hatte, lag nur daran, daß das gesamte andere Fernsehprogramm noch langweiliger war. Ist Euch mal aufgefallen, daß es immer öfter Tage gibt, an denen überhaupt nichts anschaubares mehr im Fernsehen kommt? Daß uns immer mehr Dünnschiß vorgesetzt wird? Daß denen überhaupt nichts mehr einfällt? Talkshows, Fernsehshows und solcher Mist? Ich kriege schon Krämpfe, wenn Carmen Nebel oder Florian Silbereisen nur in der Fernsehzeitung stehen – und die senden andauernd so einen Mist. Das ist nicht einfach nur hirnlos oder schlecht, was da im Fernsehen kommt, das ist eine Verhöhnung jeglicher Qualität. Das ist schlimmer als Trash – das ist Trash, der sich ernst nimmt. Und zu solchem Trash ist „Wetten dass…?” auch längst verkommen.
Dass ich den Fernseher überhaupt noch laufen hatte, lag eher daran, daß ich es beim Abendessen nicht so still haben wollte, also Glotze an. Zapp-Zapp-Zapp, kam nix besseres. Also „Wetten dass…?” – och nöh, nicht schon wieder Otto. Der sitzt doch auch jedes gefühlte zweite Mal bei Gottschalk. Und schon wieder irgendeine Hüpf-Sprung-Akrobatik-Wette.
Das sei ganz gefährlich, sagt Hunziker. Weil das die Sensationsgeilheit hebt, weil man nach der soundsovielsten Wette desselben Typs X extra dazusagen muß, daß es jetzt noch mal stärker wird als in den 30 Jahren zuvor.
Und dann passierte es eben. Ich hatte es erst gar nicht richtig gesehen, habe aber einen Digitalempfänger, der automatisch puffert und konnte deshalb gleich zurückspulen. Nach dem, wie der mit dem Kopf aufgeschlagen ist und der Kopf zur Seite gewackelt ist, und wie der dann da lag, war ich eigentlich schon überzeugt, daß der sich das Genick gebrochen hat und sofort tot war. Ich war eher verblüfft später zu hören, daß der das überlebt hat.
Mir geht die Wiederholung meiner Überlegung zur Love Parade, über die gesellschaftliche Inkompetenz bei der Beurteilung von Gefahr durch den Kopf. Alle wollten sie unbedingt einen gefährlichen Stunt sehen – oder zeigen. Ganz gefährlich, sollte es sein, gefährlicher alls alles, was wir zuvor gesehen haben.
Gefährlich im Sinne von kribbelt beim Zugucken unterhaltsam im Bauch.
Aber doch ganz sicher nicht gefährlich im Sinne von es könnte dabei was passieren.
Gesellschaftliche Inkompetenz. Ein wider die Vernunft abtrainiertes Gefühl für Gefahr, wie bei der Love Parade. Wenn man da ist, um Spaß zu haben, kann einem doch gar nichts Schlimmes passieren, weil nach dem Vollkasko-Prinzip immer irgendwer anderes dafür verantwortlich ist, daß nichts passiert. Weil das Publikum jedes Mal etwas mehr Nervenkitzel braucht, um sich zu amüsieren.
Hallo!? Jemand zu Hause? Mensch gegen Auto ist wirklich gefährlich. Also nicht Brause-prickelt-im-Bauch-gefährlich, sondern so richtig gefährlich. Und hohe Saltos auf Betonboden haben auch schon manches Mal zu schweren Schäden geführt. Kennt noch jemand Jo Deckarm?
Gut, kann man machen. Brot und Spiele, wie im alten Rom. Ab und zu geht einer drauf, gehört dazu. Aber dann hinterher so geschockt und entsetzt darüber zu sein, daß bein einer so als besonders gefährlich angekündigten Wette auch was schiefgegangen sein könnte, ist … ja was ist das eigentlich? Der Versuch, das Wort Gefahr ganz sicher nicht zu verstehen? Diese Abstumpfung gegenüber Gefahr, wie bei der Love Parade?
Steigen wir mal von der anderen Seite aufs Pferd.
Diese Woche kam die Meldung, daß die ARD demnächst fünfmal pro Woche Talkshows sendet.
Die sind gerade auf dem Trip, als öffentlich-rechtliche Sender immer den Mist zu senden, der gerade mit den geringsten Kosten die höchste Einschaltquote erzeugt. Auf Hirn kommt’s nicht mehr an. Bringt eine Talkshow Quote, dann kommt dumme Talkshow aus allen Rohren. Und bringt ein alternder Gottschalt Quote, dann wird der auch gesendet, mit immer höherer WettenReizschwelle.
Schön wäre es, wenn man mal diskutieren könnte, ob ARD und ZDF noch andere Ziele und Aufgaben haben, als hohe Quoten. Wo sie doch gerade deshalb gebührenfinanziert sind, damit genau das nicht eintritt, die Abhängigkeit von der Quote. ARD und ZDF könnten ohne weiteres auf die Quote pfeifen und gutes Fernsehen machen. Tun sie aber nicht. Stattdessen kommt immer mehr dummes Zeug, das in seiner Dummheit massenkompatibel ist, weil es sich am untersten Niveau festhält.
Volksmusik und Talkshows. Durch Zwangsgebühren finanziert. Warum bloß konnte der Unfall nicht bei Volksmusik oder beim Talken passieren?
5 Kommentare (RSS-Feed)
“Daß uns immer mehr Dünnschiß vorgesetzt wird?”
Diesen Trend kann man nicht nur beim Fernsehen beobachten, auch öffentlich rechtliche Radiosender sind zum Teil unerträglich. Da gibt es eine kleine Menge von Songs die bis ins Endlose wiederholt werden (Waka Waka …), schlechte Witze (a la Telefonschreck) und Weihnachtsaktionen die in Wirklichkeit Spendenaufrufe sind.
Ein Unterschied zu privaten Radiosendern existiert nicht.
Auch die oft genannten unabhängigen Nachrichten sind zum Teil extrem oberflächlich aufbereitet(anstatt sorfältig recherchiert zu sein). Von Heimat und Volksmusiksendern möchte ich gar nicht schreiben.
GEZ Gebühren sind Geldverschwendung – bzw. stehen nicht im richtigen Verhältnis zwischen Input und Output.
Hadmut, ein Tip für Dich: schmeiß den Fernseher raus und hör’ Radio.
Ich halte DLF, DRKultur, WDR 5 und BBC für ganz brauchbar.
Dann ist es auch nicht still, aber das Programm quält Deinen Verstand
nicht so schrecklich.
@quarc: Ich möchte noch MDR Figaro zu der Liste anfügen. Das ist auf Arbeit meine Hintergrundmusik zum Schokolade-in-Code-casten.
Hallo zusammen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hätten eigentlich die Möglichkeit (eigentlich sogar Pflicht) ihr Programm angebotsorientiert zu gestalten, im Gegensatz zu den Privaten die nachfrageorientiert arbeiten müssen. Die Ziele des öffentlichen Rundfunks werden in §11 des Rundfunkstaatsvertrags definiert:”…Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen….”. Um eine Daseinsberechtigung zu haben muss man allerdings eine kritische Masse an Zuschauern erreichen, sprich die Quote steigern. Dies ist im Bereich Unterhaltung nun mal am einfachsten. Da macht man die Wette eben noch spektakulärer (um im Bsp. zu bleiben).
Ich bin überzeugt, dass man durch ein konsequent angebotsorientiertes und werbefreies Programm zumindest gleichviel, wenn nicht noch mehr Marktanteile bekommen könnte. Aber die Pfade sind ausgetreten und da liegt das eigentliche Problem.
“Ist Euch mal aufgefallen, daß es immer öfter Tage gibt, an denen überhaupt nichts anschaubares mehr im Fernsehen kommt? Daß uns immer mehr Dünnschiß vorgesetzt wird? Daß denen überhaupt nichts mehr einfällt?”
Ich wiederhole mich: Fernsehen ist Zeitverschwendung.