Ansichten eines Informatikers

Deutsches Overengineering

Hadmut
2.7.2011 21:31

Die WELT hat einen bösen Artikel über den Rohrkrepierer Elektronischer Personalausweis.

Der kommt nämlich nicht in die Pötte. Und als german overengineered steht er da. Och, wer wird denn so gemein sein, wo doch die Linux-App zum e-Perso nur so’n bisschen mehr als 100 Megabyte groß ist.

Ursprünglich war ich von dem Ding ja auch angetan, bin gleich zu Anfang hingerannt um mir einen zu bestellen. Was natürlich wieder schief ging, wie es immer schief geht, wenn ich komme. Dann wurde die Software erst mal für Monate zurückgezogen, und als sie wieder kam, hatte ich keine Lust mehr. Oder nicht genug Platz auf der Platte. Denn während man bei De-Mail auf die Verschlüsselung verzichten soll, weil dem Bürger so’n Klecks Software nicht zuzumuten wäre, aber hier soll gleich ne ganze Laufzeitumgebung mit installiert werden. Und das führte dazu, daß ich den e-Perso bis heute noch nicht ein einziges Mal elektronisch verwendet habe.

Wozu auch? Ich habe noch keinen einzigen Anwendungsfall gefunden.

Was ja ärgerlich ist. Denn extra wegen des e-Perso habe ich mir mehr BILD-Zeitungen gekauft als in den letzten 20 Jahren. Weil da auf der Computer-BILD ein vom Staat gesponserter Kartenleser für 3,40 Euro drauf war, der sonst über 30 kostet. Ich dachte, da muß man sich beeilen, weil die Leute sich drauf stürzen wie blöde, weil so ein kontaktloser Kartenleser für 3,40 Euro und 90% Ersparnis, das kriegt man ja auch nicht alle Tage. Aber ne Woche später lagen die Dinger immer noch beim Zeitschriftenhändler, die haben sich schlechter verkauft als sonst die Computer-BILD zum gleichen Preis alleine. Wollte keiner haben. Aber den Hersteller wird’s gefreut haben, daß ihm der Staat die Dinger gesponsort hat. So hat er ein paar hunderttausend 30-Euro-Leser verkloppen können, obwohl die Leute die nicht mal für 3 haben wollten.

Was ist denn da wieder vor sich gegangen? Wieder so ne IT-Security-Nummer der Bundesregierung, die da meint, IT-Security ist, wenn der Umsatz in der Branche steigt? War das ganze Ding eine Lobby-Nummer, damit sich irgendwer eine Scharz-Rot-Goldene Nase verdient? Und ähnlich fundiert entworfen wie die Kinderpornosperre? High-Tech-Land Deutschland?

Is ja mal wieder toll.

An was erinnert mich das jetzt? Karte? Geht nicht? Overengineered? War da nicht noch was? Krankenkassenkarte?

Ich hatte mir sogar mal überlegt, für ein neues Blog eine Kommentarfunktion mit e-Perso anzubieten, denn der soll ja angeblich auch Pseudonyme unterstützen. Wär ja was gewesen. War aber dann doch wieder zu komplex, da einen Server-Schlüssel anzufordern.

Aber ganz so schwarz würde ich es nicht sehen. Ich finde es überaus praktisch, daß das Ding jetzt im Kreditkartenformat ist, das hat sich schon bewährt. Deshalb habe ich mir ja vor Jahren auch für teures Geld den großen Führerschein gegen den neuen umgetauscht. Wenn sie das jetzt noch mit dem KFZ-Schein als letztem großen Dokument schaffen, wär ich froh. Aber vermutlich würde die Umstellung des KFZ-Scheins auf Kreditkartengröße auch ein größeres 3-Jahres-Projekt mit diversen Herstellern und gesponserter Kampagne nach sich ziehen. Einfach mal so, wie andere das machen, geht nicht. Wäre under-engineered.

(Danke für den Link)

5 Kommentare (RSS-Feed)

Chris
2.7.2011 23:36
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Wo wir schon bei Autos sind: Wie war das noch mal mit dem Maut-System TollCollect?


Michael Puff
3.7.2011 13:56
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KFZ-Schein in Scheckkartenformat wäre tatsächlich eine Innovation. Das wäre übrigens auch der einzige Grund für mich mir einen neuen Personalausweis zu besorgen. Allerdings würde ich den Chip nicht aktivieren und auch keine Fingerabdrücke hinterlegen. Ist man eigentlich gezwungen trotzdem welche abzugeben?

Zurück zum KFZ-Schein. Da könnte man doch auch wieder prima einen RFID Chip verdengeln mit den Fahrzeug Daten. Dann bekommt das Auto auch noch einen und fertig. Das wäre übrigens mal eine sinnvolle Anwendung. Nur ein Problem gibt es: Den TÜV Stempel. Den könnte man ja auch auf den Chip machen. Allerdings finde ich das bisher ganz praktisch, da er sichtbar ist. Ein Blick auf den KFZ-Schein und man weiß, wann man wieder zum TÜV muss.


Wenn man diesen Kartenmüll den mal auf eine Scheckkarte konsolidieren könnte, wäre es natürlich toll. Inzwischen trage ich 10 oder mehr von den Dingern rum, weil ich zu faul bin per Anlaß umzuladen. Das erinnert an Slapstickeinlagen mit meterlangen Kreditkartenrollen.

Ich konnte dem ePerso nie was abgewinnen, weil für mich da keine 21 Euro Nutzen drin waren. Also erstmal bis 2020 vertagt.


Tobias
16.7.2011 11:09
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Apropos: War da nicht was? Krankenkassenkarte. Geht grade nicht? Lesegeräte dafür schon hergestellt? Neue Idee für Einsatzsort? Einwohnermeldeämtern! Bringt mit sich: Neuer Personalausweis. Kreis geschlossen.

Da ich im Umfeld Gemeinden arbeite läuft mir diese Aussage regelmässig über den Weg. Wenn man die notwendigen Änderungsterminals zum PIN setzen / Chip validieren für den neuen Perso (kurz: ÄnTe) ansieht glaubt man das auch sofort. Die Farbgebung und Gestaltung erinnert mich immer wieder an Zahnartpraxen. Wobei an diesen Geräten nicht nur bei der Farbgebung gepfuscht worden ist. Allein die Notwendigkeit, ÄnTen sowohl via Ethernet ins Netz einbinden zu müssen (z.B. für Zertifikatsdownload beim Einschalten) – als auch gleichzeitig an einen PC via USB, damit die Einwohnermeldesoftware darauf zugreifen kann *aua*. Auch über die ständigen Firmwareupdates der ÄnTen und den etwas holprigen Start letztes Jahr könnte man sich stundenlang beschäftigen … aber was hilfts? Übrigens sind die 30 EUR für den Kartenleser * 100.000 eigentlich Peanuts – im Vergleich zu den notwendigen Ausgaben in vielen EDV-Anlagen von Kommunen, die den neuen ePerso ohne Upgrade der Anlage meist nicht hätten ausstellen können.


nadar
21.8.2011 9:50
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Beim Verfassen obigen Beitrags war davon vermutlich noch nix zu hören, aber kürzlich wurde ELENA versenkt.