Ansichten eines Informatikers

Die Billig-Sachverständigen vom Bundestag

Hadmut
5.7.2011 22:05

Im Rahmen der Diskussion um die Enquete-Kommission habe ich gerade gelesen, daß die „Sachverständigen” dort 681,75 Euro pro Monat erhalten, was man auf 4,26 Euro die Stunde umrechnet.

Zum Vergleich: Ein Gerichtssachverständiger in IT-Angelegenheiten liegt bei 85 Euro pro Stunde, also dem mehr als 17-fachen. Und nun überlegt Euch, was für Leute man für 4,26 Euro pro Stunde bekommt.

15 Kommentare (RSS-Feed)

Gnapf
5.7.2011 22:36
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Ich hätte da noch einen weitergehenden Vorschlag:
Wie wäre es, wenn man 1-Euro-Jobber als Sachverständige nimmt? Dann hätten doch alle was davon.


Hadmut
5.7.2011 22:39
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Oder mit Hartz-IV auffüllen?


Hadmut
5.7.2011 22:41
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Oder noch viel besser, mal sollte nur noch Griechen als Sachverständige nehmen. Bei denen sitzt der Regierung das Geld offenbar lockerer.


Frank Schenk
6.7.2011 10:09
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Mich würde echt mal interessieren, wie diese Aufwandsentschädigung berechnet wird und ob die 30-50 Stunden die Woche tatsächlich so stimmen.

Aufwandsentschädigungen in dem genannten Umfang (der ja quasi einem Full-Time Job entsprechen würden, müssten ja auf jeden Fall so ausfallen, daß der “Sachverständige” keinen finanziellen Schaden davon hat. Sprich wird er von seinem Arbeitgeber weiter voll bezahlt? Was ist mit Arbeitslosen und Selbständigen?

Ist es vielleicht so, daß die eigentliche Arbeit der Kommission nur sagen wir mal 10 Wochenstunden braucht, die anderen 20-40 freiwillig erbracht werden?

Und werden Aufwandsentschädigungen normalerweise nicht entsprechend des normalen Einkommens gezahlt? Also X Prozent vom Einkommen?

Fragen über Fragen, Antworten wirds wohl eher nicht geben…


User
6.7.2011 17:00
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naja für die Arbeit dieser “Sachverständigen” sollte überhaupt nichts bezahlt werden. Die vertreten dort einfach nur Ihre Interessen warum soll der Steuerzahler dafür aufkommen? Lobbisten werden normalerweise von der Lobby bezahlt! 😉


Twister
6.7.2011 20:04
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Na ja, die Frage ist, wie sich diese 30-50 Stunden ergeben und ob das realistisch ist. Wenn ich mir da so anschaue, was von den “SVen” selbst gesagt wird (mit ALG Ii hätten Sie als Bedarfsgemeinschaft 1.500 Euro) usw. usf, dann frage ich mich einfach, wie die das machen.
30-50 Stunden pro Woche sind ja im Endeffekt zwischen 4 und 7 Stunden pro Tag (ja, ich weiß wie das mit Durchschnittswerten ist).
Nun muss noch zusätzlich gearbeitet werden, es gibt Privatleben usw.

Imho funktioniert das nur, wenn man hier schlichtweg auch zugibt, dass diese “SV-Tätigkeit” schlichtweg auch so funktioniert, dass davon auf meherer Weise profitiert wird. Zum einen kann man von der Bezeichnung “Sachverständiger in der EK” profitieren, was (dies wird so auch schon bei np.org selbst zugegeben imho) eben Türen und Tore öffnet.

Zum anderen kann man Lobbyismus betreiben – im Sinne von Interessensvertretung, also fernab der Korruption, aber eben doch durch die “Türöffnerfunktion” des “SV der EK” und im wahrsten Sinne des Wortes als Interessensvertreter, also Lobbyist.
Ich sehe die EK insofern auch nicht als SVen und Abgeordnete, sondern als Lobbyisten und Abgeordnete, dass manche davon das als Lobbyisten vertreten, was ich teilweise gutheiße, ändert nichts daran. Man hebt schlichtweg seinen Aktivismus und seine Bürgerrechtsarbeit auf eine etwas höhere Stufe, bekommt dafür auch Geld (egal wie wenig) und wähnt sich als “Sachverständiger”, was sich eben auch in der Außenwirkung gut macht und ggf. zu neuen Aufträgen führen kann usw. usf. Es spricht: herr xyz von der EK…
klingt halt anders als Herr xyz, Bürgerrechtsaktivist seit Jahren.

Nur ein Beispiel:
Im Jugendkuratorium sitzt Georg Ehrmann von der Deutschen Kinderhilfe. Ich sehe den als Dampfplauderer und es gibt auch keine Hinweise auf Expertisen im Bereich Kinderschutz – Gerüchten zufolge wurde seine Ernennung eher auf Grund von persönlichen Bekanntschaften usw. vorgenommen. Das zeigt aber schon, was von den “Sachverständigen” im Jugendkuratorium zu halten ist – sie sind halt letztendlich durch Klüngel, Bekanntschaften oder aber aus politischen Erwägungen drin, mit Sachverstand muss das nichts zu tun haben. Bei anderen Kommissionen und Kuratorien kann dies ähnlich sein, muss es aber nicht. Aber da nicht wirklich ausgesagt wird, auf Grund welcher Kriterien nun jemand als SV gilt, hat es schon ein Geschmäckle.

Das soll weder Alvar Freudes leistung noch die von M.Beckedahl, padeluun usw. beurteilen, es bedeutet letztendlich nur, dass der “Sachverstand” nichts anderes bedeutet als “der erschien uns passend, warum auch immer”. Dass manche in den Kommissionen dann, je nach Gusto, auch von anderen als passend wahrgenommen werden bzw. sie sich vertreten fühlen, ändert aber nichts daran, dass hier letztendlich kein Sachverstand irgendwie belegt wird, das zeigen ja auch die Antworten auvh Fragen, wie denn der Sachverstand usw. unter Beweis gestellt wurde bzw. woraus er sich ergab.

Dass da in der EK leute sitzen, die sich seit Jahren für Datenschutz den Buerzel aufreißen ist eine Sache – das weiß ich zu schätzen und insofern sind viele von denen imho wirklich begabte, engagierte Aktivisten und teilweise auch begabte Lobbyisten im Sinne von Interessensvertretung, aber eben mehr auch nicht.

Und, wie hier schon geschrieben, dass letztendlich also das “SV-Gremium” inclusive Abgeordnete dann nicht einmal mehr verschiedenste Empfehlungen abgibt, sondern, obgleich selbst eingeschätzt wird, dass es eine “Laberbude” ist, die Abstimmung dann über die Gesamtempfehlung erfolgt, so dass Mindermeinungen, egal wie fundiert, untergehen auch im Zuge der “Realpolitik” macht solche Kommissionen und Kuratorien usw. eigentlich nur zum verlängerten Arm der Parteien und zum idealen Instrument um Menschen letztendlich dann auch mit dem “hey, ihr dürft aber reden und nachher auch was empfehlen oder so” zu ködern, sie zu beschäftigen.


Ich gehe mal bei einem Sachverständigen nicht von einem Vollzeitjob aus. Natürlich kommt da Vor- und Nachbereitung und Anfahrt dazu.

Aber 4,26 Euro werden es nur sein, wenn man sich sehr stark einspannen läßt. Wenn der Gerichtssachverständige wirklich jede Stunde, die er für einen Termin benötigt, abrechnen darf, ist das ein wirklich lukrativer Auftrag. Wenn nur die Anwesentheit beim Gericht bezahlt wird, relativiert sich das Ganze schon wieder.


Alvar Freude
10.7.2011 16:37
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Die Tätigkeit in der Enquête kann man in vielerlei Hinsicht nicht mit der Tätigkeit eines Sachverständigen vor Gericht vergleichen. Grob gesagt: wir (ich bin einer der Sachverständigen) sind mehr politische und weniger technischen Sachverständige. Es geht nicht darum, irgendwem TCP/IP, HTTP, SMTP oder BGP zu erklären, sondern politische Handlungsempfehlungen zu verfassen. Daher ist das Feld auch sehr breit – es gibt welche die in Assembler programmieren können (habe ich früher gemacht, heutzutage ist das ja eher unüblich 😉 ) und wissen wie ein IP-Paket aufgebaut ist, es gibt Juristen die sich im Verfassungsrecht auskennen, Hacker, Verbraucherschützer, Socia-Media-Berater, diverse Professoren, Vertreter der Branchenverbänden, …

Was den Aufwand betrifft, kann man sagen: jeder Sachverständige ist frei, wie viel Zeit er investiert, an wie vielen Sitzungen er teilnimmt, wie viele Texte er beisteuert oder wie häufig er Diskussionen in den Fraktionen oder Projektgruppen begleitet. Es gibt auch Sachverständige, die kaum in den Projektgruppensitzungen anzutreffen sind und kaum Texte liefern.

Es ist auch keine Bezahlung sondern eine Aufwandsentschädigung.

Ich wage die Behauptung, dass keiner der Sachverständigen die Aufwandsentschädigung als reale Einnahmequelle nutzt; das geht nur, wenn man andere Einnahmequellen hat. Früher war es üblicherweise so, dass vor allem Professoren und Vertreter von Branchenverbänden Sachverständige in Enquête-Kommissionen waren; die haben ihre Einkommen und es ist für ihren Ruf und die Karriere bzw. für die Interessen des Verbandes hilfreich in der Kommission teilzunehmen. Mit dieser Enquête-Kommission ist da einiges anders, da viele von uns nicht in die üblichen Raster passen – ich beispielsweise bin selbständiger Softwareentwickler, Trainer usw. Und da kommen wir schon zu dem Problem: jeden Tag, den ich in Berlin sitze, geht mir bares Geld verloren, da ich nicht für Kunden arbeiten kann (gelegentlich muss ich auch mal eine 4- oder 5-Tages-Schulung absagen, weil ich einen Tag nicht kann) – die laufenden Kosten gehen aber weiter. Und da sind wir bei dem ursprünglichen Punkt der Diskussion: Fefe behauptete, aufgrund der „üppigen“ Sachverständigenentschädigung seien wir potentiell bestechlich – was für ein Unfug.

Jetzt kommt sicher die Frage, warum ich das dann mache? Nun, mir liegt das Thema am Herzen, ich merke dass ich inhaltlich etwas erreichen kann, ich habe auch die Jahre zuvor sehr viel Zeit in die Arbeit beim AK Zensur gesteckt, ich mache etwas richtig oder gar nicht, lerne sehr viel dabei und es macht tatsächlich Spaß. Außerdem werde ich in der SPD-Fraktion (die mich benannt hat) ernst genommen und habe dort volles Mitspracherecht bei den entsprechenden Themen. Dass man dann mal dazu schreiben kann „war Mitglied in der Enquête-Kommission des Bundestages“ ist nett, in meinem Job aber sicherlich nicht sonderlich wertvoll.


Hadmut
10.7.2011 17:12
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Mag ja alles sein (warum ich es für falsch halte erläutere ich unten). Ich sehe darin aber drei oder vier erhebliche Probleme:

a) Wenn sie keine Sachverständigen im Sinne des Begriffs sind, dann sollte man sie auch nicht so nennen. Meinetwegen Politverständige oder Ratgeber oder ThinkTank oder Kaffeekränzchen oder Klugscheißer oder was auch immer, aber nicht Sachverständige.

b) Es wäre fraglich, ob für solche „Politverständige” oder „Politratgeber” in dieser Form eine demokratische Legitimierung nötig ist. Man kann freilich den Standpunkt vertreten, daß dem genüge getan wird, weil die Parteien die „Verständigen” nach rein politischen Motiven und Parteienproporz auswählen und damit der Wählerwille auf deren Zusammensetzung durchschlägt. Dann sollte man das aber auch in der Öffentlichkeit klarstellen, daß die Parteien sie nicht objektiv auswählen, sondern nach ihrer jeweiligen politischen Richtung, und daß damit das Arbeitsergebnis durch den Parteienproporz praktisch schon vorgegeben ist. Außerdem muß sich dann jeder, der da mitgemacht hat, auch danach und künftig vorwerfen lassen, sich vor den Polit-Karren spannen zu lassen.

c) Gibt der Beschluß des Bundestages zur Gründung der Kommission das wirklich her, daß da „politische Sachverständige” drin sitzen? Das glaube ich nämlich nicht (muß ich nochmal nachlesen, aber soweit ich mich erinnern kann).

d) Das mit der Bezahlung ist ein ernsthaftes Problem. Unterhalb eines gewissen Entlohnungsniveaus bekommt man keine kompetenten Leute bzw. man bekommt sie nur, wenn noch andere Motivationen wie Idealismus, Lobbyismus dazukommen, aber sowas drückt eben auf das Niveau. Erinnert mich daran, daß man mal Bundestrojaner-Autoren suchte und denen ein Gehalt ungefähr bei BAT-IIA anbot. Auf der anderen Seite dürfte ein höheres Gehalt natürlich sehr stark den Vorwurf verstärken, den Fefe gegenüber padeluun erhebt bzw. zu Korruption führen und dazu, daß Leute sich allein des Geldes wegen reinhängen und die Sache dehnen. Sehr schwieriges Thema.

Ich war vor einem Jahr bei der Jahresversanstaltung von Netzwerk Recherche in Hamburg, zum Thema Sachverständige und Experten. Dort vertraten mehrere Professoren (die für mich durchaus nachvollziehbare und mit meinen Beobachtungen 1996-1998 aus der damaligen Internet-Enquete übereinstimmende) Auffassung, daß man sich als Sachverständiger für den Bundestag nur Ärger, Aufwand und Minuspunkte holen kann, weil es miserabel bis gar nicht bezahlt wird, man von manchen Politikern mitunter richtig dumm oder wie Dreck behandelt und lächerlich gemacht wird, sich bestensfalls damit beschäftigt, all die Mißverständnisse und absichtlichen Fehlauslegungen zu bekämpfen, statt sich um die Sache zu kümmern, und nur Minuspunkte holt, weil nur schlechte (oder schlechtgemachte) Leistungen der Person zugeordnet werden, während positive Leistungen immer als Erfolg der ganzen Gruppe oder der Politiker ausgegeben werden, was aber eh fast nie passiert, weil alles von den politischen Gegnern als dort typische Vorgehensweise zer- und kaputtgeredet wird, und Gegner gibt’s immer. Deshalb würden eigentlich nur noch die unseriösen dort als Sachverständige hingehen.

Und so scheint’s ja auch in dieser Enquete jetzt zu laufen, nur – soweit man das von außen beurteilen kann – noch deutlich schlimmer als damals 96-98. Damals gab es noch relativ klare und erkennbare Fragestellungen, etwa ob ein Kryptoverbot effektiv um- und durchsetzbar ist. Damals haben mehrere „Experten” ihre Erläuterungen dazu vorgetragen, und das Ergebnis war, daß die Politik eingesehen hat, daß das nichts werden kann, und es bleiben lassen hat. So kann das noch einigermaßen was werden, weil das noch die Situation des Sachverständigen im herkömmlichen und nicht im politischen Sinne war. Fachliche Fragestellung, ob und wie man das machen kann, und fachliche Antwort.

Also waren die „Sachverständigen” in der damaligen Enquete tatsächlich so etwas wie die Sachverständigen wie man sie sonst (z. B. vor Gericht) kennt.

Wenn die Sachverständigen sich nun – wie Du hier schreibst – nicht als technische Sachverständige, sondern mehr so irgendwie als Politberater verstehen, dann ist hier seit 1998 irgendwo irgendetwas ziemlich schief und aus dem Ruder gelaufen. Möglicherweise ist das ja gerade die größte Form der Inkompetenz, daß man nicht mal weiß, wofür man da ist, und das für einen politischen Auftrag hält. Hört sich fast so ein wenig nach Dunning-Kruger-Effekt an.


Hadmut
10.7.2011 17:26
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Ich habe nochmal über die Höhe der Sachverständigenentschädigung nachgedacht.

Die Abgeordneten des Bundestags erhöhen sich gerne ihre Diäten mit dem Argument, daß sie noch nicht so viel verdienen würden, wie ein Bundesrichter (was ich für vermessen und töricht halte, aber na gut).

In der Konsequenz müßte man die Sachverständigen daher auch so bezahlen wie die vor einem Bundesgericht (wenn man den kleinen Schönheitsfehler außer Acht läßt, daß die Bundesgerichte überwiegend nur Revisions- und keine Tatsacheninstanzen sind und daher in der Regel keine Sachverständigen hören). Genauso wie vor Gericht steht man da vor dem Problem, daß man da viele Hochstapler und Geldgierige bekommt, aber dafür auch ne Chance hat, sich Leute leisten zu können, die wissen, wovon sie reden.


Alvar Freude
10.7.2011 21:51
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Zu a): der Begriff „Sachverständiger“ ist nicht fest definiert und ist je nach Kontext anders. Im Bundestag wird darunter etwas anderes verstanden als vor Gericht, in sonstigem Kontext wieder etwas anderes. Im Bundestag sind Sachverständige von den jeweiligen Fraktionen benannte Personen, denen die Fraktion eine gewisse Sachkenntnis bei einem Thema zuspricht. Da kann man natürlich auch mal daneben liegen, derjenige wird dann halt nicht nochmals eingeladen. Und deswegen gibt es ja auch immer mehrere, so dass sich Schwachstellen i.d.R. ausgleichen.

Eine Enquête-Kommission ist eben etwas anderes als ein Streit vor Gericht zu einem bestimmten und fest definierten Punkt. Das gesellschaftliche Leben ist komplex und Gesetzgebungsverfahren sind komplex, die eine Wahrheit gibt es fast nie, sondern je nach politischer Haltung unterschiedliche Wahrheiten.

http://de.wikipedia.org/wiki/Enquete-Kommission
http://bundesrecht.juris.de/btgo_1980/__56.html

Zu b): Ja, jede Fraktion wählt „ihre“ Sachverständigen (bei allen Anhörungen und Kommissionen) auch nach der eigenen Linie aus. Manchmal einigen sich auch alle Fraktionen auf eine gemeinsame Liste. Das sieht auf den ersten Blick komisch aus, ist aber dennoch die beste Lösung – und die Fraktionen achten auch darauf, kompetente Leute auszuwählen. Ich für mich kann behaupten, dass ich mich vor keinen Karren spannen lasse, in der SPD-Fraktion aber auch keinen entsprechenden Druck kriege sondern dort vollkommen erst genommen und eingebunden werde, gleichzeitig aber auch komplett frei bin.

c) Es gibt ja diese Unterscheidung in politische und technische Sachverständige nicht, das was nur eine Beschreibung zur Verdeutlichung von mir. Und ja, der Einsetzungsbeschluss gibt das her, das ist das übliche Verfahren im Bundestag. Wie sollte man es auch besser machen? Selbst bei einem sehr engen Thema kann man verschiedene Gutachter auswählen …

d) Ich habe keine Ahnung, ob und wenn ja wie viele potentielle Sachverständige aufgrund der Bezahlung abgesagt haben, habe aber davon noch nicht gehört; ich weiß aber, dass alle Fraktionen sehr sehr lange Listen hatten – mit Leuten die irgendwie in Frage kamen oder sich selbst ins Spiel gebracht haben. Natürlich wollen die Fraktionen „die besten“ Leute haben; manchmal ist es nicht einfach, die zu finden oder die richtige Wahl zu treffen.
Und wie gesagt, üblicherweise sitzen in solchen Kommissionen keine Selbständigen oder ähnliches. Ja, ich würde mich auch eine bessere Bezahlung wünschen (oder eine, die Sitzungsteilnahmen und Autorschaft bei Papieren berüksichtigt o.ä.) und könnte dann auch dauerhaft mehr machen, nun muss das aber eben so laufen …

Abgesehen davon machen wir auch immer wieder zu einzelnen Themen Anhörungen, in die nochmals externe Sachverständige geladen werden. Und es werden Gutachten vergeben.

Insgesamt muss ich sagen, dass die Stimmung in der Enquête und in den Projektgruppen gut ist; jetzt zickt die Koalition etwas herum, weil die Gefahr besteht, dass ihr nicht genehme Beschlüsse zustande kommen. Das gibt derzeit ein schlechtes Bild ab, dumm. Tja nun, da kämpft man eben weiter. Abgesehen davon darf man auch nicht immer erwarten, dass alle die eigene Meinung übernehmen.

Der Vergleich mit dem Gehalt für Bundestrojaner-Autoren geht fehl, da die Mitgliedschaft in der Enquête kein Job ist, keine festen Arbeitszeiten hat und so weiter.

Was die Leistungen der Personen angeht: in der Tat, es kam auch schon vor, dass ich Anträge und Texte schreibe und andere diese unterstützen (teilweise ohne sie selbst zu kennen) und dann in der Öffentlichkeit sich damit präsentieren. Es ist natürlich gut, wenn mehrere einen Antrag unterstützen, aber die Presse weiss dann nicht mehr, wen man fragen kann. So mancher Blogger ist da eben besser in der Außendarstellung und Pressearbeit bzw. legt viel Wert darauf, ich lege lieber Wert auf die inhaltliche Arbeit und habe dann kaum Zeit, mich in der Presse toll darzustellen sondern muss hoffen, dass die von alleine ihren Job machen – aber nach draußen hat man dann eben auch mal Pech.

Schlechte Punkte findet man immer, aber insgesamt überwiegen die guten. Und: ja, wir erreichen mit der Enquête etwas; natürlich nicht alles, aber das kann man auch nicht erwarten.


Hadmut
10.7.2011 22:54
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Naja, also mich überzeugt das nicht so wirklich. Erstens liest es sich so wie eine Rechtfertigung. Zweitens würde es, selbst wenn es den Ist-Zustand zutreffend beschreibt, noch nicht mit dem Soll-Zustand übereinstimmen. Der Patient ist ja auch nicht schon dann gesund, wenn man seinen Ist-Zustand zutreffend beschreibt, sondern wenn das mit dem gesunden Zustand übereinstimmt. Und den gesunden Zustand sehe ich woanders.

Und von der Sachkunde bin ich auch nicht sonderlich überzeugt. Ich war damals als Assistent eines Professors 1997/98 an einer Enquete beteiligt, die den Professor mit einem schriftlichen Gutachten (Sicherheitsanforderungen im Medizinwesen) und einem mündlichen Vortrag (Umsetzbarkeit eines Kryptoverbots) einlud. Zu beidem war der nicht kompetent und hilflos. Das Gutachten mußte ich damals schreiben, weil der keine Zeile zustandegebracht hat, und den Vortrag und die Ausarbeitung haben wir ihm damals auch geschrieben und ihm am Abend vorher erklärt, was zu sagen ist. Als dann dort aber alle „Sachverständigen” im wesentlichen ähnliches sagten, nämlich daß ein Kryptoverbot keine gute Idee ist, hat der die Dollar-Zeichen in den Augen gehabt und
dort spontan das Gegenteil von dem gesagt, was in der Ausarbeitung verteilt worden war, und behauptet, daß er in der Lage wäre, ein Kryptoverbot um- und durchzusetzen, wenn man ihn nur mit genügend viel Geld ausstatten würde. Einfach weil er die Gelegenheit gesehen hat, da als einziger der Politik anzubieten, was alle anderen ablehnten, und dafür Geld verlangen könnte. Und einige sind da auch drauf reingefallen. Er hat hinterher sogar fachliche Aussagen, die ich auch in seine Ausarbeitung geschrieben hatte, die er selbst dort verteilte (nämlich warum ein Kryptoverbot nicht funktionieren kann), später absichtlich (aber unrichtig) als falsch hingestellt, weil er damit Geld aus der Regierung herauspumpen wollte. Und was die anderen Sachverständigen damals erzählt haben, war zwar in der Zielrichtig richtig, aber erstens sehr dünn und zweitens an vielen Stellen auch erkennbar nachgeplappert und nicht verstanden.

Insofern habe ich da so meine eigenen (schlechten) Erfahrungen was die Sachkunde und Seriosität der Sachverständigen und deren Auswahl angeht. Und der war immerhin vordergründig Professor für dieses Thema (wie sich dann später herausstellte, war er Professor für was anderes und hatte sich nur selbst zum Experten ernannt).

Und wenn man im Bundestag unter „Sachverständige” etwas anderes versteht – warum macht man dann so ein Geheimnis darum und sagt nicht mal klipp und klar, daß politische Willkür das einzige Auswahlkriterium ist?


Alvar Freude
10.7.2011 22:00
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Zum Nachtrag:
Wenn man dann dafür erwartet, dass die SV einen Vollzeitjob draus machen: klar, warum nicht. Die Bezahlung von Mitarbeitern wäre aber dann auch ein Punkt … 😉

Allerdings kannst Du schon davon ausgehen, dass die Fraktionen sich auch so ihre Leute gut ausgesucht haben. Wie gesagt, ich kann mal herumfragen, ob denn irgendwo ein ausgewählter Kandidat abgesagt hat, ich glaube aber nicht.

Natürlich kann man die Kriterien nach denen im Einzelfall ausgesucht wurde kritisieren. Insgesamt haben wir aber eine gute Mischung mit Sachverständigen aus unterschiedlichen Bereichen.


Alvar Freude
12.7.2011 21:37
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Nunja, es gibt immer Situationen, dass der eine oder andere Blender Mist erzählt. Und die Zuhörer sind nicht blöd, ich bin sicher, dass das bei vielen nicht unbemerkt blieb – schließlich wurde ja auch aus dem großen Geld nichts …

Und wenn man vor Gericht unter „Sachverständiger“ etwas anderes versteht, warum nennt man das dann nicht anders? 😉
Anders gesagt: nur weil jemand unter dem Begriff etwas ganz bestimmtes verstehst, muss das noch keine Allgemeingültigkeit haben. Und in der Internet-Enquête geht es NICHT um Informatik oder forensische Untersuchung einer Festplatte. Wir brauchen auch nicht 17 Informatiker.

Jeder der Sachverständigen hat Gebiete, mit denen er sich auskennt und Schwerpunkte, die er bearbeitet. Auch muss man nicht die Ansichten von jedem teilen – der eine ist für „der Markt wird es richten“ und der andere für „wir brauchen strenge Regeln“. Deswegen ist aber keiner von beiden doof, unfähig oder ein Volltrottel.

Aber natürlich kannst Du Dir auch sicher sein, dass jeder der Beteiligten seine Meinung über die einzelnen Mitglieder hat …


Hadmut
12.7.2011 21:59
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Tja, da täuschst Du dich. Eine ganze Menge der Politiker sind damals auf den Blender reingefallen. Der kürzlich verstorbene Professor Andreas Pfitzmann, der damals auch einer der Sachverständigen war, hat das hinterher über mehrere Wochen wieder geradegerückt. Ob das zulässig ist, wenn ein einzelner Sachverständiger dann im Hintergrund auf dem kleinen Dienstweg weitermacht, ist eine ganz andere Frage.

Man nennt Sachverständige vor Gericht deshalb nicht anders, weil die Bedeutung vor Gericht dem Wortsinn entspricht. Ganz einfach.

Und noch viel einfacher: Weil die Gerichte den Begriff gar nicht selbst wählen können, sondern er vom Gesetzgeber (!) vorgegeben wurde, etwa §§ 402 ZPO ff. (und damit auch durch Verweis in der VwGO) oder §§ 72 ff. StPO. Das heißt, derselbe, nämlich der Bundesgesetzgeber, und damit wesentlich der Bundestag (!) ist der, der dafür verantwortlich ist, daß Gerichts- und Bundestagssachverständige die gleiche Bezeichnung tragen, obwohl sie völlig unterschiedlich gelagert sind. Deshalb mußt Du die Frage nicht an mich und nicht an die Gerichte, sondern den Bundestag richten, bei dem Du gerade beschäftigt bist.

Dein Vorhalt ruft bei mir Zweifel hervor, ob Du Dir da der Rolle des Bundestages wirklich so im Klaren bist. Denn für die Polit-Laber-Sachverständigen im Bundestag gibt es keine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage. Es gibt § 56 der Geschäftsordnung des Bundestages, der aber auch nicht von Sachverständigen, sondern von Mitgliedern spricht. Die Enquete-Variante des „Sachverständigen” ist also ziemlich aus der Luft geblubbert. Demgegenüber hat der Gesetzgeber selbst die Rolle und den Begriff des Sachverständigen ziemlich klar definiert.

Wie kommst Du also zu der Ansicht, daß die Enquete-Auffassung vom „Sachverständigen” richtiger wäre als die vor dem Gericht? Und warum verwendet derselbe Bundestag die Begriffe so unterschiedlich?

Es ist doch unlogisch, was Du gerade schreibst.

Und was habe ich als Bürger und Wähler davon, daß Beteiligte eine gegenseitige Meinung übereinander haben, die ich nicht einmal kenne und die keine erkennbare, schon gar keine demokratische Wirkung hervorruft? Das ist doch heiße Luft und Hühnerkacke.