Verfehlte Hochschul- und Arbeitsmarktpolitik
Der Irrsinn um den Fachkräftemangel am Beispiel der IT-Spezialisten.
Man liest dieser Tage viel über den (angeblichen) Fachkräftemangel, auch im IT-Bereich. Die Sueddeutsche berichtet etwa darüber, daß wir IT-Spezialisten aus Spanien importieren, obwohl es erhebliche Sprachprobleme gibt. Ähnlich berichtet der SPIEGEL, daß die Bundesregierung um IT-Spezialisten aus europäischen Krisenstaaten buhlt.
Gleichzeitig erzählt mir aber ein junger Informatik-Student, daß er und die Leute in seinem Semester an den katastrophalen Zuständen an seiner Uni (wohlgemerkt, eine sogenannte „Exzellenzuniversität”) schier verzweifeln und viele, wohl um oder sogar über die Hälfte, in den ersten Semestern hinschmeißen oder rausgeprüft werden, und nahezu alle versuchen, an anderen Universitäten Ersatzvorlesungen zu hören.
Ursache sind die berühmt-berüchtigten Informatik-Grundstudiums-Vorlesungen in Algebra und Analysis. Einerseits prüft man knallhart (und teils mit nicht nachvollziehbaren Aufgabenstellungen) und erreicht damit Durchfallquoten zwischen 80 und fast 100 Prozent. Auf der anderen Seiten ist man nicht in der Lage, brauchbare Vorlesungen anzubieten. Das, was geprüft wird, wird vorher nicht brauchbar gelehrt.
Das äußert sich etwa in unstrukturierten, schlechten Vorlesungen, in denen Dozenten nicht in der Lage (und nicht willens) sind, Fragen zu beantworten oder etwas zu erklären. Und darin, daß in einem Fach die Professoren keine Lust haben, die Vorlesung zu halten und stattdessen Hilfspersonal vorne steht, die aber nicht den Anspruch und die Fähigkeiten haben, den Zuhörern etwas beizubringen, sondern noch der jugendlichen Inkompetenz und Eitelkeit unterliegen, dem Publikum demonstrieren zu wollen, wie toll sie sind, so nach dem Motto „Ich kann was, was Ihr nicht könnt”. So werden beispielsweise oft nur fertige Musterlösungen (woher die wohl stammen?) ab- und an die Tafel geschrieben, aber überhaupt nicht erklärt, wie man darauf kommt oder so eine Aufgabe angeht. Es fallen einfach fertige Musterlösungen vom Himmel (die Plagiats-Doktoren lassen grüßen).
Das heißt, daß wir unseren eigenen Nachwuchs beruflich kaputt machen und rausprüfen oder -ekeln, und auf die IT-Stellen dann „IT-Spezialisten” aus anderen Ländern setzen, obwohl man dort entweder besser lehrt oder weniger verlangt. Das heißt, daß Leute aus anderen Ländern im Wettbewerb besser dastehen, weil sie eine abgeschlossene Ausbildung haben, obwohl sie nicht besser sind. Einfach deshalb, weil sie unter niedrigeren Anforderungen oder besseren Bedingungen starteten. Unser vermeintlicher Qualitätsanspruch (der in Wirklichkeit eine Qualitätslosigkeit der Universität ist), macht den eigenen Nachwuchs kaputt.
Hintergrund dessen ist die – auch von der Bundesregierung vorgegebene – völlig verfehlte Arbeitsmarkt- und Forschungspolitik. Man hat die Universitäten völlig zu Drittmittelhuren umgebaut, in denen die Drittmittelprojekte alles und die Lehre gar nichts mehr ist. Lehrfähigkeiten (und der Lehrwille) spielen bei den Berufungsverhandlungen für Professuren praktisch keine Rolle mehr. Auch die Erfüllung eines Lehrdeputats wird schon lange nicht mehr überprüft. Es gilt als normal, daß die Hochschule außer dem Beamten noch weitere Leute bezahlt, die die Pflichten dieses Beamten für ihn erfüllen – oder die Vorlesung gleich von unbezahlten Privatdozenten auf Hartz-IV halten läßt.
Dazu kommt – und wird durch die Drittmittelgier verstärkt – daß die Professoren immer weniger mit der Lehre und den Prüfungen zu tun haben wollen, ihre Interessenlage also der unserer Volkswirtschaft diametral entgegenläuft. Während es von volkswirtschaftlichem Interesse wäre, daß möglichst viele der IT-Studenten auch ihre Ausbildung mit Abschluß beenden (denn ein arbeitender Bürger ist allemal nützlicher als ein arbeitsloser ohne Abschluß), daß also eine möglichst hohe Quote durchkommt, ist es das unmittelbare Interesse der Universitäten, möglichst viele Studenten möglichst früh rauszuekeln oder rauszuprüfen, einfach weil das Arbeit und Kosten reduziert. Professoren werden auch nach der Zahl der Promotionen bewertet, die sie betreuen (weshalb sie möglichst vielen Leuten einen Doktor nachwerfen und bei der Prüfung nicht so genau hinschauen), aber nicht nach der Zahl der Bachelors oder Masters, die sie hervorbringen (weshalb es zum umgekehrten Effekt kommt, sie also die Studentenzahlen nur für die Geld-relevanten Anmeldungen hoch haben aber sie danach möglichst schnell wieder los werden wollen). Und da jetzt die Studentenzahlen akut massiv ansteigen, weil die mit 12-Jahresabitur dazukommen und die Wehrpflicht gerade wegfällt, wird dieser Effekt des gewaltsamen Rausprüfens und -ekelns noch massiv verstärkt werden. Aber was soll’s, warum sollen wir unsere eigenen Leute ausbilden, wenn wir doch so viele arbeitslose und fertig ausgebildete IT-Spezialisten aus Spanien und Griechenland hereinholen können?
Das ist eine – wie ich meine, idiotische – Entwicklung, die von der Bundesregierung aber genau so gewollt ist. Bedankt Euch bei Merkel und Schavan.
36 Kommentare (RSS-Feed)
Dies kann ich nur bestätigen.
Einem gerade in der Universität aufgenommenen Studenten bläst ganz schnell der unnötig harte Alltag entgegen. Zu Mathevorlesungen hat man mindestens eine Stunde im Voraus zu erscheinen, um einen Sitzplatz in der letzten Reihe erhaschen zu können.
Professoren lesen mittlerweile ihre Skripte einfach nur vor, damit sich möglichst viele Studenten das Material zuhause herunterladen und es dort zeiteffektiver aufzuarbeiten.
Auf Bafög wartet man mittlerweile fünf Monate. Nach dem Abitur hat man, sicherlich als jemand, der den Höchstsatz bekommt, die nötigen Ersparnisse, um eine finanzielle Dürreperiode diesen Ausmaßes durchzustehen.
usw.
Die Verschwendung des Potentials beginnt übrigens meiner Erfahrung nach im Gymnasium. Mein Jahrgang setzte sich zu 70% aus Schülern zusammen, die aus finanziell gesicherten Umfeldern kamen (Vater Lehrer, Mutter Sparkassenleiterin usw.) 20% waren Scheidungskinder, wo nur ein Elternteil effektiv Geld verdiente und 10% waren Kinder, wo ein oder beide Elternteile Hartz IV bekamen.
-so viel zur Chancengleichheit-
Fragen beantworten in der Vorlesung? Häh? Zum Glück gab es leistungsstarke Tutorien. Bei der Mathe-Vorlesung wurden mehrere Studienfächer einfach zur selben Zeit in den größten Hörsaal gesteckt. Der hatte auch die größte Ausstattung mit Tafeln, die der Reihe nach mit Theoremen und Beweisen vollgeschrieben wurden. Ich habe das dann immer alles schon abgepinselt. War schon hart. Aber mit großem Fleiß auch machbar. Sonst gäbe es ja nicht so furchtbar viele arbeitslose Ingenieure.
Ich stimme in vielen Punkten zu, aber es beleibe nicht so, dass alles Lehrpersonal (ob Professor oder nicht) die Lehre nicht ernst nimmt, nur aufs Rausprüfen aus ist oder sich als Selbstdarsteller benimmt. Solche gibt es auch, aber ich behaupte einfach mal, dass das auf die Mehrheit nicht zutrifft.
Mal aus dem Leben des Hilfspersonals gegriffen:
Als Assistent am Lehrstuhl ist man i.d.R. als Doktorand, d.h. befristet angestellt. Ein paar verbeamtete oder unbefristete Angestellte gibt es auch, aber die sind nicht so reichlich.
Man muss also irgendwie und moeglichst schnell seine Promotion durchkriegen, bekommt als frischer Absolvent gleich noch eine Lehrveranstaltung (Übung oder Praktikum) aufs Auge. Eigentlich bräuchte man ein Semester um sich in Ruhe mit dem Lehrstoff zu beschäftigen, hat man aber meistens nicht. Auch didaktische Fortbildungen hängen an der Eigeninitiative und am Willen des Professors ob es dafür Dienstzeit und Kostenübernahme gibt (ganz Motivierte nehmen Urlaub und bezahlen selbst). Das setzt außerdem voraus, dass es auch ein entsprechendes Angebot gibt, ist auch nicht immer der Fall.
Gar nicht als Arbeitszeit zählen so Sachen wie Klausuren korrigieren, das muss gemacht werden, aber wehe es wird nebenbei nichts anderes fertig. Bei ein paar Hundert Studenten ist man da schnell 2 bis 3 Wochen beschäftigt, und zwar nicht einer sondern 4 oder mehr Leute.
Ich bedanke mich auch bei Merkel und Schavan, aber das Problem ist nicht neu und nicht erst seit Merkel da. Ich würde mit unseren Studenten auch gern mehr POL und sowas machen, aber das wird nur selten honoriert. Engagement in der Lehre bringt einen an der Uni nicht wirklich weiter, das finden die Studenten vielleicht gut, aber im Forschungsbetrieb hat man nichts davon, selbst wenn es der eigene Chef gut findet. Was zählt sind die Anzahl der Paper und die Jahre bis zur Promotion. Ich behaupte von mir die Lehre und die Studenten ernst zu nehmen, mir Mühe zu geben und “meinen” Studenten die Möglichkeit zu geben ernsthaft was zu lernen und Spass daran zu haben. Ohne eine große Portion Idealismus schafft man das aber nicht.
Ein ziemlich großer Anteil der Studenten ist aber auch nur sehr schwer aus der Konsumentenhaltung (Wissen vorkauen) rauszukriegen, insbesondere bei den Grundlagen. Aber so lernt man es halt in der Schule.
@Turtle: Das mit der Situation des Lehrpersonals ist zutreffend, das ging mir ja auch so. Hab ja selbst bei diversen Massenklausuren mitkorrigiert. (Wobei wir übrigens die Klausuren von mehreren hundert Studenten immer in einem Tag durchkorrigiert haben, weil wir es eben ordentlich organisiert hatten und genug Leute am Institut waren. Wir haben es so gemacht, daß immer 3 Leute sich als Team auf eine Aufgabe spezialisiert und in ein separates Zimmer zurückgezogen haben, und nur diese eine Aufgabe korrigiert und sich bei den Punktevergaben für typische Fehler direkt abgesprochen haben. Einer war dann damit beschäftigt, die Arbeiten zyklisch zwischen den Zimmern herumzutragen, damit in jedem Zimmer immer genug abzuarbeiten lag. Das hat gut funktioniert. Aber wir sind da eben auch in Institutsstärke rangegangen.
Und es stimmt auch, daß nicht alles Lehrpersonal so ist. Aber erstens lesen die Guten eher im Hauptdiplom/Master, und zweitens hilft einem das nicht, wenn man gerade einen Schlechten erwischt hat (sondern baut eher eine rechtswidrige Chancenungleichheit auf).
Das ändert aber alles nichts daran, daß der Student, dem es widerfährt, in einer fast auswegslosen Situation ist.
Viele Fakultäten sind schlichtweg nicht in einmal in der Lage, etwas so konstantes, seit Jahrzehnten bekanntes, innovationsloses und grundlegendes wie eine Mathevorlesung zu gewährleisten.
ach zum kotzen alles.
Hachja, zum Rausekeln kann ich auch was erzählen.
Physikpraktikum im 1. Semester:
12 Versuche, extreme Unterschiede in der Schwierigkeit. Wer dann das Pech hat, mit Elektrodynamik/Feldtheorien anzufangen, von dem wird erwartet, dass er in der ersten Studienwoche einen 30 seitigen Bericht zum Thema Schwingungskreise verfasst und zig Rechnungen durchführt, von denen er keine einzige annähernd versteht (zb. das Oszilloskopenbild einer Fourier-Transformation eines Spannungsverlaufes am Schwingkreises auszuwerten).
Fazit: bei einem Kommilitonen waren nach 4 wochen von 9 Gruppenmitgliedern noch 1 übrig – er selbst. Manche kamen zum Praktikum angetanzt und gaben schon mitten im ersten Versuch auf.
Dann die beliebten Übungszettel: der abgehobene Theorieprof lässt die Aufgaben von irgendeinem Postdoc erledigen, der anscheinend unter Profilierungssucht leidet.
Regelmäßiger Ablauf in den Tutorien: Tutoriumsleiter (ca. 4 Semester+) kamen rein, schmissen ein Lehrbuch auf den Tisch und sagten: wir verstehen nichtmal die Musterlösung, aber hier in dem Buch ist die Lösung, schreibts da ab.
Dann werden ja freundlicherweise noch Musterlösungen rausgegeben, bei denen der Postdoc dann beweisen wollte, wie elegant er rechnen konnte: immer möglichst obskure Vereinfachungen und Umformungen, keine Erklärung, Rechenwege benutzt, die man von einem Studenten nie erwarten würde.
Man muss schon leidensfähig sein…
Ich kann diese Eindrücke so nicht bestätigen.
Ich studiere mittlerweile im 6. Semester Informatik in Jena und hier gestaltet sich das etwas anders.
Wir haben eigentlich zu wenig Studenten/Studienanfänger, was natürlich auch zu besseren Betreuungsrelationen führt.
So weit ich das mitbekomme, fliegen bei uns auch nur die raus, die sich tatsächlich nicht das geringste bisschen Mühe machen. Beziehungsweise diejenigen, die glauben das ein Informatikstudium etwas mit Computerspielen zu tun hat.
Unsere Profs haben alle im Schnitt 9 SWS Lehrdeputat und das wird auch ziemlich strikt eingehalten.
Um die 9 SWS Lehrdeputat kommen unsere Profs auch nicht herum.
“Drittmittelhuren”! Erst wenn die gesamte Gesellschaft mit allerlei Taschenspielertricks zu einem Megasystem aus “gewinnbringenden Systemen” umgemodelt ist, werden wir den innewohnenden Schwachsinn bemerken. Schon der Gedanke ist unsinnig. Universitäten, Kliniken, Opern, Theater, Museen, Bibliotheken oder Schwimmbäder sind nun mal keine Marmeladenfabriken.
Drittmittelei bedeutet akademische Prostitution, fertig. Du mußt dich aufhübschen, auf den Markt stellen, deine Vorzüge anpreisen (“50 Euro ohne”) und auf Freier warten. Was nicht fickbar ist, wie etwa Alte Geschichte, Romanistik, Philosophie, Astronomie, aber auch sämtliche naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, verhungert. Aber auch für die happy (fuckable) ones gilt: Wissenschaft ist das nicht mehr.
kann ich mich im grunde nur anschliessen. dachte aber, dass unis aber auch ueber die anzahl der abgeschlossenen absolventen finanziert werden. bin mir da aber nicht sicher.
in jedem fall bin ich auch sehr vorsichtig, was “wettbewerb” unter universitaeten angeht. ein gutes beispiel ist hier holland. wo die studenierenden “kunden” sind. natuerlich sind unis in den großen staedten beliebter, sodass “land-“unis damit zu punkten versuchen, dass die anforderungen geringer sind und mehr leute erfolgreich ein studium abschließen. sowas driftes massiv in eine zwei-klassiges studiensystem.
Die guten alten Analysis und Algebra-Vorlesungen in Karslruhe. Wir haben damals recht schnell den Tipp bekommen, uns zu den Mathematikern zu setzen, die parallel die identische Vorlesung auch, aber bei einem anderen Dozenten hatten.
Der war zwar kein so guter Alleinunterhalter, dafür hat er aber fundiert gelehrt und man hat es auch verstanden. Ich nenne jetzt mal keine Namen, auch wenn die von damals (Anfang 80er) nicht mehr da sein dürften.
Bist du zu schwach ist das Fach zu stark für dich.
Ich war selten in Vorlesungen, Übungen fast immer. Vorlesung war eigentlich komplett vergeudete Zeit, gerade in Mathe und alles was damit angehaucht ist, das sind in Info 90% der Vorlesungen. Ich bin nur in Vorlesungen, wo der Prof so asozial war wichtige Veranstaltungsinfos nur in der Vorlesung verlautbarte und nicht wegen dem eigentlichen Inhalt.
Ich wage mal die These, wer nicht dazu in der Lage ist ohne Vorlesung sich in die entsprechende Thematik einzuarbeiten ist sowieso später nicht für den Beruf zu gebrauchen. Wenn da schaue was manche Exkomilitonen heute machen, stimmt die These zu 100%.
Manche haben sich mehrmals in die selbe Vorlesung gehockt wenn sie durch die Klausur geflogen sind, da war dann wirklich Hopfen und Malz verloren. In der Zeit hätte ich die Übungsblätter rauf und runter geübt, alte Klausuren bearbeitet und nicht die Zeit ‘abgesessen’ um mir einzureden ich würde in der Vorlesung was lernen.
@hon:
> Bist du zu schwach ist das Fach zu stark für dich.
Gilt das nur für Studis oder auch für die Dozenten?
Wenn man einen Studi schon rausprüft, weil er es alleine nicht versteht oder sich selbst aneignet, wohin müßte man dann einen Dozenten schießen, der es nicht erklären kann? Muß der sich nicht erst recht vorhalten lassen, daß das Fach für ihn zu stark ist? Und wofür machen wir das alles dann noch? Eigentlich würde es dann doch reichen, wenn die Uni nur noch die Prüfungen abnimmt. (War bei mir im Hauptdiplom dann auch so.)
Mir gehen so diese Leute auf den Sack, die – wie Du – an Studis höhere Anforderungen stellen als an die Profs.
War 2 Semester in Karlsruhe, um Informatik zu studieren. Diese Uni war mein größter beruflicher Fehler, ein dummer ZVS-Unfall. Irgendjemand sagte damals, Karlsruhe hätte einen guten Ruf.
Ich wollte Informatik studieren, nicht Mathematik. Während im Grundstudium in Informatik nahezu nichts passierte, lernte ich Mathe, und zwar in den selben! Vorlesungen wie Mathestudenten, Mathe, von der ich als Informatiker nicht den Hauch in den folgenden Jahrzehnten brauchte. Also hab ich nach 2 Semestern an die TU Berlin gewechselt, es nie bereut und dort abgeschlossen.
Der direkte Vergleich der beiden Grundstudien zeigt mir, dass es in Karlsruhe hauptsächlich darum ging, die Studenten übrig zu behalten, die sich die ganzen Zumutungen gefallen lassen. Solche sind anschließend universell einsetzbare Rädchen im Getriebe.
Ich möchte damit nicht die (Ex-)Karlsruher hier im Blog beleidigen. Aus einem talentierten Lehrling, der nur Bier holen geschickt wurde, kann trotzdem noch ein fähiger Kollege und verantwortlicher, selbst denkender Mensch werden. Ich kritisiere die Zielsetzung des Grundstudiums an der Karlsruher Uni (- und an anderen Unis mit “gutem Ruf”), die angelegt ist, das Gegenteil hervorzubringen.
Dazu einige Anmerkungen:
Professor wurde hier nicht einmal derjenige, der qualifiziert war und lehren WOLLTE. Und das noch zu Zeiten, als Forschung noch frei im Sinne von “nicht durch Drittmittel finanziert” war. Man brauchte wohl Beziehungen. Der Mensch versauerte dann an einem Institut. Und die, die lehren müssen, mögen es oft nicht.
Zur Drittmittelförderung aber auch:
Wie soll beispielsweise medizinische oder biologische Forschung mit Drittmitteln irgendwelche Ergebnisse produzieren, die dem Steuerzahler direkt nutzen – und nicht nur dem Investor? Was ist mit kritischer Forschung? Das kann doch nicht angehen…
Anschließend noch einer zu Fachkräftemangel: Die Arbeitgeber jammern, bilden aber selbst nicht aus (Facharbeiter, die massiv zu fehlen scheinen) oder finden Absolventen der hiesigen Universitäten zu teuer. Da will man doch lieber qualifizierte Informatiker beispielsweise aus Indien (wo die Leute nicht dümmer sind als hier, ebenso ist die Ausbildung sicher auf brauchbarem Niveau), dafür arbeiten sie aber für weniger als ein Deutscher…
Gut. Ein Bekannter lehrt Elektrotechnik an einer FH im Norden – und hält einige Vorlesungen in seinem Büro ab, weil für eine Handvoll Studenten ein Hörsaal zu groß ist.
hmm also in chemie wurde uns immer gesagt, die hohen durchfallquoten wären ein qualitätsmerkmal.
ich kenne da auch keinen lehrenden der mal was von pädagogig gehört hätte.
die meistens können, ihrer meinung nach, lehren weil sies müssen oder weil sie ihr eigenes bestehen des studiums dazu qualifiziert. dann darf man halt auch mal 1200 powerpointfolien zu ner klausur auswendig lernen.
mathe war bei uns übrigens ganz offiziell was um leute zum gehen zu überreden, wurde auch jedem so vermittelt. zwei klausuren die über das bestehen des studiums entscheiden obwohl der stoff selbst in den theoriefächern wie physikalische chemie kaum gebraucht wurde. (andere sachen wie matrizen kamen dafür eher zu kurz..)
hier gibts mal ne beschreibung wies aussehen kann wenn man fachkraft nicht mit uni-ausbildung gleichsetzt: http://www.nachdenkseiten.de/?p=10120
kann man als einzelschiksal abtun aber gerade der punkt, dass kaum noch stellenangebote durch unternehmen selbst ausgeschrieben werden ist mir bei meiner arbeitssuche auch stark aufgefallen.
man hat dort stark in anonyme personalagenturen verlagert, die mir zumindest negativ aufgefallen sind. die wenigsten wissen wirklich was auf der auszuschreibenden stelle gesucht wird (man kommt dann halt mit mehr oder weniger kryptischen berufsbezeichnungen und dem üblichen personaler blah blah vom jungen dynamischen unternehmen in aufstrebender branche, selbst wenn dahinter letztlich BASF o.ä. steht)
da unsere arbeitsämter auch keine lust mehr auf vermittlungsarbeit haben bekommt man von denen genau diese stellenangebote unkommentiert durch gereicht. dann natürlich mit der aufforderung sich dort mit nachweis zubewerben weil sonst sanktionen.
macht insgesamt dann nicht den eindruck man wäre eine gesuchte fachkraft.
Fachkräftemangel scheint in etwa für das Übertünschen wirklicher Problemlagen (zb. Lohndumping und zunehmender Unwillen, für nichts viel zu arbeiten) so nützlich zu sein wie Terrorismus oder Linksextremismus oder EHEC oder eine andere bekannte Tagessau.
–
Ich schließe mich Herrn Danisch darin an, dass man an Studenten nicht höhere Anforderungen stellen kann als an Lehrende. Das Problem, dass man heute anscheinend Glück haben muss, um eine qualitativ gute Ausbildung zu bekommen, kann man ebenfalls nicht wegreden (Mich würde interessieren, wie viele Lehrende nicht wissen, was eigentlich “Didaktik” heißt). Das ist wie mit dem Altenheim-Thema: weil es “auch ein paar gute” Heime gibt, sind die zahllosen schlechten Heime gar nicht so schlimm. Erzähl das mal den Bewohnern der schlechten Heime respektive den Studenten, die eine schlechte Ausbildung machen, aus der sie vielleicht nicht mehr rauskommen (weil kein Geld bzw. Bafög nur einen Wechsel mitmacht – was die Thematik des Bafögs gleich viel interessanter macht, wenn man bedenkt, jemand könnte wechseln, weil die Qualität so schlecht ist und nicht, weil er “noch nicht wusste was er wollte”).
PS: Bei der Andeutung, dass Studenten an Unis eigentlich das größte Übel sind und Unis scheinbar danach streben, die Studis möglichst los zu werden, fiel mir sofort folgendes Buch ein: Katharina Weinberger: Kopfzahlparanoia. Darin beschreibt eine Pseudonymiserte ihre Erfahrungen als Managerin in einem großen Konzern. Im Wesentlichen scheint auch da das Prinzip zu herrschen: “Am Besten, Sparsamsten und Profitabelsten arbeiten wir, wenn wir alle Kunden vergraulen! Der Kunde ist das eigentliche Problem in diesem ganzen Laden!”. Das Wort “Optimierung” hat nach der Lektüre dieses Buches auch einen grundsätzlich sarkastischen Unterton. Ließt sich wie “100 Jahre nach Kafkas: “Der Prozess”, scheint aber vor allem nicht nur in originär kommerziellen Unternehmen so zu funktionieren.
Die Frage ist, warum es so ausgezeichnet funktioniert, selbst an Unis und in Krankenhäusern?
Nach meiner Erfahrung wird Mathe (d.h. die Vorlesungen in Analysis und Algebra) nicht nur in Informatik sondern in fast allen technischen und naturwissenschaftlichen Fächern zum ‘rausprüfen’ benutzt. Ich glaube der Grund wieso man dafür fast überall die Mathe benutzt ist weil man da den Schwierigkeitsgrad am einfachsten ‘stufenlos’ einstellen kann und man gleichzeitig auch auf ein paar Vorkenntnisse zurückgreifen kann. Bei spezialisierteren Vorlesungen fängt man meistens bei Null an, da kann man dann nicht so schnell auf ein hohes Level rauf.
P.S. In meinem Jahrgang ist übrigens keiner der wirklich was drauf hatte an den Mathe-Prüfungen gescheitert. Zwar bestanden im ersten Anlauf rund 40% die Prüfungen (nicht nur Mathe, sondern alle zusammen) nicht aber die, die wirklich wollten habens dann im zweiten Umgang gepackt, also alles halb so wild.
http://www.teleboerse.de/nachrichten/dossier/Die-Maer-vom-Fachkraeftemangel-article3833126.html
Gleichlautende Meldungen überall…
Hmm, also Mathe war bei uns nie wirklich ein Problem. Eher kein Mathe 😉 Man tut sich im zweiten Semester ein wenig schwer, in theoretischer Mechanik die DGLen zu lösen, die man ein Semester später dann in Mathe erklärt bekommt. Entsprechend war dann auch das Klausurergebnis…
Im Jahrgang nach mir, also dann zweiter Bachelor-Testlauf der Uni, war Theo wieder an den ursprünglichen Platz nach hinten verschoben, allerdings wurden auch die Mathevorlesungen umgekrempelt. So war dann Matrizenrechnung grade so noch gegen Ende des zweiten Semesters dran, die man auch wieder deutlich früher braucht. Und sei es nur für eine Determinante.
Inzwischen ists verwässert, und die Physiker bekommen nur noch “Mathematische Methoden” zu hören. Schön, wenn das alle bestehen, aber wenn das ähnlich viel Wissen schafft wie der Name vermuten lässt, dann viel Spaß.
P.S.: Masterbewerbung (konsekutiver Studiengang) läuft bei uns bis heute, ich bin mal gespannt. Immerhin hat man die Durchwink-Schranke von 2,5 auf 3,0 gesenkt – scheinbar hat man viel zu viele Leute zu einem persönlichen Gespräch einladen müssen…
@Mathias
>(…) und man gleichzeitig auch auf ein paar Vorkenntnisse zurückgreifen kann.
Bei Hochschulmathe gibts keine Vorkenntnisse, da wird alles von den Peano-Axiomen auf neu definiert, also noch vor dem Einmaleins. Die Schwierigkeit liegt wohl eher in der Abstraktion, die ohne Anschauungsmaterial oder praktischen Bezug gelehrt wird.
Was bei uns der FH ein Problem ist(oder zu einem noch größeren Problem wird) ist das die Studieninhalte sich nicht mit dem Decken, was die Fakultät, oder auch die Techniker nebenan bräuchten.
Man will tolle Projekte, Drittmittel hier, Drittmittel da (weil vom Ministerium kommt immer weniger Geld) aber man hat die Studenten nicht dahingehend ausgebildet.
Die Wintendofizierung schreitet immer weiter vorran, sodass man dann Bashscripting auf nem Windowsclient über Putty auf ner uralten Sun zeigt/lehrt. Kein Wunder das die Studies bei ner uralten bash ohne Farbe und Tabkompletion und nen schlecht Konfigurierten Editor da n Schock fürs leben bekommen.
Man sieht was da für Revolverhelden bei rauskommen. Die auf ihrem Wintendo-ponys mit ihrer Java-wasserpistole versuchen die Probleme und Monster in der IT Landschaft zu bekömpfen.
Man bräuchte aber mehr als einen aus 150 Studis pro Jahrgang die sich mit Unixsystemen(embedded Systeme) oder IT-Sicherheit beschäftigen wollen und können.
Rausgeprüft wird dafür kaum einer. Sämtliche Fächer sind recht dröge und vom Anspruch alles andere als überirdisch.
Ich studiere auch Informatik (in Bremen) und meine Erfahrungen sind auch eher schlecht, was Mathe und andere Theoriefächer angeht (Theoretische Informatik, Technische Informatik).
Die Aufgaben auf den Übungszetteln, die man lösen muss um die Prüfungszulassung zu erreichen, sind teilweise so hart, dass man viele Stunden Zeit investieren muss um über die nötigen 50% gesammt über alle Zettel zu kommen..
Ich habe kein Problem damit viel Zeit zu investieren für die Aufgaben, und es macht mir auch Spass. Aber es ist extrem beschissen, wenn man dann schlechtere Noten bekommt als Leute, die permanent betrügen. Dieselben Leute setzen sich dann vor der Prüfung kurz hin und bekommen ihre gute Note dann auch noch bestätigt, echt ätzend. Man muss dazu erwähnen, dass Prüfungen bei uns größtenteils mündlich sind und die Zettel quasi eine Eingangsnote darstellen, sowohl Zettel als auch Prüfung werden innerhalb von Kleingruppen durchgeführt.
Aus den vergangenen Semestern schwirren zwischen den Studenten Musterlösungen herum, soviele verschiedene mitlerweile, dass es für die Tutoren nicht möglich ist auf Plagiate zu prüfen.
Ehrliche Studenten sind aus zweierlei Gründen am Arsch, einerseits bekommen sie schlechtere Noten und benötigen viel mehr Zeit, andererseits wird sich auch nichts ändern, da es genug Plagiatoren gibt, die ja den Anschein erwecken, als das die Zettel einfach wären.
In diesem Jahr wäre ich fast wegen Plagiierens vorm Prüfungsamt gelandet, da ein Gruppenmitglied uns immer kopierte Aufgaben geschickt hat, wovon der Rest unserer Gruppe aber nichts wusste. Ich hatte Anfangs einen kleinen Verdacht, aber Google hat mir nichts ausgespuckt.
Ich weiss auch ehrlichgesagt nicht, wo ich mich da beschweren soll…
Habe aber halt keinen Bock irgendwen gegen mich aufzubringen.
Den falschen Zielsetzungen ist auch meine Dame zum Opfer gefallen.
Die hat zwar gerne Lehre gemacht, aber mit Veröffentlichungen hat sie es nicht so. Damit kann man den UNI-Job direkt vergessen. Macht derzeit die Dr.ing. Hausfrau, weil die meisten Arbeitgeber noch nicht mal das Fahrgeld erstatten wollen. Ausserdem ist so ein Haus mit Garten natürlich etwas Arbeit, so dass 2 Euro fuffzig die Stunde auch nicht in Frage kommen, schliesslich will man sich bei zwei Verdienern dann ja etwas Freizeit kaufen, indem man Mähen und/oder Putzen läßt.
Die Fachkraftpolitik bei Frauen:
Nein, sie könnten ja schwanger werden oder
Nein, sie sind zu alt
Anmerkung: schwanger möglich und zu alt haben eine nichtleere Schnittmenge
@Anon
Das eigentliche Problem liegt – falls der Verdacht zutrifft – in der Verquickung von Zulassungskriterium (Übungsaufgaben) und Prüfung.
Weil tatsächlich ist es gegenüber den Studenten fair, dass die Übungszettelbewertung nicht zu eng gesehen wird, und normalerweise auch jeder, der zugelassen werden will auch zugelassen wird.
Die Übungszettel sind als Selbstübung gedacht, und wenn jemand darauf verzichten kann (zB weil er so gut ist), dann kann man ihm auch nicht vorwerfen, dass er keine Zeit für die Zettel verwendet.
@ Jens der andere
“Die Arbeitgeber jammern, bilden aber selbst nicht aus (Facharbeiter, die massiv zu fehlen scheinen)….”
Aus eigener Ausbildererfahrung: Da melden sich zu sehr großen Anteilen Bewerberinnen (ist ein reiner Frauenberuf) mit Hauptschul- (sogar mit Q-Vermerk) oder Realschulabschluß, in deren Bewerbungsschreiben es schon von Rechtschreibfehlern wimmelt, in Sport, Gestalten/Kunst, Religion gut bis sehr gut, aber Mathe, Deutsch, Englisch 4 oder schlechter! Ich habe schon ein Alphabet als Sortierhilfe für Karteikarten aufgehängt, weil sie das ansonsten nicht gebacken kriegen! Und was passiert wenn die dann mit all den lateinischen, grechischen (und inzwischen überwiegenden englischen) medizinischen Fachbegriffen zu tun bekommen, kann man sich sicher vorstellen! Kein Witz, eine schrieb mal Penisillin statt Penicillin!
Also bei uns war das in den vier Semestern Mathe im Info-Studium so, dass man pro Semester einen Schein machen konnte und drei davon brauchte, um zur Schlußprüfung zugelassen zu werden. Bei den Schein-Klausuren wiederum wurde erst korrigiert, Punktestatistik angelegt und dann die Durchfall-Punktzahl so gelegt, dass 20% durchfallen …
…was meines Erachtens grob verfassungswidrig ist. Zu so etwas (im Sinne einer Verknappung) ist der Staat wegen Art. 12 I GG nicht legitimiert.
Meine Erfahrung ist, dass auf die Prüfung ein bindender Satz derart steht:
50% der Punkte reichen zum bestehen aus.
Was genau auch bedeutet, dass dies so sein wird.
Ob die tatsächliche Punktgrenze zum bestehen dann 40, 45 oder 50% betragen wird (oder gar weniger), wird meist im Nachhinein festgelegt,
und zwar abhängig von der Anzahl der Leute die bestehen oder wie die Punkte verteilt sind, und auch nach individueller Prüfung der Grenzfälle, weil über diese die wesentliche Frage – bestanden oder nicht bestanden – individuell eingeschätzt wird.
Daraus ergibt sich dann ein Gesammtbild.
Ich habe dieses Vorgehen bisher nie als künstliche Verknappung gesehen, sondern als Konsequenz, dass einfach nicht alle Studenten eine Klausur bestehen – und ich finde es besser, wenn die genauen Grenzen nachträglich festgelegt werden, wenn man auch weiß, wie eine Klausur aufgenommen wurde.
Schließlich überprüft eine Klausur in erster Linie wie gut die Studenten befähigt sind, diese Klausur zu bearbeiten – und das im Voraus gut einzuschätzen wär zwar eine tolle Sache, aber scheitert oft.
Letzlich ist doch die Frage, ob wir als Gesellschaft unserer Lehre zuerkennen im Allgemeinen angemessen zu prüfen.
Meine Erfahrung bisher ist keine Negative (auch wenn ich mitbekommen habe, dass sich Prüfer gegenüber Einzelnen durchaus wie … verhalten)
– aber hier ging es ja um Klausuren, besonders um Anfängerklausuren.
Und ich halte es für nicht richtig. Man muß zwar in gewisser Weise die Benotung an den Schwierigkeitsgrad anpassen, aber generell darf der Staat nur prüfen, um gewisse Fähigkeiten nachzuweisen. Und diese Fähigkeiten sind nicht an die gewünschte Erfolgsquote anzupassen, sondern daran, was man braucht, um den Beruf auszuüben.
Und jeder halbwegs fähige Dozent sollte spätestens nachdem er eine Veranstaltung einmal gehalten (und geprüft) hat wissen, wie das Leistungslevel ausfällt. Also, vorher Eckpunkte festlegen, dann danach korrigieren.
Natürlich kann man damit Überraschungen in beide Richtungen erleben – ich wurde am ersten Tag in der Uni mit einem Aushang konfrontiert, der die Noten für eine „Grundlagen der Elektrotechnik“-Klausur bekanntgab, und die Durchfallquote: 91 %.
Und? Wieviele der deutschen Dozenten sind „halbwegs fähig” ?
In meiner Erinnerung (allerdings aus den 80ern) an das Informatikstudium
waren die eigentlichen Informatikvorlesungen weitaus schlechter als die
Mathevorlesungen, was unverständliche Vorlesungen, unklare Aufgabenstellungen
und rätselhafte Bewertungen anging; berüchtigt waren insbesondere die
Theorievorlesungen.
Mit den Mathematikvorlesungen hatten viele Studenten auch Schwierigkeiten,
dass hatte aber vielfältige Gründe.
Manches liegt an den Vorstellungen der Studienanfänger:
(a) viele starten mit der Vorstellung, dass sie den in einer Vorlesung
präsentierten Lehrstoff bereits durch Zuhören verstehen, so wie sie es
von den Schulstunden gewohnt sind. Im Fall der Mathematik kommt hinzu,
dass es in den Schulen bereits ein Fach gleichen Namens gibt, wodurch
der Stoff zunächst nicht als offenkundig neu bemerkt wird.
(b) manche Studienanfänger erwarten nicht, dass sie einen erheblichen Teil
ihrer Zeit mit Mathematik verbringen müssen und nicht mit ihrem eigentlichen
Studienfach. Es wird ihnen auch von ihren Wunschfachbereichen nicht
hinreichend erklärt. Das schafft erst einmal Unwillen.
Es kann also durchaus passieren, dass man teilweise abgehängt wird, ohne
es rechtzeitig zu bemerken.
Manches liegt an mangelhafter Studienpanung durch die Informatikfachbereiche:
(c) beim 4-semestrigen Mathematikzyklus der Informatikstudenten war (ist?) es
oft üblich, die Studenten im 1. und 3. Semester in die Erstsemestervorlesungen
der Mathematiker abzukippen, also Lineare Algebra I im 1. Semester und
Analysis I im 3. Semester.
Nun sind aber Lineare Algebra und Analysis jeweils zweisemestrige
Veranstaltungen im ersten Studienjahr der Mathematiker. Dementsprechend
sind sie natürlich auch konzipiert und aufeinander abgestimmt.
Davon nur jeweils Teil I zu hören bringt wenig; wenn diese ersten Teile
dann auch noch in verschiedenen Jahren gehört werden, kann man auch
die Synergieeffekte nicht ausnutzen. Mathematik besteht nun einmal nicht
aus einer Sammlung von isolierten Fakten, sondern ist ein zusammenhängenes
Netz von Begriffen und Erkenntnissen (trotz aller Spezialisierung). So etwas
ausschnittsweise präsentiert zu bekommen, _erschwert_ das Lernen.
Insgesamt hatten (haben?) also in dieser Konstellation die Informatikstudenten
den Stoff von LA I und ANAL I unter schlechteren Bedingungen zu lernen, als
die Mathematikstudenten in der gleichen Vorlesung.
(d) Klausuren sind nur schlecht dazu geeignet, mathematisches Verständnis
zu prüfen. Zu meiner Studienzeit wurden im Fachbereich Mathematik die
Scheine durch erfolgreiche aktive Teilnahme an Übungen erworben.
Klausuren wurden nicht verlangt, und waren angesichts mündlicher Prüfungen
in Vordiplom und Diplom auch nicht erforderlich. Klausuren wurden lediglich
deshalb angeboten, weil Informatiker und Physiker für ihre Studenten auf
benoteten Scheinen bestanden. Deren Studenten erwarben also durch die
Teilnahme an den Übungen die Klausurzulassung und mussten dann die
Klausur bestehen. Auch das erklärt teilweise hohe Durchfallquoten.
Und schließlich:
(e) Schließlich wird die Motivation der Informatikstudenten noch dadurch
zerstört, dass im Informatikstudium keinerlei Anbindung an die Inhalte
der Mathematikvorlesungen erfolgt. Im Gegenteil, es kann passieren, dass
in Klausuren zu Theorievorlesungen explizit unerwünscht ist, Methoden oder
Hilfsmittel aus den Mathematikvorlesungen zu verwenden, weil das die
Reinheit des Syntaxsalates der Theoretiker stört (letzeres scheint
eine Besonderheit der deutschsprachigen theoretischen Informatik zu sein).
Es gibt auch für Informatiker gute Gründe, sich eine solide mathematische
Grundbildung zu verschaffen. Aber es ist nicht sinnvoll, die Studenten
auf eine in der fernen Zukunft liegende Notwendigkeit zu verweisen, während
man gleichzeitig während des Studiums das gegenteilige Signal sendet, dass
nämlich diese Grundbildung unwichtig bis unerwünscht ist. Für extensives
“Lernen auf Vorrat” ist das Hirn nicht so recht geeignet. Wenn also
Informatikstudenten den Eindruck haben, dass die Mathematikvorlesungen
nur als Prüfungsfilter gebraucht werden, haben sie leider recht — obwohl
das nicht so sein bräuchte.
iirc (auch in den 80ern) hat man als Informatiker (in KA) damals Analsys I & II und Lineare Algebra I & II gleich von Anfang an bekommen und im dritten Semester Numerik (ganz wichtig für digitales Rechnen) hören müssen. Die Vorlesungen wurden von Mathematikern gehalten und waren auch identisch von den Inhalten mit denen für die Mathematiker
Die Informatiker sollten in den großen Hörsaal (HMU oder HMO), die Mathematiker in den kleine (Heinrich-Hertz-Hörsaal, iirc). Interessant war die Tatsache, daß die Mathematiker den besseren Dozenten bekamen. Als Informatiker brauchte man dann die Übungsscheine für die Zulassung zur Klausur.
Mir als damaligen Matheliebhaber war das natürlich nur Recht von “Schulkost” mal auf “echte” Mathematik umzusteigen, aber wenn ich daran denke wie blauäugig manche Mitstudenten damals mit “Grundkurs Mathe” in die Vorlesungen gegangen sind, hat es mich nicht gewundert, daß die Durchfallerquoten sehr hoch waren.
“berüchtigt waren insbesondere die
Theorievorlesungen.”
Informatik 3 (theoretische Informatik) war damals bei uns _sehr_ gut.
Das war bei uns damals die beste unter den vier Informatik-Vorlesungen, wurde damals von Deussen gehalten, der hat das ganz ordentlich gemacht. Info eins und zwei bei Zorn, das war übel, und Info vier bei Tichy, das war ne Katastrophe.
Deckt sich so ziemlich mit meiner Erfahrung an der FH München.
Zwar hatten wir in Analysis einen sehr guten Prof, der sich Zeit für uns genommen hat und immer bei Nachfragen zur Verfügung stand, aber in Algebra, Programmieren und IT-Systeme war das eine Katastrophe.
Insbesondere bei Algebra und IT-Systeme wurde einfach nur stundenlang von Folien abgeschrieben oder gleich nur abgelesen. Fragen unerwünscht, wenn man was nicht verstanden hat, wurde man gleich als Idiot behandelt.
Bei Programmieren, beschränkte sich die Vorlesung auf das Verlesen der Aufgabenstellung. Ich bzw. wir haben uns damals echt gefragt warum diese Profs überhaupt da waren, denn das ablesen/abschreiben von Folien ist ja nun echt nicht anspruchsvoll, dazu kommt noch dass wir irgendwann alle die Scripte hatten, so dass der Besuch der Vorlesung völlig überflüssig wurde…
Ich habs dann auch nach dem 2ten Semester aufgegeben. Fairnis halber möchte ich schon hinzufügen, dass es nicht nur daran lag. Es kamen noch andere private Probleme hinzu. Rückblickend bezweifle ich aber, dass ich das Studium ohne dies jemals zu Ende gebracht hätte.