Ein Gedanke zur Anonymität – Steckbrief 2.0
Mir geht da gerade was durch den Kopf. Zum Thema England.
Generell wird so die Sichtweise geübt, daß der gute Bürger die Anonymität will und der böse Staat sie nicht will.
England gilt als das Horror-Land der Überwachung. Und eigene Abenteuer habe ich damit ja auch schon erlebt.
Und in den letzten Blog-Diskussionen hier zum Thema Anonymität haben ja einige Leser als Argument häufig angeführt, daß man im „normalen Leben”, also nicht im Internet und auf Twitter, sondern wenn man auf herkömmliche Weise auf der Straße herumläuft, anonym sei. (Was so schon nicht stimmt, weil die Polizei einen nach dem Ausweis fragen und im Falle einer Straftat jedermann einen bis zum Eintreffen der Polizei zur Feststellung der Identität festhalten kann.) Das scheint eine Sichtweise zu sein.
Nun ist aber gerade in England Randale. Und viele Privatleute sind geschädigt oder gar ruiniert. Ganze Häuserzeilen brennen, Läden werden geplündert und gebrandschatzt.
Man hört, daß die Randalierer sich per High-Tech koordinieren, angeblich wären Blackberrys da sehr beliebt.
Erstaunlicherweise benützt die Gegenseite, hier das geschädigte Bürgertum, normalerweise für Rückständigkeit und Spießigkeit verspottet, nun auch des Internets und der Croud, um quasi die moderne Form des privat ausgehängten Steckbriefes, seinerzeit erfunden oder jedenfalls üblich im Wilden Westen, in der Version 2.0 zu betreiben. Siehe Londonrioters. Angeblich eine privat betriebene Webseite. Man hat Bilder von Personen und fragt die Öffentlichkeit, ob jemand die abgebildeten Personen kennt.
Die Situation ist so ungewöhnlich wie bemerkenswert: Privat gegen Anonymität. Nicht der Staat betreibt deren Auflösung, sondern der geschädigte Privatbürger.
Ein Beispiel dafür, daß sich die Diskussion um Anonymität nicht zum Konflikt böser Staat gegen den Rest der Welt verklären und verballhornen läßt.
33 Kommentare (RSS-Feed)
@tonne: Du schlägst also vor, die Randalierer eben einfach gewähren zu lassen, weil sie für Schadensersatz nichts haben und einbuchten auch nichts ändert?
Und Leute, denen der Laden kaputt geschlagen wird, dürfen dagegen auch nichts mehr unternehmen?
Das heißt, wir geben uns ohne jegliche Gegenwehr der Randale hin?
Wieviel Polizei sollte sich ein Staat leisten, um Bürger gegen Randale zu schützen? Und würde man dann nicht wieder „Polizeistaat” schreien?
Hör mal auf zu blubbern und sach mal konkret, wie der Staat mit solchen Randalen, Brandstiftungen und Plünderungen Deiner Meinung nach umgehen soll.
Ich denke mal eine nicht gänzlich abwegige Frage kann doch sein, ob die Überwachungsdichte in England nicht direkt die Zerstörungswut in den Krawallen verursacht?
Denn durch die Überwachungsdichte hat man ja schon bereits keine andere Wahl als sich zu vermummen; und wenn man schon gezwungen ist, sich zu vermummen, dann ist durchaus naheliegend, dass man die Wut leider auch gewaltätig “rauslässt”.
Zu Deiner Anmerkung, dass “Privat gegen Anonym” gegenüber “Staat gegen Anonym” ungewöhnlich sei, noch folgende Gedanken:
– Der “Staat” wird von einem Teil der Bürger getragen, und wenn Bürgerrechtsfeinde an der Macht sind, ist auch zu erwarten, dass in der Bevölkerung Bürgerrechtsfeinde sind.
– Von meinem Geschichtsverständnis her, haben die Besitzenden sich noch nie davon abhalten lassen beliebige verfügbare Mittel einzusetzen, um ihren Besitz zu wahren.
P.S Für kriminelle Energie und “Krawallmacher” ist das mir viel zu lang und mit viel zu hoher Beteiligung!
@Hadmut (sorry für Doppelpost)
“Hör mal auf zu blubbern und sach mal konkret, wie der Staat mit solchen Randalen, Brandstiftungen und Plünderungen Deiner Meinung nach umgehen soll.”
Nun, im Prinzip kann der Staat das nicht; die Gesellschaft kann nur im Voraus dafür Sorge tragen, dass ein Mindestmaß an Anstand gegenüber den Nicht-Privilegierten eingehalten wird.
@Alex: Sorry, aber das ist doch nun hanebüchener Blödsinn:
Vom Staat sagst Du, er kann damit nicht mehr umgehen.
Vom Bürger sagst Du, er soll das dem Staat überlassen.
Identifizieren darf mal die Leute auch nicht.
Also sagst Du, man soll das jetzt und künftig einfach passieren lassen und gar nichts machen.
Na, dann wirst Du wohl sicherlich nichts dagegen haben, wenn Dir jemand die Bude abfackelt. Aber wieso glaubst Du, daß andere das genauso sehen müssen?
Sorry, aber ich kann dich so nicht – nicht ansatzweise – ernst nehmen.
Das mit der Ausweispflicht stimmt so nicht – die gibt es in Grossbritannien nämlich nicht. Dort darf Sie auch ein Polizist nur dann zur Feststellung der Personalien festhalten, wenn Sie eindeutig ein Vergehen begangen haben, nicht nur weil er grade lustig ist.
GB kennt ja auch keine Meldepflicht, DIE Art von Überwachungsstaat ist etwas sehr deutsches.
@snotty: Mal wieder so Halbwissen, mit denen man sich seine Welt und seine Wahrheit zusammennagelt.
In Grossbritannien gibt es keine Personalausweise (und nicht etwa nur keine Ausweispflicht), stattdessen (oder gerade deswegen) wird man aber relativ schnell festgenommen, auch wenn es nur zur Feststellung der Identität ist, außerdem kann man völlig verdachts- und anlaßlos durchsucht werden (siehe meine London-Abenteuer, im Text verlinkt). In Deutschland gibt es auch keine Ausweispflicht. Man muß ihn zwar besitzen, aber nicht mitführen. Insofern unterscheiden sich die Länder da eher marginal.
Aber viele schnitzen sich ihr Feindbild da eher nach Belieben zusammen.
Wenn jemand vermummt randaliert kann der Staat ihn ja festnehmen wodurch man 1. die anonymität beendet und 2. randale nicht gewähren lässt. Das ist genauso wie nach einem Unfall, wenn sich der Verursacher aus dem Staub machen will (siehe Dein Kommentar Hadmut um 10:56 im Innenminister-Artikel). Denn: BIS ihn die Polizei, ein Zeuge oder eine Überwachungseinrichtung erfasst bleibt derjenige Anonym. Oder konnte bisher z.B. auch jeder Parkschaden ermittelt werden?
Das Grundproblem hier sehe ich also im rechtzeitigen Zugreifen.
Offensichtlich ist das nicht immer sicherzustellen, weil nicht neben jedem potentiellen Randalierer vorsorglich ein Polizist nebenherlaufen kann.
Der Steckbrief 2.0 – als Mittel danach – unterscheidet sich kaum von z.B. Aktenzeichen XY oder ähnlichen Formaten zu denen ich auch private Zeugenaufrufen per Flugblatt zählen würde. Dieses Mittel für “danach” empfinde ich sogar deutlich besser als die Konsequenz für ein Mittel “davor”: Ort- und Zeit-Überwachung aller Personen per Elektronische Fußfessel oder ähnliches (Implantate anyone?). Zumindest bei Fahrzeugen wäre das ja einfacher umzusetzen. Hier würde mich dann z.B. interessieren, wieviele lieber für die Ermittlungen danach wären und wieviele für eine genaue Überwachung (ggf. mit Zufallsfunden wie Geschwindigkeitsübertretungen, Ordnungswidrigem Halten/Parken usw.)
Wenn es zu so krasse Ausschreitungen kommt wie jetzt in London oder vor einiger Zeit in Paris, dann ist VORHER schon einiges schiefgelaufen. Wenn große Teile der Bevölkerung nicht mehr “mitgenommen” werden, Solzialleistugnen/Bildung etc. zusammengestrichen werden, für die Finanzkrise 2008 aber plötzlich dreistellige Milliardenbeträge da sind, wundert mich nicht, dass die Grundstimmung so aggresiv ist und sich das in London und auch in den Pariser Vororten gewaltsam entlädt.
Die Plünderungen sind natürlich verabscheuungswürdig!
Ich sehe aber nicht, wie man die Lage (langfristig!) befrieden könnte, ohne sich den Ursachen zuzuwenden. Nur mit Überwachung oder besserer Aufklärung, bin ich mir sicher, geht’s nicht.
@Felix: Es ist richtig, daß die Ursachen in der Vergangenheit liegen und da einiges schief gelaufen ist.
Das beantwortet aber die Frage nicht, wie sich Staat, Polizei, Öffentlichkeit, Bürger verhalten sollen, wenn man denn nun mal in der Situation ist. Soll man etwa ruhig dasitzen, zugucken und sich sagen, die Ursachen liegen in der Vergangenheit, da kann man jetzt nichts mehr machen als geschehen lassen?
“Na, dann wirst Du wohl sicherlich nichts dagegen haben, wenn Dir jemand die Bude abfackelt. Aber wieso glaubst Du, daß andere das genauso sehen müssen?”
Nein und Nein.
Ob ich/man/jemand etwas tun kann ist eine andere sache, als ob man das gut findet.
“Tun” kann der Staat so einiges: Militär und die Leute erschießen, Freikorps bilden, etc..
Nur – leider – weiß ich keine wirklich akzeptable Lösung, wie man diese Gewalt unterbinden kann.
Und was ich gesagt habe, dass man tun sollte – was allerdings nur Präventiv wirken kann – war “dass ein Mindestmaß an Anstand gegenüber den Nicht-Privilegierten eingehalten wird.”
P.S: Nein, ich bin nicht beleidigt, aber zum vorherigen Post gab es wesentlich bessere Diskussion als hier gerade, möglicherweise wär es sinnvoller, wenn Du meine Posts (und Deine Antwort) hier rausnimmst, weil das doch eher auch in andere Richtungen geht
@tonne: Fahndung ist zwar eine Aufgabe der Polizei, aber sie hat darauf kein Monopol. Selbstverständlich dürfen auch Privatpersonen ermitteln. Einzig die Strafverfolgung ist Aufgabe des Staates und seiner Behörden. Sie suggerieren, Fahndung durch Privatpersonen sei an der Grenze zur Selbstjustiz. Das ist selbstverständlich Unsinn.
Ich finde es fast schon unverschämt, dass Sie die genannte Webseite als “Denunziationsseite” bezeichnen. Denunziation erfolgt aus niederen Beweggründen. Durch die Ausschreitungen wurden Personen in ihrer Existenz bedroht, teilweise wurden Existenzen vernichtet und ganze Lebenswerke zerstört. Wer sich dagegen zur Wehr setzt, indem er Bilder der mutmaßlichen Täter veröffentlicht und Mitbürger um Hilfe bei der Identifikation bittet, der handelt nicht aus niederen Beweggründen, sondern in Notwehr. Ob es bei den Tätern etwas zu holen gibt, oder nicht, ist an dieser Stelle irrelevant. Nur weil es bei einem Straftäter zivilrechtlich nichts zu holen gibt, mindert das dessen Schuld nicht.
Staatliche Behörden hingegen müssen selbstverständlich die Entscheidung eines Ermittlungsrichters abwarten, der die Bilder zur Veröffentlichung freigibt. Ein Prozess ist schließlich aus guten Gründen an strenge Gesetze und Prozessordnungen gebunden, für deren Einhaltung die Justiz zu sorgen hat.
Das man Anonymität aufheben kann, hat ja niemand bestritten. Wenn man auf einem Fest eine fremde Dame knuddelt und wird dann freundlich von der Nachbarin gergrüsst, kann man die Episode im folgenden auch gleich der Dame des Herzens berichten.
Die Aktion wäre in Deutschland natürlich ein Fest für Abmahnanwälte, da das Recht am eigenen Bild massiv verletzt wird. Die Frage ist natürlich, ob der Anwalt die Kohle besorgen kann, ohne den Auftraggeber preiszugeben. Zumindest wenn man ohnehin erwischt wurde, könnte man so noch ein bischen die Kriegskasse füllen.
Die haben auf der Seite auch einen Facebookknopf. Versuchen die eventuell die Leute auf den Fotos auch über Facebook zu identifizieren ? Wäre ja ein schöne Testlauf für die Polizei. Dann kann man demnächst die naheliegensten Polizeistationen freunden.
hmmm also bei diesem Attentat in Oslo hast Du @Hadmut die Frage aufgeworfen, ob nicht die “linke Tabuisierung” daran schuld sei, dass der Typ so ausflippte. Kann man nun fragen, ob nicht die “rechtskonservative Politik” an den Ausschreitungen dieser Art schuld sei?
Dass die Geschädigten jetzt nach den Verursachern per Internet-Steckbrief suchen ist doch völlig ok. Aber was hat das mit den Anonymität im Internet und deren Abschaffung zu tun? Soll das als Beweis dafür herhalten, dass nicht “nur” der Staat (bzw. die Politik) was gegen Anonymität hat, sondern auch die Bürger (bzw. die Gesellschaft)?
Verzeihung aber ich dachte bei uns im “Westen” der Staat, repräsentiert durch die Regierung und das Parlament, durch das Volk mehrheitlich gewählt wird. Insofern erübrigt sich doch die Differenzierung, die Bürger haben die Volksvertreter gewählt und wenn diese gegen die Anonymität im Internet vorgehen wollen, dann genau deshalb weil ihre Wähler (die Bürger) es so haben wollen. Eigentlich ist es doch so, dass die große Mehrheit der Bevölkerung gegen die Anonymität ist und nicht, wie es im Internet den Anschein macht, dafür! Die Politik – gewählt durch das Volk – ist mehrheitlich dagegen, die etablierten Medien sind es und die Wirtschaft.
Inwiefern hätte die Abschaffung der Anonymität im Internet diese Randallen in London oder sonstwo verhindert? Ist das etwa die passende Antwort auf solche Randallen? Ich glaube nicht… Aber was weiß ich schon 😉
@User: Ja, ich habe die „linke Tabuisierung” als Ursache vermutet, aber nicht als Rechtfertigung. Es ging ja erstens nicht darum, die Tat irgendwie zu legitimieren, und zweitens ging es vor allem darum, nicht nach leichtfertigen und billigen Ausreden wie „nur verrückt” oder „alles rechtsradikale Ursachen” zu denken, sondern auch andere Ursachen in Erwägung zu ziehen.
Daher ist es natürlich dringend geboten, in London auch darüber nachzudenken, welche Ursachen dahinterstehen.
In beiden Fällen, Norwegen und London, kann das aber überhaupt nicht Gewalt rechtfertigen.
Der Unterschied ist aber, daß in Norwegen der Täter zunächst mal gefangen und die Tat vorbei ist, während die Randale in England andauert und sich wiederholt. In England ist daher der Aspekt der unmittelbaren Prävention viel höher.
Was die Steckbriefe mit Anonymität im Internet zu tun haben? Gar nichts. Lies mal den Thread (und die vorhergehenden), da haben immer viele Leute als Gegenstück für die erwünschte Internet-Anonymität herangezogen, daß man auf der Straße – im täglichen Leben – auch anonym bleibt. Und das ist ein Beispiel, daß das eben nicht so ist. Es ging hier um das physische Herumlaufen auf der Straße. Erinnere Dich bitte daran, daß es auch noch ein Leben außerhalb des Internets gibt.
@Hadmut Ich denke, es wäre schonmal gut, wenn von offizieller Seite eingestanden würde, dass die Prioritäten offenbar in der Vergangenheit nicht richtig gesetzt wurden. Und die Gesellschaft (nicht nur die englische) wieder stärker einen Konsenz findet, wie und in welcher Höhe ein sozialer Ausgleich stattfinden soll. Das könnte die Wut derjenigen, die zumindest nicht ausschließlich wegen des eigenen “Vergnügens” randalieren, dämpfen. Aber es muss dann auch wirklich was passieren und die Gesellschaft darf die Ereignisse nicht einfach abhaken.
Ansonsten sehe ich 2 Möglichkeiten:
1.) Man muss den Mob tatsächlich ein Stück weit machen lassen und kann nur probieren, die Schäden in Grenzen zu halten (Häuser und vor allem Menschen schützen, ggf. als Gesellschaft für den Schaden aufkommen, wo Täter nicht ermittelt werden oder keinen Schadenersatz leisten können).
2.) Man zerschlägt den Mob mit aller Härte. 16.000 Polizisten könnten etwas knapp werden, “sicherer” wäre es, den Ausnahmezustand auszurufen und die Armee hinzuzuziehen.
Beides ist schlimm, 1.) vor allem kurzfristig, 2.) verheerend langfristig, obwohl kurzfristig wahrscheinlich Ruhe einkehren würde.
@Felix:
Es ist natürlich immer leicht, das immer alles auf soziale Unzufriedenheit zurückzuführen und die Schuld bei jemand anderem zu suchen.
Im Fernsehen habe ich aber keine protestierende Leute gesehen, sondern welche, die einfach nur randalieren, plündern, stehlen, brandschatzen.
Könnte es am Ende vielleicht sein, daß es den Leuten gar nicht um Sozialkritik ging, sondern einfach nur um Spaß an Gewalt? Warum unterstellt man solchen Leuten und ihren Taten immer eine Rationalität und einen höheren Sinn?
ohje das ist wohl ein Missverständnis. Der erste Absatz meines Kommentars ging an Dich und ich bedanke mich für Deine Antwort.
Der Rest ging eigentlich menr an genau die Leute, die behaupten, dass der “böse” Staat aus irgendwelchen eigenen, “bosen” Gründen gegen die Anonymität vorgeht. Denn das halte ich für ein Irrtum oder eine Art Verschwörungstheorie. Der “Staat” ist deshalb dagegen, weil seine Wähler, die Wirtschaft und die veröffentlichte Meinung mehrheitlich dagegen sind und zwar aus unterschiedlichsten Gründen. Der Staat wird bei uns im “Westen” durch die Wähler legitimiert, aber das sagte ich ja schon.
Dass man auf der Strasse beim Begehen einer Straftat nicht anonym bleiben soll und dass das gleiche auch im Internet gelten sollte, kann doch kein vernünftiger Mensch ablehnen. Aber auch die Sichtweise, dass man außerhalb des Internets nicht anonym ist, weil man von der Polizei identifiziert oder von jedem Bürger photographiert und ausgeforscht werden könnte, halte ich nicht für richtig.
Denn in der Regel bleibt man im realen Leben anonym, es sei denn man begeht “aus Versehen” eine Straftat/Ordnungswidrigkeit etc. und wird “geschnappt” oder stellt sich selbst. Wer vorsätzlich Straftaten begeht, wird den Teufel tun seine Anonymität von vornherein aufzugeben, weder außerhalb noch innerhalb des Internets. Wenn ich durch den Park spaziere, dann weiß eigentlich niemand, dass ich das bin und es interessiert auch keinen. Warum sollte es auf der Seite “im-park-spazieren-gehen.de”, wenn ich dort kommentiere, anders sein?
Wie Du aufgrund meines Kommentars dazu kommst, dass ich vergessen habe, dass es noch Leben außerhalb des Internets gibt, bleibt mir verborgen. Diese Art zu kommentieren lehnst Du doch eigentlich ab. Naja was solls…
“Warum unterstellt man solchen Leuten und ihren Taten immer eine Rationalität und einen höheren Sinn?”
tja diese Frage habe ich mir bei Deinem Post zu Oslo auch gestellt
@User: Also langsam halte ich Deine Beiträge für Trollerei.
Die Fälle von Norwegen und London sind ja nun wirklich viel zu unterschiedlich, als daß man sie über einen Kamm scheren und gleich setzen könnte. Und daß man überhaupt jeden Fall von Gewalt, egal wie, immer gleich wie Oslo einschätzen müßte, weil man sich damit quasi auf eine bestimmte Sichtweise geprägt oder festgelegt hat, daß man also effektiv nicht mehr denken darf, weil man alle künftigen Gewaltfälle gleich in eine Schublade gepackt hat, das ist mir zu doof.
Ich habe von Dir auch nicht den Eindruck, daß es Dir wirklich auf den Inhalt ankommt, sondern nur um Kommentar-Ping-Pong, daß Du um des reinen Hin-und Herdiskutierens Willen in Endlosschleifen kommentierst. Ich habe auch nicht den Eindruck, daß es dir auf echte Argumente ankommt, sondern nur darauf, einfach irgendetwas dagegenzuhalten.
Sorry, wenn ich Dir das mal so direkt sage: Ich möchte mit Dir nicht weiter diskutieren. Der Zeitaufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Mach ein eigenes Blog auf und schreib’s da rein.
@Hadmut: “Im Fernsehen habe ich aber keine protestierende [sic] Leute gesehen […]”
Ja, das war Teil des Problems. Als sie noch protestiert haben, waren sie nicht im Fernsehen zu sehen. Siehe http://worldblog.msnbc.msn.com/_news/2011/08/07/7292281-the-sad-truth-behind-london-riot (gefunden bei Fefe)
@nullplan: Ja, hab ich mehrfach gelesen.
Und?
Klingt sehr romantisch, und ist ne schöne Ausrede und Rechtfertigung, aber ob es stimmt, weiß keiner. Keiner, auch nicht Fefe, weiß, ob das dieselben Leute sind, ob es diesen Marsch wirklich so gab, ob das wirklich die Motivation ist, ob die das unterlassen hätten, wenn man sie angehört hätte. Das klingt mir doch zu sehr nach einem zu einfachen, zu billigen, zu wohlschmeckenden Selbst- und Fremdbetrug.
Daß etwas nicht in der Zeitung stand, liegt nicht immer nur daran, daß sich der böse Staat mit geheimen Mächten verschworen hat. Manchmal liegt’s auch einfach daran, daß es nicht stattgefunden hat.
Schon mal in Erwägung gezogen, daß das eine bewußt in Umlauf gesetzte Urban Legend war, auf die manche Leute mit bestimmter Weltsicht gar zu gerne springen, weil sie deren Ideologie streichelt?
Es wird nicht deshalb wahrer, weil es in die Verschwörungstheorie paßt. Bisher habe ich keine belastbare und direkte Quelle für diesen angeblichen Marsch zu Scotland Yard gesehen. Alles geht darauf zurück, daß irgendein Jugendlicher gegenüber einem Reporter irgendetwas behauptet hat, was sich schlau anhörte. Wie glaubwürdig sind Kriminelle, wenn sie ihr Handeln zu rechtfertigen suchen?
Und wie naiv ist es, allein auf so einer Aussage seine gesamte Sicht der Dinge aufzubauen?
“Könnte es am Ende vielleicht sein, daß es den Leuten gar nicht um Sozialkritik ging, sondern einfach nur um Spaß an Gewalt? Warum unterstellt man solchen Leuten und ihren Taten immer eine Rationalität und einen höheren Sinn?”
Würde ich auch fragen, wenn es nur vereinzelte Gruppen wären. Inzwischen ist es aber ein regelrechter Flächenbrand und irgendwie muss man sich doch Fragen, warum auf einmal normale Bürger zu Krawallen bereit sind. Nur Spaß ist da doch ein bisschen einfach. Damit so viele jugendliche kein Unrechtsbewusstsein bei solchen Aktionen haben, muss im Vorfeld doch schon einiges schief gelaufen sein. Telepolis hat eben zu dem Thema einen Artikel veröffentlicht, der vieles von dem aufgreift, was mir gestern beim rumklicken auch auf dem Bildschirm flackerte: http://www.heise.de/tp/artikel/35/35282/1.html
Was man tun kann außer die Polizei zu verstärken? Miteinander reden wäre ein Anfang 😉
@anonymus: Glaub ich nicht. Für solche Krawalle genügt ein ziemlich kleiner Bevölkerungsanteil, und soviel Gewaltbereite gibt es durchaus. Man sollte nicht den Irrtum begehen, sich aus der Gewalt automatisch eine politische Absicht herbeizureden. Manche Leute sind einfach nur gewaltgeil oder einfach nur Diebe.
Wieviel Leute gibt es denn bei uns, die am ersten Mai, bei Fußballspielen usw. randalieren? Wesentlich mehr, als gerade in England auf den Straßen sind. Und die bei uns haben auch nichts anderes als Randale im Kopf. Warum sollte es dort also anders sein?
ähm wenn ich jetzt was zu Deinen Anwürfen schreibe, dann betreibe ich wiederum Ping-Pong-Kommentieren und bin ein Troll? Das ist ein ziemliches Totschlagargument, findest Du nicht?
Die Parallele zu Oslo, die ich gezogen habe und was ich dazu geschrieben und Dich gefragt habe, begründete auf der Annahme, dass beide Vorkommnisse politisch motiviert seien. Nun so wie ich es jetzt verstehe, bist Du der Meinung, dass es in London nicht darum geht. Ok das kann sein und dann ist die Parallele eben nicht gegeben. Ich bin da halt nicht so sicher. Du schriebst doch selbst: “Daher ist es natürlich dringend geboten, in London auch darüber nachzudenken, welche Ursachen dahinterstehen.”
Nur kurze Frage: ist das jetzt so, dass ich nicht mehr an der Diskussion auf Deinem Blog teilnehmen darf oder nur auf diesem Beitrag? Fände ich persönlich schade, aber Du bist der Boss. Wenn es so ist, bitte veröffentliche diesen Kommentar einfach nicht und ich weiß Bescheid. Danke!
@ Alex
Staatliche Willkürakte und unberechtigte staatliche Gewalt lässt sich sowohl auf dem Klageweg als auch auf der Grundlage von Art.20 Abs.4 rein theoretisch bekämpfen, f a l l s die BRD tatsächlich noch ein Rechtsstaat ist.
@ Hadmut
“Die Fälle von Norwegen und London sind ja nun wirklich viel zu unterschiedlich, als daß man sie über einen Kamm scheren und gleich setzen könnte”.
Ich bin nicht ganz so sicher, ob die Fälle so unterschiedlich sind. Zugegebenermaßen erscheinen die Ereignisse in Oslo und London sehr unterschiedlicher Art zu sein und auch die Motive scheinen unterschiedlich gelagert zu sein.
Es ist aber durchaus denkbar, dass die gleichen (international organisierten?) Personenkreise unter Einsatz von “agents provokateur” dahinter stecken, die eine bestimmte Agenda haben und von den Unruhen profitieren, und dass wir nur die sichtbaren “Haupttäter” wahrnehmen.
PS: Wer würde denn auch nur im Entferntesten vermuten, dass evtl. der gleiche Täterkreis hinter den Morden an Palme, Herrhausen, Buback, etc. steckt, obwohl ganz unterschiedliche vermeintliche Täter(-gruppen) nach außen hin als Schuldige galten?
Diesbezüglich gibt es aber interessante und glaubwürdige Hinweise.
Überwachung heisst grundsätzlich nicht, dass man nicht anonym ist! Ich denke, hier werden 2 grundverschiedene Sachen vermischt. Was das deutsche Recht betrifft, hat das Bundesverfassungsgericht bereits klargestellt:
“Die (geplante) Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (…) ein. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhältnisse offenbart werden (und hat) daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen” (BVerfG, 1 BvR 2368/06).
Aber nur weil man im öffentlichen Raum gefilmt wird heist das nicht, dass man auch automatisch identifiert wird/wurde. Um von vornherein klarzustellen: ich bin selbst ein Gegner öffentlicher Überwachungen.
Randalen wie in Paris oder aktuell in London sind ein klassischer Fall von sozialem Unmut, ein Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte, gemischt mit gewaltbereiten Gruppierungen, die zwar nicht Auslöser dieser Randalen sind (oder sein müssen), aber sich das ganz klar zunutze machen. Das passiert unabhängig davon, ob es (Kamera-)Überwachung gibt, oder nicht.
Jede Zeit hat ihre Formen der Randalen und der Überwachung. Schon die Römer hatten durch ihre Besetzung mit Aufstände (=Randale) zu tun und hatten ihre Territorien durch römische Aussenstellen unter Überwachung. Selbst die Ur-Christen waren zu Jesu’ Zeiten eine “subversive Gemeinschaft”, die von den Römern überwacht wurden mit dem Versuch, diese nieder zu schlagen….und wir alle wissen, dass dies nicht geklappt hat. Heute gehört der Geheimdienst des Vatikan zu den besten weltweit, jede kirche gibt Rückmeldung an den Vatikan, was in ihrem Territorium passiert. Ohne Kameras.
Wir haben zwar in Deutschland unsere Mai-Demonstrationen oder das Auto-Abfackeln in Berlin und Hamburg, aber dies ist in Anlass, Größe, Dauer und Menge der Beteiligten bei weitem nicht mit Paris oder London vergleichbar – so gesehen kann es nicht an Überwachung oder der Frage nach Anonymität alleine liegen, denn dieses Umfeld haben wir in Deutschland auch. Es bleibt der soziale Unmut als Auslöser.
Wenn Geschädigte mit einer Online-Version in guter, alter Wild-West-Manier “Wanted”-Poster nutzen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen, weil staatliche Ermittlungen nicht in der Lage sind, dann besteht doch vielmehr die Frage, warum man Video-überwachen muss, wenn es nur in medienträchtigen Paradefällen (S-Bahn-Randalen) etwas bringt, und nicht bei derartigen Auseinandersetzungen? Die Bundesrepublik nutzt (gedruckte) Fahnungsplakate wie zu RAF-Zeiten immernoch, sind in jeder Polizeiwache zu sehen. Da ich als Bürger vorermitteln darf belegt jedes Detektivbüro, dass ich frei beauftragen kann; die werden teils sogar als Zeugen vor Gericht zugelassen. Worin besteht also das Problem mit Bildern von Tatverdächtigen auf Ermittlung zu gehen, egal ob gedruckt oder digital??
Die Menge der gewaltbereiten “Randalierer” ist überschaubar und in jedem kostenlos anforderbarem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder der Länder nachzulesen. Wenn wir also in Deutschland ebenso öffentlich videoüberwacht sind, ebenso eine gut ausgebildete Polizei haben und gleichviel (oder mehr) gewaltbereite Randalierer haben…warum haben wir dann nicht gleichartige Ausschreitungen?
Wie bereits gesagt: nach meiner Ansicht liegt es klar an gesellschaftlichen und sozialen Schieflagen.
Und es bleibt für mich die Frage, warum ich als Staat meine Bürger überwachen muss, wenn ich dann derartige Exzesse nicht verhindern, oder zumindest eindämmen kann. 4 Tage Randale in London kann nicht für ein gutes Ergebnis einer Videoüberwachung sprechen! Und selbst die DDR und ihre Stasi – ein Synonym für Staatsüberwachung – war machtlos, als 1989 tausende auf die Strassen gingen und einen ganzen Staat zu Fall brachten…so gesehen ist wäre Überwachung kein Mittel gegen Randale, sondern Auslöser, dagegen randalieren zu müssen…
Hadmut:
“Hör mal auf zu blubbern und sach mal konkret, wie der Staat mit solchen Randalen, Brandstiftungen und Plünderungen Deiner Meinung nach umgehen soll.”
Das hab ich ansatzweise getan:
… Wenn die Polizei mit der Fahndung überfordert ist, muss dort angesetzt werden, aber nicht, indem man rechtsstaatliche Grundlagen beiseite schiebt.
und
… Es wird auch an der grundsätzlichen Problematik nichts ändern, wenn einige 100 Randalierer im Knast sind.
Ich hab derweil versucht, mir ein möglichst breit gefächertes Bild zu machen:
Einerseits hat der Staat bei den Ausgaben für Polizei gespart. Das ist nicht nur in England so, ich habe Polizisten im Freundeskreis, der Arbeitsdruck, den die haben, ist einfach kontraproduktiv, soweit, dass nicht wenige ihrer Kollegen zu Tabletten greifen, um das erwartete Leistungslevel zu halten. Das ist absurd.
Also erste Antwort, falls es nicht klar wurde: Indem man genügend Polizei bereitstellt, diese vernünftig ausstattet und ausbildet. Ein Teil der Randale geht auf ein völlig gestörtes Verhältnis zur englischen Polizei zurück, das aber nicht von ungefähr kommt, da gibt es eine lange Vorgeschichte von Fehlentscheidungen, Tod in Polizeigewahrsam, alltäglicher Schikanen bestimmter Problemgruppen, für die kaum jemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Auch diese Missstände müssten wirksam angegangen werden, die IPCC scheint dafür nicht auszureichen.
Zweite Antwort: Die Randalierer in England sind nicht so viele, als dass der Staat sie nicht mit Gewalt in den Griff bekäme. Damit wäre die Sache eigentlich erledigt. Das wäre so der weissrussische Ansatz. Jetz der europäische: Trotzdem wäre es angebracht, sich mit den Ursachen zu befassen. Die sind sicher vielschichtig und ich behaupte nicht, sie alle zu überblicken. Wenn ein Staat in dieser Größenordnung Polizei schicken muss, ist vorher schon gehörig was schiefgelaufen. Aber die Behebung der Ursachen wird wie meistens nicht passieren. Warum? Mühsam, langwierig, wenig PR.
Zu “Denunziantenseite”:
Wenn jede Gruppe ihre eigenen Steckbriefe ins Netz stellen kann, wirds gefährlich. Dann präsentiert jeder Verein Abschusslisten für die Gruppierung, die ihm gerade aufs Seil geht. Oder Leute photoshoppen und posten einfach mal Fotos von Leuten, denen sie eins reinwürgen wollen, auch die EXIF-Daten lassen sich ja manipulieren. Ich fand XY-Ungelöst schon damals mehr als fragwürdig, aber dort werteten immerhin Profis die eingehenden Hinweise aus.
Zu “Abschaffung von Internet-Anonymität durch Regierung”:
Wir haben die Regierung ja gewählt und wenn diese beschließt, im Netz die Anonymität zu beseitigen, ist das demokratisch legitimiert und damit ok. Blödsinn. In unserem tollen Parteienangebot hat sich keine durch Kompetenz bez. Internet hervorgetan mit Ausnahme der Piraten, und die haben wieder andere Probleme. Niemand hat die anderen Parteien beauftragt, am Internet herumzuklempnern. Unsere Parteiendemokratie ist so gründlich gegen Veränderung abgedichtet, dass nach dem heutigen Stand der Dinge auf dem Wege der Wahl keine nennenswerte Veränderung zu erreichen ist. Das Buch “Die Deutschlandakte” das Verfassungsrechtlers Hans Herbert von Arnim liefert Material dazu. Zurück zu Parteien und Internet: Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass das Internet dem Wesen von Parteien entgegensteht. Solange es nicht a la Facebook, Apple, Amazon, Paypal etc umgebaut und privatisiert ist und somit zentralisiert kontrolliert werden kann *und wird*, läuft es den Prioritäten und Qualifikationsmerkmalen komplett zuwider, die für eine Karriere in einer Partei nötig sind. Eine dezentrale, fehlertolerante Infrastruktur, in dem jedeR potentiell auch Produzent sein kann, lässt sich eben sehr schwer kontrollieren und beherrschen. Kein Wunder, dass das Netz bei den Revolutionen in Nordafrika abgeschaltet wurde und dass die Regierungen in China und Nordkorea es kastrieren, und viele andere keine Gelegenheit auslassen, es in ihrem Sinne beherrschbarer zu machen. Dazu zähle ich auch die Initiative gegen “Anonymität” im Netz.
“Demokratisch legitimiert” das ist heutzutage eine gerne benutzte Ausrede. Das Problem dabei ist das es effektiv kaum mehr etwas aussagt. Eine Wahl zwischen mehreren (fast) gleichen Dingen ändert nicht wirklich etwas. Seit Jahren ist bei eine Wahl eigentlich kaum voraussagbar welche Entscheidung eine Partei treffen wird, wenn sie die Wahl gewinnt. Wahlversprechen werden nur sehr selten eingehalten, genauso wie das Parteiprogramm. Aus der Vergangenheit lassen sich teilweise noch ziemlich eindeutige Trends ableiten, der Rest ist aber im Grunde ein reines Glücksspiel oder ohnehin egal, weil es ohnehin jede der Parteien gleich machen würde (sie sind beispielsweise nur solange dagegen, wie sie in der Opposition sind).
Da bleibt eigentlich nur noch eine eigene Partei zu gründen oder es gleich mit Lobbying zu versuchen. Letzteres ist in der Regel aussichtsreicher, wenn man finanzstark genug ist. Es dauert einfach zu lange bis man einen ausreichen hohen Anteil der Stimmen bekommt. Vor allem bei Themen die leicht innerhalb von 10-15 Jahren praktisch unumstößlich zementiert werden.
Das ungünstige an so einem Internetpranger ist der absolut desintegrative Langezeit-Effekt. Wenn man da drin steht und jeder nachschauen kann, dann kann man davon ausgehen, ein übelstes Stigma zu tragen. Und eigentlich kann da keine sozialarbeiterische (Re-)Integration mehr gemacht werden, weil die ja das nicht aus dem Web löschen können. So einen Pranger halte ich für eine sehr kurzsichtige Lösung. Man dürfte solche Infos nur sehr begrenzte Zeit sichtbar lassen und müsste garantieren, dass das niemand kopiert etc. (Erpressungsgefahr), was man schlicht nicht hinkriegen wird. Man erzeugt damit Individuen, die immer “unten” bleiben werden und somit erzeugt man das, was man damit eigentlich bekämpfen wollte (nämlich zb. solche Aufständischen). Oder man muss das Strafrecht so umformulieren, dass die Integration keine Notwendigkeit mehr ist, was aber noch fataler wäre und das Problem der Erzeugung des eigenen Problems auch nicht löst.
Zu den Riots in GB: ich habe nicht den Eindruck, dass wir ausser martialischen Lösungen (Militär) allzu viele Möglichkeiten wüssten, was wir da machen konnten. Über sowas permanent nachzudenken ist (kurzfristig) nicht profitabel und man hat es die vergangenen Jahrzehnte immer mehr schleifen lassen und stattdessen eben mit größeren Polizeiaufgeboten und Sanktionierungen geantwortet. Dass das letztlich nicht 20-30 Jahre gut gehen kann, ist klar. Diese Aufstände sind getragen von gewaltigem Hass, was das eigentlich Gefährliche ist. Die Leute dort schrecken nicht mehr davor zurück, ihre eigene Heimat, ihre eigenen Stadtteile anzuzünden, d.h. für mich, dass das auch nicht mehr ihr Zuhause ist oder, dass sie keines mehr haben. Sie haben vielleicht eine Obdach, aber keine Heimat. Das ist die Folge lange verfehlter Integrationspolitik (seitens der Politiker und der ganz normalen Menschen) und das kriegt man nicht mit einfachen Lösungen hin.
Im Übrigen halte ich nichts für sozialkritischer als brennende Häuser und Brandschatzungen. Denn das heißt: hier werden wir so nicht mehr Leben und ihr auch nicht. Dass das kein intellektuell geschliffen formulierte Kritik ist, ist wahr, aber es ist dennoch ein massive, in großen Teilen wortlose Kritik (was ebenfalls auf ziemlich schlimme Zustände hindeutet, weil es heißt: Mit euch reden wir nicht einmal mehr, wir zünden jetzt einfach an). Ich denke, man kann da aber nicht so einfach sagen, dass das alles “Randalierer” sind, so in dem Sinne, die hätten einfach mal Lust drauf. Kein Mensch hat mal eben Lust, seine Heimat anzuzünden oder das, was vorher Heimat war (bzw. sich eine Heimat aus brennenden, gebranntschatzten Häusern herzustellen) oder macht es aus billigen Gründen. Sowas schwillt länger heran. Die Wortlosigkeit der Anzündenden könnte zudem auch ihre Ursache darin haben, dass sie es lange mit Worten probiert haben und es jetzt eben anders machen.
Für eine Lösung solcher massiven Probleme müsste man erstmal wirklich herausfinden, erforschen, was die Ursachen dafür sind, woher der Hass kommt, von dem es bei den Menschen dort offenbar viel zu viel gibt (Hier sei mal an den Film “Hass” von Kassowitz erinnert). Jedenfalls kann man nicht davon ausgehen, es einfach so zu wissen, weil es irgendwie offensichtlich wäre.
Ich glaube aber nicht, dass man das Erforschen machen wird. Man wird einfach die einfachen (Internetpranger) und martialischen Lösungen (Militär) wählen und dann so wie in Frankreich verkünden, dass man den Abschaum aus den Vororten spülen wird und die Verelendung sich selbst weiter überlassen. Das ist kurzfristig billiger und kurzfristig billig ist schließlich absolut golden-glitzerndes Gebot der Stunde. Jedenfalls deutet für mich nichts darauf hin, dass man es jetzt mal ernsthaft anders machen will als die letzten Jahrzehnte und in diesem Sinne würde ich meinen, kann man nicht mal davon reden, man wolle die Probleme lösen, sondern sie einfach nur weiter in die Zukunft verschieben. Aber nicht, weil man (zb. der Staat, eine Klasse) einfach böse wäre, sondern weil die Konzepte dafür fehlen. Man könnte höchstens behaupten, dass manche Gruppen oder Klassen der Gesellschaft auch schlicht kein Interesse daran haben, dass solche Konzepte entwickelt werden, bzw. ein Interesse daran, dass sie nicht entwickelt werden (schändliches Interesse, aber naja). Manchen sind auch solche Riots sehr nützlich, auch wenn das schade ist.
Weil das Thema dieses Blogeintrages eigentlich nicht etwaige Ursachenforschung
war, beschränke ich mich auf den Hinweis auf die per Podcast zugänglichen
Nachrichtenmagazine der BBC (worldservice) der vergangenen Tage (insbesondere
Newshour), in denen die Geschehnisse ganz gut beleuchtet wurden.
Unter anderem fällt auf, dass
– überwiegend Geschäfte geplündert wurden und *nicht* etwa Institutionen der
Obrigkeit (Ämter etc.) beschädigt wurden, und zwar von Leuten, die nach der
ersten Hilflosigkeit der Polizei die Chance zur Selbstbereicherung ergriffen.
– die Gründe mittlerweile durchaus auch in ihrer Vielfalt besprochen werden,
sogar von Politikern. Insbesondere drückt man sich auch nicht um die
Erkenntnis, dass die Verrohung der Sitten in allen Segmenten der Bevölkerung
anzutreffen ist.
@ User 10.8.2011 11:42
“… Insofern erübrigt sich doch die Differenzierung, die Bürger haben die Volksvertreter gewählt und wenn diese gegen die Anonymität im Internet vorgehen wollen, dann genau deshalb weil ihre Wähler (die Bürger) es so haben wollen.”
Ungefähr so wie die Bürger E10 haben wollten? Oder – sehr viel früher – die Notstandsgesetze? Oder das Glühbirnenverbot? Oder wie die Bürger die egK, die PKW-Maut, die TIN, etc. haben wollen?
Die Mappusäußerungen zum Minarettverbot, die Kisa-Aussage (Münchener Grüne) zum “Volkserziehungsversagen” der deutschen Regierung(en), zeigen doch sehr deutlich welche Haltung deutsche “Volksvertreter” gegenüber dem Souverän hegen!
“Eigentlich ist es doch so, dass die große Mehrheit der Bevölkerung gegen die Anonymität ist und nicht, wie es im Internet den Anschein macht, dafür! Die Politik – gewählt durch das Volk – ist mehrheitlich dagegen, die etablierten Medien sind es und die Wirtschaft.”
Vielleicht ist die angeblich große Mehrheit auch nur deshalb (scheinbar) gegen Anonymität weil Ihnen die Konsequenzen nicht klar sind! Eine korrekte und neutrale Aufklärung und Berichterstattung wäre eigentlich Aufgabe der Medien, die als vierte Macht die öffentliche Kontrolle der politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen wahrzunehmen hätte.
Doch findet die (noch) statt?
Die SPD besitzt, nach Bertelsmann, das zweitgrößte Medienimperium in Deutschland. Und da sollen die Medien unabhängig und überparteilich sein und auch politisch/wirtschaftlich unerwünschte Darstellung betreiben (bis auf ein paar Alibireportagen/-berichte)?
Im Gezerre um Anonymität ist ja nicht nur der Staat Konfliktpartei, sondern jede Gruppe, jedes Unternehmen, das dieses Werkzeug auch gerne hätte. Warum wohl? Weil mit eindeutiger Identifikation Herrschaft über den Einzelnen ausgeübt werden kann. Noch mehr? Gefällt mir nicht. Und wir sind sicher, dass mit dieser Macht verantwortlich umgegangen wird? Ich habe da kein Vertrauen. Egal ob für wirtschaftliche oder politische Zwecke, wir sind schon jetzt viel zu sehr Nutzvieh, einem Ausbau dieses Zustands muss man nicht noch zustimmen.
Warum bekommt man in Läden Kundenkarten angedient?
Warum müssen 7-jährige einen Fingerabdruck abgeben, wenn der Urlaub ausserhalb der EU führt?
Warum sowas hier http://rheinkulturpanorama.de/ ?
Und zu der o.g. Londonder Denunziantenseite: Ich verstehe vollkommen, dass geschädigte Ladenbesitzer und Anwohner sich irgendwie zur Wehr setzen wollen. Aber
1. so bringt es nichts. Selbst wenn alle Plünderer und Brandstifter identifiziert und verurteilt werden, die meisten dürften eh nichts haben, um Schadensersatz zu leisten. Es wird auch an der grundsätzlichen Problematik nichts ändern, wenn einige 100 Randalierer im Knast sind.
2. ist Fahndung die Aufgabe der Polizei. Der nächste logische Schritt wäre private Bewaffnung, oder wie? Wenn die Polizei mit der Fahndung überfordert ist, muss dort angesetzt werden, aber nicht, indem man rechtsstaatliche Grundlagen beiseite schiebt.
Und selbstverständlich ist man im Netz nicht 100%ig anonym, ähnlich wie im realen Leben. Ausser man betreibt richtig Aufwand, das gilt für beide Bereiche. Ansonsten gibt es bei Bedarf legale Mechanismen, die Anonymität aufzuheben.
Die Alltags-Anonymität hat auch mit Menschenwürde zu tun. Es muss nicht minutiös dokumentiert werden, wo und wie ich meine Brötchen kaufe und ob ich dabei verpennt aussehe oder nicht. Und dabei nicht mal weiss, ob und welche staatlichen, privatwirtschaftlichen oder privaten Voyeure sich das ganze anschauen. Es ging Jahrtausende sehr gut ohne diesen ganzen Mist und ich finde die Entwicklung zum Kotzen.