Der bayerisch-katholische Ein-Personen-Feiertag
Morgen ist „Mariä Himmelfahrt”, was laut bayerischem Gesetz in einer Kommune genau dann ein Feiertag ist, wenn dort bei der letzten Volkszählung mehr katholische als evangelische Einwohner ihren Hauptsitz hatten. Das heißt, daß es nicht nach der Bevölkerungsmehrheit geht. Hätte eine Stadt 1.000.000 Einwohner, aber nur einen Katholiken und keinen Protestanten, müßte sie trotzdem den katholischen Feiertag abhalten. So wird eine „überwiegend katholische Bevölkerung” vorgetäuscht und die (Frei-)Staatsreligion gepinselt. Atheisten, Sekuläre und Mitglieder anderer Religionen, kurz gesagt alles, was außerhalb des Christentums liegt, wird bei der Mehrheitsfeststellung gar nicht erst mitgezählt. Von wegen Demokratie und Religionsfreiheit…
13 Kommentare (RSS-Feed)
Ganz ehrlich, IMHO gehört das ganze Aberglaubengedöns ohnehin abgeschafft, bzw. komplett & ausnahmslos in die Privatsphäre verschoben; sowas ist einer aufgeklärten Gesellschaft, einer Demokratie, im Wortsinne, schlechterdings unwürdig, wenn nicht sogar über Gebühr abträglich.
Wenn ich mir den religiösen Rabbatz etwa in sogenannten aufgeklärten, westlichen Demokratien anschaue — Mexiko, USA, BRD, Ostmark, Polen, Israel, you name it — dann wird mir eher schlecht angesichts der galoppierenden gesellschaftlichen Rückschritte.
Nur meine zwo Pfennige.
PS: Wünsch Dir dennoch, Hadmut, daß Deine Gemeinde überwiegend katholisch ist, nach allen Regeln der Kunst.
😉
Das war nicht immer so. Ursprünglich hieß im Gesetz tatsächlich, daß die religionsabhängigen Feiertage sich nach der Bevölkerungsmehrheit richten. Das war in der guten alten Zeit, als in Bayern alles gewählt wurde wo CSU draufstand, und der Pfarrer entschied wo das draufstand. Irgendwann in den 1970er Jahren drohte in München, daß die Rechtgläubigen nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit stellten, da zuviel Ungläubige in der Stadt wohnten. Aber auch die vom rechten Glauben abgefallenen Gottgläubigen besaßen nicht die Mehrheit. Als Feiertagsbeschaffer wären sie ja immerhin akzeptabel. Ungemach drohte. Flugs wurde das Feiertagsgesetz in die noch heute gültige Form gebracht. Damit kann nicht Wirklichkeit werden, was damals drohte, daß es nämlich in München (und anderswo) weder kath. noch evang. Feiertage gibt. Großes Unheil wurde vom Volk abgewandt!
Dazu nicht unpassend:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,777968,00.html
Ein nettes Faktum – für dessen Verschleierung extra die letzte Volkszählung suggestiv gestellt wurde:
“28 Millionen Deutsche ohne religiöse Bindung”
(leider ohne Quelle, das sind irgendwelche Schätzungen)
Das eigentlich wirklich interessante:
Dieser Artikel wurde am 14.08 auf Blöd-für-Intellektuelle eingestellt.
Dieser Artikel war am 14.08. gegen Abend nicht mehr auf der Spon-Titelseite auffindbar, obwohl dort sehr viele Posts durch die “Moderartion” gekommen sind (am ersten Tag ~ 800)
Ja, nachdem ich ja zu den Volksgezählten gehörte, hab ich mich schon gewundert, warum die so komisch gefragt hatten, daß ich eigentlich nicht klar sagen konnte, daß ich in gar keiner Kirche bin.
Irgendjemandem scheint das sehr wichtig zu sein den Anschein zu erwecken, daß die Deutschen recht fromm sind.
@ Battleaxe : Au contraire ! Um es mal mit Motörhead zu sagen :
“Just ‘cos you got the power,
That don’t mean you got the right ”
Oder auf deutsch : “Innerhalb der Regeln” ist nicht äquivalent zu “richtig”.
Mit Feiertagen wird ja gerne versucht Erwachsene/Erwerbstätige zu kaufen, während es bei Kindern die Kommunions-, Firmungs- und Weihnachts- o. Ostergeschenke sind.
Ich plädiere für paritätisch 1/3 atheistische Feiertage. Tag der Menschenrechte, der Meinungsfreiheit, der Menschenwürde und sowas – das wäre deutlich sinnvoller als Mariä-Raumfahrt und ähnlicher Zinnober.
Und demonstrativ dürften diese Tage natürlich nicht zufällig auf Pfingstmontag und so liegen.
Ich würde es mit beweglichen feiertagen lösen:
jeder Bundesbürger bekommt ein Kontingent von 5 (oder auch 10) Feiertagen, die er für die Feiertage seiner Religion einsetzen kann (aber nicht muß), und die, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, dürfen dann die Feiertage so verteilen wie sie wollen.
Das Ganze wird in einer Gemeinde am Anfang des Jahres abgestimmt und die 5 (oder 10) Tage mit den meisten Stimmen werden zum Feiertag bestimmt.
So ähnlich wie das Kummulieren und Panaschieren in den Kommunalwahelen. 🙂
Ach, wieso immer nur solch menschengemachte Dinge?
Sonnenwenden sowie Tag- und Nachtgleiche, und schon haben wir vier natürliche Feierdaten.
Zum Frühlingsfest würde ich sogar vorschlagen, das Hasenfest zu nennen, und dann gibts da auch Eier.
Falls Ostern an einen anderen Tag fällt, können die Christen dann den Vollzug der rechtsstaaglichen Todesstrafe an einem Juden gerne feiern 😛
Immerhin gibt es in Bayern noch die Wahl zwischen katholischen und evangelischen Gebieten. In anderen Bundesländern gibt es nur die katholischen bzw. evangelischen Feiertage oder halt beide nicht.
Ich rate von einer Diskussion ab. Das kann nur in der Abschaffung von Feiertagen enden, wenn wir das vor einem eindeutigen Revolutionstag, mit ganz vielen Politikern und Lobbyisten an Laternemasten, machen. Könnte ja mal ein Baumarkt 20% auf Seile und Leitern geben.
Wenn man in die Laternendekoration noch Politikergattinen und infizierte Kinder hinzufügt, kann man eventuell wieder 30 bis 40 Jahre nicht allzu vorwitzige Politiker haben. Allein die Entlastung des Rentensystems reicht wahrscheinlich für die Entschuldung Deutschlands.
Wie immer: Wer Ironie findet …
heute abend gibt es in wdr5 ein interessantes feature zum komplex “trennung von staat und kirche”. ich hatte gestern während einer autofahrt schon gelegenheit teile davon zu hören und werde es sicher auch runterladen wenn es angeboten wird. die teile die ich gehört habe, waren sehr gut und boten mir auch einige neuigkeiten. leider bin ich heute abend unterwegs und kann nicht nochmal alles hören. es gibt aber das manuskript zur sendung schon als .pdf.
hier nähere infos: http://www.wdr5.de/sendungen/dok-5/s/d/15.08.2011-20.05.html
danke für den link an hw
eben das hier gefunden – das wär noch weitaus deutlicher als die oben genannten 33%:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Europe_belief_in_god.svg&filetimestamp=20090126090528
@Hadmut
es gibt auch genügend Christen, die in den Statistiken nicht auftauchen. Mitglieder von Freikirchen oder auch nicht offiziell organisierte Christen. Wie die Situation bei angehörigen ausländischer Staatskirchen (z.B. griechisch oder russisch orthodox) aussieht, weiß ich nicht. Mariä Himmelfahrt ist ein rein katholischer Feiertag, ohne christlichen Bezug. Und gemäß der Darstellung kann es sein, dass sogar die erfassten Mitglieder der Staatskirchen innerhalb der Christen eine Minderheit bilden.
@Alex: was den Spiegel-Artikel betrifft: das Verbot von Homeschooling ist eine spezifische deutsche Sache, die auch erst durch das noch nicht vollständig rückgängig gemachte Reichsschulgesetzt 1939 eingeführt wurde und im westlichen Ausland praktisch ausnahmslos gestattet ist (teilweise sogar subventioniert, da die staatlichen Schulen weniger Schüler haben)
Sorry muss ich widersprechen:
Wenn in einer parlamentarischen Demokratie ein Gesetz gemacht wird ist das ok.
Wenn also das BW-Länderparlament (da komm ich her) den 8.Juni (2005 im Juni wurde die Religion gegründet, 8 ist eine religiöse Zahl “acht „Am liebsten wäre mir’s“” (Quelle Wikipedia)) zum Feiertag in allen Landkreisen mit mehr Pastafari als Atheisten erklären würde ist das nach allen Regeln ok.
Obwohl in BW die überwiegende Mehrheit Christen, die 2-größte Gruppe wahrscheinlich Muslime sind.