Ansichten eines Informatikers

Beispieleritis

Hadmut
21.9.2011 12:48

Ist Euch schon mal aufgefallen, daß IT-Fachbücher in den letzten Jahren drastisch schlechter geworden sind?

Gerade bei Büchern zur Programmierung fällt mir das auf. Da wird eigentlich nichts mehr strukturiert erklärt oder mit Hintergründen und Bedeutung erläutert, sondern die basieren fast alle nur noch auf dem Schema, irgendeine Beispielapplikation zu bringen, und dann rings um diese Applikation herumzulabern. Irgendwelche Zusammenhänge, Alternativen, Details, oder sowas wie ob das vom Framework so verlangt wird oder nur der persönliche Stil des Schreibers des Beispiels ist, werden nicht erläutert. Das „Fleisch” muß man sich dann immer mühsam irgendwoanders her zusammensuchen.

Besonders negativ aufgefallen ist mir das vor Jahren schon mal anhand der Literatur zu Ruby on Rails, und nun gerade wieder bei der Literatur zur Android-Programmierung. Aber auch in vielen anderen Fällen. Viele Bücher, die man mal durchblättert, teils auch liest, rein linear, und wenn man mal durch ist und so ungefähr aufgeschnappt hat, was sie einem sagen wollen, kann man sie als nutzlos wegwerfen, weil sie als Nachschlagewerke oder zum Verständnis von mehr als dem groben Grundgerüst nicht taugen.

Oft habe ich den Eindruck, daß die Autoren da selbst nicht wirklich durchblicken, sondern nicht wesentlich weiter als Programme gerade in der Art des Beispiels sehen oder sehen wollen. Gelegentlich findet man sogar Bemerkungen der Art, daß Beispiele das Höchste und Beste der Erklärkunst wären (was ich definitiv für falsch halte).

Woher kommt das?

  • Ist es die steigende Komplexität heutiger Frameworks, Software, Programmierumgebungen, die zu viel wird, um das in ein Buch zu packen?
  • Ist es eine neue Sorte von Amerikanismen, ist das ein amerikanischer Stil?
  • Tendiert die IT generell in Richtung Oberflächlichkeit? Alles so schnell, schnell, mal kurz drübergucken und losklimpern?
  • Liegt es an der Volativität heutiger IT?
  • Sind es die Verlage, die das fordern?
  • Liegt es am Umfang heutiger Frameworks und sonstiger Fachgebiete, daß die sich nicht mehr in ein verlags-kunden-kompatibles Buchformat pressen lassen?
  • Ist es der harte Wettbewerb, in dem nicht mehr der die Bücher verkauft, der die besten hat, sondern der sie zuerst auf den Markt wirft?
  • Oder sind es die Kunden, die sowas verstärkt kaufen?

Eigentlich war das ja eine geniale Erfindung von Kernighan und Ritchie, in ihrem Klassiker, der Einführung in C, „Hello world!” als Anfangsbeispiel zu bringen und damit einen eigenen Klassiker zu schaffen. Das war aber nur das Beispiel, um ein komplettes Programm zu zeigen und eine Arbeitsgrundlage zu haben, nicht der Aufhänger, um die Programmiersprache C anhand dieses Beispiels zu erläutern. Man stelle sich vor, die Beschreibung von C reduzierte sich auf das Erläutern des Hello-World-Testprogramms, was man da alles versäumte. Genau das machen aber heute viele Buchautoren.

Vor einigen Jahren merkte man schon mal so einen Amerikanismus in den Buchformaten. Da gab es dann diese Extremschinken mit mindestens 1000 Seiten und der Aufschrift „Alles über …” oder „Das komplette Werk zu …” oder „Die vollständige Referenz zu …”, wo man dann genau merkte, daß die künstlich aufgeschäumt waren, etwa weil die Seiten nur zur Hälfte bedruckt waren und neben dem Text ein nochmal genauso breiter Streifen einfach weiß gelassen wurde (vorgeblich für Randnotizen der Leser). Und die Seiten wurden massenweise zugepflastert mit dämlichen Windows-Screenshots, anhand derer man sich mausdurchklicken sollte. Solche Techniken, mit denen man in einer halben Stunde Arbeit durch die vielen Screenshots ruckzuck locker 80 Seiten Papier gefüllt bekommt.

Jetzt scheint der gegenteilige Effekt in Mode gekommen zu sein. Man erläutert nur noch das nötigste, um das Beispielprogramm zum laufen zu bringen, fügt noch ein bisschen Bla Bla dazu, was das Beispiel so macht, und fertig.

Könnte natürlich auch daran liegen, daß der Kundenstamm längst nicht mehr nur aus Profis beruht, sondern solche Literatur massentauglich sein soll.

Bedauerlicherweise kommen auch im Hochschulbereich (wo man eigentlich nur Profis haben sollte) zu ähnlichen Effekten. Ein Informatikstudent in den unteren Semestern hat mir neulich erzählt, daß ihre Mathevorlesungen nach diesem Schema laufen. Da steht ein Privatdozent vorne, rechnet Musterlösungen und behauptet, wie trivial und einfach das doch alles wäre (um sich selbst hochzupreisen), aber kann nicht ansatzweise erklären, wie man auf diese Lösung kommt oder wie man Aufgaben angeht. (Was mir den Gedanken aufdrängt, daß er das selbst alles nicht so verstanden hat und womöglich die Musterlösungen auch nur irgendwo abgeschrieben oder übernommen hat.)

Und ähnliche Effekte habe ich ja neulich schon in der Kritik an der Programmiersprache Scala beschrieben. Da war schon der werte Professor als Schöpfer einer Programmiersprache schon selbst nicht mehr in der Lage, sie strukturiert zu beschreiben, sondern liefert eine grausige Mischung aus einem Vorlesungsskript und seinem persönlichen Programmierstilevangelium ab, die sich an Beispielen entlanghangelt. Was nicht zuletzt daran liegen könnte, daß die Programmiersprache Scala selbst schon nicht mehr strukturiert ist, sondern ein wild gemischtes Sammelsurium an Einzelbeispielen verschiedener Köche. Scala schwitzt an allen Ecken und Kanten aus, nicht auf professionelle Programmierung, sondern auf das darstellen akademischer Einzelbeispiele und das Bearbeiten von beispielhaften Übungsaufgaben ausgelegt zu sein. Ein Beispiel dafür, wie dieser schlechte Dokumentationsstil schon auf die Programmiertechnik selbst zurückschlägt.

36 Kommentare (RSS-Feed)

Ruby?!?
21.9.2011 13:16
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Ja, das empfinde ich ähnlich: Ein gutes Beispiel für diesen (Un-)Zustand ist “Ruby on Rails für Dummies”: Eine eigentlich tolle Programmiersprache wird auf vollkommen unstrukturierte Weise auf mehr als einhundert Seiten NICHT erklärt. Dafür folgt ein vollkommen nutzloses Beispiel dem nächsten – gelegentlich durchsetzt von lustigen aber bedeutunglosen Anekdoten des Autors.

Vor dem Lesen hatte ich schon ein paar elementare Kenntnisse von Ruby. Nach dem Lesen galt Ruby=Bahnhof

Kernighan und Ritchie haben aber anfangs wirklich auch kein Meisterwerk abgeliefert. Von den ersten deutschen Übersetzungen mal ganz zu schweigen…


Hadmut
21.9.2011 13:29
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Stimmt, K&R und insbesondere die deutsche Übersetzung war lausig. Was insofern beachtlich ist, als am K&R-C ja kaum etwas dran war, es also eigentlich gar nicht viel zum Erläutern gab.


Subito
21.9.2011 14:28
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Ich habe ganz ähnliche Erfahrungen mit IT-Büchern gemacht… Ich hab unter anderem einige der von dir beschriebenen Wälzer gelesen und anfangs auch durch-“gearbeitet”. Der Witz? Nach meinen Erfahrungen funktionieren locker 66% der komplexeren Beispiele nicht einmal! Anscheinend verlässt sich der Autor darauf, dass es keiner merkt, oder denkt sich “hey, dann poste ich irgendwann halt nen Update auf meiner Website!”.

Ich habe mittlerweile ein ernsthaftes Problem, an gute Lektüre zu kommen. Will ich eine neue Programmiersprache lernen, interessiert mich nicht, was eine Variable ist, ich will nur kurz wissen was die in der Sprache besonders macht. Aber nein, von 600 Seiten kann ich maximal 100 gebrauchen. Das kostet aber direkt 60€.

Neben der “Versimplichung” der Bücher gibt es aber auch noch eine andere Schiene: Die “Ich bin irre schlau und schreibe möglichst kompliziert” – kommt mir auch öfters unter. Einige Bücher habe ich 2-3 Mal gelesen und nichts sinnvolles daraus gelernt, wo mich eine Woche später ein Blick in die Doku um Welten nach Vorne gebracht hat.

Ich finde es weder gut, wenn jemand in dem deutschen Academiker-Stil schreibt und Sätze möglichst lang und kompliziert sein müssen, um sich selber auf die Schulter zu klopfen, noch ist es angenehm Bücher zu lesen, die ich einem Grundschüler in die Hand drücken könnte.

Vorerst kaufe ich nur noch Bücher, die ich vorher als eBook querlesen konnte – alles andere ist mir viel zu teuer.


cbx
21.9.2011 14:54
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Wie sieht’s mit dem Stroustrup aus? Ich fand seinen fetten Schinken zu C++ (wiewohl die Sprache selbst eher nicht) ziemlich beispielhaft was Struktur und Detailgehalt betrifft. Mit Einschränkungen taugt das Ding auch als (Er- und ) Nachschlagewerk.

Das zu lesen war allerdings ein hartes Stück Arbeit (“tedious and error prone”). Wer Bücher verkaufen will, muss heute wohl “auf den ersten Blick” den Eindruck erwecken, das Ding wäre gut und leicht zu lesen. Da machen sich natürlich Anekdoten und Beispiele immer gut. Und wer von uns hat nicht schon mal aus irgendeinem Anfänger-Beispiel organisch eine größere Applikation herausdestilliert?

Das ganze ist möglicherweise auch Amazon und Co geschuldet, die auch online”einen Blick ins Buch” gestatten und damit dem schnellen oberflächlichen Reiz ein höheres Gewicht verschaffen.

Ich glaube nicht, dass heutzutage Leute mit Ruby oder Erlang das Programmieren anfangen. Die meisten beginnen ja doch irgendwo mit Java, Cxx oder sowas. Dann muss eine gute Einführung nur die Architektur und die relevanten Unterschiede beleuchten und nachschlagefähig sein.

Wer vorher schon wenig Ahnung hat, wird die dünnen Bücher mit dem Beispiel kaufen, weil er sonst eh nix verstehen würde. Dieser Typ aber dürfte die Mehrheit der Käufer darstellen – Leute, die auch “Reich durch Bloggen” oder “17 Schritte zum perfekten Sex” kaufen.


Hadmut
21.9.2011 14:56
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Reich durch Bloggen? Perfekter Sex? Wo gibt’s die?


Alex
21.9.2011 15:31
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Ich hatte vor vielen Jahren viel aus den Delphi “Walter Doberenz, Thomas Kowalski: Borland Delphi 3 – ISBN-10: 3446190643” (da gab es zwei teile)
viel gelernt.

Fand für mich damals die Mischung sehr gut.
Es gab immer einen Teil für den theoretischen Unterbau, und dann einige Beispiele an denen ich mich orientieren konnte.
Und natürlich sind damals die Beispiele auch wichtig gewesen, um immer wieder irgendwelche Probleme nachzuschlagen

Ich kann das nicht mit aktuellen Büchern vergleichen – noch nichtmal mehr einschätzen wie beispiellastig die wirklich waren (zu lange nicht mehr reingeschaut)


Asd
21.9.2011 19:28
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Hallo Hadmut. Bin Informatik-Student im ersten Semester, der Dozent rechnet an der Tafel vor (er rechnet, schreibt und spricht gleichzeitig) und gibt uns selten, aber doch, Hinweise, dass wir Gegebenes jetzt einfach akzeptieren müssen, weil die Erklärung für uns (noch) nicht verständlich ist. Er ist allerdings bemüht, uns die Rechnungen verständlich zu machen – es sind hier eher wir Studenten, die selten nachfragen! Hat man den zusätzlichen Erklärungsversuch nicht verstanden, traut sich entweder niemand, noch um ein drittes Mal zu bitten oder der Dozent möchte sowieso mit dem Stoff fortfahren.

Ich hab in den ersten paar Wochen die Erfahrung gemacht, dass einfach nicht jeder mit den Erklärungen des Dozenten etwas anfangen kann, wie einfach sie auch sein mögen. Man schnappt soviel auf, wie möglich und arbeitet Unverstandenes zuhause durch, anders ist das bei der limitierten Zeit auch gar nicht möglich.

Auf bestimmte Beispiele versteift ist der Dozent jedoch keineswegs, er denkt sich die oft selbst aus bzw. lässt auch uns wählen, wenn uns da etwas einfällt. Beim Programmieren wird jeder Abschnitt zuerst theoretisch besprochen und dann sofort am Beamer mit mehreren Beispielen (die erstellt der Dozent während der Vorlesung, sind also nicht bereits abgespeichert) gezeigt… wir sollen beispielsweise selbst eine Minute überlegen, was der Output des Programms sein wird und dann führt er das Ganze aus.

So genau wir er es erklärt, müsste er jedoch gar keine Beispiele dazu machen, er bespricht sowieso Sämtliches doppelt und dreifach.


Hadmut
21.9.2011 19:39
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Wie kann man denn im Sommersemester Informatikstudent im ersten Semester sein? (oder bist Du in Mannheim, wo das Wintersemester früher losgeht?)


Enno
21.9.2011 20:01
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Schon etwas angestaubt, aber Kent Beck, Peter Norvig und Hunt/Thomas kann man auch heute noch empfehlen. An Doug Hoyte (aktuelles Buch) beisse ich mir die Zähne aus 🙂


Fabian
21.9.2011 20:10
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Naja, wenn jemand ein Fachbuch schreibt, dann ist es auch notwendig, dass er fachlich fit ist. Ob das jeder der heutzutage was auf dem Markt wirft ist, darf bezweifelt werden. Der Kreis fachlich hochkompetenter Autoren ist meist nicht groß, je neuer das Thema, desto schlimmer.

Dann muss ein geeigneter Fachmann auch noch ein Talent zum Erklären haben und eine gute Schreibe obendrauf. Beides nichts was jedermann in die Wiege gelegt ist oder ohne Arbeit zu erreichen.

Dann schreibt sich ein Buch auch nicht über Nacht. Und zu allem Überfluss sind viele IT-Themen vergleichsweise schnellebig.

Und dann kommt sicher noch hinzu, dass die Verlagsbranche auch der Marktwirtschaft unterworfen ist, so dass das qualitativ beste u.U. nicht konkurrenzfähig ist.

Ich glaube, aber ich kann mich da auch nur auf einen Erfahrungshorizont von 12-13 Jahren berufen, dass auf diesem Markt schon immer wenige Perlen unter vielen Produkten für die ein Baum umsonst gelitten hat waren. Aber ich finde in den letzten 4 bis fünf Jahren wird einfach quantitativ mehr auf den Markt geworfen, so dass die Perlen relativ gesehen weniger werden.


cbx
21.9.2011 20:57
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@Hadmut: “Reich durch Bloggen? Perfekter Sex? Wo gibt’s die?”
Also zum Thema 1 habe ich gerade was GANZ TOLLES gelesen 😛
Zu Thema 2 suche ich auch noch…

Zu 1) http://cbx.amadyne.net/blog/articles/1007/endlich-verstehe-ich-meine-finanzielle-erfolglosigkeit


Tobias
21.9.2011 21:23
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@Hadmut: Aufgrund des doppelten Abijahrgangs in Bayern bieten dieses Jahr einige Unis ein Vorgezogenes Semester an, um dem Andrang Herr zu werden.


SH
21.9.2011 21:26
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Ich gehe mittlerweile auch dazu über, IT-Bücher nach Möglichkeit digital zu beschaffen – die Inhalte veralten mittlerweile so schnell, dass es (a) schade um die Bäume ist und (b) stimme ich dir zu, dass viel zu wenig über den Mehrwert von Features geschrieben wird und in welchen Szenarien die gut eingesetzt werden können und die meisten Bücher daher die Kohle nicht wert sind und (c) gibt’s mittlerweile reichlich Material im Web, das dem kommerziell Verfügbaren oft ebenbürtig ist.

@Asd: Tja als Student studiert man eben, was (a) ein Vollzeitjob ist, wenn man das ernst nimmt und (b) deutlich mehr ist, als nur die Vorlesung zu besuchen (die bei den meisten Vortragenden eh stark zu Wünschen übrig lässt)


TB
22.9.2011 0:08
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@Hadmut

Also meiner Uni in Aachen kann man Informatik auch im Sommersemester beginnen, auch wenn es nicht empfehlenswert ist.


dasuxullebt
22.9.2011 0:29
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> Da wird eigentlich nichts mehr strukturiert erklärt oder mit
> Hintergründen und Bedeutung erläutert, sondern die basieren fast alle
> nur noch auf dem Schema, irgendeine Beispielapplikation zu bringen,
> und dann rings um diese Applikation herumzulabern. Irgendwelche
> Zusammenhänge, Alternativen, Details, oder sowas wie ob das vom
> Framework so verlangt wird oder nur der persönliche Stil des
> Schreibers des Beispiels ist, werden nicht erläutert.

Sowas nennt man “Praxisorientiert”. Das finden heutzutage alle toll. Ich kann auch nicht sehen, wieso.


Ich votiere für die Volatilität des Genres – und seine Breite.

Es scheint mir heute immer mehr und mehr Frameworks zu geben – teilweise sind es lediglich Forks, an anderer Stelle verschiedene Implementierungen eines Standards (z.B. JSF). So geht die gesamte Technologie-Entwicklung in die Breite und die Bandbreite von Experten für Framework X auskennen sich zusehends.

Weiter überholen sich diese Frameworks in der Entwicklung gerne selbst. Da heute die Release-Zyklen deutlich kürzer zu sein scheinen als noch vor Hausnummer 10 Jahren, ist die verfügbare Zeit für die tiefe Einarbeitung in ein Framework immer weniger gegeben.

Schließlich kommt noch dazu, dass viele Frameworks sich bereits auf einem hohen Abstraktions-Niveau befinden. Im Sinne der Verwendbarkeit wird daher ausgeblendet, welche Prozesse im Hintergrund ablaufen. Während diese Abstraktionen hilfreich sind, ein Software-System rasch aufzubauen und damit Zeit und Geld zu sparen, bleiben die Quereinsteiger mangels Hintergrundwissen bei den ersten Komplikationen “unter der Haube” zwangsweise auf der Strecke.

Ich bin der Überzeugung, dass ein Software-Entwickler nicht die Chance hat, für mehr als ein Framework zum Experten zu werden. Es bedarf sehr viel Praxis, “Trial and Error” und am-Zahn-der-Zeit bleiben, um diesen Status zu verteidigen. Sobald sich ein Experte einem anderen Feld zuwendet, um dort Expertise zu erarbeiten, wird er in seinem ehemaligen Feld der Expertise die Neuerungen verpassen und trotz Hintergrundwissen bald nicht mehr für alle Probleme als Ansprechperson geeignet sein.


Haxe
22.9.2011 10:11
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Moin,

ich stimme vollkommen zu, möchte aber mal nur der Vollständigkeit halber ein Gegenbeispiel bringen:

Eines der besten Bücher über eine Programmiersprache, das ich in den letzten Jahren gesehen habe, ist das Buch über XSLT 2.0 von Galileo Computing. Es ist ziemlich dick (gut 1000 Seiten), aber der weitaus größte Teil davon ist eine sehr nützliche Referenz zum Nachschlagen, die man sowieso niemals linear liest. Das Buch hat auch einen linearen Einführungsteil mit den berüchtigten Beispielanwendungen, aber der ist relativ kurz. Und schon in dem Einführungsteil wird penibel auf die Verwendung der in dem Kontext formal richtigen “Vokabeln” geachtet, auch auf die Gefahr hin, einen Anfänger damit manchmal noch zu verwirren.

Früher dachte ich, das ganze XML-Thema (und damit zwangsläufig auch XSLT) wäre wischiwaschi. Seit ich dieses Buch gesehen habe, verstehe ich, dass man da durchaus auch wie ein “echter Informatiker” herangehen kann.


Asd
22.9.2011 11:22
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Ich bin Ösi, deswegen; es ist schon das Wintersemester. Wir machen das aber schon mit Hintergründen, Bedeutungen und verdeutlichen halt jede neue gelernte Sache (zuletzt waren beispielsweise die drei Arten von Schleifen dran) mit einem oder mit mehreren Beispielen. Zwar würde es auch ohne Beispiel verstanden werden, aber bei (für uns Erstsemestrige) komplexen Schleifen ist es dann doch schön, wenn man einen Beispielcode (oder mehrere) an der Tafel Zeile für Zeile durchbespricht. Aber vielleicht ist das auch die falsche Methode, ich weiß es ja nicht…


der andere Andreas
22.9.2011 12:58
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kann nicht bestätigen, dass diese probleme die literatur besonders einsteigerfreundlich machen.

die kurzen technischen erklärungen helfen dem laien nicht mit der vorliegenden sprache irgndne ausgabe zu erzeugen und die aus der technik ergebenden probleme kann er sich nicht selber herleiten…

dazu kommen dann meist viel zu große und viel zu komplizierte beispiele, bei denen dann besonderer wert auf komplexe inhaltliche logik gelegt wird, wobei die eigentlichen probleme wie syntax untergehen.
es fehlt vorallem an der rückabstraktion des beispiels auf die eigentliche problemstellung der sprache. der anfänger kann dann zwar das tolle script abschreiben aber kein eigenes zu seinem problem schreiben.

in nem anfänger buch zu ruby gabs mal nen 100zeiliges beispiel wie man ne klasse schreibt…

wikipedia is da deutlich besser:
class Auto
def beschleunigen
puts “brumm brumm brumm”
end
end

auto1 = Auto.new
auto1.beschleunigen

Ausgabe:

brumm brumm brumm

kurz, übersichtlich, nachvollziehbar… kriegen die meisten autoren nicht hin…


quarc
22.9.2011 21:18
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> * Ist es der harte Wettbewerb, in dem nicht mehr der die Bücher verkauft,
> der die besten hat, sondern der sie zuerst auf den Markt wirft?
> * Oder sind es die Kunden, die sowas verstärkt kaufen?

Eine Kombination aus diesen beiden Punkten halte ich für wahrscheinlich.
Der Trend bei Lesern geht zum “vorgekochten”. Man hat dem Publikum jahrelang
vorgegaukelt, gute Erklärungen müssten sofort und intuitiv verständlich sein.
Eine strukturierte Darlegung von Konzepten und Grundlagen, die dieser Erwartung
meist nicht entspricht, wird nicht mehr gewünscht. Dementsprechend ist auch nur
noch bei wenigen Lesern das Bedürfnis erhalten, sich zu einem Thema vielleicht
noch mal ein zweites Buch anzuschaffen.

Hinzu kommt auch noch ein weiteres Element: das Universitätssystem in den USA
ist extrem textbuchgläubig. Wenn ein Verlag ein Buch durchbringen will, braucht
er nicht die Leser (i.e. Studenten) zu überzeugen, sondern nur die Leute, die
das betreffende Buch als Textbuch für eine entsprechende Vorlesung aussuchen.
Prinzip der “captive audience”. Auf diese Art und Weise kommt es auch zu den
berüchtigten und weitgehend nutzlosen “Calculus” Monsterbüchern, die man
bestenfalls als Türstopper oder Briefbeschwerer nutzen kann.

>[…]
> Ein Informatikstudent in den unteren Semestern hat mir neulich erzählt,
> daß ihre Mathevorlesungen nach diesem Schema laufen. Da steht ein
> Privatdozent vorne, rechnet Musterlösungen und behauptet, wie trivial
> und einfach das doch alles wäre (um sich selbst hochzupreisen), aber
> kann nicht ansatzweise erklären, wie man auf diese Lösung kommt oder wie
> man Aufgaben angeht.

Da würde ich bei dem Studenten noch mal nachfragen, ob er da nicht was
verwechselt hat. Solche “Hörsaalübungen” sind mir ausschließlich bei
Ingenieuren begegnet. Sowohl bei Mathematikern als auch bei Informatikern
wurde so etwas von den Studenten selbst in kleineren Übungsgruppen vorgetragen,
und die Vorlesungen waren für so etwas nicht gedacht. Musterlösungen waren
zumindest im Fachbereich Mathematik unbekannt (wie soll jemand Lösungen
korrigieren, wenn er nicht zuvor die Aufgabe selbst gelöst hat und somit um
die spezifischen Schwierigkeiten weiß?). Informatikern würde ich so etwas
allerdings zutrauen, weil sie ihre Hilfskräfte anders auswählen.

Falls die Beschreibung des Studenten doch stimmt, bietet sich vielleicht ein
Wechsel der Uni an.


John
23.9.2011 0:30
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@quarc: Wie findet man dann z.B. nützliche Calculus-Bücher?

Kurzum wie unterscheidet man am besten Mist von Perlen?


Alex
23.9.2011 1:23
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Normalerweise gibt der Dozent am Anfang der Vorlesung eine Literaturliste.
Für Mathematik könnte das etwa lauten:
Analysis 1 (Autor1)
… (Autor5)
In der Informatik wohl noch “für Ingenieure”.

Die Bücher taugen letztlich alle, und es ist Aufgabe des Studenten dasjenige auszuwählen, dass ihm am ehesten zusagt (gibt ja gewaltige Unterschiede im Schreibstil)

Auch der beliebte “Calculus” (Zugang zur Differential- und Integralrechnung) nach amerikanischem Konzept ist durchaus nutzbar.
Liegt aber eher im Anforderungsprofil Oberstufe/Niedere Naturwissenschaften

Ich bin noch über kein Mathematikanfängerbuch gefunden, dass ich als unbrauchbar einordnen würde.


Hadmut
23.9.2011 1:29
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@Alex: Das heißt, der Student muß alles selbst, der Dozent dagegen nichts können? Wofür hält man dann überhaupt Vorlesungen?


Florian K.
23.9.2011 3:05
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Auch ich habe dieses Jahr ein Informatik-Studium mit dem Sommersemester begonnen. Es ist wirklich nur davon abzuraten, weil der Einstieg auf diese Weise völlig unsystematisch erfolgt. Natürlich ist das Lehrpesonal oftmals auch unmotiviert, für die Minderheit der Erstsemester die vorausgesetzten Grundlagen aufzuwärmen.

Aber zum Hauptthema: Es ist geradezu eine Zumutung, dass man inzwischen teilweise 2-3 Bücher zu einer Programmiersprache parallel durcharbeiten muss, um einen soliden Überblick zu erhalten, der nicht durch den Autoren-Stil verpfuscht wird. Wesentlich stört, wie Du schon festgestellt hast, dass man oftmals nicht erkennen kann, ob ein Ausdruck jetzt so aussehen muss, wie er präsentiert wird, oder ob der Autor nur einen Hang zu kryptischen Abkürzungen pflegt. Wie viele Anfänger wohl überhaupt verstehen, dass ein Dateizeiger nicht zwingend fp heißen muss? Ich bin pessimistisch.

Eine weitere Unart ist der ziemlich neue Trend, weniger generell auf das Coding per Hand sondern vielmehr auf die automatische Generierung durch IDEs einzugehen. Neulich beim Vergleich von zwei Ausgaben von “Java ist auch eine Insel” drauf gestoßen (speziell im Bereich GUI), was dort verschlimmbessert wurde. Mich traf fast der Schlag.


Hallo Hadmut

als einer der Autoren eines deutschen Railsbuches fühle ich mich ja direkt ein wenig angesprochen von Deiner Kritik an IT Fachbüchern.

Ich glaube dass Deine Thesen einige der Gründe treffen, die zu seichteren Büchern führen. Aus eigener Erfahrung mit dem Buch über Rails 2 kann ich folgendes sagen:

Ein Buch zu schreiben dauert mal ein gutes Jahr (wenn man es, wie ich, am Abend und Wochenende macht). In dieser Zeit hat sich das Framework weiterentwickelt (und damit ist geich mal ein grosser Teil des geschriebenen Makulatur geworden). Es ist sehr schwierig, ständig am Ball zu bleiben, und jede Änderung nachzuziehen. Das mag zum Teil auch erklären (@subito) wieso Beispiele nicht mehr funktionieren. (Das liegt aber auch daran, dass der Produktionsprozess eines Buches eine Katastrophe ist: Geschrieben wird (am liebsten) in Word, Korrekturen werden erst in Word und später im Prozess von Hand gemacht (auf den Korrekturfahnen) – und diese Korrekturen fliessen natürlich nicht immer zurück in den Text. Listings automatisch einbinden – Fehlanzeige. Ich hatte vor, eine Neuauflage meines Buches zu machen und dieses dann vernünftig zu schreiben (d.h. in ASCII und unter Versionskontrolle) – das war schon ein rechter Kampf mit dem Verlag…

Dann kommen auch die Verlage, die keine wirklichen Fachbücher wollen: Ich hätte gerne ein vertiefendes Buch geschrieben, aber der Verlag bestand auf Einführungskapitel (in Rails, in Ruby und in die Installation – und selbstverständlich mit Fokus auf Windows Benutzer)

Rückblickend: Ein IT Fachbuch zu schreiben ist eine extrem undankbare Aufgabe: Kaum Feedback während des Schreibens (Technische Editoren, wie sie bei US Verlagen scheinbar üblich sind, gibt es nicht; Feedback vom Verlag ist eher: Wie weit sind sie, wann können wir mit dem Buch rechnen). Das schreiben ist einsam und man rennt der Entwicklung hinterher. Sich einarbeiten in spezifische Thematiken kostet unglaublich viel Zeit (und ja, ich habe diese Zeit investiert, weil ich finde, dass ein Buch einen höheren “Wahrheitsgehalt” haben sollte, als ein Artikel oder ein Blogpost), das Aufbereiten der Thematik ist nicht einfach, eine “Stimme” zu finden, in der man 600 Seiten schreiben kann ebenfalls nicht (man schreibt dann zum Beipiel die zuerst geschriebenen Kapitel wieder um), etc. etc.

Vom finanziellen Ertrag brauchen wir gar nicht erst zu reden… Was meinst Du, wieviel Exemplare verkauft ein “erfolgreiches IT Fachbuch” im deutschsprachigen Raum?


Hadmut
23.9.2011 12:32
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@Jens-Christian Fischer: Volle Zustimmung, danke für den Kommentar.

Das macht’s aber eben nicht besser. Und zeigt wieder einmal, daß die Verlage in Deutschland nicht förderlich, sondern die Wurzel des Übels sind. Gerade im Wissenschaftsbereich richten die viel Schaden an und zocken viel Geld ab. Und viele Bücher sind eben nicht von den Autoren, sondern von den Verlagen verhunzt.

Es mag ja auch sein, daß ein „erfolgreiches deutsches IT Fachbuch” nicht genug abwirft, um eine wirklich gute Produktion zu finanzieren. Aber das ist doch die Krux, weil jeder Verlag da mitmachen will. Die insgesamt zu Themen wie Rails verkauften Bücher würden das durchaus tragen. Erst wenn man den Gesamtbedarf durch die Zahl der Verlage dividiert, die mitmachen wollen, kommt am Ende nichts wirklich gutes mehr heraus.

In dieser Hinsicht hoffe ich zumindest im Wissenschaftsbereich, daß sich die Verlage bald erledigt haben. Beim heutigen Stand der Technik sollte man eigentlich Verlage nicht mehr benötigen.

Freilich ist mir klar, daß viel gute Literatur darauf beruht, daß Verlage das Geld vorschießen oder quersubventionieren, weil sich der Autor allein das nicht mehr leisten kann. Nur gibt es diese Verlagsehre auch nicht mehr. Heute zählt da ja nur noch der Kommerz und die Vorgaben von Lektoren, die zu wenig Ahnung haben.

Ich fände es in solchen Fällen besser, wenn der Autor sein Buch für sich allein schreibt, wie er es für richtig hält, und dann elektronisch direkt über Internet oder über Internet-Bestellung und onDemand-Druck kauft. Das wäre heute technisch möglich. Verlage sind eigentlich in der Produktionskette nicht mehr notwendig und nicht mehr von Nutzen.


Florian Rieger
23.9.2011 12:02
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@Jens-Christian Fischer:

Zur Einleitung ein Zitat aus “C entpackt” von Herbert Schildt, MITP-Verlag, Thema “Funktionszeiger”:

“Sie fragen sich vielleicht, warum jemand ein Programm auf diese Weise schreiben sollte. Offensichtlich wird im obigen Beispiel nichts dadurch gewonnen, sondern eher Verwirrung gestiftet.”

Eine didaktische Katastrophe – aber wenigstens ehrlich…

Es hat ja niemand behauptet, dass es einfach sei, ein Fachbuch zu schreiben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es viele Fachbuchautoren nicht leicht mit den Lektoren des Verlages haben, die möglicherweise gar keine tieferen Kenntnisse der Materie, dafür aber eine umso stärkere Meinung haben.

Aber das entschuldigt doch nicht, dass absichtlich verwirrende Beispiele angeführt werden, von denen der Autor genau weiß, dass sie in der Praxis so bei normal denkenden Programmierern nie vorkommen würden.

Das ist eine Frage der Sorgfalt. Und Sorgfalt erwarte ich als Kunde von einem Autor, wenn ich 30 bis 70 EUR für ein Buch ausgeben soll. Ich erwarte das auch und gerade bei Büchern für Einsteiger, die einen ersten Einblick vermitteln sollen, wie z.B. die “Für-Dummies-Serie”.


Alex
23.9.2011 13:59
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@hadmut Ich hab fast das Gefühl, dass Du mich absichtlich falsch verstanden hast;
Der Dozent gibt eine Auswahl an Büchern, die gut sind und zu seiner Vorlesung passen.
Welches (davon) dem Studenten am besten gefällt, ist seine Entscheidung;
Beispiel:
Bei mir wurde damals auch zB Heuser Analysis empfohlen – für mich ein unmögliches Buch, weil viel viel zuviel “gelaber” – anderen Mitstudenten hat das aber gut gepasst.

@Jens-Christian
Ich hatte immer erwartet, dass ernsthafte Verlage LaTeX als Eingang akzeptieren – und das ist doch wie geschaffen für gerade Beispiele und automatisiertem testen


Hadmut
23.9.2011 14:38
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@Alex: Das ist Wunschdenken, aber nicht Realität. Ich habe Dich schon verstanden, aber halte Deine Sichtweise eben nicht für mit meinen Erfahrungen übereinstimmend.

Meistens gibt der Dozent auch nicht die Bücher an, die gut passen, sondern höchstens die, aus denen er abgeschrieben hat oder an denen er verdient.

Und die wesentliche Frage ist eben, ob die Vorlesung der Kern der Ausbildung sein soll und die Bücher nur begleitend, oder ob das Selbststudium per Buch der Kern und der Student selbständig sein soll.

Letztere Ansicht kann man durchaus vertreten (und so habe ich auch weit überwiegend studiert). Nur: Wozu soll dann der Hokus-Pokus mit schlechten Vorlesungen überhaupt noch gut sein? Warum tun wir dann noch so, als würden die Universitäten Leute ausbilden, wenn wir doch hinter der Fassade erwarten, daß die sich selbst ausbilden?


@Florian – ich kann Deinen Ärger nachvollziehen – und finde das tatsächlich auch unglücklich, ein solches Beispiel zu wählen. Und wegen den 30 – 70 Euro die Du für’s Buch bezahlst: Davon bleiben gleich mal die Hälfte beim Buchhändler deines Vertrauens hängen (Bei Amazon noch ein paar Prozent mehr)

@Hadmut – Auch Deine Kritik an den Verlagen ist berechtigt. Dass es besser (und erfolgreicher) gehen kann, als in einem deutschen Verlag zeigt das Beispiel der Pragmatic Programmers. Wenn ich an die Diskussionen zurückdenke, die ich mit dem Verlag über eBooks hatte… Da prallen Welten aufeinander! Es scheint, die Verlage (in D) haben Aktien in Papierfabriken. EBooks höchst ungern (etwa dann, wenn die Papierversion vergriffen ist) und dann natürlich zum gleichen Preis wie das Papier Buch auf CD gebrannt. Don’t get me started – ich hab da genügend Nerven verloren.


Hadmut
23.9.2011 14:45
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@Jens-Christian Fischer: Das ist doch aber mal ein prächtiger Aufhänger für ein schönes Thema.

In meinem anderen Blog habe ich ja schon öfters darüber geschrieben, daß ich im Wissenschaftsbereich die Verlage am liebsten abschaffen würde und sie für eine Quelle des meisten Übels halte. (Siehe beispielsweise hier.)

Im außerwissenschaftlichen Bereich scheint das ja nun auch nicht viel besser zu sein (und ich habe da selbst ganz schlechte Erfahrungen damit gemacht, Adele als Buch verkaufen zu wollen, es deshalb einfach für umme auf den Server gelegt).

Generell waren Verlage (ebenso wie Platten-Labels, die ja ebenfalls in der Kritik stehen) nur nötig, weil es früher nicht anders ging. Mit dem heutigen technischen Fortschritt sind sie obsolet geworden.

Also muß das Ziel doch lauten, eine Infrastruktur zu schaffen, bei der die Verlage nicht mehr in der Kette vorkommen und ein Direktvertrieb vom Autor zum Kunden oder über Großhändler und Digitalverbreiter wie Amazon, Apple usw. sowie on-Demand-Druckereien stattfinden kann, die eben nicht gleich ein paar Tausend Bücher drucken und in die Lager und die Buchhandlungen legen (und damit totes Kapital erzeugen), sondern die auch mal damit klarkommen, von einem Buch nur 20 Exemplare auf Vorrat zu drucken. Da heute ja digital und nicht mehr mit geätzten Platten gedruckt wird, wäre sowas ja möglich.


yasar
23.9.2011 17:23
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Warum Vorlesungen, wenn man alles aus Büchern lernen kann?

Also ich habe damals, vor allem im Vordiplom mir vieles aus dem “Begleitmaterial” erarbeitet und manche Vorlesungen nur ab und zu besucht, um zu schauen, ob der Dozent auch das unterichtet, was ich mir erarbeite.

Andererseits haben mir einige Vorlesungen als schlechtes Beispiel gedinet, wie man es nicht machen sollte, als ich viel später an der BA-Mannheim selber welcher abgehalten habe.

Es gab später im Hauptdiplom die ein oder andere Vorlesung mit deutlich unter 20 Teilnehmern, in der man auch ausgiebig mit dem Dozenten diskutieren, Ideen austauschen und auch etwas lernen konnte. Leider viel zu selten.


Stefan
25.9.2011 11:26
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Es gibt schon noch gute (informative und lesbare) Fachbücher, auch zu Frameworks zB “Wicket in Action”.

Aber ich kaufe nur mehr selten Fachbücher. Für das, was sie kosten (selbst auf Englisch) bringen sie mir meist zuwenig im Vergleich zu online verfügbaren Informationen.


Asd
25.9.2011 12:29
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Das mache ich auch so, in manchen Vorlesungen überprüfe ich nur, ob ich zuhause das richtige lerne. Das liegt hauptsächlich daran, dass diese Dozenten schrecklich langweilig sind und ich mich einfach nicht konzentrieren kann, wenn das entweder schlecht erklärt oder in einem Schneckentempo erklärt wird (oder beides zusammen).

Da ist es dann deutlich weniger zeitaufwändig, mit einem heißen Kakao im Bett mit Laptop am Schoß ein PDF durchzuarbeiten…


Dennis
26.9.2011 8:56
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quarc
26.9.2011 20:26
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@John:
> Wie findet man dann z.B. nützliche Calculus-Bücher?
> Kurzum wie unterscheidet man am besten Mist von Perlen?

Speziell für Calculus befürchte ich, dass es keine brauchbaren Bücher gibt,
kenne aber selbst zu wenig Bücher, weil ich das nie aus Büchern lernen musste.
Im deutschen System gibt es keine solche Vorlesung und der entsprechende
Stoff (wenn man ihm überhaupt begegnet) kommt nur im Schulunterricht und in
manchen Anfängervorlesungen vor. Erstmals habe ich diese Calculusmonsterbücher
als TA in den USA kennengelernt, wo sie den Studenten vorgeschrieben waren;
freiwillig hätte sich so etwas niemand gekauft. Meiner Ansicht sollte ein
Lehrbuch auch zum selbstlernen geeignet sein, und diese Bücher sind es nicht
(darin gleichen sie deutschen Schulbüchern).

Ich will mal beispielhaft eines beschreiben:

– großformatig, etwa 35 cm x 20 cm.
– ca. 1200 Seiten.
– auf stark reflektierendem Hochglanzpapier gedruckt.
– kein Stichwortverzeichnis, keine Literaturangaben.
– kaum vernünftige Beweise.
– ein Wirrwar von eingestreuten Anekdoten, BASIC(!) Programmen, bunten Bildern.
– Preis (vor ca 15 Jahren) $70.
(zum Vergleich: Haaser/Sullivan, Real Analysis habe ich (als Dover Edition)
damals für $9.95 gekauft und selbst Springer machte seine Bücher nicht derart
teuer)

dazu gab es noch obskure “teacher manuals” und “solution manuals”.
Man merkt bereits an obigen Äußerlichkeiten, dass solche Bücher überhaupt nur
wegen dieses Textbuchzwangs existieren, der in Deutschland zum Glück fehlt.
Dieser Textbuchzwang sorgt auch für immer neue Auflagen mit nur leichten
Änderungen, damit die Studenten das auch _kaufen_ und nicht einfach weitervererben.
Interessanterweise hatte ich einen Wohnungsnachbar (der vermutlich einzige
Mensch, der _zweimal_ um Alan Ginsberg herumgetanzt ist), der noch eine frühe
Auflage des gleichen Buches aus den 60er Jahre hatte. Dieses Exemplar war gar
nicht so schlimm, es hatte wenigstens ein tragbares Format, ca. 300 Seiten,
vernünftiges Papier, war vermutlich billiger und hatte sich auf den eigentlichen
Stoff beschränkt.

Generell würde ich empfehlen, erst einmal in der Bibliothek zu stöbern
und zu schauen, ob einem ein Buch zusagt. Zumindest in der Mathematik
veralten gute Bücher auch nicht so schnell; in anderen Fächern ist es
natürlich, insbesondere bei Referenzbüchern, anders.

Selbst habe ich erst gegen Ende meines Studiums zaghaft damit begonnen, mir
das eine oder andere Buch tatsächlich zu kaufen, sofern der Preis vertretbar
war, oft nachdem ich es nach langem Gebrauch bereits zu schätzen wusste.

Insgesamt war meine Erfahrung, dass man sich zu Anfang des Studiums keine
Sorgen um die Auswahl von Lehrbüchern machen brauchte. Die Vorlesungsmitschrift
reichte meist aus. Da die Dozenten die Vorlesungen selbst zusammenstellten
gab es auch kein kanonisches Lehrbuch, dass der Vorlesung zugeordnet werden
konnte. Natürlich habe ich auch in der Bibliothek in Bücher geschaut, die
“Algebra” oder “Analysis” im Titel führten, aber das war mehr Neugier als
Notwendigkeit. Diese Neugier ist natürlich sinnvoll und wichtig, weil für
Mathematiker die Bibliothek so wichtig ist, wie für andere das Labor oder der
Rechner — aber besondere Ängste sind unnötig.

Leider wird der hierfür nutzbare zeitliche Freiraum den Studenten durch das
Bulimielernen nach Bologner Art nunmehr genommen. Schade.