Kein Salat zur Pferdelende
Noch ein Grund, warum ich das Oktoberfest nicht mag.
Nein, ich mag das Oktoberfest nicht. Überhaupt nicht. Und bin dabei auch nicht allein. Manche nennen es schon „Trachtenterror”.
Ich mußte schon zweimal zwangsweise, dienstlich sozusagen, auf das Oktoberfest, so im Bierzelt bis zum Ende am Abend. Schrecklich. Ganz schrecklich. Besoffene, laute, stinkende Leute, meistens aufdringlich, günstigstensfalls bewußtlos, schlimmstenfalls aggressiv. Alles überteuert, alles laut, alles stinkt, und dann ständig dieses Rumgehoppel auf den Bänken. Ein Prosit, ein Prosit, der … Umsatzsteigerung. Mit Gemütlichkeit hat’s nämlich nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun.
Gut, jede Menge Frauen im Dirndl. Unglaublich viele Frauen im Dirndl. Extrem viele Frauen im Dirndl, manche mit extrem viel im Dirndl. Ungefähr ein Drittel der Frauen im Dirndl sieht sogar gut aus. Ein weiteres Drittel der Frauen im Dirndl hat eigentlich kein Dirndl, sondern irgendeine Katastrophe an. Der wohlwollende Fach-Euphemismus dafür lautet „Wies’n-Fasching”. Männer in Lederhosen kommen nicht auf ein Drittel, das gut aussehen würde. Dafür ist deren Anteil an „echten” viel höher. Die S-Bahn ist voll von Leuten in Trachten. Frauen fachsimpeln unentwegt über Dirndl, beispielsweise daß man auf keinen Fall mehr ab- oder zunehmen dürfte, wenn man endlich eins gefunden hat, das gut paßt. Und um ihr Gewicht exakt zu halten, gehen sie aufs Oktoberfest. Bier und Schweinshaxen oder so.
Letztlich ist es nur ein großes Besäufnis. Irgendwo im Internet gab’s eine Bildergallerie über Leute, die auf dem Oktoberfest (im besseren Fall) irgendwo hinkotzen oder (im schlechteren Fall) in ihrer Kotze rumliegen. Gestern haben sie wohl wieder einen in der U-Bahn überfahren, der im Suff auf die Gleise gefallen war. 23 ist er geworden, wenn ich mich richtig an den Zeitungsartikel erinnere. Ich hab schon um die Mittagszeit Leute gesehen, die nicht mehr alleine stehen konnten. Oans, Zwoa, Gsuffa!
Nein, ich mag das Oktoberfest nicht. Das heißt, die Freßstände draußen im Freien, die sind eigentlich in Ordnung. Was Leckeres zu essen gibt es da schon.
Und weil ich anscheinend nicht der einzige bin, dem das auf die Nerven geht, haben sie die Oide Wiesn neu aufgelegt, die es letztes Jahr wohl aus irgendeinem Jubiläum heraus gab, die aber soviel Zuspruch hatte, daß sie sie wieder gemacht haben. So die altmodische Art mit altem Karussel und Schiffsschaukeln, aber ohne Besoffene.
Die Tage war ich in München unterwegs, was besorgen. Bekam Hunger. Und war in der Nähe des Oktoberfests. Nun, dachte ich mir, gehe ich mal zu den Freßständen und bei der Gelegenheit mal diese Oide Wiesn anschauen.
Vor einiger Zeit hab ich mal auf den Oktoberfest einen leckeren gebratenen Putenspieß gegessen, aber nicht wieder gefunden. Jede Menge Freßstände, diesmal aber nur fettes Einerlei. Alles so über-deftig. Schweinsbratwürste und so. Ess ich eigentlich sogar gern, hat mich aber an dem Tag überhaupt nicht angemacht.
Plötzlich fällt mir ein Schild auf. Pferdelende, mit lecker Kräuterbutter und so. Im Brötchen.
Pferdelende?
Da fällt mir auf, daß ich schon die seltsamsten Viecher gefressen habe, Kamel, Krokodil, Känguruh, Emu, Strauß, Hai, Schlange, diverse Insekten, aber eigentlich noch nie Pferd. Warum eigentlich nicht?
Gut, bietet sich jetzt nicht so direkt als Delikatesse an, taugt typischerweise nicht als Leckerchen. Aber wenn man eine Kuh fressen kann, warum dann nicht auch ein Pferd? Und seien wir doch mal ehrlich: Es ist auch nicht weniger appetitlich als Kamel. Probieren wollt ich es dann doch mal, zumal man mir versicherte, daß es zum magersten Fleisch überhaupt gehöre, nur 6% Fett. Also gut, ich probier so ein Ding.
War nicht schlecht. So aus den Socken gerissen hat’s mich jetzt nicht, aber war OK. Wobei ich mir nicht sicher bin, welchen Anteil daran das Pferd und wieviel die Marinade oder Kräuterbutter oder was das da war hatte. War auch nicht zäh. Kann man essen. Nur einfach so in ein trockenes einfaches Baguettebrötchen – pardon: Semmel – gelegt, das war irgendwie nichts. Da fehlte einfach noch was.
Man hatte mich gebeten, den Teller zurückzubringen. Als ich das tat, erkundigte man sich fürsorglich, wie es mir denn geschmeckt hätte. (Offenkundig haben sie nicht allzuviele davon verkauft, so daß man in den Genuß der Einzelbetreuung kam.) Nun, sagte ich, schlecht war’s nicht, hat geschmeckt, aber kam etwas trocken und einseitig rüber. Da hätte unbedingt etwas Salat dazu gehört.
Oh, sagten die mir, wenn sie könnten wie sie wollten, würden sie das auch ganz anders servieren und freilich Salat dazugeben, der da natürlich dazugehörte. Aber dies sei nun mal das Münchner Oktoberfest, und da gebe es Tausende von harten Vorschriften. Und diese Vorschriften würden es ihnen unter anderem verbieten, Salat zur Pferdelende zu verkaufen. Kein Salat am Stand.
Ein Punkt mehr, warum ich das Oktoberfest nicht leiden kann. Da tun sie immer so, als könnte man in Bayern so gut essen. Und dann verbieten sie es, Salat zur Pferdelende zu reichen.
Kein Wunder, daß die sich alle besaufen gehen. Und das Pferd hätt’s auch nicht mehr gestört…
22 Kommentare (RSS-Feed)
Paragraph 68 in obigem Dokument (Speziell Punkt 7) ist der relevante.
Ich war schon zweimal zum Oktoberfest und habe dabei festgestellt, dass man es nüchtern mit Sicherheit nicht ertragen kann.
Die Gründe dafür hast du selbst schon genannt.
Es soll wohl auch in Rosenheim eine Art zweite Wiesn geben welche richtig gut sein soll. Ich arbeite bald in München, vieleicht schaue ich mir das spätestens nächstes Jahr mal an.
Zum Thema essen. Meine Devise ist: “Es bewegt sich, das kann man essen” 🙂 Pferd steht auch noch auf meiner “Hab ich noch nicht gegessen”-Liste.
Ich würde wahrscheinlich sogar mal Hund und Katze probieren wenn ich das irgendwo bekomme wo es normal ist so etwas zu essen. Ich habe selbst Hund und Katze und würde die mit Sicherheit niemals verspeisen. Marlene, mein Hund liegt grad neben mir und schielt mich komisch an ;).
Viele verstehen diese Einstellung nicht. Aber ich sage mir, wenn wir Schweine und Kühe aus der Massentierhaltung essen können, warum soll in einer anderen Kultur dann jemand keine Hunde oder sonst was für Viehzeug essen.
Mir hat mal meine Großmutter erzählt, dass in Kriegszeiten es fast normal war “Dachhase” zu essen. War lecker meinte sie. Sicher musste auch der ein oder andere Hund dran glauben.
Grandios! Wär fast ab meinem Marmelade-Toast erstickt…
“Trachtenterror” ist das falsche Wort, denn mit “Tracht”, also regional-traditioneller Kleidung, haben die meisten der zur Schau gestellten Fetzen absolut nichts zu tun. Das Oktoberfest ist eher eine Mischung aus Großbesäufnis und Disneyland geworden.
Unabhängig davon empfehle ich Gerhard Polt, “Oktoberfest – Der Nobelpreisträger”:
@Mario P.: Das Wort habe nicht ich erfunden, das geht hier gerade so rum.
@John
Ich denke nicht, dass dein Hinweis zutrifft, denn dann dürften die ja noch nicht mal das Fleisch verkaufen:
§ 68 Seuchen- und Hygienerecht
… Gesundheitsbescheinigung für …
1. Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
…
7. Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Majonäsen, andere emulgierte Saucen, Nahrungshilfen
Ich glaube der Aufwand, Salate und Fleisch getrennt lagern zu müssen ist wohl eher zu groß:
§ 70 Lebensmittelzubereitung
Eine gegenseitige nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln bei der Lagerung ist auszuschließen (z.B. durch Gerüche von Fischwaren, Keime von Geflügel oder von Obst/Gemüse).
Ich glaube nicht, dass es generelle/amtliche Verbote gibt zu Pferdefleisch keinen Salat zu reichen (es sei denn der Salat geht erst einmal durchs Pferd (; )
Mathias
Pferd kann man heutzutage leider nur noch sehr selten kaufen. Einmal im Jahr mach ich Sauerbraten für die Familie, da nehme ich Pferd, denn es gibt dafür einfach nix besseres.
Bei Interesse auf den lokalen Wochenmärkten umschauen, ab und zu ist ein Stand dabei, der Pferd im Angebot hat. In Dresden z.B. freitags auf der Lingnerallee.
Naja, so doll, daß ich es zur regelmäßigen Leibspeise machen würde, war’s jetzt auch nicht. Und zu teuer.
Aber Sauerbraten kann ich mir bei dem charakteristischen Eigengeschmack und der Konsistenz wirklich sehr gut vorstellen, das sollte wirklich sehr gut passen.
@Mathias
Das getrennt Lagern wird auch zum Teil schwer übertrieben. Wenn geschlossene Boxen im gleichen Kühlschrank nicht mehr getrennt genug sind und es getrennte Kühlschränke sein müssen, wird es richtig aufwändig.
Das liegt natürlich im Ermessen des Kontrolleurs. Als Standbetreiber darfst du also abschätzen, ob etwas “Geriebenes” hilft oder eher nicht.
@Knut: “gerieben” im Sinne für “geschmiert”? 😉
Stelle mir gerade einen “Salat” für den Kontrolleur vor, aber die Euroscheine eignen sich dafür nicht wirklich: Rotkohl (€10) ginge ja noch, aber grün wirds erst mit 100’er Scheinen. Der Rest schaut ja von der Farbe her nicht wirklich gesund und frisch aus. Bleibt dann wohl beim “kleinen Gemischten” dazu …
Sorry, wegen der Irrelevanz dieses Beitrags, aber der mußte raus …
MAthias
Ja, das Übliche Thema WKD. Auch Vereine haben immer wieder damit zu
kämpfen.
Das Fleich wird üblicherweise vakuumverpackt angeliefert. Das Gemüse für den Salat ist üblicherweise auch in getrennten geschlossenen “Tupperdosen”. Trotzdem müssen die Dinger in verschiedenen Kühlschränken lagern.
Das ist manchmal wirklich nicht einfach.
Daher tippe ich auch, daß die schlicht kein Platz zum Lagern des Salates haben und daher das auf dem Oktoberfest nicht mit anbieten können.
@Matthias:
Bei näherer Betrachtung des ganzen Dokuments hab ich keinen anderen Paragraphen gefunden, der sich direkt mit einem Salatverbot beschäftigt.
Kreuzkontamination ist wahrscheinlich der naheliegendste Grund.
Kein Salat zum Oktoberfest… warum so was? Und extra dafür einen solchen Gesetzesband (Gedichtband^^) ausarbeiten?
PS: Vom Pferd kenn ich eigentlich nur Pferdesalami.
Pferdefleisch? Aber hallo, das Beste was es gibt. In der Westschweiz in fast jedem Restaurant zu finden. Mal nach “steak de poulain” auf der Karte suchen, eine Delikatesse. Bei mir in der Gegend gab es nur ein (sehr gutes) Restaurant, was kein Pferdefleisch auf der Karte hatte. Kann man verstehen, der Besitzer war an einem Reiterhof beteiligt. 🙂
Leider liegt die Qualität der unterschiedlichen Pferdemetzger zum Teil sehr weit auseinander.
Unser Haus-und-Hof Pferdemetzger musste schließen, als die Seniorchefin den Betrieb übergeben hat, weil die sich die Investitionen für eine Komplettrenovierung der Metzgerei nicht leisten konnten. Bei dem gab es richtig klasse Fleisch (vor allem das Filet hat echt seinesgleichen gesucht) und auch die Würste, die der gemacht hat waren grandios.
Einmal gab es sogar Pony 🙂 Das war echt der Knaller.
Als die geschlossen haben, hab ich es mal mit dem Pferdemetzger auf dem Viktualienmarkt probiert und war schon von der Produktauswahl und auch der Qualität echt enttäuscht.
Ich schau da aber auf alle Fälle mal wieder hin, vielleicht hatten die einfach einen schlechten Tag.
Ich denke einen zu finden ist der Knackpunkt. Viele Leute essen kein Pferdefleisch, weil sie einfach noch nie wirklich gutes bekommen haben.
@Christian Sädtler
Frag deine Großmutter mal, ob sie Hundeschmalz kennt 🙂
Ich hatte beim Taxifahren mal einen Fahrgast, der hat mir erzählt, dass es im Ort früher (also vor dem Krieg) einen Hundemetzger gab, zu dem konnte man Waldi bringen und sich dann einen Tiegel Schmalz mitnehmen. Angeblich sehr gut bei Gelenkschmerzen…
Gerade weil der Alkohol – im Gegensatz zu solch teuflischen Mittelchen wie z.B. LSD, Hanf*), Speed oder Psylo-Dingsbums-Pilze – eine so harmlose “Droge” (ich mag dieses Wort nicht) ist, welche so gut wie keine gesellschafts- und gesundheitsschädlichen Risiken birgt, war und ist er ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur, so daß sich viele Riten/Bräuche/Traditionen um den Alkohol drehen/ranken …
*) Man denke nur mal an die vielen hunderttausend, wenn nicht gar Millionen Opfer, die das Hanf-Gerauche jedes Jahr fordert!!!
Alkohol wurde wahrscheinlich nur nicht verboten weil er sich schon sehr stark etabliert hatte (und die Schwarzbrennerei nicht sooo schwierig ist).
Leichte Rohstoffverfügbarkeit tut ihr übriges.
…und die Steuer…
Pferdefleisch bei den Katholiken?
Mich wundert, dass da die (katholische) Kirche nicht aufschreit. Meines Wissens gab es eine päpstliche Bulle, die den Verzehr von Pferdefleisch verbietet und welche bis heute nicht aufgehoben – somit für Katholiken bindend – sein sollte.
Tsstsss, immer diese Doppelmoral…
Davon hab ich auch noch nie was gehört.
Aber anscheinend haben sie ja nur den Verzehr und nicht den Verkauf verboten. Und ich bin ja nicht katholisch.
Also dürfen die es verkaufen und ich es essen. Paßt doch.
Betriebsvorschriften?
http://www.ris-muenchen.de/RII2/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/2320715.pdf
Pferdefleisch wurde anscheinend erst vor einigen Jahren an Ständen erlaubt:
http://www.merkur-online.de/lokales/stadt-muenchen/laenger-schnapseln-wiesn-277814.html