Ansichten eines Informatikers

Vom Geizigen, der mich begeistert hat

Hadmut
30.9.2011 0:52

Dieser Blog-Artikel weicht in zweierlei Hinsicht von meinen Blog-Gewohnheiten ab: Einmal, weil ich ohne jedes Meckern, Moppern und Kritisieren von etwas begeistert bin und es uneingeschränkt loben und empfehlen möchte. Und zum anderen, weil ich damit jemanden für seinen Geiz loben muß – obwohl ich Geiz normalerweise nicht mag.

Ich war im Theater.

In München gibt es ein Sommertheater im englischen Garten, was bislang irgendwie an mir vorbeigegangen war. Irgendwie scheinen sie da jeden Sommer ein anderes Theaterstück open air aufzuführen, ist aber schon vorbei. In der Sueddeutschen Zeitung gab es gestern aber einen Artikel für Oktoberfest-Hasser, in dem beschrieben wurde, was man machen und wo man hingehen kann, wenn man einen möglichst großen Bogen um die Wiesn machen will. In diesem Artikel wurde erwähnt, daß das Sommertheater noch einige weitere Vorstellungen in der Mohr-Villa gibt. So bin ich drauf gekommen und gleich hin, heute war eine der Vorstellungen.

Sie haben von Molière „Der Geizige” aufgeführt.

Auf einem Dachboden eine einfache Bühne, viele Stühle, Beleuchtung. Ein ganz reduziertes Bühnenbild, völlig neutral, nur zwei Stühle, ein Tisch, ein Klavier, ein Kontrabaß.

Ich kannte das Stück vorher nicht. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat die lokale Regisseurin Ulrike Dissmann das auch selbst übersetzt und Lieder und Texte geschrieben, es dürfte das Stück also so vermutlich auch nicht irgendwo anders geben. Wobei ich zugegebenermaßen nicht genau sagen kann, was davon inhaltlich von Molière und was von der hiesigen Übersetzung stammt. Ich habe gerade etwas gegoogelt und Wikipedia gelesen, und das Stück scheint im Original nur Prosa zu sein, und eine frei verfügbare deutsche Übersetzung liest sich eher steif und trocken. Dagegen wurde das Stück hier auch mit sehr kuriosen Musikeinlagen aufgepeppt und auch sprachlich ganz toll. Ich glaube auch nicht, daß es in anderen Inszenierungen vorkommt, daß der Geizige – seinem Namen alle Ehre machend – sich selbst ans Klavier setzt und die anderen begleitet.

Das Stück war toll. Super. Genial. Gerade durch das minimalistische Bühnenbild war das ganz auf die Personen fokussiert. Und die waren einfach brilliant. Ohne da etwas abtragen zu wollen, sind mir pars pro toto die Schauspielerin, die die Heiratsvermittlerin Frosine und den Polizisten gespielt hat, mit ihrer Gestik und Mimik, und ganz besonders natürlich der Schauspieler des Geizhalses Harpagon aufgefallen. Der hat den so supergut, so urkomisch überdreht, mit solchem Körpereinsatz gespielt, ich habe mich gebogen vor Lachen. Ich kann mich nicht erinnern, schon mal ein so urkomisches Theaterstück gesehen zu haben. Man hatte den Eindruck, daß nicht die Rolle mit diesem Schauspieler besetzt, sondern daß sie ihm geradezu auf den Leib geschrieben worden war. Ich war begeistert. Und mich zu begeistern ist nicht einfach.

Und obendrein war der Eintritt auch noch frei. Naja, vielleicht nicht ganz, sie haben nach der Vorstellung mit dem Hut gesammelt. Und da gebietet es einfach der Anstand, daß man seiner Begeisterung und der Freude darüber, mehrere Stunden hervorragend unterhalten worden zu sein, nicht nur durch Beifall Ausdruck verleiht, wenn man ein paar Kröten abdrücken kann. Ich finde es aber ganz toll, daß auf diese Weise auch Leute, die sich einen normalen Theaterbesuch oder auch nur die paar Kröten nicht leisten könnten, trotzdem in den Genuß eines wirklich guten Theaterstücks kommen können. Ganz tolle Sache.

Zweimal wird es noch aufgeführt, am 30.9. und am 1.10. Kann ich nur empfehlen.

Ach ja, im Abschluß-Lied gab es einen Vers

Wenn Euch das Spiel gefallen hat,
erzählt es in der ganzen Stadt!

Wozu ich hiermit beigetragen habe.