Die Neo-Borniertheit der Digital Natives
Es wird immer so gern in den Medien und der Politik der Eindruck erweckt, daß die „Digital Natives”, die jüngeren Leute, die mit dem Internet aufgewachsen sind, und Twitter, Youtube, Facebook von klein auf erlernt haben und damit wie selbstverständlich umgehen, irgendwie intelligenter, schlauer, geistig beweglicher, schneller wären. Stimmt überhaupt nicht.
Was mir seit Jahren, gerade auch in Diskussionen zu Internet-Themen (wie beispielsweise gerade um den Trojaner-Skandal), auffällt, ist diese Neo-Borniertheit Internet-Affiner jüngerer Leute.
Es ist keineswegs so, daß die Leute sich mehr bilden, intelligenter, ausgefeilter sind. Im Gegenteil. Diese „digitale Lebensweise” scheint eher zum Verkümmern einiger intellektueller Fähigkeiten zu führen. Irgendwo gab es kürzlich mal einen Bericht über eine Untersuchung, daß alle diese Portale, Newsreader, Foren dazu führen, daß die Leute sich selektiv das zusammenklicken, was ihrer Sichtweise entspricht, und dann selektiv nur noch das wahrnehmen, was sie ohnehin schon glauben und was ihrem Weltbild entspricht.
Diesen Eindruck habe ich immer stärker.
Das Hochschaukeln in digitalen Kommunikationsformen, die dazu noch der Gestik und Mimik entleert sind, läßt die Diskussionsfähigkeit verkümmern. Viele Leute reduzieren ihr Denken inzwischen auf ganz einfache, platte Sichtweisen wie „X ist böse und fertig”, und damit ist jedes Denken, jede Vertiefung, jedes Herausholen von mehr Wissen, für viele Leute abgeschlossen. Die Leute leben in vorgefaßten Meinungen und sind nur noch damit beschäftigt, die zu verstärken und zu verteidigen, abzuschotten.
Es gibt so dieses Klischee des alten, konservativen (oder reaktionären) Knackers, der nichts mehr mitbekommt und zu allem schon eine feste, unumstößliche Meinung hat, der überhaupt nicht mehr Lesen, Zuhören, Aufnehmen, drüber nachdenken kann.
Erschreckenderweise paßt dieses Klischee inzwischen viel mehr auf die jüngere Internet-Community, als auf viele der tatsächlich alten Leute. Da kenne ich ziemlich viele, die verdammt fit und aufgeschlossen sind, modern denken. Viele Junge können das nicht, und das hat auch mit dem Internet und seiner häufig trivialen Darstellungsweise in kurzen Foren-Wogen und Twitter-Dialogen zu je 140 Zeichen liegen.
Man regt sich auf über die unfähigen tumben Politiker, die immer nur taube Parolen repetieren, nicht wissen, wovon sie reden und alles pauschal verdammen. Daß viele derer, die sich aufregen, aber selbst ein symmetrisches Spiegelbild derer abgeben, merken sie nicht. Dabei leiden sie unter derselben Charakterschwäche, nämlich zu allem ohne hinzuhören schon vorher eine voreingenomme, fest gefaßte – schlimmer noch: triviale, flache, substanzlose – Meinung zu haben. Die Leute sind so unglaublich borniert.
Der Zeitgeist hat die Neo-Borniertheit hervorgebracht.
24 Kommentare (RSS-Feed)
@leo: Naja, das ist halt auch die Bequemlichkeit, von alten, seit Jahrzehten angestammten Sichtweisen nicht mehr abzurücken. Nicht gut, nicht schön, aber nach Jahrzehnten immerhin verständlich.
Aber Junge haben ja nicht mal die Entschuldigung, einen Standpunkt schon seit Jahrzehnten innezuhaben. Da wird schnell, billig, oberflächlich, möglichst einfach irgendein genehmer Standpunkt eingenommen, und das war’s. Fertig. Das ist doch nur Denkfäule.
Könnte ich das als Podcast haben, mit dem gelegentlichen Klacken eines Spazierstocks als Untermalung? 😀
Im Ernst: Du schreibst größtenteils genau das, was ich irgendwann kurz nach der Jahrtausendwende für eine kleinere Zeitung geschrieben habe.
Ich könnte jetzt an einen früheren Kommentar anknüpfen und versuchen, dass als Konsequenz elementarer sozialer Verhaltensmuster zu beschreiben. Genau das ist es meiner Meinung nach auch (und war nie anders).
Stattdessen frage ich lieber, ob deine persönliche Wahrnehmung nicht auch sehr persönlich ist. Man umgibt sich mehr oder weniger bewusst mit Leuten, die man mag und hält auch eher zu denen die Bekanntschaft. Das dürfte erklären, warum du mehr geistig fitte und aufgeschlossene Ältere kennst. Die “Generation Facebook” ist aber im Internet viel stärker vertreten und daher subjektiv präsenter als alles was älter ist.
Hinzu kommt, dass, zumindest glaube ich das, eine Tendenz dazu existiert, das mit sinkender “Intelligenz” und sinkender Fundierheit einer Meinung oder Sichtweise der Drang zur Äußerung steigt und die Hemmschwellen dazu sinken. Je differenzierter eine Meinung ist, desto aufwändiger ist es, sie darzustellen. Es gibt kaum Deppen, die eine halbe Stunde qualifizierte Meinung in ein Kommentarfeld tippen oder in ein Blog quetschen, womit man i.d.R. nur Leute erreicht, die es nicht lesen oder verstehen. Auch der missionarische Gedanke, andere von der eigenen Sichtweise zu überzeugen oder Impulse des Nachdenkens anzubieten, ist eher selten. Dafür im Zweifel der Zweifel daran, wie gut und wertvoll der eigene Beitrag wäre.
Die typische Hohlbratze hingegen kann ihren Standpunkt in maximal zwei Sätze fassen, ist davon überzeugt, dass auch die 08\15 Formulierung ob der unbestreitbaren, offensichtlichen unumschränkten Richtigkeit der Meinung durchgreift und schmiert sie in jedes sich bietende Kommentarfeld.
Früher saßen die Faschos und die Linken zwei Dörfer weiter in gegenüberliegenden Bushaltestellen und haben gelegentlich Passanten im Anzug oder mit anderer Hautfarbe hinterhergebrüllt. Heute sitzt jeder davon am Computer und schreibt einzeln seine Kommentare.
Insofern sollte man sich immer fragen ob die Stichprobe die Grundgesamtheit widerspiegelt oder nicht doch verzerrt ist.
Hmm, ich glaube auch, dass die im Mittel höhere Qualität von Äußerungen älterer Leute in modernen Medien daher rührt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen “Internet und über 40” und “geistig fit” gibt. Wenn der Schädel fast morsch ist, ist der Schritt ins Internet schwer. Wenn man das scheut, scheut man auch das Nachdenken über die eigene Meinung.
Ja, das mit dem Impulse zum Nachdenken anzubieten, kann man sich inzwischen echt abschminken.
Ich habe immer stärker den Eindruck, die Leute wollen in ihrer festgelegten, möglichst einfach gestrickten Meinung weder durch Fakten noch durch Impulse gestört werden – und identifizieren sich selbst so sehr mit ihrer Billig-Meinung, daß sie jede Abweichung davon als Angriff gegen ihre Person auffassen.
Da bildet sich eine reine Mainstream-Gesellschaft. Querdenken, abweichen, oder auch mal nur intellektuell mit einem (echten oder vermeintlichen) Fehler umgehen, das kennen viele da gar nicht. Fast hätte ich gesagt, gar nicht mehr, aber die kannten es noch nie.
Das Internet mit seinen Foren, seiner widerstandslosen überall-was-dazu-schreibe, seiner Anonymität und Pseudonymität, bringt gerade eine ganz spezifische Sorte von Mob hervor.
das ist sicher richtig.
aber ein punkt ist sicher auch, dass man heutzutage, ob man will oder nicht, die äußerungen von unvergleichlich viel mehr menschen mitbekommt, sobald man sich offenen auges/geistes durchs netz bewegt. ich weiß nicht, ob sich die borniertheit nun tatsächlich nneo-entwickelt, oder obs nicht einfach nur so ist, dass man diese engstirnigkeiten nur einfach nicht mitbekommen hat.
den mob gabs doch immer schon, nur jetzt hat er ne stimme, die über den stammtisch hinausgeht und gelesen wird. und wer wie wir alle wohl hier, eigentlich viel zu viel infos aufsaugt, kriegt entsprechend auch viel dreck serviert.
und: es ist unendlich viel leichter undiffernzierten dreck zu schreiben als vor einem posting nachzudenken und sich vielleicht selbst was dazu zu überlegen.
ABER: wahnsinnig viel, von dem was derzeit gutes in der welt passiert, wird von den jungen menschen getragen und befördert (weil sich die alten längst mit dem meisten abgefunden haben? oder weil sie lieber alles totdiskutieren als den arsch hochzukriegen?). dem gebührt unser respekt, und unsere hoffnung.
@leo_b: Deshalb habe ich es ja Neo-Borniertheit genannt.
Die Vorsilbe Neo- wird ja üblicherweise für etwas verwendet, was nicht komplett neu ist, sondern nur in einer neuen, zeitgeistigeren Variante rüberkommt.
Man hätte es auch Borniertheit 2.0 nennen können.
Hallo,
also vorweg ich bin 61 Jahre, kann aber dieser einseitigen Betrachtung nicht zustimmen.
Bornierte hat es immer gegebenund, wird es immer geben.
Das alles hat etwas mit Mut zu tun, den Mut seinen EIGENEN Weg zu gehen ohne Andere dabei zu schädigen oder zu beeinflussen.
Den Mut seine Meinung zu refektieren und die Meinung Anderer zu respektieren ohne diese gleich zu übernehmen.
Kurz, sich selbst und unsere Existenz nicht so wichtig nehmen.
Schönen Tag Eberhard
Da hat einer aber eine große Schublade aufgemacht.
Junge, nimm dir deine eigene Worte mal zu Herzen.
@Tachles: Ich muß mir vieles vorwerfen lassen.
Aber Borniertheit gehört meines Erachtens nicht dazu, denn ich blogge hier ja im Durchschnitt mehr als einmal am Tag dazu, daß man über die Sachen nachdenken und sie betrachten sollte.
Zu der Sache mit dem Trojaner habe ich hier gebloggt, daß man sich erst die Fakten anschauen (bzw. sie auf den Tisch legen) soll, und sich dann auf deren Grundlage und unter deren Gesamtbetrachtung eine differenzierte Meinung bilden soll. Und ich habe kritisiert, daß hier unter Weglassen von Informationen eine feste Meinung vorgegeben wird.
Das kann man kritisieren und mit vielen Bezeichnungen belegen – aber Borniertheit, das sture und blinde Festhalten an einer vorgefassten Meinung, kannst Du das nicht nennen.
Sehe ich nicht ganz so:
1. In manchen Dingen haben die Digital Natives Recht; ein Großteil der herrschenden Generation (wobei das der falsche Begriff ist, aber “Elite” passt noch weniger) sieht immer nur die Gefahren, aber kennt nicht die Chancen der Vernetzung und damit nicht die Abwägung. Liegt vielleicht auch an der Position: Diese Leute sind nicht gewöhnt, Dinge selber anzupacken, zumindest nicht bei Dingen, die früher so nicht möglich waren.
2. Ja, das Internet bietet neue Möglichkeiten. Aber es ist doch mehr als naiv zu glauben, dadurch würde alles gut und alle Leute bestens informiert und mit guter Allgemeinbildung.
3. Es ist doch nichts Neues, dass Leute sich ihr Weltbild passend zusammensuchen. Im konservativen Lager sind/waren es wohl typischerweise die Stammtische, und bei den Ökospinnern sind es vielleicht Protestveranstaltungen, wo man sich gegenseitig die “tin foil hats” aufsetzt. Es war schon immer so und wird immer so sein.
4. Subjektives Empfinden: Wir werden (hoffentlich!) weiser im Laufe unseres Lebens, aber im Durchschnitt der Bevölkerung ändert sich nicht viel. So kommt es uns vor, dass das Niveau sinkt.
Hanz Moser: “Je differenzierter eine Meinung ist, desto aufwändiger ist es, sie darzustellen.”
Ganz genau. Das ist doch das Problem. Und man kann es sich andererseits leicht machen und kommt trotzdem damit durch’s Leben.
Herr Danisch stellt wieder erstaunt fest, dass eine Verallgemeinerung aus den Medien nicht zutrifft! Potzblitz ! – Da wäre ich nie drauf gekommen!
@iz: Freut mich, daß es geholfen hat…
> Irgendwo gab es kürzlich mal einen Bericht über eine Untersuchung,
> daß alle diese Portale, Newsreader, Foren dazu führen, daß die Leute
> sich selektiv das zusammenklicken, was ihrer Sichtweise entspricht,
> und dann selektiv nur noch das wahrnehmen, was sie ohnehin schon
> glauben und was ihrem Weltbild entspricht.
Das gibts inzwischen ohne Zusammenklicken, und fährt unter dem Trend der “Individualisierung des Internets”. Ein wortmalerisch wunderschönes Beispiel finde ich “MeinSPIEGEL”. Was sich da wohl drin spiegelt…
Passend dazu auch “http://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=1271” Punkt 3.
@Kurt: Ja, der PhD trifft’s genau. Das ist einer meiner Lieblings-PhD 🙂
@Hans Moser
“Hmm, ich glaube auch, dass die im Mittel höhere Qualität von Äußerungen älterer Leute in modernen Medien daher rührt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen “Internet und über 40? und “geistig fit” gibt. Wenn der Schädel fast morsch ist, ist der Schritt ins Internet schwer. Wenn man das scheut, scheut man auch das Nachdenken über die eigene Meinung.”
Da hast du aber ein ziemliches Zerrbild älterer Leute. Ich beobachte viel mehr, das der hormonelle Drang sich zu jedem Thema mitzuteilen sinkt. Der Mittfünfziger denkt sich “Kall du man” und widmet sich anderen Sachen, die ihm wichtiger sind.
Da bei Internetdiskussionen Aktualität gefordert ist und das oft mit nicht vorhandener Recherche eingeht, sind Leute, die sich erstmal ein Bild machen wollen, meistens zu spät dran und lassen es dann gleich, weil drei Tage später doch keiner mehr den Kommentar liest.
Daher hört man von Älteren entweder Stammtischmeinungen von den üblichen Verdächtigen oder fundierte Meinungen von Leuten, die sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Das sind dann naturgemäß wenige, wenn es sich nicht um ein weitverbreitete Thema handelt.
Diese Borniertheit ist imho nicht so “Neo” wie es scheint.
In meinen Augen macht es keinen Unterschied ob der Fensterrentner ausschließlich seine Bild-“Zeitung” liest oder der Twitterianer nur den Leuten folgt die das sagen, was seiner “Meinung” entspricht.
Das Medium mag ein anderes sein – aber seinen Horizont kann man sowohl durch den Kauf einer anderen Zeitung als durch den Kontakt mit anderen Natives / dem Besuch eines anderen Forums erweitern.
Neugierde, Selbstreflexion und eine kritische Sichtweise sind dafür nötig.
Ob digital oder analog spielt keine Rolle.
@Herr Olsen: Der Rentner mit der BILD hockt aber zu Hause und bleibt damit passiv.
Er geht nicht raus und attackiert abweichende Meinungen. Er hat naturgemäß einen sehr begrenzten Wirk- und Aktionsradius.
“einfache, platte Sichtweisen wie „X ist böse und fertig”,”
Ein gutes Beispiel hierfür findet sich in http://kaliban.de/2011/10/apple-bashing-bei-der-sz .
Viel Leute könntem dem Drang nicht widerstehen hier Kommentare der Sorte “Apple ist böse!” in den verschiedensten Varianten abzusondern. Psudofakten werden aus dem Bauch herauskonstruiert, obwohl sie leicht falsifizierbar sind.
Ich hoffe mal, ich löse hier keinen Apple-Kommentarstream aus. Ich fand es nur ein schönes Beispiel, wie bei bestimmten Themen die Vernunft schwindet und die Hormone den Kommentar schreiben.
@Knut: Oh ja, Thema Apple ist auch so ein prima Beispiel… Kategorie Böse und fertig. Keinesfalls weiter denken.
@ Knut Grunwald
“Da hast du aber ein ziemliches Zerrbild älterer Leute. Ich beobachte viel mehr, das der hormonelle Drang sich zu jedem Thema mitzuteilen sinkt. Der Mittfünfziger denkt sich “Kall du man” und widmet sich anderen Sachen, die ihm wichtiger sind.”
Der Effekt, dass Leute im Alter etwas ruhiger, besonnenener werden spielt sicher auch eine Rolle. Obwohl, irgendwie sehe ich da eine Verbindung zu meiner These.
Die würde ich auch nicht als Zerrbild bezeichnen. Irgendwo habe ich auch mal eine Statistik\Studie gesehen, bei der der Zusammenhang zwischen Bikdung und Internetnutzung erforscht wurde. Bei den älteren Semestern geht beides Hand in Hand, bei den Jüngeren sind die bildungsfernen Schichten die stärkeren Internetnutzer. Ich könnt mich sonst wohin beißen, dass ich das hier nicht als Quelle habe.
Inwiefern es ein Zerrbild ist, ist immer eine Frage des Horizonts. Die eigenen Meinungen sollten ja auch immer mit den persönlichen Erfahrungen im Einklang stehen. Objektive Betrachtung fällt als Einzelperson schwer. Was mir selbst gerade auffällt: Ich kenne gefühlt nur ältere Männer. Mit älteren Frauen, auch deren Frauen, habe ich fast nie zu tun (gehabt). Das ändert natürlich einiges an der möglichen Verallgemeinerbarkeit.
Wenn ich so über das “ruhiger werden im Alter” nachdenke glaube ich fast, dass das nicht selten nicht nur die Hormone sind, sondern langsam rieselnde Erkenntnis. Mir fällt da gerade eine ganze Riege älterer Herren von 50 bis über 70 ein, die ganz schnell gebrüllt haben, wenn ihnen was nicht gepasst hat und sicher keine wohlüberlegten Dinge ausgesprochen haben, als der Schädel rot wurde. Gut, früher hätten sie sich vielleicht direkt kloppen wollen.
Ne, ich glaube das mit der Ruhe kommt zwischen 30 und 60 eher von Einsicht, sinnvoll verarbeiteter Erfahrung oder sowas und weniger von den Hormonen. Zumindest bei Männern.
Ich finde diesen Essay zur Internet-Altklugheit wirklich exzellent:
@etz_B
Mann, der Artikel ist viel zu lang! Wer bitte schön soll den freiwillig lesen wollen? *gähn*
Ich finde die von Hadmut vertretene Position richtig, zumindest, wenn man mal mehrere seiner Blogeinträge zusammennimmt (in meinem Fall: der Artikel zum Zensursula-Gesetz, der zum Thema Digitalkameras und zur Bildgestaltung und die zur Vorratsdatenspeicherung).
Es ist richtig, dass man sich seine Meinung erst bilden kann, wenn man sich umfassend informiert hat und wenn man dabei auch bereit ist, sich von unerwarteten Fakten und Einsichten überraschen zu lassen. Eine vorschnelle Parteinahme ohne Prüfung eines Vorfalles führt zu selektiver Wahrnehmung und der Unterschätzung der Komplexität von diesen Vorfällen. Über viele Dinge kann man nur urteilen, wenn man sie wirklich gut kennt. Man sollte sich vor einfacher Moralisierung hüten, “gut” und “böse” passen oft nicht, die Wirklichkeit ist komplizierter und widersprüchlicher.
Eine Ergänzung: Die Neigung zur uninformierten und schnellen Meinungsbildung ist kein “Privileg” der Digital Natives. Ich kenne diese Haltung von Studenten, die keineswegs zur Internetkultur gehörten. Sie hatten einen Hang dazu, sich schnell eine Meinung zu bilden und diese dann zu verteidigen. Die Mühsal des Hinterfragens und sich Informierens erschien ihnen häufig als Zumutung. Das Eingehen auf die Argumente eines Gesprächspartners fand nicht statt, weil man ja bereits zu wissen meinte, wie die Welt beschaffen ist. Es gab kaum Bereitschaft, Argumente anderer zu prüfen, das Für und Wider abzuwägen.
Entschuldigend ist zu sagen, dass es sich meist um Studienanfänger handelte. Ihnen war diese Denkweise noch sehr fremd, ein Problem erst in seiner Tragweite zu erkennen, indem man seine scheinbar gesicherte Haltung aufgibt.
Es ist jedenfalls ein Denkstil, der sehr häufig ist und auf Dauer auch richtig frustriert, vor allem, wenn man selber spürt, dass man zu wenig weiß, um sich schon auf eine Meinung festlegen zu können.
leider kann ich da nicht ganz zustimmen, ich seh’s eher so, dass die neo-borniertheit die alteingesessene eingeholt hat.
was ich hingegen festgestellt habe, ist dass die ‘älteren’ gelernt haben, eine politisch korrekte aufgeschlossenheit vorzutäuschen, während die reflexhafte ablehnung gewisser umstände und die verinnerlichte weigerung, über manche dinge nachzudenken, sich nicht wirklich geändert hat.
selbstverständlich wird es immer so bleiben, dass lebenserfahrung durch nichts zu ersetzen ist – schön ist es, wenn sie mit sebstreflexion zusammentrifft. und das ist ne hohe gabe. ich habe nicht das glück, viele ältere (60+) zu kennen, auf die das zutrifft.