Ansichten eines Informatikers

Internet-Enquete gescheitert?

Hadmut
18.10.2011 0:02

Die ZEIT meint, die Internet-Enquete wäre gescheitert. Riecht danach, als sei das wieder mal eine von den Bundestagsveranstaltungen gewesen, bei denen man viel arbeitet, wenig Geld bekommt, kaum Vorteile hat, aber der der ganze Schlamassel dann als Mißerfolg an einem kleben bleibt. Weshalb Profis mit Erfahrung sowas auch nicht mehr machen. Ist eher was für Wichtigtuer. Zitat aus der ZEIT:

Dummerweise ist die Enquete auf bestem Wege, in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer lächerlichen Veranstaltung zu werden. Immer neue Vertagungen, Geschäftsordnungsanträge und stundenlange Debatten um Formalien haben das Bild entstehen lassen, dass es dort nur darum geht, einen Erfolg der Gegenseite mit allen Mitteln zu verhindern.

Im Internet zumindest, mit dem sich die Kommission ja auseinandersetzen sollte, gibt es derzeit vor allem bitteres Gelächter und Kopfschütteln über die Arbeit der 34 Mitglieder.

War bei der Zusammensetzung und dem Zustandekommen der Enquete eigentlich von vornherein klar. (Und bevor mir jetzt jemand vorhält, daß es leicht ist, hinterher zu sagen, daß es vorher schon klar war – ich habe es vorher gesagt.)

18 Kommentare (RSS-Feed)

Hanz Moser
18.10.2011 0:12
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Naja, wenn es um Politik und Internet im weitesten Sinn geht ist es immer leicht zu sagen, dass das schief geht und ne Lachnummer wird. Da hilft auch der Verweis auf die Vorhersage nicht.

Das ist wie wenn man einem gleichgeschlechtlichen Paar vorhersagt, dass der gemeinsame Liebesakt nicht zur Schwangerschaft führt.


Hadmut
18.10.2011 0:24
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Wenn’s sooo leicht ist, warum haben es dann nicht viel mehr Leute gesagt? Immerhin warem der Jubel und der Presseoptimismus groß.

Es allerdings vorher nicht gesagt zu haben und jetzt hinterher zu sagen, es wäre leicht, das ist zu billig.


Mnementh
18.10.2011 8:43
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Naja, deutlich skeptisch durfte man spätestens werden, als die Padeluun-Sache mit Vertagung von Abstimmungen stattfand. Wer danach noch dachte, da kommt sachlich was raus anstatt das nur die üblichen Politikspielchen stattfinden, der war doch ein wenig naiv.

Notiz am Rande – Du schreibst hier: “Riecht danach, als sei das wieder mal eine von den Bundestagsveranstaltungen gewesen, bei denen man viel arbeitet, wenig Geld bekommt, kaum Vorteile hat, aber der der ganze Schlamassel dann als Mißerfolg an einem kleben bleibt. Weshalb Profis mit Erfahrung sowas auch nicht mehr machen.” und hast dann einen Artikel, dass man Gutachter für die Enquete werden sollte, weil man so viel Kohle bekommt. 😉


Hadmut
18.10.2011 11:19
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@Mnementh: Du wirfst da gerade verschiedene Dinge durcheinander.

Hier geht es um die Mitglieder der Enquete. Wie sich kürzlich zeigte, bekommen die nur einen symbolischen Lohn, haben dafür aber viel Arbeit, viele Anwesenheitstermine und nun den Spott.

Dann gibt es diese Kurzgutachten, wo die also nur mal so ne allgemeine Frage in die Luft stellen und dann kommt einer aus der Wissenschafts- oder Industrieprominenz, gibt ein paar Seiten BlaBla ab und hält nen kurzen Vortrag zur Meinung und Weltlage. Da geht es im wesentlichen darum, die Leute etwas zu fragen, was die schon wissen, also bestehendes, verfügbares Wissen abzurufen. Die kriegen auch nicht viel, haben aber kaum Aufwand und damit eine billige Methode, sich zu produzieren und in die Presse zu kommen.

Und es gibt die richtigen Gutachten (darauf bezogen sich die 70.000 Euro), bei denen konkrete Fragen gestellt werden, die erst noch untersucht und geklärt werden müssen, die also mit Arbeit verbunden sind. Da kann man dann richtig Geld verdienen. Wie aber jemand zum Blog-Artikel darüber kommentierte, haben sie auf die Ausschreibung kaum Angebote bekommen, selbst das scheint sich also für die meisten nicht mehr als attraktiv zu gestalten.

Letztes Jahr war ich auf einer Journalistentagung über Sachverständige, und da hat ein Professor auch erzählt, daß er zum Bundestag schon lange nicht mehr geht und auch niemand von seinen Wissenschaftsbekannten, weil man da nur Miese macht. Alles wird zerredet, alle positiven Leistungen werden der ganzen Enquete oder dem Auftraggeber angeheftet, und alles Versagen dem Sachverständigen in die Schuhe geschoben und ohnehin alles zerredet, was man sagt.

Der Bundestag hat inzwischen ernsthafte (und demokratiegefährdende) Probleme, befähigte Leute zu finden.


Milo
18.10.2011 10:45
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In dem Zitat oben ist von “öffentlicher Wahrnehmung” die Rede. Aber eigentlich werden Enquetes öffentlich fast nie wahrgenommen und von den Abgeordneten werden sie das auch nicht sonderlich. Sie sind ohnehin eher politische Instrumente, die zudem einigen Abgeordneten Posten verschaffen (etwa als Vorsitzender) und den wissenschaftlichen Mitarbeitern eine Stelle. Aber wer nimmt eine Enquete im Gesetzgebungsprozess wirklich ernst?
Wenn man wirklich Fachwissen haben möchte, könnte man Universitäten beauftragen und dabei einigermaßen sicherstellen, dass hier wirklich Fachleute am Werk sind. Allerdings ist dabei das Problem, dass Professoren ab und an auch Parteibücher haben und Parteipolitik machen, ohne dass das dann der Öffentlichkeit bekannt ist.


Mnementh
18.10.2011 13:35
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@Hadmut: Ah danke, die Unterscheidung war mir nicht so klar. Danke für die Aufklärung.


Hanz Moser
18.10.2011 22:27
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“Wenn’s sooo leicht ist, warum haben es dann nicht viel mehr Leute gesagt? Immerhin warem der Jubel und der Presseoptimismus groß.

Es allerdings vorher nicht gesagt zu haben und jetzt hinterher zu sagen, es wäre leicht, das ist zu billig.”

Ich habs vorher gesagt, nur leider nicht gebloggt. Und die Presse richtet sich halt lieber nach dem Wind und schreibt das, was die Leute gerne lesen oder wo der Einfluss herweht. Das kann auch mal was Positives sein.

Wenn es um Politik und Internet geht ist die Quote prinzipiell 100:1 gegen den Erfolg. Da zu gewinnen erfordert nur ein bisschen Realismus, wenn man auf die Niederlage setzt.
Wenn du irgendwann sagst, ein IT-Projekt des Bundes wird normal verlaufen, ohne Kostenexplosion oder ewige Verzögerungen, oder so eine Geschichte wie die Enquete Kommission wird wirklich was verändern und DAMIT Recht behältst, ziehe ich wirklich den Hut 😉


Hadmut
18.10.2011 22:35
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> Ich habs vorher gesagt, nur leider nicht gebloggt.

Ja, das sagen sie alle… 😉


Hanz Moser
19.10.2011 0:20
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Zeugen könnte ich bieten :p
Übrigens auch für Tetra, den digitalen Bündelfunk, TollCollect und die eGK, neben anderen Dingen 😀


Milo
19.10.2011 10:15
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Man müsste doch wohl vorher festlegen, was man unter “Erfolg” einer Enquete überhaupt verstehen soll. Das Arbeitsergebnis einer Enquete ist ein Bericht. In diesem Bericht wird das behandelte Thema “fachlich” aufgearbeitet und es werden Gesetzesempfehlungen gegeben. Ein solcher Bericht wird mit der Mehrheit der Kommission beschlossen, ist also immer ein politisches Produkt. Es gibt folglich auch immer parteitaktische Manöver. Die gibt es immer, wo Regierung und Opposition aufeinander treffen. Es ist also nur Ansichtssache, ob das Offenbarwerden solcher Manöver ein Misserfolg ist oder eigentlich nur der Normalzustand.

Der Bericht wird den Abgeordneten zugestellt, es gibt wohl auch eine Debatte im Bundestag. Aber dann? Die Arbeit der Enquete endet mit dem Bericht, alles weitere müsste der Bundestag als solches in Angriff nehmen. Was wäre da nun der Erfolg? Vielleicht der, dass der Bundestag empfohlende Gesetze auch verabschiedet. Aber es kommt ja letztlich auch auf den Inhalt dieser Empfehlungen an. Und die bewerten dann die Interessengruppen innerhalb und außerhalb des Parlaments auch unterschiedlich. Die einen feiern den Kompromiss, die anderen beklagen, dass dieser die ursprünglichen Ideen verwässern würde. Die einen freuen sich über eine Gesetzesidee, die anderen halten sie für einen schlimmen Fehler.

Insofern hat so ein Urteil eines Journalisten wenig wert. Es informiert lediglich über dessen persönliche Meinung, was eine Enquete hätte leisten sollen. Ob er ein realistisches Bild von den (sehr eingeschränkten) Möglichkeiten eines solchen Gremiums hat, muss der Leser erst noch herausfinden. Desgleichen muss der Leser ermitteln, was der Journalist für “Erfolg” hält.

Mir fehlt es da an Sachkunde im Journalismus. Ich glaube, nur wenige Journalisten haben sich ernsthaft mal damit beschäftigt, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Vielmehr machen sie lieber Meinung und spielen damit mit Illusionen, anstatt Hintergründe und Zusammenhänge zu ermitteln.


Hadmut
19.10.2011 11:01
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@Milo: Sowas ist vorher festgelegt. Enquetes fallen nicht vom Himmel, sondern werden durch einen Beschluß des Land-/Bundestags eingesetzt. Da steht eine Aufgabe drin. Und Erfolg ist, diese Aufgabe zu erfüllen.


Milo
19.10.2011 11:08
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@Hadmut: Das ist korrekt, es gibt einen Einsetzungsbeschluss. Aber der ist doch selten wirklich konkret formuliert, jetzt mal aus fachlicher Sicht gesprochen. Er definiert im Grunde lediglich die Politikfelder und der Rest sind Absichtserklärungen aus dem Bereich “Sonntagsrede”.

Man könnte natürlich den Einsetzungsbeschluss als Maßstab nehmen, um den Erfolg oder Misserfolg einer Enquete zu bewerten. Aber ich behaupte, das ist ungenügend. Auch der Einsetzungsbeschluss ist ja bereits das Ergebnis des Machtkampfes zwischen den Bundestagsfraktionen.

Ich finde, man muss schon auch grundsätzlich fragen, was eine Enquete kann und was nicht. Meiner Meinung nach kann eine Enquete nicht den Erfolg haben, den zum Beispiel Leute wie Markus Beckedahl sich erhofft haben. Sie nehmen dort als “Sachverständige” keinen echten Einfluss auf die Netzpolitik der Parteien. Ich denke, eine Enquete ist kein sehr wirkungsvolles Instrument der Lobbyarbeit. Falls man jetzt die Durchsetzung einer bestimmten Politik als Maßstab für Erfolg ansetzen möchte.


Hadmut
19.10.2011 12:37
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@Milo: Fragen wir mal andersherum: Worin sollte der Erfolg liegen, wenn man hinterher nicht schlauer ist als vorher?

Soll man „außer Spesen nichts gewesen” als Erfolg auslegen, nur weil es vielleicht keine hinreichend exakte Aufgabenstellung gegeben hätte? So nach dem Motto „nett, daß wir mal drüber gesprochen haben” `


Milo
19.10.2011 16:42
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Ehrlich gesagt, ich halte solche Enquetes für eine Ressourcenverschwendung und ich glaube nicht daran, dass man durch sie schlauer werden kann. Das mal grundsätzlich dazu. Ich habe mal für einen MdB und Enquetemitglied gearbeitet. Mir taten nur die wissenschaftlichen Mitarbeiter leid, die den Bericht schreiben mussten.

Insofern: Mehr als einen großangelegten Kaffeeklatsch kann ich persönlich in einer Enquete nicht sehen.

Aber davon abgesehen:
Der Einsetzungsbeschluss definiert doch keine genauen Kriterien, anhand dessen sich Erkenntnisfortschritt messen lassen würde. Er definiert das Problem, dass die Kommission untersuchen soll. Bevor der Einsetzungsbeschluss im Bundestag debattiert wird, wird hart verhandelt, in welchem Umfang die Kommission Themen bearbeiten soll und darf. Das hat auch etwas mit einem Kampf um Deutungshoheit zu tun. Die einen sagen, A gehört auch noch zu dem Themenkomplex (weil es ihnen politisch so genehm ist). Die Gegner bestreiten die Relevanz von A (weil sie es wiederum politisch stört). Hier haben also bereits die Parteien das Thema so definiert, wie es ihnen in der Verhandlung möglich wurde und wie ihnen das die Mehrheitsverhältnisse des Bundestages erlauben.

Damit sind dem wissenschaftlichen Denken schon Grenzen gezogen. Ein wissenschaftlicher Zugang sollte ja frei sein von solchen Vorgaben und alles das als relevant aufnehmen, was dem Forscher eben unterkommt als relevant.

Um einen Erkenntnisfortschritt festzustellen, müsste man wohl auch die erarbeiteten Erkenntnisse abgleichen mit dem Forschungsstand. Das dürfte eine Enquete aber deutlich überfordern.

Ich habe auch grundsätzlich ein Problem damit, dass diese Kommission zur Hälfte aus Politikern besteht, also aus Interessenvertretern, die keine Fachleute sind und keine fachmenschliche Sicht haben, sondern eine durch die jeweilige Partei geprägte. Die “Erkenntnis” der Enquete ist letztlich Ergebnis von Abstimmungen, der Bericht wird durch eine Mehrheit beschlossen. Es gibt zwar auch Minderheitenvoten. Aber dieses Prinzip, über Aussagen zu Sachfragen abstimmen zu lassen, verwirrt mich immer wieder. Warum nicht einfach gleich diverse Fachleute ohne Politiker an die Sache setzen, die dann jeweils ihre Position vertreten, so dass man die ganze Diskussion auf fachlich hohem Niveau in einem Sammelband beisammen hat? Das wäre doch wirklich viel schlauer.


Hadmut
19.10.2011 16:53
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Du willst also sagen, daß eine Enquete, die gar nichts zustandebringt, trotzdem noch kein Mißerfolg wäre.

Das heißt, zum Mißerfolg reicht kein Null-Ergebnis, sondern die müssen extra noch was kaputt machen. Etwa den Raum demolieren oder sowas.


Milo
19.10.2011 17:06
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Nein, ich glaube, da hast Du mich missverstanden.
Ich behaupte vielmehr, dass mangels an geeigneten Kriterien jeder Kommentator seine eigenen Erwartungen heran zieht, um Erfolg oder Misserfolg zu behaupten. Sprich: Der Zeit-Autor suggeriert, als sei der Misserfolg eine objektive Tatsache, dabei ist es lediglich seine Einschätzung, dass die Kommission erfolglos war.

Damit plädiere ich nicht gegen die Meinung von Journalisten. Informativ wird das aber erst, wenn ein Journalist deutlich macht, was seine eigenen Erfolgskriterien sind.

Mein subjektiver Standpunkt ist: Enquetes sind selten bis gar nicht erfolgreich, weil sie kaum politischen Einfluss haben. Mein Kriterium dabei ist, inwiefern eine Enquete ein geeignetes Instrument ist, um die Politik tatsächlich zu verändern in eine bestimmte Richtung.

Du hattest eher das Kriterium der Erkenntnis angelegt, also die Frage, ob eine Enquete tatsächlich neue Sachkenntnis produzieren kann.

Man könnte diese verschiedenen Erwartungen nun noch abgleichen mit den tatsächlichen Möglichkeiten von Enquetes allgemein und so doch noch zu einem halbwegs “objektiven” Urteil kommen.


Hadmut
19.10.2011 17:23
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Du willst also sagen, daß eine Enquete gar nicht erfolglos sein kann, weil sie nicht auf Erfolg sondern von vornherein auf Nutzlosigkeit angelegt ist, um damit ohnehin immer zwingend ihren Zweck der Nutlosigkeit erfüllt, sich die Frage nach Erfolg also gar nicht erst stellt?


Milo
19.10.2011 17:27
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So könnte man das formulieren. Zumindest ist das meine persönliche Meinung, die ich durchaus revidieren würde im Falle von positiven Beispielen.