Ansichten eines Informatikers

Darf die Polizei gestohlene Handys verfolgen?

Hadmut
19.10.2011 12:57

Der bekannte Blogger und Jurist Udo Vetter beschreibt in seinem law blog einen Fall, den er für rechtswidrig hält. Ich glaube, da liegt er aber falsch. [Korrektur]

Es geht darum, ob und wie die Polizei nach einem gestohlenen (bzw. durch Betrug ergaunerten) Handy suchen darf, ob sie die Provider fragen darf, wer das Gerät benutzt hat. Er meint, das würde das Gesetz nur bei sehr schweren Straftaten erlauben und deshalb habe der Richter das zu Unrecht gestattet, mithin also den Richtervorbehalt nutzlos gemacht.

Udo Vetter will darauf hinaus, daß man nach gestohlenen Handys gar nicht mehr suchen dürfte, weil ein Handy-Diebstahl keine hinreichend schwere Straftat wäre. Ich glaube, da verrent er sich gerade in die Verteidiger-Position. Als Angeklagter und als Verteidiger darf man sich jede beliebige Rechtsposition heraussuchen, sie muß aber nicht richtig sein.

Zunächst mal ist es so, daß die herrschende Meinung (über die man sich sehr wohl streiten darf, aber so wird’s eben in der Allgemeinheit und nicht nur in diesem Fall gemacht) davon ausgeht, daß Anfragen nach den Bestandsdaten (selbst wenn sie dazu Vorratsdaten verwendeten) nicht einmal dem Richtervorbehalt unterlägen. Wenn die Polizei etwa wissen will, wer eine IP-Adresse verwendet hat, dann unterläge die IP-Adresse zwar dem geschützten Richtervorbehalt, aber – so die Speziallogik der Juristen – die hat die Polizei ja bereits, weshalb es nicht mehr um den Telekommunikationsvorgang ginge. Es würden nur die – nicht derartig geschützten – Bestandsdaten des Nutzers abgerufen, was keinem Richtervorbehalt und auch nicht der Anforderung schwerer Straftaten unterläge. Nur umgekehrt (welche IP-Adresse hatte der Nutzer x) sei geschützt.

Wenn aber die Anfrage einer IP-Adresse nach dem Nutzer schon nicht geschützt ist, kann es die – ja nicht mit dem einzelnen Kommunikationsvorgang zusammenhängende und viel weniger veränderliche – IMEI eines Handys es auch nicht sein, falls die Polizei die IMEI schon kennt und nach dem Nutzer fragt und nicht etwa umgekehrt fragt, welche IMEIs ein Nutzer einsetzt. (Sie darf aber sehr wohl fragen, welche IMEIs die Geräte haben, die der Provider dem Kunden geliefert hat, weil das keine Telekommunikations-, sondern eine Vertragssache ist.)

Vetter übersieht ein zweites Detail: Die richterliche Anordnung ist auch nur dann erforderlich, solange nicht ein Berechtigter einwilligt. Die Frage ist aber, wer denn überhaupt der Berechtigte ist – der Dieb oder der Eigentümer. Ich persönlich halte es zumindest für überlegenswert, ob nicht der Eigentümer selbst darüber verfügen darf, ob man sein Handy ortet. Wenn mir jemand mein Handy klauen würde, hätte ich ein erhebliches Problem damit, wenn ich plötzlich nicht danach fragen dürfte, wer es nun einsetzt. Diebstahl und Enteignung sind nämlich zweierlei.

Mir fehlt es hier auch am Gerechtigkeitsgefühl. Soll jemand mit einem geklauten Handy vor polizeilicher Verfolgung geschützt sein? Ich kann da keinerlei Schutzbedürfnis entdecken.

Eine andere Überlegung wäre aber, was damit ist, wenn ein Dritter das Handy dann gutgläubig erworben hat. Damit hat er dann zwar kein Eigentum am Handy erworben, sich aber auch seinem Fernmeldegeheimnis nicht begeben. Wobei die Frage der Polizei nach dem Nutzer ja nun wieder nach herrschender Meinung kein Eingriff in selbiges ist.

Interessante Frage. Aber ganz sicher nicht so einfach, wie Udo Vetter sich das gerade vorstellt (oder für seinen Mandanten trommelt).

[Korrektur:] Mir ist gerade beim Mittagessen und Drübernachdenken ein böser juristischer Denkfehler meinerseits aufgefallen.

Der Dieb erwirbt kein Eigentum an der Ware, der alte Eigentümer bleibt Eigentümer und hat einen Anspruch auf Herausgabe.

Der Betrüger hingegen (und hier ging es um Betrug) erwirbt (schon wegen des Abstraktionsprinzips als Spezialität deutschen Rechts) durchaus Eigentum an der Ware, weil der Händler es ihm „freiwillig” (also nicht etwa mit vorgehaltener Knarre) übergibt und damit übereignet. Der Händler hat dann nicht unbedingt einen Anspruch auf Herausgabe der Ware, sondern auf Zahlung des Geldes. Man könnte daraus die Nichtigkeit des Vertrags, die Kondiktion und daraus den Anspruch auf Rückübereignung folgern, aber damit war der Betrüger ja Eigentümer.

Die Überlegung mit der Verfügungsmacht des Eigentümers gilt daher nur für den Diebstahl, nicht für den Betrug, und da ging es ja um Betrug.

Ändert aber nichts daran, daß es eine Bestandsdatenabfrage war, die nach (zu meiner Zeit) geltenden herrschenden Meinung ohne Richtervorbehalt und auch bei nicht-schweren Straftaten möglich ist.

10 Kommentare (RSS-Feed)

Hanz Moser
19.10.2011 13:11
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Hahaha, ich habe den Artikel gerade gelesen, bevor ich hier her kam. Und ich habe mir exakt die selben Fragen gestellt.

Der Eigentumsübergang findet ja durch den Betrug nicht statt. Also gehört das Handy immer noch dem Laden. Wenn also die Polizei hier die Rechte wahrnimmt, die auch ein Besitzer wahrnehmen dürfte, ist das m.E. unkritisch. Man kann ja bei Einschaltung der Polizei auch von konkludentem Einverständnis ausgehen.

Wenn in so einem Fall jemand ermittelt wird, der das Gerät gutgläubig erworben hat sehe ich das auch nicht so kritisch. Ich mag mich irren, und bin mir einer Korrektur deinerseits in diesem Fall sicher, aber soweit ich weiß kann man an Hehlerware kein Eigentum erwerben, auch nicht gutgläubig. Das ist wieder eine Interessensabwägung zwischen dem ursprünglich Bestohlenen und Käufer des Diebesguts – zu Gunsten des ursprünglich Bestohlenen.


Hanz Moser
19.10.2011 15:17
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“Der Betrüger hingegen (und hier ging es um Betrug) erwirbt (schon wegen des Abstraktionsprinzips als Spezialität deutschen Rechts) durchaus Eigentum an der Ware, weil der Händler es ihm „freiwillig” (also nicht etwa mit vorgehaltener Knarre) übergibt und damit übereignet. Der Händler hat dann nicht unbedingt einen Anspruch auf Herausgabe der Ware, sondern auf Zahlung des Geldes. Man könnte daraus die Nichtigkeit des Vertrags, die Kondiktion und daraus den Anspruch auf Rückübereignung folgern, aber damit war der Betrüger ja Eigentümer.”

Hossa, guter Punkt, die wirren des Abstraktionsprinzips hatte ich gar nicht bedacht!
Der Händler dürfte aber durchaus einen Anspruch auf Herausgabe haben. Dass bei einem Betrug der eigentliche Vertrag nicht viel hält ist der Normalfall und damit greift §812 BGB. Ob der aber bei “nicht gezahlt” greift ist eine gute Frage, da nur von der Anerkenntnis eines Schuldverhältnisses die Rede ist.
Der Anspruch auf Geld folgt dann erst aus §818. Da würde es mich aber auch interessieren, wie es ausgeht wenn der Betrüger bestohlen wird, bereichert sollte er durch das Fortbestehen seines Eigentumsanspruches ja noch sein…

Du hättest auch ruhig noch anmerken können, dass die zweite Häfte meines Kommentars folglich für den Arsch ist. Wenn der Betrüger Eigentum erwirbt, kann er es auch rechtskräftig weiterveräußern. Die Betrachtung von Dieben und Hehlerei geht also am Punkt vorbei.
Von einem Betrüger zu kaufen sollte also gehen, von einem Dieb wohl nicht.


Oppi
19.10.2011 16:02
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Also in dem vorliegenden Fall haben die Ermittler eine Richterin gefragt. Ob sie das mussten oder nicht sei mal dahingestellt, aber dass die, wenn sie denn gefragt wird, das nicht unterschreiben darf, weil es eben keine “Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung” ist, sollte wohl einleuchten. Darüberhinaus scheint ja auch die Richterin nicht der Meinung gewesen zu sein, man habe sie nicht fragen müssen, denn mit der Begründung “Es handelt sich aufgrund der Vorgehensweise um eine erhebliche Tat.” geht man ja auf genau den Gesetzestext ein, der laut dir gar keine Anwendung finden sollte. So viel zum Thema “herrschende Meinung” – bei diesem Staatsanwalt und dieser Richterin herrscht die scheinbar nicht …


Hadmut
19.10.2011 16:06
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@Oppi: Nein.

Das mit der Einzelfall-Erfordernis ist die Überwachung nach § 100a StPO.

Bestandsdatenabfragen laufen aber nicht über § 100a StPO sondern § 113 TKG. Und 113 TKG geht auch schon bei Ordnungswidrigkeiten und generell der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben.


frank paulsen
20.10.2011 2:41
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ich sehe nicht, dass dort primaer bestandsdaten nach §113 TKG abgefragt werden sollten, weil schliesslich nicht bekannt ist, *wer* der teilnehmer ueberhaupt ist.

die erfragte information laesst sich meines erachtens nur durch die auswertung von verkehrsdaten, namentlich des auftauchens einer bestimmten IMEI im telefonverkehr, ermitteln.

erst danach kann rueckwaerts ermittelt werden, welche bestandsdaten dieser IMEI zuzuordnen sind.


Hadmut
20.10.2011 8:02
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@Frank Paulsen: Das ist doch genau der Punkt. Name und Anschrift sind Bestandsdaten, und wenn über Kommunikationsdaten nach der Identität gefragt wird, dann sieht das die herrschende Meinung als Bestandsdatenabfrage an.

Die Rechtsmeinung (nicht meine eigene) besagt, daß es nicht darauf ankommt, welche verkehrsdaten zum Finden der Auskunft benötigt werden, sondern nur, welche Daten tatsächlich herausgegeben werden. Und Name, Anschrift usw. sind eben eindeutig Vertrags- und damit Bestandsdaten. Dazu gibt es bereits diverse Urteile.


Tobias
21.10.2011 12:03
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Ich bin mir nicht sicher ob eine IMEI mit eier IP vergleichbar ist.

Wenn ich richtig infromiert bin, dann ist die IMEI an das entsprechende Telefon gebunden und wird ja nicht vom Telefonanbieter bei der Einwahl in das Netz vergeben. Wenn ich also meine SIM-Karte in ein anderes Telefon stecke bin ich mit einer anderen IMEI unterwegs.

Die Zuordnung Kunde -> IMEI ist also für den Telefonanbieter nur aus den aktuellen Verkehrsdaten möglich, da er diese nicht wie eine IP selber dem Kunden zuordnet. Anders sieht das bei der SIM-Karte aus, diese ist vom Telefonabieter bei Vertragsabschluss als Bestandteil der Bestandsdaten gespeichert.

Somit würde ich eine Abfrage über die SIM-Karte als eine Abfrage der Bestandsdaten sehen, eine Abfrage über die IP evtl. auch noch (Möglicherweise grenzwertig), aber eine Abfrage über die IMEI nicht mehr.


Hadmut
21.10.2011 12:14
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@Tobias: Nicht ganz. Wenn der Provider Dir das Telefon selbst geliefert hat, dann gehört die IMEI zu den Bestandsdaten. Aber da es hier ja um gestohlene oder ergaunerte Geräte geht, ist das hier nicht relevant, nur zur Orientierung.

Du kannst zwar durchaus argumentieren, daß Du das so siehst. Und ich persönlich sehe das auch nicht ganz so wie die Juristen. Aber die Juristen sagen nun mal, daß es nicht darauf ankommt, ob man die Verkehrsdaten zum Finden des Teilnehmers braucht, sondern nur darum, ob die Daten, die letztendlich herausgegeben werden, Bestands- oder Verkehrsdaten sind. Und deshalb ist nach der Sichtweise der Juristen eine Frage nach Name und Anschrift immer eine Bestandsdatenabfrage, egal wieviele Verkehrsdaten man braucht, weil bei solchen Anfragen das durch das Fernmeldegeheimnis geschützte Datum der Polizei schon bekannt ist.

Nochmal anders erklärt: Nach Ansicht der Rechtsprechung schützt das Telekommunikationsgeheimnis Verkehrsdaten wie IP, IMEI usw. davor, daß die Polizei sie erfährt. Es schützt aber nicht davor, daß die Polizei diese Informationen, wenn sie sie sowieso schon aus anderer Quelle hat, zu weiteren Nachfragen verwendet.

Damit will ich aber nur sagen, daß das so gesehen wird, nicht daß ich das so sehe. Darüber kann man durchaus streiten (und ich habe mich selbst deshalb schon mal mit dem BKA angelegt, weil ich es anders gesehen habe).


Tobias
24.10.2011 9:00
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Ok, ich kenne mich da nicht so aus, aber wenn es wirklich so ist das es nur auf die abgefragten Daten ankommt und nicht auf den Weg wie man zu diesen von den Anfangsdarten kommt, lässt sich ja im endeffekt fast jede Überwachungmassnahme so rechtfertigen.

Denn irgend einen anfangs Datensatz hat man ja immer (Ausser bei anlasslosen Funkzellen abfragen usw., aber das ist sicher ein anderes Thema). Wenn es dann nicht darauf ankommt auf welchem weg man von den Anfangsdaten zu den Bestandsdaten kommt wäre damit ja fast automatisch jede Überwachungsmanssnahme gerechtfertigt bei der “nur” Name und Adresse an die Ermittlungbehörden übermittelt wird (Incl. der Überwachung unbeteiligter dritter).

Bei so einer Argumentation könnte man sich die Gesamte Gesetzgebung zum Richtervorbehalt in diesem Bereich sparen, zumindest wenn es um die Ermittlung von Personalien geht (Und ich Vermute der größte Teil der Anfragen an Netzbetreiber sind Anfragen zur Personalienermittlung).

Das so eine Argumentation den Ermittlungsbehörden geällt ist mir klar, wenn diese aber wirklich von Gerichten so gestützt wird finde ich das schockierend.


Tobias
24.10.2011 9:21
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Ach ja, die Zuordnung von Ausgansdaten zu Abgefrageten Datensatz muss wohl eindeutig sein wenn ich das richtig verstehe. Also alle Personalien von Personen die in einem Bestimmten Zeitraum Nummer x anrufen fällt wohl nicht darunter.

Das schränkt das ganze zwar etwas ein, aber eine Überwacheung unbeteiligter 3. ist trotzdem nicht ausgeschlossen solange eine eindeutige Zuordnung möglich ist.