Sprachdichte
Sehr interessanter Artikel in der WELT über die Informationsdichte von Sprachen.
Daß die gleiche Aussage in Englisch (geschrieben) bis zu etwa einem Drittel kürzer ist, weiß jeder Informatiker, denn die vom Englischen eingedeutschten Texte passen oft nicht mehr in Bildschirmmasken. Und beim Singen ist Englisch auch besser als das sperrigere Deutsch.
Übrigens haben die Chinesen in einer IT-Firma in Peking, die ich mit der GI (Gesellschaft für Informatik) mal besucht habe, behauptet, daß man auf einer Computertastatur (!) einen Text auf chinesisch (also mit den Schriftzeichen) verblüffenderweise signifikant schneller als den inhaltsgleichen Text in Englisch eingeben kann.
Und wo wir wieder beim Thema wären, der Artikel enthält eine schöne Liste übler Anglizismen (die mir allesamt auch gehörig auf die Nerven gehen, in Ergänzung zu meinen früheren Blogartikeln):
- „Haben Sie noch einen schönen Tag” statt „Ich wünsche einen schönen Tag” (Have a nice day)
- „nicht wirklich” statt „eigentlich nicht” (not really)
- „macht Sinn” statt „ist sinnvoll” (makes sense)
- „Ich erinnere das nicht” statt „Ich erinnere mich nicht daran” (I don’t remember/recall that)
- „Ich habe realisiert” statt „Ich habe gemerkt” (I realized)
- „Bush-Administration” statt „Bush-Regierung” (Bush administration)
- „Technologie” statt „Technik” (technology)
- „Aktivitäten” statt „Aktivität” (Weil englisch activity eher den einzelnen Vorgang als die Gattung wie die deutsche Aktivität bezeichnet)
37 Kommentare (RSS-Feed)
*Anglizismus natürlich. 🙂 Peinlich, peinlich.
findet derzeit auch zunehmend verbreitung: am ende des tages…
Naja, aber die Administration ist doch nicht sooo anglikanisch^Wanglizismiotisch.
Ich bin doch auch kein Systemregierer, oder?
😉
> „Ich erinnere das nicht”
Hab ich noch nie gehört oder gelesen und “klingt” auch völlig kaputt.
Zu der Tastatur, mit der man chinesisch eingeben kann: War das eine herkömmliche QWERTZ/Y? Oder irgendwas mit mehr Tasten und spezifischen, chinesischen Symbolen? Weil das wäre gemogelt, das wäre wie als wenn man eine Tastatur hätte, auf der man nicht einzelne Buchstaben, sondern ganze Silben eingibt. Glaube ich zumindest.
Anatol Stefanowitsch, seines Zeichens Sprachwissenschaftler, schrieb in seinem Blog eine Serie über “Sinn machen”:
http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2007/10/01/sinnesfreuden-i/
bzw. http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/2007/10/08/sinnesfreuden-ii/index.html
Keineswegs ein Anglizismus.
“Attacke” statt Angriff ist auch schwer in Mode – auch oder gerade in den verschiedenen Nachrichtensendungen.
Das wird gerne auch in der Version “Herzattacke” statt Herzinfarkt gebracht 🙁
@Usul
Glaub was anderes 🙂 Die Japaner haben zwei Silbenschriften. Die Chinesen nutzen Zeichen, die jeweils ein Wort bedeuten. Manchmal setzt man ein Wort auch aus zweien zusammen. Z.B. Blau und Zahn (echt kein Witz 😉 )
Da man aber nicht so viele Tasten auf eine Tastatur kriegt, wie es gebrauchte Wörter gibt, wird das Ganze, soweit ich weiss, in Lautschrift eingetippt. Das kann dann mal 3 oder 4 Zeichen pro Wort im Schnitt bedeuten…das geht natürlich schneller!!
ich habe realisiert…klingt auch vollkommen kaputt und ist mir noch auch noch nie begeht.
deutsch ist auch einfach in der satzstellung freier, als englisch, und verfuehrt zu solchen grausamen straftaten.
technologie ist nicht zwingend ein anglizismus…er wird nur inzwischen meist als synonym fuer technik verwendet, was ihn zu einem macht.
und neeein….carsten, du bist der anlagenueberwacher 🙂
Technologie ist “die Lehre der Technik” und wird fälschlicherweise of synonym mit “Technik” verwendet. Trotzdem rollen sich einem da die Fußnägel hoch. Genauso wie die Nachrichtensprecher, die bei Kommazahlen z.B. gerne “Zwei-Komma-Fünfzig” statt “Zwei-Komma-Fünf” sagen. Grrrr!
hallo,
Anglizismus oder nicht, hier gibst kompakte sprüche die auch schöne Aussagen machen
http://www.nachdenkseiten.de/?p=11060
gruss, klonderer
Moment…
“making sense” würde ich eher als “verständlich sein” als als “sinnvoll sein” übersetzen.
“Ich habe realisiert” hab ich bisher eher selten gehört. Mag aber auch davon überlagert sein, dass ich viel zu oft den Germanismus “we have realized” statt “we have implemented” lese …
Komisch, daß Ihr das alle nicht oder selten hört. Zeugs wie „ich habe realisiert”, „ich erinnere das” oder „macht Sinn” höre ich andauernd, sogar in Radio und Fernsehen.
Ja, make sense ist wirklich schrecklich… etwas ergibt Sinn, aber es macht nichts, weder Sinn noch Tee noch sonstwas.
Gelegentlich „macht” es sogar einen „Unterschied”… (makes a difference)
letzten endes ist doch nur relevant, dass der empfänger versteht ^^
Zur Eingabe chinesichen Textes:
Man verwendet normalerweise ein Programm, was aus den Tastendrücken Zeichen interpretiert, ein solches Programm nennt man »Eingabemethode«. Es gibt verschiedene Verfahren, als Überblick sei hier mal auf den entsprechenden Wikipedia-Artikel verwiesen (Eingabesysteme für die chinesische Schrift).
Ich persönlich verwende a liebsten Cangjie, benannt nach dem chinesischen Kaiser, der eines der bedeutensten Wörterbücher der Sprache herausbrachte, basiert diese Eingabemethode auf der Idee, die Form der Zeichen zu beschreiben. Dazu wird jeder Taste ein- oder mehrere Formen zugeordnet. Dabei gibt es eine Hauptform, die auf den meisten Tastaturen draufsteht, und mehrere Nebenformen. SO steht z.B. J für ? (zehn) in seiner Hauptform, aber auch für ? (Radikal Dach) in zusammengesetzten Zeichen. Im einfachsten Fall gibt man alle Komponenten eines Zeichens nacheinander ein, z.B. ergibt A (?, Radikal Sonne) + b (?, Radikal Mond) zusammen ? (hell). J + D (?, Holz) ergeben zusammen ? (Song, wie die Dynastie). Bei komplexeren Zeichen wie z.B. DDBUH ? (??, Melancholie), bei denen eine komplette Beschreibung zu lange ist, gibt es bestimmte Kürzungsverfahren, sodass stets höchstens fünf Buchstaben pro Zeichen entstehen.
Wenn man bedenkt, dass das Chinesische generell schon eine recht kurzfassende Sprache ist, dann ist das eine sehr effiziente Methode der Zeicheneingabe.
„Ich erinnere das nicht” ist typisch hamburgisch. Gebraucht meine Schwägerin nur so. Ich finde es auch daneben.
Administration statt Regierung zu sagen soll wohl wichtig klingen.
Und das ganze in 2011! Ist auch so eine Mode geworden.
Sorry, aber wenn kein erkennbar (also auch an der Aussprache) englisches Wort vorkommt, dann fällt das für mich nicht unter “Anglizismen”. Sprache wandelt sich eben, und darunter fallen auch Redewendungen wie die von dir genannten. Bei manchen deiner Beispielen frage ich mich auch echt wie sich ein Informatiker darüber aufregen kann. Wie nennst du denn den Typen, der im Netzwerk alle Rechte hat ? Netzwerk-Regierungschef ? Bei mir heisst der “Administrator” …
Ich hab zu dem Thema auch aktuell ein schönes Youtube Video im Hinterkopf : http://www.youtube.com/watch?v=xAemDwDAZno
In diesem Sinne : Hab noch einen schönen Abend 🙂
Auch das Einschleppen englischer Grammatik oder Wortbedeutungen und Übersetzungsfehler sind Anglizismen.
“Die” Sprache entsteht doch erst durch den Gebrauch.
Eine einheitliche Schreibeweist wird von Viellesern gefordert,
eine einheitliche Aussprache gibt es erst mit Rundfunk und Fernsehen.
Umgekehrt, wenn eine Gesellschaft zerfällt, weil nicht mehr miteinander geredet wird und keiner mehr zuhört, dann zerfällt die eine Sprache wieder. Unmerklich zunächst, und dann immer schneller.
Deine Sprachkritik bezieht sich, denke ich, genau auf diesen Punkt.
Der von Dir kritisierte Sprachgebrauch ist für P’Litiker und andere
Repräsentanten typisch. Und wenn Ärger und Wut erst einmal damit in Verbindung gebracht sind, bleibt die Assoziation lange erhalten.
Locker bleiben, und nicht verstummen 🙂
Du meinst also, man bräuchte beim Reden auch gar nicht mehr zu denken, weil es nicht nach Regeln, sondern nur darum geht, was de facto gesprochen wird.
Dabei übersiehst Du aber, daß diese Regeln nicht der Schikane, sondern nur einem einzigen Zweck dienen: Der gegenseitigen Verständlichkeit.
Da muss ich auch widersprechen. Sprache macht ja unglaubliche Quantensprünge. Man lese nur mal mittel- oder frühhochdeutsche Schriften – und das ist z.T. noch nichtmal 500 Jahr her. “nicht wirklich” vs. “eigentlich nicht” – da sehe ich bei keinem ein Verständnis- oder Verständigungsproblem. Ich wälze auch nicht irgendwelche Regeln, um einen Satz zu bilden.
Ein Kind schafft es ja auch sich zu verständigen, ohne diese Regeln genau zu kennen. Ich habe nun wirklich keine Ahnung von Sprachen in wissenschaftlicher Hinsicht, aber die damit verbundene Kommunikation ist sicher mehr eine intuitive Sache – also ich komme dabei prima ohne Compiler-Warnungen klar 😛
“Ein Kind schafft es ja auch sich zu verständigen, ohne diese Regeln genau zu kennen.”
Auch nur, weil sprachliche Kommunikation zur Hälfte aus Redundanz besteht, die zur Korrektur genutzt wird. Beim Kind kommt hinzu, dass man durch dessen geringen Wortschatz und den noch nicht ausgebildeten Intellekt einen Großteil der Interpretationsmöglichkeiten der Lautfolgen ausblenden kann. Weder wird das Kind “Muffenisolation” kennen oder dir sarkastische Anspielungen unterjubeln.
Man sieht an dem Beispiel aber auch das Problem dieser Sichtweise. Das Verständnis von frühem Kindergebrabbel ist massivst abhängig von nicht in der Sprache transportierter Information. Unsere Nachbarn verstehen ihre kleine Tochter (nicht ganz schulreif) wunderbar und unterhalten sich mir ihr, weil sie deren noch vorhandene Mängel in der Artikulation kennen. Aus “ähppe” hört die Mama ohne Nachdenken “Treppe”.
Wenn mir die Kleine was erzählt, muss ich angestrengt nachdenken, was sie wohl sagen wollte, wie alle anderen Nachbarn ohne Kinder auch.
Wenn man es auf dem Niveau belassen will, hat die Kleine ihre sprachliche Entwicklung abgeschlossen. Sie kann sich mit einem begrenzten Personenkreis verständigen. Mit Händen und Füßen dazu kommt sie sicherlich auch ein bisschen darüber hinaus.
Jetzt stell dir etwas auf der Ebene nicht als Einzelfall vor und überleg dir was schon heute mit Dialekten passiert, wenn du 300km weiter weg bist. Richtig, ohne gemeinsame Hochsprache landest du wieder in Babel. Irgendwie kannst du dir auch da ein Brötchen und ne Nutte kaufen, aber stell dir mal vor, du willst ein bundeseinheitliches Gesetz erlassen oder eine Gebrauchsanweisung schreiben.
Sobald du mit Sprache mehr machen willst als den Wunsch nach Nahrung und Kopulation auszudrücken brauchst du halt einen hinreichenden gemeinsamen Nenner. Dass sie sich nicht verändern darf hat damit übrigens nichts zu tun und tatsächlich sind viele gewachsene Veränderungen frühere Regelbrüche. In den meisten Fällen wurde aus falscher Sprachanwendung aber kein neuer Konsens…
@Michael:
>> … Da muss ich auch widersprechen. Sprache macht ja unglaubliche Quantensprünge. …
Ja, der Quantensprung ist auch so ein Missverständnis … 😉
“In den meisten Fällen wurde aus falscher Sprachanwendung aber kein neuer Konsens…”
Klar doch, und wenn Kommunikation auf allen Skalenebenen stattfindet,
von der Familie bis zum “hochkarätig besetzten Diskussionsforum”,
dann ist das auch sehr unwahrscheinlich.
In einer kleinen Gruppe, die mit Aussenstehenden nicht verkehrt, kann sich Sprache viel rascher verändern. Das geht auf dem Schulhof los und endet in Wildbad Kreuth.
Meine meistgehasste Neuerung:
“Jemandem etwas kommunizieren”.
Der Rückkanal fehlt, der Herrscher kommuniziert dem gemeinen Volk seine Erlasse.
OOps, google: communicieren
liefert Hinweise, dass es früher einmal transitiv gebraucht wurde:
http://www.schiller-multimedial.de/258.0.html
Das Fremdwort wurde dann irgendwann ein intransitives Verb.
Heute wird es als Anglizismus neu eingeführt und verdrängt seinen Vorläufer. Faszinierend!
Jaja der Quantensprung …
Der Physiker und Kabarettist Vince Ebert sagt das so: “Physikalisch gesehen ist ein Quantensprung definiert als die kleinstmögliche Zustandsänderung meist von einem hohen auf ein niedriges Niveau”
@Jörg J u.a.: Ich glaube, daß Ihr das mit dem Quantensprung falsch auslegt. Das hört sich für mich so nach „Herr Lehrer, ich weiß was!” an.
Der wesentliche Punkt am Begriff „Quantensprung” ist, daß das fragliche Objekt der Betrachtung eine Zustandsänderung vornimmt, für die es keinen kontinuierlichen Weg gibt, und der nicht aus dem bestehenden Zustand zwangsläufig, sondern überraschend erfolgt. Es ist wirklich ein Sprung, weil es kein zwischendrin auf halber Strecke (oder sonst einem Bruchteil) gibt und der Sprung eben in einem Sprung passieren muß und nicht in vielen kleinen Einzelschritten erfolgen kann.
Daher halte ich den Begriff zwar nicht für ganz richtig, aber immer noch für richtiger als Eure Kritik daran. Weil es dabei um die Qualität und nicht um die Quantität (Wortspiel) geht.
Habe zufällig gestern in einem deutschsprachigen Buch eines deutschen Authors die Kombination “Nicht wirklich” gefunden.
Das Buch war von ’91.
Tatsächlich habe ich diese Kombination in den 90iger Jahren erstmalig gehört.
Daher würde ich das nicht als Anglizismus einordnen, sondern als eine sich unabhängig entwickelte Veränderung.
@Alex: Es wird Dich sehr überraschen, und es ist wirklich frappierend, aber: Die Sprache Englisch und Anglizismen gab es auch schon vor 1991.
Der zitierte WELT-Artikel fängt doch schon mit einer völlig behämmertern Prämisse an: “Die wichtigste Funktion aller Sprachen ist die Vermittlung von Information.” Und das auch noch möglichst effizient… Vom Hause Springer finde ich das witzig, wo man doch sein Geld vor allem mit Desinformation macht, dies allerdings höchst effizient. Aber wieder zum Thema: Sprache erfüllt das auch, aber eben unter vielen anderen Funktionen. Wenn es nur um Informationsvermittlung ginge, kämen wir mit ein bisschen Gegrunze auch aus. Aber es geht eben auch um Vermittlung von Gefühlen, Nuancen, Kultur. Und da ist das Deutsche anderen Sprachen oft genug überlegen. Aber wenn WELT und BILD ins ach so effiziente China auswandern, hätte ich nun wirklich nichts dagegen.
@Hadmut: gerade im sprachlichen Bereich halte ich den Begriff Quantensprung für völlig falsch weil Sprache ja keinen plötzlichen Sprung macht sondern sich kontinuierlich entwickelt. Es hat ja nicht “Schwups” gemacht und alle reden mit komischen und grottenfalsch übersetzten Dingern. Das hat sich in den letzten Jahren mehr oder weniger schleichend entwickelt.
Ich würde da eher Evolution dazu sagen – wobei ich nicht sicher bin ob der Begriff bei Sprache wirklich passt.
@Jörg: Ich meinte das jetzt nicht spezifisch auf Sprache eingeengt, sondern generell als Begriff dafür, daß etwas eine nicht-kontinuierliche Fortentwicklung macht. Und deshalb bezieht sich der Begriff eben auf die Nicht-Kontinuität und nicht darauf, daß es der kleinst-mögliche Sprung ist.
@Hadmut
Sicherlich sind Anglizismen älter, aber die große Schwemme ist doch ganz klar eine neuere Erscheinung
Nunja, sicherlich ist “nicht wirklich” als Ersatz für “eigentlich nicht” ein (schlechter) Anglizismus, aber mir ist es bisher nunmal in erster Linie in form eines abschwächenden/ leicht ironischen “neins” untergekommen:
Lehrer: Hast du deine hausaufgaben gemacht?
Schüler: Nicht wirklich
Mir scheint dass ich eine andere Logik verinnertlicht habe, als die man für eine derartige Sprachforschung benötigt; Ich versuchte alte Quellen mit “Nicht wirklich” zu finden, scheitere aber daran.
(Nachdem ich einen Hinweis gefunden hatte, dass das möglicherweise über schlecht übersetzte filme zu uns schwappte)
“Sinn machen” ist auch mein persönlich meistgehasster Angilizismus, den ich immer und überall verbessere, wenn er mir begegnet. 🙂