Ansichten eines Informatikers

Frauenquote – Männerquote – Schwulenquote

Hadmut
4.12.2011 18:57

Herrje. Wenn man keiner unterdrückten Minderheit angehört, hat man’s echt schwer.

Ich war gerade bei einem Grundlagenkurs der Volkshochschule über Make-Up für Fotoaufnahmen. Das fehlt mir nämlich völlig, da hab ich bisher kaum Ahnung. Ich habe zwar schon einiges im Bereich Akt und Portrait in professionellen Studios, bei Workshops usw. gemacht, aber da kommen die Mädels immer fertig geschminkt an oder werden von der Visagistin zurecht gemacht. Eine Menge Frauen haben überhaupt kein Problem damit, nackt vor Fotografen zu posieren, aber beim Schminken zuzugucken, das geht gar nicht, das ist Privatsache. (Und die übliche Allerweltsschminkerei wie sie für’s Büro oder zum Ausgehen üblich ist, hilft da auch nur bedingt.) Je selbständiger oder professioneller man fotografiert, desto mehr muß man bestimmen, vorgeben, selbst machen. Und dazu gehört eben nicht nur Beleuchtung, Posing, und was sonst so zur Regie gehört, sondern auch, welches Make-Up man bestellt – oder was man darin anmeckert oder korrigieren läßt. Man wird nicht in ein paar Stunden vom Zuschauen das Schminken lernen (immerhin ein mehrjähriger Ausbildungsberuf), aber sich zumindest dem Punkt nähern, wo man nachvollzieh- und realisierbar artikulieren kann, was man will, und zumindest den nötigsten Kram einkaufen.

Und ein paar gute Tipps kann man sich auch abholen, was man so in der Fotoausrüstung haben könnte. Daß etwas Puder gegen glänzende Stellen gut ist, wußte ich. Aber daß es eine Mattierungscreme gibt, mit der man gerade bei Männern die Geheimratsecken von speckigem Glanz befreien kann, war mir neu. Und ich dachte immer, wenn ich mir ein vergütetes Schutzglas für 80 Euro vor die Linse schraube, wäre das teuer. Die üblichen Schminkpinsel hätte ich so auf 3,50 Euro geschätzt. Daß diese Pinsel zwischen 50 und 100 Euro kosten, und wie teuer das ganze Zeug überhaupt ist, wenn’s was taugt (und worin es sich von dem unterscheidet, was nichts taugt) hat mich dann doch sehr überrascht. Auch bei der Reihenfolge mußte ich einsehen, daß ich es falsch angefangen hätte, und wie man diese Wimpernzangen einsetzt, die nach Folterinstrument aussehen, hab ich jetzt auch verstanden.

Lernen werde ich das wohl nie, brauchbar machen auch nicht, is nich so mein Ding, fehlende Begabung, aber so ein erster Anfang um überhaupt mal zu wissen, worum es geht, war’s dann schon.

Weil ich in letzter Zeit aber öfters mal über Männer- und Frauenquoten gebloggt habe, konnte ich mir die Frage an die Diplom-Visagistin nicht verkneifen, wie denn in dem Beruf die Männer- und Frauenquote so aussieht. Dachte, das wäre so ein fast reiner Frauenberuf.

Nöh, sagt sie. Ungefähr 50% Frauen, 49,5% Schwule, 0,5% Restmänner.

Liebe Güte. Noch nie habe ich irgendwo eine solche Quotenangabe gehört.

Das wird noch besser. Sie sagte, daß die allermeisten weiblichen Models sich viel lieber von Schwulen als von Frauen schminken lassen, weil sie bei Frauen immer befürchten, daß die zickig und eifersüchtig sind und sie aus unterschwelligem Konkurrenzdenken nicht wirklich schön schminken. Schwulen würde da nicht nur vorbehaltlos bessere Arbeit wegen fehlender Konkurrenzsituation unterstellt, sondern es würde auch hoch geschätzt, daß diese – oft in der typisch tuntigen Art – viel bessere Schönheitstipps und Bewertungen geben würden. (Unausgesprochen blieb, aber irgendwie aus dem Zusammenhang hörbar war, daß sich Models wohl eher ungern von normalen Heteromännern bepinseln und begrabbeln lassen. Heteromänner kommen da irgendwie nicht mit und nicht vor.)

Heieiei.

Manchmal habe ich den Eindruck, daß man inzwischen als Normalo-Mann, der keiner Minderheit und keiner unterdrückten Bevölkerungsgruppe angehört, zunehmend außen vor bleibt.

Also bleibe ich notgedrungen bei der einzigen Rolle, die dem Normalmann als abgedrängte Randgruppe hier noch bleibt: Frauen (angezogen oder nackt) zu fotografieren und Anweisungen zu geben. 😉

11 Kommentare (RSS-Feed)

Chris
4.12.2011 20:58
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Die Erfahrung wars Wert 😉


wolframcgn
5.12.2011 1:30
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Manchmal habe ich den Eindruck, daß man inzwischen als Normalo-Mann, der keiner Minderheit und keiner unterdrückten Bevölkerungsgruppe angehört, zunehmend außen vor bleibt.
***

DEN Zahn kann ich Dir als schwuler, der nicht gerne Frauen schminkt ziehen.


klonderer
5.12.2011 9:03
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Restmann

Eine Quote hab Ich auch: Vor vielen Jahren hab ich Avon Kosmetik ausgefahren, war ein gut bezahlter Job. Ich hab mich gefreut vielen hübschen Frauen zu begegnen, das Gegenteil war der Fall. 80% Schabracken 10% Schwule und nur 10$ wirklich Gutaussehende Frauen.


deltongo
6.12.2011 10:30
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Die taz erklärt, wie man sich gegen die Frauenquote erfolgreich zur Wehr setzt:
http://taz.de/Frauenquote-Nein-danke/!83153/
Veni, vidi, vici!


Fritz koppling
8.12.2011 15:26
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Manchmal habe ich den Eindruck, daß man inzwischen als Normalo-Mann, der keiner Minderheit und keiner unterdrückten Bevölkerungsgruppe angehört, zunehmend außen vor bleibt.

Ja ne, ist klar.
Einfach mal als schwuler Mann mit einem anderen schwulen Mann Häändchen haltend und sich küssend durch ein Dorf in Bayern oder MeckPomm oder Sachsen oder so gehen. Nach drei Stunden bluten sie wahrscheinlich irgendwo. Wahrscheinlich ausgelöst durch weiße Normalo-Männer.
Ihre niedlichen Probleme hätte ich ja gerne….


Hadmut
8.12.2011 15:29
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Liebe Zeit.

Das heißt, daß Schwule es nicht mal schaffen sollen, eine Straße langzugehen ohne Händchen zu halten und zu knutschen?

Komisch, Heteros schaffen es durchaus, mal 3 Stunden an was anderes zu denken und einfach mal so ganz normal die Straße entlangzugehen. Ich jedenfalls.


yasar
8.12.2011 19:08
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Also auch nach nach über einem Vierteljahrhundert “Lebensabschnittsbegleitung” gehe noch mit meiner angetrauten manchmal händchenhaltend durch die Straßen. Und ich bin froh, daß da keiner ist, der mir das verbieten will. Und es wäre wünschenswert, wenn andere mit anderen Neigungen das auch ungeschoren dürften (solange sie mich nicht dabei belästigen).


Alex
8.12.2011 20:31
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Hadmut – ich bin enttäuscht, und das gerade von Dir der immer von Selbstzensur und “Zensur geht vom Volk aus” redet.
Und hier hört sich das an, als ob Du eine freiwillige Einschränkung in der Öffentlichkeit erwartest.


Hadmut
8.12.2011 20:36
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Nein, ich erwarte keine Einschränkung.

Aber ich find’s halt etwas überkandidelt, wenn sich da jemand gleich als unerträglich unterdrückter Schwuler hinstellt, weil er mal irgendwo nicht knutschen kann. Das ist zwar schlimm und inakzeptabel, aber es ist nicht gleich der Untergang des Abendlandes.

Ich komme auch ziemlich lange ohne knutschen und Händchenhalten aus, deshalb ist das für mich kein so wirkliches extremes Argument, wenn jemand das nicht kann. Ich war auch schon in Ländern unterwegs, in denen das generell nicht erlaubt ist. Schön ist es nicht, und ich würde es kritisieren.

Aber auch bei Beeinträchtigungen muß man irgendwo eine Bewertungsverhältnismäßigkeit einhalten. Man stirbt auch nicht gleich am Nicht-Knutschen.


fritz koppling
9.12.2011 15:40
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Sie kriegen nicht in dem Moment Prügel, in dem Sie das machen, aber bereits beim ersten Mal können Sie Beleidigungen der teilweise übelsten Sorte hören. Einfach so.

Sie müssen dazu nicht mal was Exzesives machen, es reicht aus, dass man einen stärker begründeten Verdacht hegen kann. Oder, dass Sie, wie man abfällig sagt, tuntig aussehen. Reicht völlig aus, um mal ordentlich eine drauf zu kriegen. Sowas wird übrigens selten bei der Polizei gemeldet, weil die das in etwa so ernst nimmt wie Stalking gegen Frauen. Und man bei der Polizei auch Pech haben kann und den ganz falschen Leuten erzählt, dass man Homo ist.

Und dann stellt Ihnen eines Nachts einer kleiner Trupp Sexualitätsreinheitswahrer nach und am nächsten Morgen wachen Sie im Krankenhaus auf. Mir bereits drei Mal passiert, davon eine Narbe fürs Leben mitten im Gesicht behalten (bekommen in einer Bar, in der jemand einem seiner vermeintlichen Freunde über meine Homosexualität berichtete; daraufhin von 5 Leuten aus dem Laden getragen, zusammengeschlagen und im Busch liegengelassen; Passantin rief Polizei, aber niemand aus dem Laden rief die Polizei oder machte irgendwas. Ort-Zeit: Magdeburg 2008; Resultat: Täter-Opfer-Ausgleich, bei dem die Täter meine zerschlagene Brille bezahlen mussten (80,00€), sonst keine weitere Konsequenz).

Der Unterschied: heterosexuelle Männer können sich mit Frauen soviel küssen und machen was sie wollen, auf offener Strasse. Als Homo müssen Sie dafür in jeder Stadt (und Dorf sowieso) aufpassen. Wobei es bereits etwas abstoßendes und unangenehmes ist, wenn man Sie allein anschaut wie eine Krankheit oder primitive Parolen nachruft (kann man jetzt sagen: kannste ja drüber stehen, aber das ist so, als sagte man einer Schwarzen, die ständig bepöbelt und bedroht wird: kannste ja drüber stehen – und dann denkt, das würde ernsthaft das Problem angehen).

Man stirbt sicher net am Nichtknutschen, aber als Homo können Sie am Dochknutschen irgendwo zwischen Beleidigtwerden und Tod landen, auch in Dt. und zwar einfach weil Sie Homo sind oder zu sehr danach aussehen.

Ich finde Ihre Argumentation hier wirklich zynisch und nicht witzig. Sie zählen zu den privilegiertesten Wesen Europas (weißer Mann mit Studium, deutscher Staatsbürger, Englischkenntnisse, kann ein bis zweimal im Jahr um die Welt reisen etc.) und beschweren sich noch…

bemerkenswert natürlich auch die “typtische tuntige Art” ….


Hadmut
9.12.2011 18:01
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@fritz koppling: Daß ich zu den privilegiertesten Wesen Europas gehören würde, hat mir noch keiner gesagt. Da wüßte ich aber ne ziemliche Menge von Leuten, die da noch weit, weit vor mir kommen. Ich bin noch nie um die Welt gereist, und weite Reisen machen ich alle 2-4 Jahre und nicht zweimal im Jahr. Englisch kann man übrigens lernen. Und es gibt unglaublich viele Leute, die ein viel, viel besseres Englisch sprechen als ich.

Davon abgesehen muß ich Ihnen aber etwas sagen. Um es Ihnen schonend beizubringen will ich es mal in eine gute und eine schlechte Nachricht aufteilen. Die gute zuerst:

Ich habe überhaupt nichts, kein bisschen, gegen Schwule und Lesben. Im Gegenteil, Schwule spielen in Kunst und Kultur eine wichtige Rolle, zu meiner Musiksammlung gehören Mercury und Sommerville, und ich finde es lustig, wenn ich zum richtigen Zeitpunkt in Berlin bin, über das schwul-lesbische Straßenfest zu schlendern.

Und jetzt müssen Sie tapfer sein, denn jetzt kommt die schlechte Nachricht:

Das Thema Schwulsein interessiert mich überhaupt nicht, nicht die Bohne. Null, Njet, Gar nicht. Nicht mein Ding. Ich bin nicht schwul und ich kann damit so überhaupt nichts anfangen. Mit Lesben verbindet mich immerhin noch eine gemeinsame Interessenlage und ein wenigstens entfernt ähnliches Beuteschema, weshalb ich auch schon mal mit einer Lesbe im Wettbewerb auf die Jagd gegangen bin (und an dem Abend leider verloren habe). Und ich will gerne bestätigen, daß Schwule meistens sehr nette und freundliche Leute sind (im Gegensatz zu Lesben, die meist garstig wie Klobürsten auftreten). Aber das ist nicht mein Thema, und mit der Beschwerde da sind sie bei mir und in meinem Blog einfach falsch. Sie sind hier auf dem falschen Dampfer (was, das Wortspiel kann ich mir nicht verkneifen, auch daran liegt, daß mein Dampfer hier an einem anderen Ufer anlegt).

Oder um es deutlicher zu sagen: Ich bin nicht die Telefonseelsorge. Und auch nicht die Kummerkastentante für mißhandelte Tunten. Mir fehlt es da an der Zuständigkeit.

Und um abschließend klarzustellen, wofür ich stattdessen zuständig bin: Ich bin nun mal Zyniker aus Leidenschaft. So sieht’s aus. Pech gehabt.