Ansichten eines Informatikers

Religion – Aberglaube – Ausländerfeindlichkeit

Hadmut
24.12.2011 2:20

Beim Skaten und beim S-Bahn-Fahren gehen mir manchmal seltsame Dinge durch den Kopf. (Nachtrag)

Gestern spätabends kam ich von einer Weihnachtsfeier in der Münchner Innenstadt und fuhr mit der U- und dann S-Bahn nach Hause. Ich stieg also am Hauptbahnhof ein, gleichzeitig mit mir aber auch eine Gruppe Jugendlicher bzw. junger Männer, vielleicht so um die 17-19 Jahre, die sich sehr laut und sehr störend, aber nicht ernstlich aggressiv benommen haben. Sie waren offensichtlich (und -hörbar) nahöstlicher, vielleicht arabischer, jedenfalls muslimischer (obwohl sie einen leicht angetrunkenen Eindruck machten) Herkunft. Sie sind im Zug laut polternd hin- und hergerannt und haben sich sehr lautstark unterhalten (es gibt halt Leute mit einem extremen Organ, die das selbst meist nicht mal merken). Ihre Sprache habe ich nicht verstanden und konnte sie auch nicht identifizieren. Sie haben aber viel zu laut mit ihrem Handy entsetzliche orientalische Jaulgesänge abgespielt und in ihren äußerst lautstarken Unterhaltungen und Telefonaten tauchte diverse Male der Begriff „Muslim” auf. Mitten in einem dieser lautstarken Telefonate streute einer auf einmal die deutschen Worte „Bist Du Arschloch!” ein. (Ich habe es schon mehrfach beobachtet, daß Leute – auch Kinder – mit anderer Muttersprache sich in ihrer Sprache unterhalten aber zum Schimpfen, Streiten, Kritisieren urplötzlich und mittem im Gespräch für einzelne Sätze ins Deutsche fallen. Irgendwie scheint die deutsche Sprache da härter und prägnanter zu sein und da wohl besser geeignet, jemandem etwas an den Kopf zu werfen.) Das nur so um die Situation zu beschreiben. Ich würde die Jungs als nervig, ungehobelt, schlecht erzogen, aber wohl nicht als gefährlich oder übermäßig aggressiv einstufen. Und schon gar nicht der Erwähnung durch einen Blog-Artikel wert. Ich muß aber trotzdem sagen, daß ich froh war, als die am Ost-Bahnhof ausstiegen, weil es auf einmal so schön friedlich, ruhig und angenehm war.

Dann aber war ich doch erstaunt. Kaum waren die nämlich draußen hörte ich von den benachbarten Sitzreihen „Scheiß Ausländer!” und „Alles Kanaken!”

Mmmh. Damit hatte ich für den Rest der Fahrt etwas zum Nachdenken. Wer mich kennt weiß, daß der Denkfehler des Verwechseln von Kausalität und Korrelation (oder gar Koinzidenz) bzw. seine Aufdeckung zu meinen Steckenpferden gehört.

Da kommen also ein paar Jugendliche und machen Krach. Das reicht nicht mal für eine Korrelation mit einer bestimmten Ausländergruppe, schon gar nicht mit allen Ausländern schlechthin. Von diesem einmaligen Vorkommnis auf schlechtes Benehmen von Ausländern zu schließen, ist ein signifikanter Denkfehler. In den Münchner U- und S-Bahnen fahren ziemlich viele offensichtliche Ausländer (ich weiß, das heißt jetzt politisch korrekt Mitbürger mit Migrationshintergrund oder wenigstens Ausländer und Ausländerinnen, aber das ist mir zu lang und zu blöd), und die benehmen sich in aller Regel völlig normal, unauffällig und zurückhaltend. Normale Leute eben, die einfach Bahn fahren wie man eben Bahn fährt. Unter denen, die mir negativ durch Benehmen, Aggressivität, gar Schlägereien oder aufdringlichen bis fluchtschlagenden Körpergeruch auffallen, sind die allermeisten Deutsche.

Das komische ist aber, daß wenn Deutsche in der S-Bahn Krach machen, niemand auf die Idee kommt, daraus auf das Verhalten von Deutschen zu schließen – was ja immerhin noch vertretbar wäre, da die Deutschen ja ein greifbarer abgeschlossener Kulturraum und laute Jugendliche durchaus Repräsentanten wären. Aber es macht niemand. Macht aber eine Gruppe von Ausländern Krach, dann wird das ohne weiteres auf alle Ausländer verallgemeinert, als ob es auf der Welt nur zwei Personen- und Kulturkreise gäbe, Deutsche und Ausländer. Als ob Ausländer alle gleich wären.

Man könnte naheliegender auf Jugendliche schließen und „Scheiß Jugendliche” rufen. Oder „Scheiß Turnschuhträger”. Oder auf die Schuhgröße. Oder Nutzer der Handymarke. Nein. Es wird ausgerechnet an der Eigenschaft festgemacht, die denklogisch am wenigsten vertretbar und nicht einmal eine bestimmte Eigenschaft ist.

Warum verallgemeinern die Leute bei ausländischen Jugendlichen auf alle Ausländer, bei deutschen Jugendlichen aber nicht auf die Deutschen? Was übrigens nicht ganz stimmt, denn der Bayer verallgemeinert sehr gerne auch innerhalb Deutschlands gerne auf die Nicht-Bayern durch „Sau-Preißn!”, was aber derselbe Effekt nur in kleinerem Maßstab ist, nämlich die Verallgemeinerung von Negativem immer nur auf andere und nicht auf die eigene Gruppe anzuwenden (was bei positiven Merkmalen übrigens durchaus passiert – wir sind Papst, wir sind deutscher Meister usw.). Dabei gehören zum Schlimmsten, was man in Münchner U- und S-Bahnen antreffen kann, Deutsche gehören, die vom Oktoberfest kommen.

Komischerweise habe ich diesen Effekt auch schon umgekehrt beobachtet, daß einem nämlich eine Verallgemeinerung vorgeworfen wird, die man nicht getan hat. Kritisiert man an der Uni (oder in manchen Firmen) einen einzelnen bestimmten Mann, dann heißt es „Der hat was gegen den”. Kritisiert man in gleicher Weise eine einzelne bestimmte Frau, dann heißt es jedoch „Der hat was gegen Frauen”. Da wird der Vorwurf also nicht von dem verallgemeinert, der ihn erhebt, sondern von der Gegenseite.

Wie kommt so etwas zustande?

Da fiel mir ein, daß ich neulich irgendwo – ich weiß dummerweise nicht mehr wo und habe es mir auch nicht aufgeschrieben – eine hochinteressante Meinung dazu gelesen habe, warum der Mensch religiös oder abergläubisch ist. Das sei Folge archaischer Verhaltensrudimente, die noch bei uns im Kopf festsäßen.

Für das Tier und damit wohl auch den Frühmenschen in der Entwicklungsphase des Denkens gibt es bewährte Fluchtreflexe. Wenn irgendetwas anders ist also normal, wenn sich beispielsweise das Gras anders bewegt als sonst, dann ist es einfach lebensgefährlich, es zu ignorieren oder zu erforschen, darüber nachzudenken. Das Verhalten mit der höchsten Erfolgsquote (und damit mit den besten Chancen, sich evolutionär durchzusetzen) sei das, jeder Abweichung von der Normalität eine feindliche Absicht beizumessen. Wenn sich also schon das Gras anders bewegt als gewohnt, hat es sich bewährt, nicht nach der Ursache zu forschen sondern einfach zu unterstellen, daß da ein Raubtier oder ein böser Mensch lauert und einen angreifen will. Und dann panikartig davonzulaufen. Jeder Abnormität ohne nähere Betrachtung (böse) Absichten eines Anderen zu unterstellen, also in alles und jedes Bewußtsein zu stopfen, mag wissenschaftlich Unfug und unvertretbar sein, hat aber entwicklungshistorisch den höchsten Überlebenserfolg gesichert. Deshalb scheuen und springen Pferde in Panik, weil sie die besten Chancen haben, damit ein aus dem Gras aufspringemdes Raubtier abzuwerfen und ihm zu entkommen, während der Esel stur stehenbleibt, weil in bergigem Gelände jede falsche Bewegung die letzte gewesen sein könnte.

Ein solches Verhalten ist nicht wissenschaftlich und nicht intellektuell. Es könnte spiel- und entscheidungstheoretisch aber trotzdem unter den damals bzw. in der Natur gegebenen Umständen und bei durch Leistung und Reaktionszeit begrenzter Hirnrechenkapazität die beste Strategie sein um das Ziel des Überlebens des Individuums und der Population zu erhalten. Risk Management ist auch nicht darauf ausgelegt, sich immer politisch korrekt und rational zu verhalten, sondern das zu erwartende Ergebnis zu optimieren. Daß da ein Unterschied besteht und das letztere Verhalten das ist, das der Evolution entspricht, ist vielen nicht klar.

Die Erkenntnis daraus ist, daß das evolutionär eingeprägte Verhalten gegenüber dem Unbekannten nicht das rationale ist, sondern nur das, was in wüster Urzeit statistisch gesehen die höchste Überlebensquote sicherte.

Und weil diese archaischen Überlebensmuster in uns noch viel stärker aktiv wären als wir glauben – wir halten uns für intelligente moderne Wesen, stecken aber noch voll von diesen Verhaltensmustern – neigt der Mensch – mancher mehr, mancher weniger – jeder Seltsamkeit, jeder Abnormität einen Willen eines potentiellen/fiktiven Angreifers zu unterstellen. Deshalb will der Mensch in allem, was passiert, irgendeine Absicht sehen. Ob das nun Heinzelmännchen oder Klabautermänner sind, die nachts heimlich ihr Unwesen treiben, ob es Aberglaube mit Hellseherei, mit Schicksal und Kartenlegen, mit schwarzen Katzen und zerbrochenen Spiegeln, oder eben organisierte Religion ist. Wenn was passiert, was man nicht auf normale Weise erklären kann, war es eben entweder Gottes Wille oder der Teufel. Und früher eben der Gott des Waldes, des Feuers, des Wassers oder sowas. Das Rudiment des bewährten Raubtierfluchtreflexes ist der Drang, in allem und jedem eine Absicht, einen versteckten Angreifer zu sehen. Gras bewegt sich nicht einfach so, Gras bewegt sich, weil der Tiger anschleicht.

Ist nun der Drang zu Vorurteilen und zu unsinnigen Verallgemeinerungen möglicherweise auch so ein archaisches Verhaltsprogramm, so ein Rudiment aus der frühen Ausbildung des menschlichen Gehirns?

Das Besondere am Menschen ist die signifikant ausgeprägte Lernfähigkeit. Der Mensch wird mit wenig Wissen geboren und muß sich lebenswichtige Fähigkeiten und Erkenntnisse erst aneignen. Schon viele Tiere können aber verallgemeinern. Wenn sie einmal selbst erleben (oder bei anderen sehen), daß irgendetwas nicht gut schmeckt oder sich wehrt, daß es gefährlich ist, lernen viele Tiere, das zu meiden. Weshalb es sich für die „Gegenseite” lohnt, sich ein leicht erkennbares Muster zu geben, wie etwa Giftschlangen oder giftige Frösche oder andere wehrhafte Tiere. Denn manchmal überlebt das angegriffene Tier die Gegenwehr nicht, wenn man auf einen giftigen Frosch beißt, ist der auch tot. Die Signalwirkung wird erst dann zum Schutz, wenn andere Tiere aus schlechten Erfahrungen lernen und auf auffällige äußere Merkmale verallgemeinern und künftig alles meiden, was so oder ähnlich aussieht (was nun wieder andere Tiere nutzen um zu bluffen, indem sie nur so aussehen, als wären sie gefährlich).

Vorurteile zu fassen und Ausländerfeindlichkeit sind Verhaltensformen, die heute gesellschaftlich geächtet, als politically incorrect angesehen werden. Möglicherweise macht die Gesellschaft es sich da zu leicht, indem sie das einfach nur als Dummheit oder schlechtes Benehmen abtut.

Möglicherweise sind das einfach die Überreste alter Überlebensprogramme. Wenn man einmal Ärger mit den Viechern mit den roten Tupfen hatte, merkt man sich, daß man sie nicht fressen darf, auch wenn es nicht die roten Tupfen sind, die giftig sind. Und das Dumme an der Sache ist, daß es sich evolutionär auch überhaupt nicht auszahlt, da mit wissenschaftlichen Methoden heranzugehen und durch Versuchsreihen zu untersuchen, ob die Giftigkeit überhaupt mal mit roten Tupfen korreliert und ob es gegebenenfalls sogar noch eine Kausalität gibt, denn sowas hilft einem in der Urzeit nicht, weil giftige Tiere in Versuchsreihen zu fressen einfach tödlich ist und man nichts davon hat. Das Vorurteilen, das (wissenschaftlich unzulässige auch fehlerhafte) Verallgemeinern, das Festmachen an leicht erkennbaren äußeren Merkmalen ist im Tierreich eine ganz wichtige Überlebensstrategie. Mag sein, daß die Verallgemeinerung wissenschaftlich oder erkenntnismäßig falsch und denkfehlerbehaftet ist – als Strategie zum Überleben und zum Optimieren der Überlebenschance ist es trotzdem richtig. Insbesondere dann, wenn man über kein Labor, wenig Hirnrechenleistung und nur Millisekunden für eine Fluchtentscheidung hat.

Nun hat der Mensch (oder jedenfalls die meisten Exemplare der Gattung) nicht nur ein Freß-, sondern auch ein Sozialverhalten, der Mensch ist ein Rudeltier. Und dazu gehört, das eigene Rudel zu schützen und zu verteidigen, und ähnliche Lernmechanismen wie bei giftigen Tieren einzusetzen.

Da könnten sich dieselben Mechanismen auswirken. Wenn man einmal schlechte Erfahrungen mit etwas gemacht hat, dann wird dem böse Absicht unterstellt und anhand einfacherer äußerer Merkmale verallgemeinert. Das kann man im Tierreich sehr leicht beobachten. Krähen haben keine Angst vor Menschen, die vorbeilaufen, aber fliegen sofort weg, wenn einer stehenbleibt. Sie haben keine Angst vor dem Bauern, aber sehr wohl vor einem Bauern mit Gewehr. Schafe haben Angst und fliehen vor einem, wenn man auf sie zuläuft (wie ein angreifendes Raubtier) aber nicht, wenn man sich (scheinbar) seitlich bewegt. Es gibt sehr viele solcher Beispiele. Weil es sich zum Überleben bewährt hat. Und Political Correctness und Wissenschaftlichkeit in der Natur so nicht vorkommen, sondern nur das Überleben zählt.

So falsch solche Verallgemeinerungen sein mögen, so wenig sie wissenschaftlichen Methoden genügen, so sehr könnten sie trotzdem urzeitlichem Verhalten entsprechen.

Nun läßt sich ja auch leicht beobachten, daß die Leute umsomehr zur Ausländerfeindlichkeit neigen, je – naja, wie soll ich das jetzt ausdrücken – knapper ihre Belichtung ausgefallen ist. Je weniger der intellektuelle Teil, der Verstand ausgebildet und ausgeprägt ist, desto mehr Einfluß hat der tierisch-archaische Apparat aus evolutionär angeeigneten Verhaltensmustern.

Wenn das so wäre, dann wäre der Mensch deutlich weniger verstandesorientiert, als er sich einbildet, und hätte noch ein ganzes Bündel an Verhaltensweisen aus der evolutionären Vergangenheit, so wie er andere Rudimente hat, wie Wurmfortsatz, Körperbehaarung, Kiemenansätze, Reißzähne und sowas.

Es hieße aber auch, daß eine solche Neigung zu Vorurteilen oder Ausländerfeindlichkeit (genauer gesagt eigentlich keine Ausländerfeindlichkeit, sondern die Feindlichkeit, die an einfachen und oberflächlichen Kriterien wie eben dem Aussehen festgemacht wird) nicht unter Dummheit im eigentlichen Sinne fiele, sondern da ein Urzeit-Programm abläuft, das sich früher mal als überlebensnützlich erwiesen hat, inzwischen aber völlig veraltet und unsinnig ist, und eben nicht bei allen von Verstand überdeckt würde. (Auch viele Formen dessen, was wir als Kriminalität einstufen, könnten auf ein solches Durchbrechen archaischer Verhaltensweisen zurückzuführen sein, die irgendwann einmal als überlebensförderlich angeeignet wurden und nicht hinreichend durch modernen Verstand überdeckt werden können, etwa Raub, Diebstahl, Vergewaltigung).

Möglicherweise ergibt sich sogar ein Übersprungeffekt wie bei Allergien: Das Immunsystem ist in unserer heutigen blitz-blank-sauber-Welt so unterfordert, daß es sich ein künstliches Angriffsziel sucht und darauf losgeht, obwohl es keinen Angreifer gibt. Man entwickelt eine Allergie.

Vielleicht gibt es das auch in diesen Verhaltensmustern. Womöglich führt unsere zivilisierte und beschützte Welt dazu, daß die Verteidigungsmechnismen unterfordert sind und sich deshalb ein Feindbild und eine Verallgemeinerung schaffen, wo es keinen Angreifer gibt. Wem es im wahrsten Sinne des Wortes „zu gut geht” und der sonst nichts zu tun hat, bei dem drehen die Abwehrmechanismen gegen Angreifer und Raubtiere durch und bilden fiktive Angreifer und Verallgemeinerungen anhand von Äußerlichkeiten wie eben der Hautfarbe. Es würde bedeuten, daß die Leute ganz dringend etwas brauchen, wogegen sie sich verteidigen können, als würden sie angegriffen. Und wenn es keinen Gegner gibt, dann macht man sich welche, wie bei einer Allergie. Was zu dem Experiment anregt, ob die Ausländerfeindlichkeit sinken würde, wenn man in den ausländerfeindlichen Gegenden Räuber, Kindsmörder, Raubtiere, Giftschlangen usw. in so hoher Dichte aussetzen würde, daß die Leute sich wirklich gegen Gegner verteidigen müßten, um sich nicht mehr fiktive Gegner zu schaffen. So wie Allergikern manchmal nicht mehr Sauberkeit, sondern mal ne Ladung Naturdreck helfen kann, damit das Immunsystem mal wieder was „normales” zu arbeiten bekommt und nicht hohldreht.

Ist aber keine durchdachte Theorie oder wissenschaftlich geprüft. War nur so ein Gedanke während der S-Bahnfahrt für drei Stationen und dem Fußweg nach Hause. Vielleicht alles Blödsinn. Was einem halt so durch den Kopf geht.

Nachtrag 1: Es würde natürlich erklären, warum der Mensch sich so häufig in seiner Bewertung anderer an Äußerlichkeiten orientiert, was gemeinhin als irrational angesehen wird. Ein solcher archaischer Abwehr- und Fluchtreflex kann sich aber nur an Äußerlichkeiten, also den mit den Sinnesorganen auf Distanz unmittelbar und sofort wahrnehmbaren Eigenschaften orientieren, woran auch sonst. Wenn der Löwe oder der Bär kommt, kann man nicht erst lange Gespräche mit ihm führen, um seine Gesinnung zu ergründen. Es scheint wohl zu den evolutionär angeeigneten Funktionen des Gehirns zu gehören, die Umgebung und andere Individuen möglichst schnell anhand von Äußerlichkeiten zu klassifizieren und möglichst schnell über das weitere eigene Verhalten zu entscheiden.

Es würde umgekehrt auch erklären, warum in zusammengehörigen Gruppen ein so hoher Druck entsteht, sich auf gleiche Äußerlichkeiten festzulegen – Uniformen, Mode, Tattoos, Gang-Kutten und so weiter. Wer auf dem Schulhof nicht die Jacke der richtigen Marke trägt, gehört nicht dazu. Solche künstlichen Merkmale der eigenen Population erleichtern die Freund-Feind-Erkennung anhand von Äußerlichkeiten. Das ist antrainierte Sicherheit, weil es die Zeit zur Freund-Feind-Erkennung in den Millisekundenbereich bringt und den Aufwand reduziert.

Nachtrag 2: Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr gruselt es mir. Der Nationalsozialismus könnte durchaus ein solches kollektives Überschwappen archaischer Hirnfunktionen gewesen sein. Es ist aus dem Tierreich durchaus bekannt daß es zum evolutionären Überlebensprogramm gehören kann, Konkurrenten bzw. andere Populationen zugunsten der eigenen zu töten. Und es fällt dabei auf, daß auch der Nationalsozialismus sich in seiner Freund-Feind-Unterscheidung ganz massiv an (teils fiktiven) Äußerlichkeiten orientiert hat.

Das Absurde daran ist, daß die zugrundegelegte „Rassentheorie” dann gar nicht mal so weit von dem evolutionsbiologischen Hintergrund solcher Hirnfunktionen entfernt wäre, denn in der Natur geht es ja um nichts anderes als den eigenen genetischen Code gegenüber anderen erfolgreich zu machen. Es würde aber auch bedeuten, daß das Verhalten von Menschen wesentlich stärker genetisch bedingt ist als wir bisher zugeben wollen, denn solche archaischen Mechanismen können ja nur auf dem genetischen Weg übertragen werden. Es würde bedeuten, daß ausgerechnet die Nazis, die sich so viel auf eine genetische Überlegenheit eingebildet haben, genetisch unterlegen waren/sind, denn ihr archaisch geprägtes Verhalten würde unter dieser Theorie bedeuten, daß sie wesentlich näher am urzeitlichen Höhlenbewohner und weniger am zivilisierten Homo Sapiens aufgestellt sind. Nazitum wäre ein konkretes Merkmal intellektueller und damit genetischer und evolutionärer Rückständigkeit.

Das läßt sich dann auch evolutionsbiologisch nicht mehr rechtfertigen, denn diese Rassengesetze und Rassentrennung, die man damals erlassen hat, wäre kontraproduktiv und führte zum weiteren Verkümmern des Genpools. Es ist durchaus bekannt und belegt, daß ein gesunder, robuster, überlebensfähiger, anpassungsfähiger und erfolgreicher Genpool eine guten Durchmischung bedarf, während Inzucht und Isolation zur Degeneration oder bestenfalls zum Stillstand führen. Bei den australischen Aborigines gibt und gab es beispielsweise strenge Regeln, wer wen heiraten darf. Man darf bzw. durfte nie innerhalb der eigenen Gemeinschaft heiraten, sondern muß sich immer anhand strikter Regeln reihum in einer anderen Gemeinschaft einen Partner suchen. Ich habe mal einen Aborigine gefragt, war das so wäre. Er sagte, es diene der Vermeidung von Inzucht. Die Aborigines früherer Zeiten wußten nichts von Genetik, aber hatten durchaus erkannt, daß Fortpflanzung innerhalb einer abgegrenzten Gruppe zu Degeneration führt, Kranke und Idioten hervorbringt. Deshalb haben die schon vor Jahrtausenden schlaue Regeln entwickelt, die zu einer steten und weiträumigen Durchmischung des Genpools führen, um sich stark und gesund zu erhalten. Es gibt ja auch bei uns die Vermutung, daß wir immer die Personen des anderen Geschlechts für besonders attraktiv halten, die sich von von den eigenen Genen möglichst unterscheiden – und sie unterbewußt anhand von Äußerlichkeiten selektieren.

Wäre also der Nationalsozialismus bzw. Nazitum ein solches Überschnappen archaischer Verteidigungsmechanismen mangels echter Feinde wie bei einer Allergie, dann würde sie deren eigentlichen Zweck, nämlich Stabilität und Überleben zu sichern, konterkarrieren, denn ein Abschotten ist ja zum Überleben und zur genetischen Fortentwicklung genau das Falsche. Um den Genpool überlebens- und konkurrenzfähig zu halten müßte man also „Ausländer rein” und nicht „Ausländer raus” fordern. Ähnlich wie bei den Aborigines müßte man eigentlich Ehen mit Fremden – am besten von anderen Kontinenten – fordern und fördern. Nur so hätte man Chancen, Resistenzen beispielsweise gegen AIDS, Grippe usw. zu erwerben.

23 Kommentare (RSS-Feed)

Mattes
24.12.2011 8:25
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Puh, und das noch vor dem Frühstück. Aber wirklich was feines zum drüber nachdenken.


klonderer
24.12.2011 9:22
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Nein,
Wie alle deine Kommentare schlüssig und plausibel durchdacht.
Ich wünsche dir zum Jahresende ein paar erholsame Tage.
lg, pit


Roland
24.12.2011 9:50
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Sehr schöne Theorie………..und nach eigener Beobachtung auch zutreffend.
Dazu passt , hoffe ich wenigstens, auch das belegte Verhalten einer “Masse”, die sich genauso verhält wie ihr am meisten unterbelichtetes Mitglied………..


Steffen
24.12.2011 10:39
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Es hat einen Grund, warum die Entwicklung des Sports zur Massenveranstaltung und Massenunterhaltung ausgerechnet im 19ten Jahrhundert anfing.

In dem Jahrhundert ging die Globalisierung richtig ernsthaft los, die moderne Massengesellschaft entwickelte sich, und es kamen die ersten Ansätze von Völkerverständigung und Pazifismus auf. (Okay, danach kamen die zwei Katastrophen der Weltkriege und das 20ste Jahrhundert hatte auch sonst noch genug Kriege, das tut aber nichts zur Sache hier). Damit muss das aggressive archaische Potenzial von “Unser Rudel gegen das feindliche Rudel” auf etwas harmloseres umgebogen werden, weil eine Massengesellschaft sonst nicht mehr zu beherrschen ist.

Und was sind Mannschaftssportarten anderes als simulierte Feldschlachten? Und wenn ich mit meiner Lieblingsfußballmannschaft mitfiebere, dann kämpfe ich doch virtuell im Kopf auf dem Feld gegen den Gegner? Es könnte tatsächlich genauso wie in deinem Beispiel mit dem Allergiker sein, dem ab und zu die Ladung Naturdreck ganz gut tut: Alle 2 Jahre brauchen wir eine Fußballmeisterschaft, wo wir es den blöden Engländern mal so richtig zeigen können.

Genau der gleiche Effekt dürfte für den enormen Erfolg von Onlinespielen wie World of Warcraft (“Alliance vs. Horde”) etc. verantwortlich sein.


Hadmut
24.12.2011 10:41
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Gib dem Tier in Dir Futter…


Hadmut
24.12.2011 10:47
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Was übrigens gut erklären würde, warum es bei Fußballspielen zu solchen Randalen kommt. Fußball bedient den Kriegsdrang und löst ihn aus.


Julian
24.12.2011 12:19
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Das einzige, was unsere Ur- Triebe zurückhält, ist der Staat und das damit verbundene Gewaltmonopol des Staates.

Nur weil wir eine Strafe befürchten müssen und diese für recht wahrscheinlich erachten, verhalten wir uns einigermaßen “zivilisiert”.
Was passiert, wenn diese Kontrolle zusammenbricht oder eine Strafe unwahrscheinlich wird, konnte man schon oft genug beobachten: brennende Autos in Berlin, Plünderungen bei Hochwassern (insbesondere New-Orleans), Bandenbildung in Rio/(ganz Afganistan/Irak) mit Mord und Todschlag, Vergewaltigungen im Krieg, Guantanamo… usw.

Wir sind also nur ein kleines Stückchen davon entfernt, diese Instinkte und Verhaltensmuster wirklich wieder zum Überleben zu brauchen. Vergleiche dazu auch Thomas Hobbes Leviathan

Frohes Fest 🙂


yasar
24.12.2011 13:00
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Interessanter Ansatz.

Daß Fußball “simulierter Krieg” ist, wird ja schon lange als These vertreten und daß auch die Auswüchse wie das Kloppen der fans untereinander vermutlich von archaischen Trieben gesteuert werden .

Übrigens zu dem Thema “deutsche” Beschimpfungen:

In anderen Kulturen meistens “langatmiger”, weil sie meistens etwas blumiger sind. Villeich twollten die Jugendlichen einafch nur “redefaul” und wollten Zeit sparen. Kaya Yanar bringt es übrigens recht genau auf den Punkt (https://www.youtube.com/watch?v=RSVFr4Bdtg0 ca. ab der 4. Minute).


Hanz Moser
24.12.2011 13:10
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Ein Aspekt ist dir noch entgangen. Die Frage nach der möglichen Genauigkeit der Differenzierung fremder Individuen hat viel mit der vorherrschenden Ethnie zu tun.

Wenn du mal nachdenkst, wie viele verschiedene “Typen” von Deutschen du kennst wird die Liste lang. Wenn du dir ein Gruppenfoto fremder Deutscher anschaust, hast du zu jedem Gesicht schon gewisse Assoziationen.
Mach das mal bei Chinesen oder Koreanern. “Die sehen alle gleich aus”. Die Anzahl an Schubladen, in die du die Leute stecken kannst ist zigfach geringer.

Das ist in deiner evolutionsbiologischen Sicht eine direkte Konsequenz. Und sie erklärt sehr schön, warum Ausländer eben Ausländer sind und nicht weiter differenziert werden (können).

Der “scope loss” geht aber noch weiter. Wie genau kannst du Leute deines Alters schätzen? Wie gut geht das mit Leuten über 70 und unter 20?


Manuel
24.12.2011 13:37
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Interessanter Gedanke… Fußball löst Aggressivität unter den Zuschauern aus. Wobei man auch versuchen könnte die Energie, die durch diese Aggressivität frei wird in konstruktive Kanäle zu lenken… Irgendwie erinnert mich das alles an Fight Club.


Bombasstard
24.12.2011 13:56
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Hallo Hadmut …
ich hatte letztens beim Tagesspiegel einen Artikel zum Thema Aberglaube gelesen.
Die bringen es da auf einen besonders kurzen und knackigen Punkt:

Unser Gehirn ist nicht nur auf Glauben, sondern auch auf Bedeutung gepolt. Es ist darauf geeicht, einem Phänomen in unserer Umwelt eine Ursache zuzuordnen. Das Rascheln der Schlange im Gras hat dem Menschen der Steinzeit Gefahr signalisiert und ihn sofort die Flucht ergreifen lassen. Nachdenken wäre tödlich gewesen. Damit geht einher, dass das menschliche Nervensystem fantastisch darin ist, Muster zu erkennen. Die Augen des Tigers im Busch, die Spur des Wildschweins in der Steppe: Muster. Ursache und Wirkung. Wer sie deutet, überlebt. Und dann hat er eine Chance, sich zu vermehren.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/magie-der-mathematik-warum-der-glaube-an-die-schnapszahlen-sinnvoll-ist/5823392.html


Hadmut
24.12.2011 14:22
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Ja, kann sein, daß das das war, was ich mal gelesen habe. Das Bild mit den Ringen kommt mir auch bekannt vor.


Steffen
24.12.2011 16:16
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Gerade zwischen dem Punkt, daß der Mensch sich offensichtlich äußerst viel an Äußerlichkeiten orientiert, und dem Nationalsozialismus gibt es eine interessante Verbindung:

Es hatte seinen Grund, warum Hitler seine Parteimitglieder in Uniform steckte. Neben dem psychologischen Effekt der Gruppenbildung war das ein Trick, um das Volk auf seine Seite zu manipulieren. Die Erinnerung an das Kaiserreich mit seiner schier absurden Vorliebe für Uniformen und “Uniformträger = Autorität” war noch ganz frisch, und wurde mit “den guten alten Zeiten” assoziiert. Die Nazis haben mit ihren Uniformen ganz unverfroren die Wirkung erzielt, daß sie trotz allem Terror, Mord und Schlägereien im Prinzip die Guten sind, die wieder für “Recht und Ordnung” sorgen, und die wieder alles heile machen, so wie es früher war. Und sie wurden dann auch gewählt…

Mal nicht ganz so weit zurück. Betreff Österreich hat man sich gefragt, wie eine Type wie der Jörg Haider einen derartigen Erfolg in weiten Teilen der Bevölkerung haben konnte. Ich glaube es war Die Zeit, die einmal seinen Kleidungsstil in einer hochinteressanten Bildstrecke dokumentiert hatte. Der Mann musste einen unglaublichen Fundus an Kleidungsstücken unterschiedlichster Art haben. Vor jedem seiner Auftritte hatte er das zu erwartende Publikum analysiert, und ist jedesmal in exakt dem dazu passenden Kleidungsstil erschienen. Egal, ob das jetzt die Feuerwehr, ein Schützenverein, ein vornehmer Adelsclub, oder eine Unternehmervereinigung war, immer ist er in typischem Outfit erschienen und hat jeder einzelnen Gruppe damit in der ersten Millisekunde vermittelt: “Ich bin einer von euch”.


Jens der andere
24.12.2011 16:47
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Schimpfen in Fremdsprachen? Abgesehen davon, daß die schlimmen würter immer als erste hängen bleiben, fehlt ihnen selbst in Sprachen, die nicht die eigene sind, die man aber trotzdem fließend spricht, die Würze. Zumindest im eigenen Empfinden. Die Muttersprachler sehen es dann anders. Man überlege mal, ob man manche Kraftausdrücke, die im Englischen gegebenenfalls locker von der Zunge fließen, in Deutsch auch so verwenden würde. (Soddin’ effin’ difference, I’d say.)

Zum Thema “Eigene Herde”: Danach wäre Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gewissermaßen das Defaultverhalten von Menschen. “Andere” sind Konkurrenten um Futter, Weibchen, Schlafplätze, was auch immer und müssen bekämpft werden. Und je mehr sie offensichtlich von Mitgliedern der eigenen Herde abweichen…

Da wäre dann interessant, wie sich die Toleranz gegenüber “anderen” gesellschaftlich entwickelte. Das Ganze muß mit wirtschaflichen Gegebenheiten zusammenhängen, aber ich habe da noch kein schlüssiges Modell im Kopf.

Zum Thema Fußball: Stellvertreterkrieg vom feinsten, welcher die etwas besser sozialisierten davon abhält sich gegenseitig zu prügeln. Klappt leider bei den weniger gut sozialisierten nicht so gut.


Hadmut
24.12.2011 17:04
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@Jens: Nicht unbedingt das Defaultverhalten von Menschen. Gibt ja auch Leute die klauen und Leute, die das nicht tun.

Ich vermute, daß es ein ganzes Bündel aus unterschiedlichen Handlungsweisen gibt, die sich bei manchen eben – je nach evolutionärer Herkunft – als vorteilhaft herausgebildet haben. Für manche mag es von Vorteil gewesen sein, in kleinen Gruppen raubend und vergewaltigend herumzuziehen, und damit ein Verhalten auszubilden, was wir heute als kriminell einstufen. Für andere mag es sich bei anderen Umweltbedingungen als günstiger erwiesen haben, ein ausgefeiltes Sozialverhalten herauszubilden um in großen Gruppen zu leben, vielleicht ist so unser Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn entstanden. Wahrscheinlich gibt es gar keine globale oder natürliche Gerechtigkeit, sondern gerecht ist einfach das, was der evolutionär angeeignete Mechanismus, der das Zusammenleben ermöglicht, als passend ansieht.

Insofern könnten Ausländerfeindlichkeit, Aggressivität, Kriminalität, Vergewaltigung usw. einzelne Verhaltensweisen aus einem großen Haufen von verschiedenen Verhaltensweisen darstellen, die manche Teile der Menschheit eben evolutionär herausgebildet haben, weil es für ihre Umweltbedingungen damals von Vorteil war, während andere Menschen unter anderen Bedingungen ganz andere Eigenschaften entwickelt haben.


Stefan W.
24.12.2011 17:06
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a) Sportspiele kann man auch harmloser der Jagd unter Konkurrenz zuordnen. Die Beute abjagen/den Ball, nicht die Vernichtung des Gegners.

b) Viele Deutsche fluchen auch mit fremder Zunge: “Motherfucker/Bullshit/…”. Das würde darauf hindeuten, dass nicht eine bestimmte Sprache besser zum Fluchen geeignet ist, als andere Sprachen, sondern dass man aus anderen Gründen in die fremde Sprache flüchtet. Vielleicht, weil die Flüche in der Muttersprache von den Eltern tabuisiert wurden, und man so scheinbar das Tabu umgeht? Um mit Fremdsprachen auch beim Schimpfen zu prahlen? Weil die andere Sprache nicht so abgenutzt scheint, und der Fluch darin kraftvoller wirkt?


Hadmut
24.12.2011 17:20
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@Stefan: Es war damals im Studentenwohnheim so, daß viele Leute aus den Ländern des nahen Ostens, vornehmen aus dem arabischen und persischen Raum dort lebten und leidenschaftlich gerne Streit vom Zaun gebrochen und Leute beleidigt haben. Als einzige gemeinsame Sprache mußten sie das natürlich auf Deutsch tun und es war amüsant, wie umständlich und sperrig sie zum Beleidigen ansetzten, und mit welchen verschnörkelten und verschachtelten Formulierungen sie einem sagten, was für ein schlimmer schlechter Mensch man sei. Das hatte den Vorteil, daß man in der Zwischenzeit einfach gehen konnte. Wenn sie zur Beleidigung ansetzten hatte man noch genug Zeit den Raum zu verlassen bevor sie fertig waren. War oft frustrierend für sie. Das Deutsche dagegen kennt so herrlich viele kurze harte Schimpfwörter wie „Dummschwätzer”, „Bappsack” usw. die das in einem Wort auf den Punkt bringen.


John
24.12.2011 19:45
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@Hadmut: Die Sexualpraktiken der Eskimos/Inuit hatten anscheinend ähnliche Inzucht-theoretische Hintergründe. Siehe Wikipedia.


Manuel
25.12.2011 13:17
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Ich habe mal davon gehört, dass in Gegenden, in denen wenige Ausländer leben, die Ausländerfeindlichkeit dafür umso höher ist. Also eine indirekte korrelation zwischen Ausländeranteil und Ausländerfeindlichkeit vorherrscht. Das ist eigentlich auch total irrational, denn eig. müsste dort, wo mehr Ausländer leben, die Gefahr, die von diesen Ausgeht, größer sein.
Dieser Umstand unterstützt deine These, dass Ausländerfeindlichkeit vor allem eine Angst vor dem Unbekannten ist, das man nicht einschätzen kann.


Chi-lien
25.12.2011 19:10
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Ich denke Menschen verallgemeinern in negativem Sinne immer dann, wenn es gegen eine leicht identifizierbare Gruppe geht, der sie nicht selbt angehören. Bayern: die Sau-Preißn. Ältere: die Jugend. Deutsche: die Ausländer. Die Deutschen werden “die deutsche” im negativen Fall nicht sagen, weil sie das selbst einschließen würde, was sie für unangemessen halten. “Die Turnschuhträger” wäre meistens nicht offensichtlich genug, obwohl mir der Ausdruck “diese langhaarigen Bombenleger” immer mal wieder begegnete, obwohl sie nicht immer lange Haare hatten. Ist etwas positiv, schließt man sich gerne verallgemeinernd ein, wir sind Weltmeister.

Gemeinsame Verteidigung schafft Zusammenghörigkeit, dein Experiment wäre vermutlich, zeitlich begrenzt, erfolgreich. Wäre aber ein dem Immunsystem mit der Allergie ähnlicher Effekt der Grund gäbe es keinen Unterschied zwischen dummen und intelligenten Menschen, den gibt es aber, zumindest scheinbar. Vielleicht halten die intelligenten nur die Klappe und differenzieren etwas stärker.

Was die sinnvolle genetische Durchmischung angeht hat du sicher recht. Aber die Auswahl basiert, soweit ich das verstehe, genau nicht darauf. Vielmehr auf Ähnlichkeit (gewohntes Äußeres, wie gleiche Hautfarbe, ähnliche körperliche Merkmale). Deswegen kann man oft Partner an ihrem aussehen erkennen, und die Herrchen der Hunde. Der Unterschied betrifft das Immunsystem, das muss passen, also unterschiedlich sein. Passt es nicht, was eine Schwächung der Abwehr beim Nachwuchs zur Folge hätte, können wir uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen. Das ist mir mal mit jemandem passiert den ich sehr attraktiv fand, und der genetisch sowas von unterschiedlich, evolutionär gesehen also ganz toll, gewesen wäre, aber meine Nase hat sich gesträubt.

Die Politik versteht das mit der Korrelation und der Kausalität gleich doppelt nicht, und interpretiert folglich die Koinzidenz falsch. Es geht nicht um Ausländerfeindlichkeit, Migranten sind nicht das Problem. Ich wäre in der Schule nie auf die Idee gekommen einen Unterschied zwischen Ausländern und Inländern zu machen. Aber wir haben ihn gemacht. Es gab uns, das waren Österreicher, Deutsche, Schweden, Spanier, Italiener, Namibier, Chilenen, Yugoslaven…… Und es gab Ausländer, mit denen niemand was zu tun haben wollte, weil sie sich ständig prügelten, rumpöbelten und die Mädchen schlecht behandelten, das waren Pakistanis, Türken, Tunesier….. Das ist in der Gesellschaft nicht anders. Wer hat ein Problem mit dem Griechen um die Ecke? Keiner. Wer hat ein Problem mit dem Türken daneben? Viele. Dabei ist, nach territorialer Herkunft, der Unterschied marginal. Ergo sind Muslime das Problem. Nicht Migranten. Man müsste also was gegen den Islam unternehmen, wenn man das Problem wirklich angehen will.

PS der Wurmfortsatz hat, anders als man immer wieder hört, eine wichtige Funktion und ist mehr als nur ein evolutionäres Überbleibsel. Im Falle einer schweren Darmerkrankungen, in deren Verlauf alle dort befindlichen und zur Nährstoffaufnahme erforderlichen Bakterien sterben, was unseren Tod durch verhungern zur Folge hätte, stellt der Wurmfortsatz die Wiederbesiedlung des Darms mit den nötigen Bakterien sicher, da sie in ihm auch schwere Krankheiten überleben. Der einzige Grund warum es nach Appendektomien so wenig tote gibt, ist weil solche Erkrankungen bei den heutigen Bedingungen selten geworden sind.


yasar
28.12.2011 22:56
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Dazu passend läuft gerade im swr-Fernsehen (28.12.2011, 22.00 Uhr) die “Große Show der Naturwunder”:

Da haben 4.-Klässler anhand von Fotos der Kandidaten den Wahlausgang vorhergesagt. Sie haben Fotos von je zwei Politikern gezeigt, die in verschiedenen Wahlen gegeneinander angetreten sind, die aber die Kinder nicht gekannt haben, z.B. Parlamentswahlen in anderen Ländern oder Bürgermeisterwahlen in fremden Städten. Das experiment war dabei ein Spiel: Die Kinder sind auf einem Schiff und sollen denjenigen von zwei Kanditaten auf einem Foto zum Kapitän machen, dem sie die Aufgabe mehr zutrauen. Erstaunlicherweise haben sie den Wahlausgang ziemlich gut getroffen.

Das bestärkt die These, daß man sich eine Meinung über einen Menschen sehr schnell über die Äußerlichkeiten, in diesem Fall ein Foto bildet, sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen. In der Sendung sind sie sogar so weit gegangen zu behaupten, daß die ganzen Wahlprogramme und Diskussionen im Prinzip kaum die Wahl beeinflußen, sondern nur die äußere Wirkung der Kandidaten. Deswegen sind die meisten Wahlplakate auch so inhaltsleer.

Sollte das tatsächlich so sein, wären demokratische Wahlen eine Augenwischerei. Dann entscheiden nicht rationale Gründe, sondern Urinstinkte über deren Ausgang.


yasar
30.12.2011 11:04
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In der Mediathek ist die Sendung leider nicht aufgetaucht. Aber ich habe dazu noch folgendes Dokument gefunden:

http://www.hec.unil.ch/jantonakis/Antonakis.all.2..pdf

Das ist eine Pressemitteilung des Wissenschaftlers von der Uni Lausanne, der solche Studien durchgeführt hat.


Stefan
4.1.2012 4:12
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“Denn manchmal überlebt das angegriffene Tier die Gegenwehr nicht, wenn man auf einen giftigen Frosch beißt, ist der auch tot. Die Signalwirkung wird erst dann zum Schutz, wenn andere Tiere aus schlechten Erfahrungen lernen und auf auffällige äußere Merkmale verallgemeinern und künftig alles meiden, was so oder ähnlich aussieht”

Es reicht auch, wenn genetisch eine gewisse Varianz in der Futterpräferenz vorliegt. Dann verreckt nämlich der Gelbe-Frosch-Nicht-Esser-Teil der Population verhältnismäßig seltener als der Rest was früher oder später zur Fixation des Iss-Keinen-Gelben-Frosch-Gens führt.

Schöner Text, etwas waghalsige Schlüsse, wie ich sie kenne und liebe.