Ansichten eines Informatikers

Informationsfreiheit, Bundestag, Wissenschaft, Piraten und UFOs

Hadmut
30.1.2012 11:48

Ein Leser weist mich gerade auf einen Vorgang hin. (Nachtrag)

Da hat jemand (in erster Instanz erfolgreich) gegen die Bundestagsverwaltung geklagt, weil die ihm keinen Einblick in eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes über die Suche nach UFOs geben wollte. Die sind bekanntlich zugeknöpft, ich bin am Bundestag ja auch schon mit einem IFG-Ersuchen abgeprallt, denn der Bundestag hat es dann auch nicht so mit der Einhaltung von Gesetzen. Gesetze sind eher für die anderen gedacht.

Die Piraten (bzw. deren Torge Schmidt) vertreten dann die Auffassung (dort auch nähere Infos zur Sache), daß Ausarbeitungen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, auch öffentlich sein müssen. Im Prinzip eigentlich der klassische Public-Domain-Ansatz – was die Öffentlichkeit bezahlt hat, gehört ihr auch.

Im Prinzip geben ich den Piraten da auch recht. Aber nicht so ganz.

Würde nämlich alles, was aus öffentlichen Geldern finanziert ist, auch öffentlich sein, gäbe es keinerlei staatliche Geheimhaltung mehr. Es würde auch dazu führen, daß ein Abgeordneter in Sachen die – aus welchen Gründen auch immer – der Geheimhaltung unterliegen oder diplomatisch heikel sind, keine wissenschaftlichen Anfragen mehr stellen kann. Das kann etwa in Fragen der Kriegführung oder diplomatischer Verwicklungen heikel werden. Nehmen wir mal so aktuelle Weltgeschehnisse wie die Möglichkeit eines Krieges der USA gegen Iran, oder die Finanzmisere in Griechenland. Da könnte es einige wissenschaftliche Fragen geben, die zu einigen außenpolitischen Problemen führen könnten, würden sie ans Licht kommen. Oder Fragen zur Gefährdung des Landes, Angreifbarkeit, Zivilschutz, Terrorschutz, Bunkeranlagen, usw.

Die Piraten haben da einige eher fundamentalistische Forderungen, die ich im Prinzip und im Allgemeinen sogar gut finde und befürworte. Nur ist die Welt leider nicht immer so einfach, daß sie sich in so einfache Regeln pressen läßt. Ob es einem gefällt oder nicht, in einem Staat gibt es nun mal ein paar Dinge, die nicht jeden was angehen. Und ein taktisches Wissen ist oft auch nur dann nützlich, wenn der Gegner nicht weiß, daß man es hat. Wir leben nun mal nicht in einer idealisierten Welt, in der alles transparent ist und man alles offen stehen lassen kann.

Auf der anderen Seite ist es natürlich arger Käse, wenn eine Studie über Ufo-Forschung nicht zugänglich sein soll, weil ich da kein Geheimhaltungsbedürfnis sehen kann und es erheblich Gegenstand politischer Meinungsbildung ist. Insofern ist es gut, daß da mal einer dem Bundestag auf die Finger geklopft hat.

Halte ich das Ansinnen der Piraten nun für richtig oder falsch? Bin ich dafür oder dagegen?

Schwierige Frage.

Ich halte das Ansinnen für richtig, aber dessen Begründung für falsch.

Aus besagten Gründen verfängt das Argument der Steuermittel nicht, denn es differenziert nicht zwischen geheimhaltungsbedürften und zu veröffentlichen Sachen. Und die geheimhaltungsbedürftige gibt es .

Meines Erachtens kommt es viel mehr auf die Abwägung zwischen politischem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und einem Geheimhaltungsbedürfnis an. Ich weiß, das stinkt schon wieder gewaltig nach Mißbrauch und Streit, weil erstens Bundestag und Politiker immer viel zu viel (und das falsche) für geheimhaltungsbedürftig halten und weil „Abwägung” in der Realität heißt, daß man (teuer) klagen muß und ein Richter dann entscheidet, wie er gerade Lust hat.

Dafür müßte man eine Lösung finden. Etwa einen Kriterienkatalog, der für eine Geheimhaltung erfüllt sein muß, und einen begründeten Geheimhaltungsantrag eines Abgeordneten mit einer Geheimhaltungsfrist oder sowas in der Art. Nicht einfach. Aber ganz so simpel, wie die Piraten es hinstellen, ist es auch wieder nicht.

Nachtrag: Man muß sich in solchen Forderungen auch immer überlegen, ob sie nur schön in die eigene ideale Weltbild passen, oder ob sie auch Nachteile mit sich bringen. Die Welt ist nämlich ideal.

Ich für meinen Teil halte die meisten unserer Abgeordneten in den meisten Bereichen nämlich für ziemlich inkompetent, um nicht zu sagen doof. Das, was ich dagegen vom wissenschaftlichen Dienst bisher gelesen habe, war zwar nicht Spitze, aber ganz ordentlich, und gemessen an dem Umstand, daß sie als Generalisten alles wissen und können müssen, zudem in begrenzter Zeit, eigentlich ganz gut. Ich halte es also durchaus für nützlich und sachdienlich, wenn unsere Abgeordneten, derer vielen ich nun wirklich nicht viel eigene geistige Leistungsfähigkeit zutraue, lieber „jemanden schlaueren” fragen. Eine allgemeine Veröffentlichungspflicht hätte freilich den Nachteil, daß gerade in schrägen Fällen der Abgeordnete möglicherweise von einer Anfrage absieht, wenn er fürchtete, daß ihm das innen- oder außenpolitischen Ärger bringt oder sonstwie peinlich enden könnte.

Überspitzt gesagt: Glaubt ein Abgeordneter an die kleinen grünen Männchen vom Mars, ist es mir lieber, daß ihm der wissenschaftliche Dienst vertraulich sagt, daß es die nicht gibt, als daß er sich nicht mehr traut zu fragen und weiter daran glaubt.

Auch wenn eine Lobby einen Abgeordneten bearbeitet, sollte der etwas nachprüfen lassen können ohne gleich in das Sperrfeuer der Lobby (oder der gegnerischen Partei) zu kommen.

Andererseits nähme das aber auch die Möglichkeit, einem möglichen Fehler oder einer falschen Bewertung durch den wissenschaftlichen Dienst entgegenzuwirken.

Ganz so einfach ist die Sache aber nicht.

13 Kommentare (RSS-Feed)

Christian Horn
30.1.2012 12:35
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Wer bestimmt, was geheim gehalten werden muss? Wer verifiziert, dass die Daten wirklich geheim gehalten werden müssen, wenn nicht ersichtlich ist, worum es geht? Wer bestätigt dem Volk, dass da auch wirklich nichts anderes drin ist als drauf steht? Wo kann ich sehen, welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, damit nichts an die Öffentlichkeit gerät? Wo sind die Datenschutzbeauftragten, die sicherstellen, dass mir nichts wichtiges Vorenthalten wird?

Mir ist das zu binär, ein einfaches ja/nein finde ich zu wenig. Man sollte in jedem Fall einen richterliches Urteil mit ausführlicher, nachvollziehbarer, öffentlich einsehbarer Begründung haben. Sollte – ich greife jetzt mal den Fall Krieg auf – finanziell kaum ins Gewicht fallen.

Vertrauen? In die Regierung(TM)? Schlechter Zeitpunkt. History repeats itself und so.


Sylvia
30.1.2012 12:36
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Das Problem ist doch, das in solchen Pressemitteilungen nicht genug Platz für eine differenzierte Betrachtung ist.

Wir sehen durchaus, das Informationsfreiheit z.B. durch den Datenschutz beschränkt wird. Frei nach dem alten Motto: “öffentliche Daten nutzen, private Daten schützen”

Das Problem ist natürlich auch die fehlende Kontrollmöglichkeit der Bevölkerung. Im Zweifel wird halt alles erst mal als geheim eingestuft und damit nicht veröffentlicht. Am Ende ist der Staat ja eigentlich nur Dienstleister für die Bevölkerung und so eine generelle Bevormundung “angeblich in unserem eigenen Interesse” ist ja weitgehend Praxis.

Praktisch wäre da z.B. eine Kontrolle der Freigabe im Zweifel durch die Opposition, die ja durchaus auch an der Erhaltung der Diplomatie etc. interessiert ist, aber sicherlich weniger Geheimhaltungsgründe sieht wie die Regierung.


yasar
30.1.2012 12:42
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Ich würde das anderherum angehen:

Ich würde sagen, alles was mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, ist erstmal Eigentum des Volkes und daher diesem prinzipiell ohne Aufforderung offenzulegen (z.B. Bundesanzeiger oder Website). Nur wenn etwas geheimgehalten werden muß, muß dies erst begründet werden. Und es sollte sehr stark eingegrenzt werden, was als geheimhaltungsbedürftig zu gelten hat. (Forschungsergebnisse oder Verteilung von Fördergeldern oder landwirtschaftlichen Subventionen gehörem imho nicht dazu).


yasar
30.1.2012 12:46
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Ich habe da gerade mal nachgeschaut und gesehen, daß es um ein Dissertation geht. Da sollte man gar nicht groß dieskutieren müssen:

Dissertationen sind zu veröffentlichen. Punkt.


flippah
30.1.2012 13:12
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Ich sehe das wie yasar: alles, was öffentlich finanziert wird, ist erst mal public domain. Ausnahmen müssen explizit begründet werden. Die Hürde muss dafür nicht zwingend besonders hoch sein, es kann auch Abstufungen geben, wer was bekommen kann und was er dafür nachweisen muss.
Aber der Grundsatz muss entsprechend lauten und die Geheimhaltung die Ausnahme sein.


Flusskiesel
30.1.2012 13:36
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Ich gebe da yasar Recht:
Alles sollte per default veröffentlicht werden und nur in Ausnahmefällen (militärische Geheimnisse z.B.) darf etwas geheimgehalten werden. Heutzutage ist das ja eher anders herum.

Außerdem sollten die Geheimnisse zeitlich befristet sein (ggfs. werden die Fristen dann verlängert).

Übrigens verstehe ich auch nicht, wie eine Dissertation nicht öffentlich zugänglich sein kann – immerhin muss die doch veröffentlicht worden sein.


HF
30.1.2012 14:05
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“Nehmen wir mal so aktuelle Weltgeschehnisse wie die Möglichkeit eines Krieges der USA gegen Iran, oder die Finanzmisere in Griechenland. Da könnte es einige wissenschaftliche Fragen geben, die zu einigen außenpolitischen Problemen führen könnten, würden sie ans Licht kommen.”

Könnte es wirklich? Was weiss das Parlament schon, es wird doch ohnehin erst hinterher gefragt. Was die Kanzlerin von der Wissenschaft hält, hat sie jedenfalls im Verlauf der Plagiatsaffäre sehr deutlich gesagt, und damit einen Sturm der Entrüstung in der Wissenschaftselite ausgelöst. Hat “die Wissenschaft” zu Fragen der Kriegsführung oder der Finanzkrise überhaupt etwas zu sagen? Oder soll die Wissenschaft nur die eigene Propaganda aufwerten?
Die Geheimhaltung fördert auch die Wissenschaftskorruption, die nicht einfach aus Respekt vor der Würde des Parlaments an der Türschwelle endet.


Hanz Moser
30.1.2012 14:10
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Ich glaube nicht, dass die Piraten so ideologisch verbohrt sind. Ein paar ganz sicher, aber das ist ja überall so…

Praktisch ist die derzeitige Lage ja aber grundlegend umgekehrt. Mit einer differenzierenden Betrachtung die versucht abzuwägen und als erstes feststellt, dass ja grundsätzlich enormer Bedarf nach Ausnahmen besteht, gewinnt man aber keinen Blumentopf. Wenn man so in einem politischen Diskurs antritt erntet man einen Hinweis auf das IFG und niemand interessiert sich weiter für die Sache.
Es ist halt ein Meinungsbasar und man muss für den Teppich erst mal wesentlich zu viel verlangen. Man siehe auch hierzu auch die Befürchtungen als die Grünen groß wurden und die Realität, die deutlich weniger fundamentalistisch geprägt war.

Die Idee für die Praxis ist vermutlich auch nicht, wirklich alles immer und sofort offen zu legen, sondern eher den Ansatz von “was legen wir offen” zu “was können wir nicht offen legen” zu ändern.
Da verfängt auch meiner Ansicht nach das Argument der Steuergelder sehr wohl, denn es wird ja die grundsätzliche Pflicht zur Offenlegung gefordert. Und grundsätzlich verstehe ich hier auch so wie der gemeine Jurist, nämlich als “dem Grundsatz nach, jedoch mit Ausnahmen”.


Hadmut
30.1.2012 14:20
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Bitte noch meinen Nachtrag oben beachten…


Jens der Andere
30.1.2012 14:26
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Da muß ich mal in meinem Gedächtnis wühlen.

Für die Einstufung als Verschlußsache ist (meines Wissens nach) derjenige zuständig, der das Ganze produziert. Je nach Gehalt an Schmutz und Schund oder sicherheitsrelevanten Daten wird dann eingestuft, wobei nicht unsinnig zu hoch oder zu tief eingestuft werden soll. (Interessant ist, daß auch Tatsachen, die das Ansehen der Bundesrepublik schädigen können, dadurch einstufbar sind.)

Bei allen offenen Dokumenten stellt sich die Frage nicht, ich halte sie für veröffentlichbar, solange nicht Gesetze oder im Extremfall Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
Informationsbedürfnis und Sensationsgier sind zweierlei – mich interessiert nicht, was ein Amtsträger in seiner Freizeit treibt, solange es sein Amt nicht berührt. Hat mich nichts anzugehen, geht mich nichts an.

Bei Verschlußsachen müßte eigentlich eine unabhängige Prüfstelle entscheiden. Aber wie findet man eine Gruppe unabhängiger, verschwiegener Personen, die soetwas beurteilen können…


HF
30.1.2012 14:42
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“Ich halte es also durchaus für nützlich und sachdienlich, wenn unsere Abgeordneten, derer vielen ich nun wirklich nicht viel eigene geistige Leistungsfähigkeit zutraue, lieber „jemanden schlaueren” fragen.”
Das ist nicht abwertend, genau dafür ist diese Einrichtung da.
Sie wurde von klugen Politikern vor langer Zeit geschaffen und
erscheint mir als Relikt im Politikbetrieb, ein Überbleibsel aus glanzvolleren Tagen der Aufklärung. Wenn ihre Nutzung abnähme, wäre das ein echter Verlust. Die Geheimhaltung ist an dieser Stelle nicht wirklich diskussionswürdig. Und der UFO-Aufhänger ist auch nur Sensationshascherei. Die Auswirkungen der Geheimhaltung auf die medizische Forschung, sind viel schwerwiegender und betreffen direkt Bürger und die Gesundheitspolitik. Da haben die Piraten wieder mal eine Chance vertan, aus ihrem Ghetto herauszukommen.


dochpalese
30.1.2012 21:00
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Möglicher Weise kam das Veto aus Bi*l*f*ld. Trotzdem haben wir ein Anrecht darauf zu erfahren, ob sich bereits Sirier und Andromedare unter uns gemeines Erdenvolk gemischt haben 😉


Hadmut
30.1.2012 21:50
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