Dreiblättrige Hubschrauber
Man sagt, daß vierblättriges Klee Glück bringt. Und man sagt, daß dreiblättrige Hubschrauber gefährlich sind.
Ich hatte mal vor rund 10 Jahren vor, den Hubschrauberpilotenschein zu machen. Hatte mir schon allerlei Lehrbücher gekauft und gepaukt, einiges gelernt, und eine erste (halbe) Probeflugstunde absolviert (bei der ich das Fliegen schon ganz gut, das Hovern aber fast gar nicht hinbekommen habe). Letztlich fehlten mir Zeit und Geld. Ist nämlich schweineteuer, vor allem in Deutschland.
Davon übriggeblieben ist außer ein paar Büchern im Regal und dem Interesse auch noch etwas Fachwissen hier und da, wozu auch eine ganze (bei weitem nicht vollständige) Liste der Möglichkeiten gehört, auf die man einen Hubschrauber zum Absturz bringen, kaputt machen oder verlieren kann, auf die man als Laie nie käme. Das sieht immer so leicht und elegant aus, hat es flugtechnisch aber ganz gepfeffert in sich.
Von manchen dieser besonderen Methoden, einen Hubschrauber zum Abstürzen oder in einen nicht mehr startfähigen Zustand zu bekommen, habe ich dann hin und wieder Fälle gelesen, bei denen ich dann manchmal sofort weiß, was die falsch gemacht haben. Als etwa mal ein R22 aus der Luft fiel, weil der sich in der Luft selbst den Heckausleger abgeschnitten hat. (Steht sogar extra auf dem Stick, daß man das bleiben lassen soll.)
Von einer bestimmten Methode, einen Hubschrauber in Sekunden sogar ohne jeglichen Absturz schnell und einfach komplett zu Kleinschrott zu verarbeiten, habe ich zwar gelesen, und ich kann es mir zwar vorstellen, aber ich hatte noch nie von einem Fall gehört, bei dem das passiert wäre. Das Problem tritt laut Lehrbuch ausschließlich bei dreiblättrigen Hubschraubern auf. Dazu muß man wissen, daß die Rotorblätter bei Hubschraubern am Mast bzw. der Welle oben nicht starr festgeschraubt sind, sondern sich – je nach Modell und Ausführung – horizontal und/oder vertikal bewegen lassen. Normalerweise führt das Gleichgewicht aus Schwerkraft, Zentrifugalkraft, Auftrieb und Stellung der Taumelscheibe dazu, daß die Blätter da bleiben bzw. dahin gedrückt werden, wo sie hingehören, ohne daß man sie da irgendwie gesondert festschrauben müßte. Bringt auch nichts, weil sie ja dann nur am Ansatz fest wären und sich durchbögen.
Bei dreiblättrigen Hubschraubern kann nun – laut Lehrbuch – insbesondere beim Landen ein fester Stoß – etwa durch ein ruppiges Aufsetzen oder Anstoßen – dazu führen, daß die Blätter anfangen, gegeneinander in Resonanz zu schwingen und dadurch aus dem exakten 120-Grad-Winkel kommen, eine Eigenresonanz entwickeln, die sich aufschaukelt und zur Unwucht führt, und – weil man so schnell den Rotor nicht bremsen kann – unweigerlich den Hubschrauber zerreißt. Es sei eben so, daß man dreiblättrige Hubschrauber aus konstruktiv mathematischen Gründen tatsächlich durch etwas zu unsanftes Landen (was andere Hubschrauber locker wegstecken) ebenso komplett wie spektakulär vernichten könne. Daß man sie trotzdem baue, läge daran, daß sie gegenüber zweiblättrigen Leistungs- und gegenüber mehrblättrigen Kostenvorteile hätten, und es eben nur selten vorkäme. Man möge bitte sanft landen.
(Nachtrag: Der Effekt heißt „Bodenresonanz” und scheint nicht nur bei dreiblättrigen aufzutreten. Vielleicht sind die auch nur besonders anfällig dafür, ich müßte das nochmal raussuchen. Ich hatte das als Besonderheit der dreiblättrigen gelesen. )
Heute nun habe ich in der Presse – mehr so aus allgemeinem Interesse – eine Videoaufnahme aus Brasilien gesehen, bei der ein Hubschrauber sich am Boden (angeblich nach der Landung) selbst zerstört. Sie sagen nicht dazu, warum. Man hat nur den Eindruck, daß der ganze Hubschrauber eine grausliche Unwucht hat, die ihn zerlegt. Das kann durchaus passieren, wenn man etwa den Rotor durch Kontakt mit Bäumen beschädigt (ein Bundeswehr-Heli ist mal auf einer Flugschau auf diese Weise abgestürzt). Also eigentlich sagen sie nicht, warum dieser Hubschrauber sich da zermürbelt hat. Aber: Es ist ein dreiblättriger. Und was man sieht, paßt genau zu dem, was ich über das Phänomen gelesen habe. Möglicherweise also eine Videoaufnahme dieses seltenen Phänomens dreiblättiger Selbstzerstörung:
Nachtrag 2:
Hier noch zwei Ansichten eines (dreiblättrigen!) CH-47 in (absichtlich provozierter) Bodenresonanz:
Und als besonderes Bonbon ein Ausschnitt aus einer McGyver-Folge, bei der ein Hubschrauber auch in eine Bodenresonanz kommt, der Pilot aber richtig reagiert und durch sofortigen Start den Heli aus der Resonanz rettet (eine Gazelle, zumindest laut Wikipedia auch ein dreiblättriger):
21 Kommentare (RSS-Feed)
Auch wenn das durchaus gefährlich werden kann — und durchaus so aussieht –, ich konnte mir ein lautes Auflachen beim Klick auf das erste Video nicht verkneifen, denn urplötzlich ist mir eine Begebenheit eingefallen, die meiner Frau Mutter — sie möge in Frieden ruhen — vor einigen Jahren passiert ist.
Sie hatte als gelernte Journalistin regelmäßg mit Sehnenscheidenentzündung des rechten Unterarms zu tun, was vermutlich durch ihre, ich nenne es mal “irre”, Art und Weise des Tippens zustande kam, ebenso durch die eher unkonventionelle Art des Tennisspiels; wie auch immer, wohl auch dadurch war sie knapp ein Jahrzehnt permanente Seniorenmeisterin hier in Rhein-Main, das jedoch nur am Rande. 😉
Eines Tages jedenfalls bot der heise-Verlag im Zuge einer Werbemaßnahme so ein kleines, grünes Gyroskop an, das Neuabonennten dazu verwenden sollten, ihre jeweiligen Unterarme zu kräftigen. Las das, fand es passend und überredete eine meiner Schwestern, ihrem Ehegatten zum Lichterfest ein solches Abo zu spendieren, unter der Voraussetzung, ich als Werber bekäme dann dieses Kreiseldingens, und so geschah das alles auch.
Bei dem nächsten Besuch bei meinem Mütterchen brachte ich ihr diesen niedlichen Sehnenkräftiger mit und bat sie nach einer kleinen Demonstration, es mir nachzumachen und künftig so ihre Sehnen und Muskulatur zu kräftigen. Sie versprach ‘s, griff die kleine grünen Kreiselkugel, drehte und wirbelte und erschrak daraufhin derart heftig von der nun freigesetzten Wirbelenergie, daß sie loslies, das Kügelchen daraufhin auf den Sekretär dotzte, seinen Weg durch das Aquarium fand, anschließend die Anrichte mit den Kaffeeservices auf ‘s Korn nahm, eine sündhaft teure Bodenkachel in’ s Jenseits beförderte um schlussendlich den Weg auf die Terrasse zu nehmen — via geschlossener Terrassentür. 🙂
Sei bedankt ob Deines Herbeizauberns dieser schönen Erinnerung, auch wenn darin kein Hundschrauber vorkommt; so heißen die nämlich, sagt Snoopy jedenfalls.
Oh ja, so’n Ding hatte ich auch mal. (Heißt: Ich hab’s noch, ich weiß bloß nicht, wo). Sehr verblüffend, wieviel Energie die sammeln.
Auch ein Heli hat eine erhebliche kinetische Energie im Rotor (zumal in diesen Fällen meist der Motor noch läuft), die man bei einer Autorotationsnotlandung verwendet, um den Heli abzufangen. Da steckt einiges drin.
Da steckt einiges drin. Oh ja, soweit ich es korrekt erinnere, im konkreten Fall um die 8.500,– Eurolinos. 😉
PS: Alle Fische überlebten.
Und genau aus diesem Grund sollte man auch seine RC-Helis nicht am Boden festzurren, um z.B. den Blattspurlauf zu prüfen.
oh ja… ich freue mich auch auf die kommende saison, denn der 30cm indoorheli geht meiner besseren hälfte langsam auf den senkel…
abgesehen davon erfreut man sich ja in “normalen” wohnräumen so mancher sog und verwirbelungseffekte.
lustige videos. besinders die episode mit mcgyver- wo das sicher nicht beabsichtigt war ‘:)
Zeigt aber eben, wie man da rauskommt, wenn man noch genug Drehzahl hat und auch sonst einen nichts am Starten hindert. Der hat ja sogar die Tür offen gelassen weil es ihm wichtiger war, aus der Situation herauszukommen.
Was man an allen drei Videos gut sieht und was mir bisher nicht bekannt war (und auch in keinem Buch stand, das ich da bisher gelesen habe): Dieser Effekt, daß der Heli von einer Seite auf die andere hin- und her hüpft, dieses Wackeln.
Das in Brasilien ist die Feuerwehr (Bombeiros) ….
In der Presse hieß es, es sei ein Rettungshubschrauber. Kann ja gut sein, daß die dort der Feuerwehr zugeordnet sind.
Nicht dass ich vorhätte, den Blogeintrag hier zu wiederholen, es muss am Anfang aber sein:
Zitat 1: “[…] daß die Rotorblätter bei Hubschraubern am Mast bzw. der Welle oben nicht starr festgeschraubt sind, sondern sich – je nach Modell und Ausführung – horizontal und/oder vertikal bewegen lassen.”
Zitat 2: “Bodenresonanz […] scheint nicht nur bei dreiblättrigen aufzutreten. Vielleicht sind die auch nur besonders anfällig dafür, ich müßte das nochmal raussuchen.”
Das Stichwort lautet “je nach Ausführung”. Bei zweiblättrigen Rotoren sind die Blätter in der Regel starr miteinander verbunden, so dass sie immer im 180°-Winkel verbleiben. Da sich die Blätter nicht gegeneinander verschieben können, kommt es nicht zur Unwucht, die die Bodenresonanz verursacht.
Bei vierblättrigen Systemen bestimmt auch die Ausführung, ob und wie sich die Blätter gegeneinander verschieben können, also ob sich der Schwerpunkt der Rotoren so von der Achse verschieben kann, dass Unwucht die Bodenresonanz hervorrufen könnte. Allerdings kenne ich nicht alle feinen Unterschiede und kann daher auf Anhieb auch keinen vierblättrigen Hubschrauber benennen, bei dem Bodenresonanz auftreten könnte. In der Theorie ist es aber auch bei mehrblättrigen Systemen möglich.
Es ist tatsächlich die bei dreiblättrigen Rotoren recht frei bewegliche Aufhängung, die diese besonders anfällig für diesen Effekt macht. Wer keine Bücher zur Hand hat: “Rotoraufhängung” und ähnliche Stichworte bei der Google-Bildersuche bringen dazu interessante und einleuchtende Bilder zutage.
@Karl: Stichworte Schlag- und Schwenkgelenk. Da gibt es in der Tat sehr unterschiedliche Techniken. Meines Wissens hat beispielsweise die BO105 solche Gelenke nicht sondern ersetzt deren Funktion durch die Elastizität der Rotorblätter. Generell scheint das bei moderneren Modellen so zu sein, daß man die Gelenke, die bei den alten Blättern aus Metall nötig waren, wegläßt, weil man elastische Blätter aus Verbundmaterial einsetzt. Wäre interessant, wie sich das auf die Bodenresonanz auswirkt.
Daß Blätter starr verbunden sind, heißt nämlich noch nicht, daß eine Unwucht ausgeschlossen ist, nämlich wenn die Blätter selbst flexibel sind. Die Neigung dürfte aber drastisch niedriger sein.
Bei der Autorotation wird der Autogyro-Effekt genutzt, sprich der Rotor wird durch den Fahrtwind angetrieben. Meines Wissen nach reicht die Energie im Rotor alleine nicht, die spielt nur beim Abfangen des Hubschraubers, also kurz vor dem Aufsetzen eine Rolle. Deswegen schweben Hubschrauber in großen Höhen üblicherweise nicht, sondern haben mindestens die Geschwindigkeit, mit der man im Notfall autorotieren kann. In sehr geringer Höhe ist es umgekehrt. Der Hubschrauber darf höchstens so schnell sein, dass er mit der Restenergie soweit abgebremst werden kann, dass man ihn sicher aufsetzen kann.
@Philipp: Ja, die Autorotation ist einer der vier Flugzustände des Helis, aber eben einer, der im Normalfall nicht vorkommt, weil der Rotor hier von vorne unten nach hinten oben angeströmt wird, wie beim Gyro.
Die Rotationsenergie im Rotor braucht man im Notfall aber zweimal. Das Dumme ist nämlich, daß die Rotorblätter im Normalbetrieb so stehen, daß die angetrieben Auftrieb erzeugen wie ein Flügel. Um aber im Gyro zu fliegen, müssen die Rotorblätter gerade andersherum stehen, also der Pitch nach unten gedrückt werden. Und das funktioniert nicht, wenn nicht mehr genug Energie im Rotor steckt, um diesen Luftwiderstand zu überwinden, bis der Rotor im Gyro-Zustand angekommen ist und angeströmt wird. Wer beim Motorausfall zu lange zögert, um den Pitch nach unten zu bekommen, schafft’s nicht mehr.
Dann muß man den Gyro so fliegen, daß die richtige Rotationsgeschwindigkeit erhalten bleibt bzw. wieder aufgebaut wird. Und kurz vor dem „Aufschlag” verwendet man diese Energie dann – wie Du richtig schreibst – um den Rotor wieder zurück in den normalen Auftriebszustand zu bringen und den „Absturz” abzufangen.
Das, was Du da mit Höhe meinst, gibt es als Diagramm aus Höhe und Geschwindigkeit, in der die Zonen im Höhen/Geschwindigkeitsverhältnis eingezeichnet sind, aus denen man erstens nicht mehr in die Autorotation kommt und zweitens mit der Rotorenergie alleine nicht mehr notlanden kann. Deshalb sollte man das Schweben mit Helis bleiben lassen, die nur einen Motor haben. Sowas macht man besser nur mit Helis, die zwei Turbinen haben, weil die Wahrscheinlichkeit, daß da nichts mehr geht, viel niedriger ist.
>>Der hat ja sogar die Tür offen gelassen weil es ihm wichtiger war, aus der Situation herauszukommen. <<
lieber 'ne tür verlieren als die den heli…
auf jedenfall war das eine gute reaktion- weil es hat funktioniert
@node: Es ist bei Helis nicht ganz unüblich, der schönen Aussicht wegen die Türen gar nicht erst mitzunehmen. In Australien bin ich mal in einem winzigen Uralt-Heli mitgeflogen, bei dem die Tür schon fehlte, weil er sie (angeblich, könnte auch ein Joke gewesen sein) mal irgendwo verloren hat. War so eng, daß ich mich mit einem Fuß außen auf der Kufe abstützen mußte, weil die Sitzbank zu eng war. Und gruselig, weil der Gurt locker war und der Heli beim Rückflug durch Seitenwind auf die Seite gekippt ist, zu der ich raus hing. Aber die Ausssicht war sowas von genial.
Bei nem Aussichtsrundflug in den USA haben sie am Anfang gleich gesagt, daß es passieren kann, daß die Tür aufgeht. Man möge sich jegliches Geschrei und jegliche Panik verkneifen und sie dann ganz einfach wieder zumachen, das wär alles. Kein Grund, den Flug irgendwie zu ändern.
Das mit den Türen wird bei Helis allgemein nicht so eng gesehen…
Bei den alten SAR-Rettungshubschraubern der Bundeswehr (Bell Huey) konnte man auch regelmäßig bei engen Außenlandungen auf Kreuzungen o.ä. sehen, wie der Mixer (Copilot), halb aus der offenen Fronttür heraushängend, den Kutscher (Pilot) einwies. Die Schiebetüren hinten sind auch bei Landungen quasi standardmäßig offen.
Mixer ist doch der Bordingenieur und nicht der Copilot…oder?
Fehlende Zeit und fehlendes Geld finde ich ein gutes Argument gegen das fliegen lernen. Ich hätte noch ein drittes. Das Medical. Das finde ich eine Unverschämtheit, was man da alles mit sich machen lassen muss und wegen welchen Nichtigkeiten man nicht fliegen darf. Ich suche ja immernoch nach einem Land ohne Medicalerfordernis. Nicht dass ich es nicht schaffen würde, die 200 Euro hätte ich auch noch, sondern aus Prinzip.
Modellhubschrauber machen auch viel Spaß, kann ich nur empfehlen.
Es gibt sogar welche mit nur einem Rotorblatt und auf der anderen Seite ein kleines Gegengewicht. 🙂
@rubars: in der SAR-Konfiguration der Luftwaffe (mein Vater war einige Jahre als Notarzt dabei) gibt es nur zwo Mann fliegerisches Personal, die beide vorne sitzen, hinten sind Arzt und Rettungsmeister. Daher meine Bezeichnung Copilot, tatsächlich hat der Mixer, wie Du richtig bemerkt hast, keine Qualifikation als Luftfahrzeugführer sondern ist der Bordmechanikermeister (Ingenieur ist eine geschützte Bezeichnung ;)).
Bei der Marine fliegen übrigens zwei Piloten, da eine Sicherheitslandung über Wasser nicht eben mal möglich ist.
@energist:
Danke für die Erklärung.
Hätte ich bei „Die Rettungsflieger“ mal besser aufgepasst…
Sehr interessant!