Auch so ein Wiederholungsthema im Blog: In der Presse ist jeder immer gleich Experte. Wer eine Tastatur von einer Flasche Milch unterscheiden kann, ist gleich „IT-Experte”. Jede Partei hat, auch wenn sie da alle zusammengenommen keinen blassen Schimmer haben, immer ihren „Internet-Experten”. Kein Begriff wird so extrem inflationär gebraucht wie der des „Experten”. Wenn mich jemand fragt, was ich bin, vermeide ich dabei schon seit mindestens 10 Jahren tunlichst den Begriff „Experte”, weil der Begriff längst zum Synonym für hemmungslose Schwätzer geworden ist, für Leute, die sowenig Ahnung vom Thema haben, daß sie nicht mal merken, wie dünn das Eis unter ihren Füßen ist.
Auf Golem.de berichten sie über die Piraten im Saarland und stufen deren 22-jährige „IT-Systemkauffrau in Ausbildung” als IT-Expertin ein.
Bei aller Sympathie, aber mit dieser Einstufung zeigt man eigentlich (egal ob sie nun von den Piraten selbst oder von Golem stammt), daß man selbst eigentlich nicht viel Ahnung von IT oder irgendeinem anderen Thema haben kann, weil das Thema so komplex ist, daß man da ohne ein gewisses Alter, eine fundierte technische Ausbildung und einige Jahre Berufstätigkeit noch nicht als „Experte” gelten kann, sofern man nicht den inflationären Begriff anlegt, der auf fast jeden paßt. IT-Systemkaufleute sind eignetlich keine IT-Experten sondern IT-Verkäufer. Auch ein Autoverkäufer ist kein KFZ-Fachmann. Irgendwie beleidigt man mit sowas alle die, die sich richtig technisch mit sowas befaßt und sich am Aufbau und der Entwicklung der Infrastruktur beteiligt haben.
Es sei denn natürlich, daß sich dahinter die feine und spitze Ironie verbärge, daß man damit nicht die Piraten, sondern den Rest der Politik beschreibt, im Vergleich zu dem bereits eine 22-jährige Auszubildende als „IT-Expertin” gelten müsse. Dem würde ich mich freilich anschließen, aber ich glaube nicht, daß es so gemeint war.
Die Piraten müssen etwas aufpassen, daß sich ihre erfrischende Unbefangenheit nicht am Ende vielleicht doch nur als Naivität, Arroganz und maßlose Selbstüberschätzung herausstellt. Sollte mal irgendwer daherkommen und sie entzaubern, indem er ihnen mach fachlich die Hosen runterzieht (und diese Gefahr scheint mir durchaus gegeben), könnte es mit der Herrlichkeit schnell vorbei sein.
Nachtrag: Ich bin seit inzwischen etwa 35 Jahren mit Computern und deren Programmierung beschäftigt, war schon vor über 30 Jahren mit Assembler usw. zugange und hatte mit 22 mein Informatiker-Vordiplom. Nach meinen heutigen Maßstäben war ich damals aber noch meilenweit davon entfernt, das zu sein, was ich für einen „IT-Experten” halte. Ich kam mir damals zwar ziemlich gut und allwissend vor, war es aber nicht, sondern habe mir das nur aufgrund mangelnden Überblickes eingebildet. Expertentum hat nicht (nur) mit Wissen zu tun, sondern mit der Organisation und Zugreifbarkeit von Wissen und Erfahrung, und das hat man mit 22 einfach nicht.
Nachtrag 2: In der Süddeutschen schreiben sie:
Die Landesvorsitzende, die sich auf Twitter “Sanguis Draconis” (Drachenblut) nennt, zählt Transparenz zu ihren politischen Hauptzielen.
Ein Widerspruch in sich.