Ansichten eines Informatikers

Urteils-Schlamperei am Bundesverfassungsgericht

Hadmut
3.8.2012 22:32

Ein Leser hat mich noch auf einen interessanten Fall von Schlamperei am Bundesverfassungsgericht hingewiesen.

In diesem Aufsatz mit Link auf eine Kurzzusammenfassung bei Beck wird ein Fall von ziemlicher Schlamperei am Bundesverfassungsgericht beschrieben.

Das OLG Frankfurt hatte in einem Familienrechtsstreit die Fortsetzung einer Psychotherapie angeordnet.

Die Mutter hatte deshalb Verfassungsbeschwerde erhoben und das Verfassungsgericht hatte die Entscheidung aufgehoben, weil es keine Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Psychotherapie gegen einen Elternteil gäbe.

Daraufhin hat eine Richterin des aufgehobenen Urteils des OLG Frankfurt ihrerseits einen Aufsatz veröffentlicht und darin klargestellt, dass das Bundesverfassungsgericht das Urteil nicht kapiert hat, weil sie die Psychotherapie für das Kind und nicht für die Mutter angeordnet hatten – das BVerfG hatte das Urteil, das es aufgehoben hat, nicht mal richtig gelesen.

Bemerkenswert dabei, dass man hier wieder in das typische Professorenmuster verfällt: Der Mitarbeiter, der als Ghostwriter für Papers und Urteile eingespannt wird, ist mal wieder dran schuld.

Mittlerweile sammeln sich bei mir einige Fälle fragwürdiger Entscheidungen am BVerfG an. Wenn das so weitergeht, gibt das ein separates Buch.

Während alle (pseudointellektuelle) Mainstream-Welt jubelt, wie toll das Bundesverfassungsgericht wäre und dass es der letzte Rettungsanker unserer Demokratie gegen die korrupte und inkompetente Politik sei, verfestigt sich bei mir immer mehr der Eindruck eines ziemlichen Saftladens.

7 Kommentare (RSS-Feed)

Jens
4.8.2012 0:13
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Das BVerfG sieht männlichen und weiblichen Sexualtrieb übrigens als grundverschieden an. Damals im Urteil über die Strafbarkeit der (männlichen) Homosexualität entschieden, neulich für den Exhibitionismusparagraphen wieder hervorgekramt. Passt das zur Genderideologie?


Hadmut
4.8.2012 0:17
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Hast Du da ne Quellenangabe?

Müsst ich erst mal nachlesen, was sie da gesagt haben.


denn
4.8.2012 4:38
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Du musst das relativ sehen, Hadmut. Es mag vielleicht ein Saftladen sein, aber immer noch besser als das vergiftetete Brunnenwasser vom Rest.

Außerdem: Och nö, nicht noch ein weiteres Buch. Nicht wegen dem Buch an sich, sondern eher wegen den widerkehrenden Tiefs von Blockbeiträgen.


Jens
4.8.2012 5:50
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Exhibitionismus: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk19990322_2bvr039899.html

“Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ist auf diese Bestimmung des Sexualstrafrechts nicht anwendbar (vgl. BVerfGE 6, 389 ).”

-> http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006389.html

(Seite 423 beginnt bei Randnummer 140.)

Leitsätze:

“1. Die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f. StGB) verstoßen nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Abs. 2 und 3 des Art. 3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten.
2. Die §§ 175 f. StGB verstoßen auch nicht gegen das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), da homosexuelle Betätigung gegen das Sittengesetz verstößt und nicht eindeutig festgestellt werden kann, daß jedes öffentliche Interesse an ihrer Bestrafung fehlt.”

Im Urteil werden im Hinblick auf Leitsatz 1 verschiedene Mediziner als Sachverständige erwähnt.


anonym
7.8.2012 17:14
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“Sollten die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten gemeint haben, dass man sich an ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumindest dann gefahrlos orientieren kann, wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass sie innerhalb des Gerichts jemals umstritten gewesen wäre, muss der vorliegende Beschluss sie überraschen.”

http://www.bverfg.de/entscheidungen/cs20120704_2bvc000111.html


Hadmut
7.8.2012 17:24
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@anonym: Naja, immerhin haben sie ihre Entscheidung ja begründet.

In meinem Fall sind sie ohne jegliche Begründung von der ständigen Rechtsprechung abgegangen.


DerDaus
15.1.2013 20:09
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Ich habe da noch einen Tipp für das Buch über das BVerfG: das Urteil aus dem Jahr 2008 nachdem es das strafbewehrte Verbot des Inzests für verfassungskonform erklärt hat. Weniger interessant ist die Begründung (Eugenik, Schutz der Moral – nicht zu verwechseln mit Ethik – und Schutz der Familie – indem man den Ernährer ins Gefängnis schickt). Viel interessanter ist die abweichende Meinung des Richters Hassemer, die auch im Urteil aufgeführt ist. Darin zerlegt er den Inzestparagrafen in seine Bestandteile. Ein schönes Beispiel für die hohe Qualität deutscher Rechtsdogmatik.

Link: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20080226_2bvr039207.html