Balkone isolieren?
Kann mir mal jemand Nachhilfe in Bauingenieurwesen geben?
Neulich kam ich zufällig an einem Haus vorbei, das noch im Rohbau war und an dem man außen gerade diese dicken Dämmplatten anbrachte, die heute zur Energieersparnis verlangt werden. Ist ja in Ordnung.
Das Haus hat aber auch Balkone, so ganz gewöhnliche, die einfach nach außen rausstehen. Keine Wintergärten oder sowas, hundsgewöhnliche normale Balkone aus Beton. Und trotzdem haben die an der Außen- und Unterseite dieser Balkone ebenfalls solche Dämmplatten angebracht.
Wozu soll das gut sein? Wozu isoliert man ein nacktes Stück Beton, das im Freien steht, und das keine Temperaturunterschied zwischen innen und außen hat?
19 Kommentare (RSS-Feed)
Gerne.
Wenn du den Balkon nicht isolierst, stellt er eine Wärmebrücke dar. Stell dir das im Schnitt von der Seite vor. Du hast eine vertikale Mauer, die nach außen mit Dämmmaterial verkleidet ist. Jetzt steht da so eine Art Kühlrippe raus. Wenn du da einfach nicht isolierst, ist um den Balkonansatz herum quasi keine Isolierung da und die Wanddicke nur um die Dicke der Isolation darüber und darunter erhöht.
Es sieht aus wie eine Kühlrippe und es hat genau die Wirkung, weil Beton im Vergleich zum Dämmmaterial Wärme recht gut leitet. Deshalb packt man es in Isolationsmaterial ein.
Eine andere Geschichte ist noch die thermische Belastung der Bausubstanz durch die Temperaturschwankungen. So weit ich es mir habe sagen lassen, hat man bei gut isolierten Balkonen viel seltener das Problem, die neu fliesen zu müssen.
Ich bin auf dem Gebiet auch Laie, aber was mir spontan einfiel: Das Stück Beton und der Stahl darin sind ja mit dem Rest des Mauerwerks verbunden. Vielleicht reicht da die Wärmeleitung aus, das ein gewisser Anteil Energie verloren geht und vielleicht macht es deshalb Sinn den Balkon mit zu isolieren.
Aber vielleicht schaut hier noch ein Bauingenieur oder Architekt vorbei der uns genau aufklären kann.
Bei uns wurden die Balkone (auch so Betondinger) seinerzeit nicht isoliert.
Ich kann mir nur zwei mögliche Gründe aus den Fingern saugen:
1. Vielleicht hat das mit Kältebrücken zu tun? Der Balkonbeton ist ja direkt mit der Hauswand verbunden.
2. Mehr Dämmefläche -> größerer Auftrag -> Mehr Geld für die Baufirma.
Weil man für jeden m² Isolierung kassieren kann. 😉
Das Geldargument zählt natürlich 🙂
Wenn es tatsächlich ein Rohbau war, ist das (oder Dämlichkeit des Architekten, der sowas vorsieht, ausschreibt und es dann natürlich auch gemacht wird) auch der einzige plausible Grund, der mir einfallen würde. Bei Neubauten werden die Balkone mit kleinen Betonankern eingehängt und sind thermisch getrennt (konnte ich gerade gegenüber beobachten). Glaube kaum, dass es baurechtlich überhaupt noch zulässig ist, das anders zu machen.
Ach ja, optische Gründe könnte es auch geben: Wenn der Architekt sein schönes Gesamtbild nicht durch nackten Beton verschandelt sehen will, sondern ein rundum einheitliches Bild haben will, kann er das so vorgesehen haben. Bei unserer Sanierung habe ich gelernt, dass Architekten sich durchaus als Künstler und Gestalter verstehen.
Schlussendlich kann ein Wintergarten ja vorbereitet oder optional im Angebot für die Käufer sein. Dann sieht man den im Rohbau noch nicht, weil er ggf. erst später ‘draufgesetzt wird.
Möglicherweise handelt es sich ja um eine Komplettsanierung – unser Haus Bj ’55 sah auch monatelang wie ein Neubau aus, nachdem Fenster ‘raus und Dach ab waren. Da sind die Balkone durchbetoniert, dementsprechend wirken sie wie Kühlrippen und wurden rundherum mit eingepackt, ebenso wie die Fassaden.
Das vielzitierte Schimmelproblem hatten wir übrigens VOR der Sanierung: Dank mangelhafter Bausubstanz (in den 50ern wurde auf der Kriegsbracht echt ein Dreck hochgezogen…hauptsache Dach über dem Kopf) kühlten die Außenwände im Winter ruckzuck aus, nahmen z.B. hinter Vorhängen und Schrankseiten Kondensfeuchtigkeit an und schimmelten wild ‘drauflos, es sei denn, man heizte wie der Teufel, um die Wände innen warm zu halten – und wer will das z.B. im Schlafzimmer schon haben. Das Wärmebild des Hauses vor der Dämmung muss geleuchtet haben wie der Ätna zu Weihnachten. Seit der Dämmung ist das Problem nicht mehr vorhanden, wir achten allerdings auch auf eine regelmäßige Lüftung, um die Feuchtigkeit ‘raus zu bekommen.
Was haltet ihr von vorgehängten, hinterlüfteten Holsfassaden?
@Flusskiesel: Erlauben Sie mir diese Randbemerkung: Bitte ersetzen Sie “Kältebrücke” durch “Wärmebrücke” – siehe Physikbücher zur Thermodynamik.
Wenn der Balkon (bzw. dessen Bodenplatte), wie der andere Stefan bereits erklärt hat, auskragend ausgeführt ist, würde dessen Stahlbeton die Wärme aus dem Inneren nach Außen leiten. Deshalb isoliert man den Balkon von unten, von oben unter dem Estrich und an den Seiten. Es gäbe auch andere Möglichkeiten, Balkone zu montieren, ohne dass die Isolierung der Hauswand durchbrochen würde. Bei einem Neubau wird der Architekt sicherlich (hoffentlich) die wirtschaftlich günstigere Ausführung ermittelt haben. Wird das Haus nachträglich gedämmt (ob sowas sinnvoll oder nicht, mag ich hier nicht diskutieren, ich sehe es ähnlich zu Stefan aber skeptisch), so bleibt wohl keine Alternative, es sei denn, man will den Balkon einreißen und neu errichten.
Die Fläche, auf der die Wärme “verloren” geht, mag im Verhältnis zur Gesamtfläche der Hauswand sehr klein sein, aber der Boden des Balkons ist auch die Decke des darunter liegenden Raumes. Geht hier Wärme verloren, wird dieser Bereich deutlich kühler als der Rest der besser gedämmten Wand oder Decke. Raumluft ist feucht und es wird nicht 24 Stunden am Tag gelüftet. Daher wird in dem unter dem nicht gedämmten (auskragenden) Balkon liegenden Raum die warme feuchte Luft in den Bereich Decke/Außenwand aufsteigen und kann dort kondensieren.
Im schlimmsten Fall kann sich dann im Lauf der Zeit Schimmel bilden. Dadurch wird der Raum unbewohnbar. Außerdem muss dann nicht nur der Balkon nachträglich gedämmt werden, sondern die Schimmelsanierung verursacht enorme zusätzliche Kosten. Vom Ärger des Eigentümers mit Architekt und Bauunternehmer mal ganz abgesehen.
Genau der Kühlkörpereffekt ist das Problem. Eigentlich müßte man die Balkons abflexen 🙂
Die Wärmebilanzausweisspackos, die unsere Bude anschauten, haben außer zweckfreien Vorschlägen (nicht permanent bewohnte Kellerräume an der Decke 50cm dick dämmen) nicht viel zu bieten gehabt (außer den Vorschlag, uns den schönen Schießschartenlook zuzulegen) und gehören eigentlich mit Stockschlägen des Grundstücks verwiesen.
Gegenüber wird das Problem einfacher gelöst. Da wurden dieses Jahr einfach alle Balkons (komplett gemauerte, die zumindest prima in Schuß aussahen) abgerissen, vor die Balkontüren kamen kleine Gitterchen. Ich frage mich, ob die Bewohner jetzt alle weniger MIete zahlen … müßte ja eigentlich!
Wenn Balkone konstruktiv mit der Decke verbunden sind, müssen sie rundum mit gedämmt werden, da es sonst eine Kältebrücke gibt. Das sind dann die Ecken, in denen es schimmelt.
Rundum gedämmte und abgedichtete Gebäude brauchen eigentliche eine passive Belüftung, da ansonsten die ganze Dämmung nicht so viel bringt. Denn es muss dann mehr gelüftet werden und ca. 40% der Heizleistung geht fürs Lüften drauf.
Deswegen sollte man bei Dämmaktionen vorsichtig sein, Dachdämmung ist immer sinnvoll, da die meiste Wärme oben flöten geht. Sonstige Dämmung bringt nur etwas mit einem Gesamtkonzept. Gerade wenn z.B. nur die Fenster ausgetauscht werden und plötzlich superdicht und kaum noch wärmeleitend sind und dann die Fensterlaibung nicht isoliert ist, dann wird plötzlich die Wand um den Rahmen zur Kältebrücke, Wasser kondensiert und man hat den Schimmel in der Bude.
Leute : Wärmebrücke ! Wärme geht raus, nicht Kälte rein. Kälte ist die Abwesenheit von Wärme, nicht umgekehrt. 🙂
Wegen der kalten Füße natürlich, die man sonst auf dem Balkon kriegt. Den Energonen ist es auch egal, ob man sie Kälte oder Wärme nennt. Nicht egal ist der Preis, den der Isolierer kassiert.
Ich möchte mal einen Nachweis sehen, der einen halbseitig isolierten Balkon als vorteilhaft ausweist.
Ich habe auch schon Häuser gesehen, bei denen man die Balkons entfernt hat. Ob das sinnvoll ist, eine eher theoretische Ersparnis gegen Lebensqualität zu tauschen? Aber wir sparen ja mit jedem Pfennig, koste es, was es wolle.
Carsten
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Der Fall Gustl Mollath
_ttp://youtube.com/watch?v=31KJ3QzWKeg
_ttp://youtube.com/watch?v=7pYPu0l22D0
_ttp://youtube.com/watch?v=9gGftyRb2tI
_ttp://gustl-for-help.de
“Wozu isoliert man ein nacktes Stück Beton, das im Freien steht, und das keine Temperaturunterschied zwischen innen und außen hat?”
Wenn die Trennung der Balkonplatten von den Geschossdecken (an denen die Balkonplatten dranhängen) mit z.B. sogenannten “ISO-Körben” [z.B. Fa. Schöck – um auch mal Produktwerbung unterzubringen] hergestellt, also an die termische Trennung gedacht wurde, ist die Frage berechtigt. Jetzt kann man nur spekulieren oder den Architekten / Bauleiter fragen.
Das ein Architekt so einen Planungsfehler begangen haben könnte schließe ich aus, da er 1. sowas einfach wissen muss und 2. im Zweifel, in der Haftung für den Planungsfehler ist.
Variante 1: Der ggf. geplante Wintergarten, den ein Kommentator (s.o.) vorgeschlagen hat, wird noch gebaut.
Variante 2: Ein “Schlauberger” hat die Iso-Körbe zwischen Balkon- und Geschossdecke nicht eingebaut [“vergessen”, “eingespart” (Bauherr und/oder Baufirma sparen fast immer an der falschen Stelle!?), was weiss ich?]; Dann muss jetzt die gebaute “Kühlrippe” (Balkonplatte) saniert werden, um die entstandene Wärmebrücke zu eliminieren oder zu kompensieren. Ergo Abreissen und neu erstellen (im Normalfall zu teuer) oder eben durch nachträgliches Dämmen der gebauten “Kühlrippe”, so gut das eben noch geht.
Variante 3: Der “Rohbau” war in Wirklichkeit ein Sanierungsobjekt(auch schon kommentiert), gebaut in einer Zeit als Heizenergie noch nicht so viel kostete und die Energieeinsparverordnung EnEV bzw. deren Vorläufer die Wärmeschutzverordnung WSVO noch nicht erlassen bzw. unbekannt waren (Baujahr vor 1977).
Für eine weitere Variante und eine logische Erklärung für die gewollte/geplante Dämmung der Balkonplatte fehlt es mir an Fantasie.
@hadmut: Kannst Du evtl. ein Foto von dem Bauvorhaben posten?
Grundsätzlich kann das Dämmen auch nachträglich sinnvoll sein, insbesondere die angesprochene Dachdämmung und die Dämmung der Kellerdecken können viel bringen. Wenn ich die Wände dämme, muss ich konsequenterweise die Fenster in die Dämmebene bringen, sonst baue ich mir Wärmebrücken an den Fensterecken ein. Somit ist eine konsequent zu Ende gedachte nachträgliche Dämmung ein teurer Spass. Bei einem Einfamilienhaus habe ich wohl kaum unter 200 m² Wandfläche (mal so ein Satteldachhaus eingeschossig gedacht, wie sie in älteren Baugebieten massenhaft rumstehen), geschätzte 10-12 Fenster, Dach und Kellerdecke. Ich bin bei den Preisen nicht so im Thema, würde das alles aber mal auf 20000 Euro schätzen. Dafür kann man so manchen Winter heizen…
“Dämmung bringt nur etwas mit einem Gesamtkonzept.”
Ganz genau. Neulich irgendwo gelesen, was für ein Schmuh die EnEV ist … Da kommt am Ende eine Kennzahl raus, und zwar auf wenig sinnvolle Weise (Nullenergie gibt es nicht!). Und die BWLer versuchen dann, bestimmte Grenzwerte mit möglichst wenig Kosten zu erreichen. Das Ergebnis ist dann weder umweltschonend noch wirtschaftlich zu betreiben …
Ach, die EnEV… Das ist in meinen Augen in erster Linie eine Lizenz zum Gelddrucken für die Dämmindustrie. Mir fehlen bei der Dämmdiskussion sinnvolle Gesamtkonzepte und die globale Betrachtung der Effekte. Da werden Kennzahlen hochgehalten, als ob die Einhaltung dieser Zahlen der heilige Gral wäre. Diese Kennzahlen sind nur mit gewaltigem Aufwand einzuhalten, aber den Aufwand, der ja auch eine Umweltbelastung darstellt, rechnet niemand mit ein in eine Gesamtbilanz. (Erdöl nach Deutschland zu schiffen und hier zu Dämmstoff zu verarbeiten, der dann durchs ganze Land gekarrt wird, ist ja keine Umweltbelastung…)
Ich habe neulich mal einen Artikel gelesen, in dem ein Architekt sich ein neues Büro/Atelier gebaut hat – ganz ohne Dämmstoff. Die Ziegelwände waren ~ 75 cm stark, damit hat er die Dämmwerte eingehalten. Zudem ist das komplett recyclingfähig, und Ziegel werden immer noch mit hiesigen Rohstoffen produziert. Es geht auch anders, es muss nur Spielraum für individuelle Lösungen da sein.
(Nachtrag: Dietmar Eberle, veröffentlich in Bauwelt 27/28 2012)
Ich habe den Ausdruck “Kältebrücke” gewählt, weil er halt im allgemeinen Sprachgebrauch so benutzt wird.
Mach doch mal ein Experiment und dämme die
Kühlkörper in Deinem Rechner 😉
Und Balkon ist “Kühlkörper” für’s Haus.
Aventin
Waren die Balkonplatten an das Haus angebaut, oder haben sie frei davon gestanden? Wenn sie drangebaut sind und womöglich noch durchgehend mit der Decke betoniert sind, wäre das zwar technisch dämlich, aber denkbar. Dann müsste man die Balkonplatte dämmen, um die Wärmebrücke auszuschalten – natürlich müsste man den Balkon dann auch von oben dämmen. Die Wärme fließt durch alle Bauteile vom wärmeren zum kälteren Bereich, und sucht sich dabei den Weg des geringsten Widerstands – das sind dann Wärmebrücken. Bei den heutigen absurden Dämmstandards kann es sein, dass die Dämmung lediglich des Anschlusses der Betonplatte an das Hauptgebäude (Stichwort Isokorb) nicht ausreicht. Ich würde als Planer heutzutage immer versuchen, den Balkon konstruktiv vom Gebäude zu trennen, um diesem Problem aus dem Weg zu gehen.
Oder die Dämmindustrie hat einen cleveren Weg gefunden, mehr von ihrem Mist zu verkaufen… (Sorry, aber das ist ein Reizthema für mich – die Häuser in brennbare Erdölprodukte (!) einpacken, um Heizkosten zu sparen und den Verbrauch fossiler Energien zu reduzieren, leuchtet mir nicht recht ein. Gerade bei nachträglicher Dämmung wird für viel Geld eine sagenhafte Ersparnis versprochen, die dann oft nicht eintritt. Zudem wird die Dämmung teils so unüberlegt ausgeführt, dass dadurch neue Probleme entstehen, wie Schimmelbildung durch zu hohe Dichtheit des Bauwerks. Die Fassaden altern auch sehr schlecht, alte Wärmedämmfassaden sind of grau und unansehnlich, teils auch veralgt – um letzteres zu reduzieren, werden den Fassadenfarben Biozide beigemischt. Wohin die sich wohl im Laufe der Jahre auswaschen? Das Zeug ist auch Sondermüll, wenn es mal entsorgt werden muss – es ist ein nicht mehr trennbares Verbundsystem.)