14:0 gegen Annette Schavan
Geht gerade durch die Presse: Uni Düsseldorf eröffnet Verfahren gegen Forschungsministerin Schavan. (Focus, SPIEGEL).
Bemerkenswerterweise geheime Abstimmung mit 14 Ja-, keiner Nein-Stimme und einer Enthaltung. Was auf deutsch heißt, dass sie alle 15 für die Eröffnung waren, aber eine Alibi-Enthaltung organisiert haben, damit man keinem konkrete Vorwürfe machen kann. Weil die Politik da gegen die Uni hämmert und Druck ausübt, um Schavans Kopf zu retten. Wie bei den Erschießungskommandos, bei denen in einem der Gewehre eine Platzpatrone war, damit jeder sich selbst einreden und sich anderen gegenüber darauf hinausreden kann, dass er ja gar nicht wirklich geschossen hat. Das muss ich schon sagen, dieser taktische Trick ist nicht so völlig dumm, gerade weil die gerade versuchen, jeden Kritiker zu meucheln.
Allerdings muss man dann auch Karl Theodor zu Guttenberg Lob zollen. Denn ohne seinen Betrug hätte es nie diese Aufklärungswelle gegeben, und ohne ihn hätte es nie die Angst der Universitäten und Professoren gegeben, die ihnen so ganz plötzlich so etwas wie Rückgrat verliehen hat, wenn auch nur aus Angst, selbst als Betrüger dazustehen. Vor zu Guttenberg hatten die sowas nämlich nicht, da hätte das niemanden interessiert.
Allerdings sollte man das dann auch genau beobachten. Denn bisher waren Uni-Gremien immer Reinwaschungskomitee. Es könnte natürlich auch darauf hinauslaufen, dass man jetzt mit viel Tam Tam prüft, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, es unter den Tisch zu kehren, und dann ganz offiziell als Untersuchungsergebniss verkündet, dass die Diss ganz toll wäre. Glaub ich aber nicht.
Ich würde eher tippen, dass Schavans Doktor schon tot ist und nur noch untot umherwandelt.
Die Frage ist nur, wo Schavan zuerst den Kopf verliert: Bei der Bundestagswahl oder an der Uni.
10 Kommentare (RSS-Feed)
Bei Schavan sehe ich allerdings auch, dass der lässige Stil zu dieser Zeit anscheinend geduldet war. Damit entfällt halt die Möglichkeit das Ganze nochmal zu überarbeiten und die Schnitzer rauszumachen. Die Chance hat man als Diplomand und Doktorand normalerweise immer.
Ich kann den Düsseldorfern da nur viel Weisheit bei der Entscheidungsfindung wünschen. Die durch technische Möglichkeiten gewandelten Ansprüche sollten nämlich fairerweise aus der Diskussion rausbleiben.
Ansonsten landet man bei den Leuten, die alle SciFi-Filme vor den 80er verdammen, weil die Tricks nicht so viel taugen. Bei vielen taugt die Story nichts, dass ist allerdings auch nach den 80ern so und außerdem im Ganzen Metier verbreitet.
Dass die Uni bereits vom Vorwurf der “leitenden Täuschungsabsicht” abgerückt ist, legt die Vermutung nahe, dass man den Grad nicht entziehen will; denn die Aberkennung lediglich auf Basis der fachlichen Mängel dürfte nach der langen Zeit schwierig werden (genaueres müsste die Promotionsordnung beinhalten). Ulkig ist auch die Vorstellung, vor 30+ Jahren seien die Standards noch nicht so streng gewesen. Das ist natürlich grober Unfug, mit dem man jetzt vorwiegend die nichtakademische Öffentlichkeit in die Irre führen will. Bei den fehlenden Quellenangaben geht es nicht um ein paar vergessene I-Pünktchen, sondern darum, dass sie (soweit ich die Vorwürfe richtig mitbekommen habe) die Auswertung und Interpretation der Primärliteratur aus der Sekundärliteratur übernommen hat, aber durch die fehlenden Quellenangaben den Eindruck erweckt hat, eben diese Auswertung und Interpretation selbst geleistet zu haben.
Ich würde zustimmen, wenn ich nicht vor ein paar Tagen, kurz vor der Eröffnung des formellen Verfahrens, gelesen hätte dass die Vorwürfe abgeschwächt wurden. Es geht demnach jetzt nicht mehr um den Verdacht des Plagiats (mit Entzug des Doktortitels) sondern nur noch um Fehler beim zitieren und dabei in Kauf genommene Missverständnisse (was das zur Folge haben kann stand nicht dabei). Sieht für mich aus als hätte man die Hintertür bereitet, um sie mit dem Plagiat durchkommen zu lassen.
Dass das damals eine Direktpromotion war finde ich auch merkwürdig. Ob man da nicht schon was dran gedreht hat. Den Eindruck eines gesitigen Überfliegers macht sie nämlich nicht unbedingt.
Bitte mal im Schavanplag nachlesen – da ist alles schon schön herausermittelt. Dann mal Dissertation mit den “Originalen” vergleichen. Es sind nicht wenige Stellen. “Zitiert” (Sarkasmus) wird gern Zweitliteratur (da hat schon ein anderer das Original interpretiert) und der Interpret wird nicht genannt. In der 6. Klasse hab ich schon besser das Original meines Nachbarn “verschleiert” ohne Unikat-Stellen stehen zu lassen. Absichtlichen Betrug nachzuweisen wird schwierig. Sie könnte die Texte gelesen und sich so gemerkt haben. Dann wirds psychologisch (Selbstbetrug).
Frau Dr. sollte zügig abtreten, um Schaden von ihrem Team abzuwenden. Sonst festigt sich der Eindruck, das sei ein Haufen mit undurchsichtigem Karrieresystem – passend zu diesem Drehbuch: ,,Junge Studentin lässt sich den gewünschten Titel schnell reinschieben und wird danach weitergereicht an den nächst höheren Beförderer. Gern auch in mehreren Stufen und ohne Schwangerschaft wegen des erziehungsbedingten Zeitverlustes. Die markanten Sätze fürs Fernsehen stammen von Ghostwriterinnen, die als Fachkräfte unter ihrer visionären Führung tätig sind …”
Das Gemeine an dieser Untersuchung ist doch, dass es da um rein formale Kriterien geht – Plagiat oder nicht, Absicht oder nicht. Selbst wenn sie ihr den Titel abnehmen (und damit einem Haufen “richtiger” Doktoren eine kleine Genugtuung verschaffen), steht die Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit und quasi automatisch des ganzen Fachs nicht zur Diskussion. Weil das Hunderttausende anderer sich selbst so nennender Wissenschaftler auch beträfe, nähme man das nur mal ernst.
Der eigentliche Punkt ist doch, dass die Frau nichts ge- oder erfunden, erforscht, ausgerchnet, getestet, gebaut oder etwas postuliert hat, was man testen könnte. Die hat nichts getan außer Bücher zu lesen. Eine Archäologin, die im Ägyptischen Museum gräbt statt in Ägypten. Die 12.500ste Staubmilbenart zu identifizieren ist ein größerer Beitrag und weist mehr nach als 1000 Seiten Tertiärliteratur. Und diese ganzen Fehlausbildungen natürlich auf Staatskosten.
Und es gibt immer weniger Leute, die das überhaupt noch beurteilen können, weil “Wissenschaftlichkeit” als Theorie kaum noch gelehrt wird undder Begriff durch dauernde Falschbenutzung immer weiter entwertet wird.
Ich habe selbst bei einem Professor aus der “alten Schule” der 1970er um 2003 über eine naturwissenschaftliche Fragestellung der 1970er Jahre promovieren dürfen. Als ich einfache Zusammenhänge zur Erklärung des Problems einem Lehrbuch entnommen “paraphrasierte” und dieses auch als Quelle angab, sagte er mir, ich solle nur “Originalartikel”, keine Lehrbücher zitieren. Ich habe es dringelassen, aber selbst wenn ich plagiiert hätte, jeder, den ich zitiert habe, würde sich dagegen wehren, dass ich ihn zitiert hätte, so “gut” ist meine Arbeit geworden.
Im Vergleich mit Herrn von und zu Copypasta Guttenberg hat sich Frau Schavan m. E. wirklich gar nichts vorzuwerfen, und das sage ich, obwohl ich weder mit ihrem Handeln als Ministerin noch mit ihrer politischen Überzeugungen etwas anfangen kann.
Dass die CDU in jeder Hinsicht auf im Bereich der Bildung in Deutschland versagt hat, ist sicher auchmit ihr Werk (G8 mit Rolle rückwärts in Hessen, Studiengebühren her und weg, den Dipl-Bachelor, etc.). Das sollte man ihr auch vorwerfen, aber nicht den schlampigen Zitierstil des letzten Jahrtausends.
Ich meine, die Uni Düsseldorf konnte nicht mehr anders. Nachdem die Repräsentanten der großen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzieren Großforschungseinrichtungen für Schavan aufgetreten sind, musste Düsseldorf Rückgrat zeigen. Schließlich hätte es sonst so ausgesehen, als würden sie sich dem Druck der Macht (den Geldhahn zu schließen) beugen. Der “Freispruch” für Schavan hätte immer unter dem Zweifel gestanden, mehr oder minder erpresst worden zu sein. Also müssen sie jetzt kämpfen, auch wenn sie das vielleicht für politisch unklug halten.
> aber nicht den schlampigen Zitierstil des letzten Jahrtausends
Was damals recht war, kann heute nicht unrecht sein? Es war nie recht!
> immer unter dem Zweifel gestanden
Stört nach einer Weile niemand mehr. Das Gedächtnis der Öffentlichkeit ist kurz, und es gibt sowas wie die politische Verjährung. Nach dem Abflauen der Debatte, so oder so, jst das nicht mehr verwertbar. Da musst du als Figur in der Mitte einfach nur durch, dann ist gut. Das einzige Gegenmittel ist, das Thema am Leben zu halten. zB wie das beim Wulff gemacht wurde, den hat man ja aus der Nummer nicht rausgelassen. Schavan ist da ein zu kleines Licht dafür. Das klappt jetzt, oder es gibt neue Anwürfe, oder sie ist durch, und evtl sogar gehärtet.
Ich finde es bemerkenswert, wieviele juristisch relevante Vorwürfe gegen Amtsträger überhaupt ans Licht kommen *und* Konsequenzen haben. So ganz selbstverständlich ist das öffentliche Erwischtwerden und Zurücktreten nämlich noch gar nicht so lange. Man denke an den Innenminister und “Meineidbauer” Friedrich Zimmermann, an Kohls “Ehren”wort und etwa die nicht wenigen von CSU-Amtsträgern im Suff Überfahrenen. Da sind wir immerhin etwas weiter. Nicht dass ich glaube, dass die Kaste insgesamt ehrlicher oder moralischer geworden wäre – den jetzigen Innenminister halten sie ja im Amt, und auch die Presse setzt sich mit dessen Rechtsauffassung ja kaum auseinander.
Bin jedenfalls bei denen, die den Düsseldorfer Juroren wünschen, dass sie diese Nummer durchstehen.