Ansichten eines Informatikers

Eine “Vollblut-Wissenschaftlerin”

Hadmut
23.1.2013 23:58

Oder: Ministerieller Realitätsverlust.

Aus der ZEIT:

Annette Schavan sieht sich als Vollblut-Wissenschaftlerin. […] Sie gilt als Intellektuelle, als Vollblut-Wissenschaftlerin. Neben ihrem Ministeramt lehrt Schavan als Honorarprofessorin für katholische Theologie an der Freien Universität Berlin, auch an diesem Mittwoch hielt sie wieder ein Seminar. Thema: “Religionsfreiheit. Eine neue Sicht des Konzils und die Rezeption in religiös pluralen Gesellschaften”.

Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll. Katholische Theologie als Ausweis für „Vollblut-Wissenschaftlerin”. Als würde eine Blinde, nee, als würde ein Stück Holz von der Farbe reden.

Was für ein kaputtes, absurdes, degeneriertes Wissenschaftsbild muss Schavan haben, um sich damit für eine Wissenschaftlerin zu halten? (Es erklärt natürlich ihre absurde Politik, mit der sie Wissenschaft und Forschung systematisch in Korruptionsbetriebe umgebaut hat.) Sie schreiben übrigens, dass dieser superfaule Direktpromotion ihr einziger Studienabschluss war. Das ist unglaublich:

  • Sie macht eine Direktpromotion ohne vorheriges Studium
  • Über ein »hochwissenschaftliches« Laber-Thema wie „Person und Gewissen”
  • zum Dr. phil., obwohl die Philosophie eigentlich gar keine Wissenschaft ist und deshalb keinen Doktor vergeben dürfte
  • mit einer plagiierten Dissertation
  • lehrt katholische Theologie

und hält sich für eine „Vollblut-Wissenschaftlerin”. Allen Ernstes. Und die bestimmt seit Jahren unsere Forschungspolitik und die Vergabe von Forschungsmitteln in Milliardenhöhe.

Schavan als Forschungsministerin ist noch schlimmer als der Berliner Flughafen. Die breite Öffentlichkeit merkt’s nur nicht so.

11 Kommentare (RSS-Feed)

Knorka Kinte
24.1.2013 0:39
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Das hätte ich dir zugetraut, Hadmut:
Die Endung “phil.” sagt doch nicht aus, dass sie in Philosophie promoviert hat, sondern nur, dass es von einer philosophischen Fakultät
vergeben wird. Die Mathematik ist keine Naturwissenschaft, trotzdem bekommen die meisten Mathematiker Dr. rer. nat., weil sie in die naturwiss. Fakultäten eingegliedert sind.
2.) kann man Philosophie als Literaturanalyse sehr wohl wissenschaftlich betreiben. Denn da belegt man seine Aussagen ja gerade am Text. Die allermeisten Promotionen darin dürften trotzdem sehr nutzlos sein.
3.) Wer seinen Doktor in Logik macht, bekommt idR auch einen Dr. phil. Würdest du sagen, dass Logik auch keine Wissenschaft ist?

LG


Hadmut
24.1.2013 6:33
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@Knorka Kinte: denk doch erst einmal ein bisschen nach.

Dass man auch für den Dr phil etwas hochstehendes einreichen kann, heisst ja noch nicht, dass es auch verlangt wird. Du verwechselst nicht verlangen mit ausschließen. Deshalb bringt es auch nichts, wenn Du Gegenbeispiele bringst (so von wegen Logik…).


Thomas B.
24.1.2013 1:24
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FULL ACK! Danke, ich dachte schon, ich wäre allein mit dieser Meinung.

Kann man zu diesen Laberthemen überhaupt noch etwas Neues schreiben, oder ist es nicht vielmehr zwingend, bei früheren Arbeiten abzuschreiben?


Hadmut
24.1.2013 6:43
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@Thomas: Es ist schon fast zwingend, weil sie nicht denken, sondern stur auswendig lernen und als einzigen Wahrheitsbeweis das Rezitieren kennen. Wahr ist, was schon mal geschrieben wurde.


G
24.1.2013 3:20
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Grundsätzlich stimme ich da ja zu – ich musste auch erst lachen und dann ihre Aussage überprüfen und nochmal lachen.

Aber meines Wissens nach bedeutet Dr. phil. nur, dass der Doktorgrad von einer philosophischen Fakultät verliehen wurde. D.h. mit Philosophie hätte es demnach erstmal garnichts zu tun – Wenn ich richtig informiert bin ist die Dame auch keine Philosophin sondern Erziehungswissenschaftlerin. – Ob man diesen jetzt den Status Wissenschaftler zugesteht ist eine andere Frage, die ich nicht beantworten kann/möchte.

Lustig oder traurig(?!) bleibt es dennoch vorallem durch die (offenbar schnelle) Direktpromotion.


Milo
24.1.2013 9:10
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Natürlich kann man dazu auch etwas neues schreiben. Und die Beschäftigung erschöpft sich – im Idealfall – nicht im Abschreiben. In der Philosophie etwa gibt es tatsächlich Erkenntnisfortschritte, die letztlich auch in die Naturwissenschaft eingegangen sind, siehe die schon erwähnte Logik oder etwa die Erkenntnistheorie. Ich weiß nicht, wieviele bloß Zitate zusammentragen, aber eigentlich sollte eine Promotion eine eigenständige Leistung sein. Demzufolge müsste eine ideale philosophische Dissertation auch eigenes Denken beinhalten. Sprich: Die Weiterentwicklung eines Begriffes, der bislang nur ungenügend durchdacht war.

Und Vorsicht mit dem Labervorwurf. Letztlich wird doch auch hier über Dinge geredet, die in der Philosophie eine Rolle spielen, z.B. die Frage der Gerechtigkeit. Es sei ungerecht, wenn jemand ohne Leistung einen Dr. bekommt. Dahinter steckt eben bereits ein Denkmodell. Im Grunde ist es, würde man darüber einen Aufsatz schreiben, ein weiches, ein Laberthema. Oder doch nicht?


Fabian
24.1.2013 10:49
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Studiengänge die als ersten Abschluss die Promotion hat gab es noch in den frühen 2000er Jahren. Ich erinnere mich, als ich mich als Oberstufenschüler auf Webseiten verschiedener Unis solche fand.

Im übrigen war das wohl historisch die übliche Variante des Studiums. Grundständige Abschlüsse eines Studiums sind in Deutschland Erfindungen des 20. Jahrhunderts: Das Diplom (bzw. der Diplom-Ingenieur als Vorreiter) wurde 1900 als Abschluss eingeführt, der Magister als erster grundständiger Abschluss erst Ende der 1950er Jahre. In der Weimarer Republik war das meines Wissens auch der übliche Abschluss, soweit das Studium nicht eh auf den Staatsdienst abgezielt hat (was aber viel häufiger als heute der Fall war). Außerdem lag die Abiturientenquote zu der Zeit (bis in die 50er/60er Jahre) sehr niedrig (deutlich unter 10%).

Zum “Dr.phil.” – denk mal an den englischen/amerikanischen Sprachraum: da gibt es soweit es nicht Berufsdoktorate (Doktor ohne Dissertation wie J.D. und M.D. für Juristen und Ärzte) geht, fast nur PhDs – philosophiae doctor oder Doctor of Philosophy – auch für Naturwissenschaftler. Wenn du der Meinung bist, die “Philosophie” als Einzeldisziplin sei generisch unwissenschaftlich und ihr stehe deiner Ansicht nach kein Promotionsrecht zu, bon, ich teile diese Ansicht nicht, aber es dürfte doch auf der Hand liegen, dass der Dr.phil. keinen Philosophen konstituiert, sondern für eine ganze Reihe von Disziplinen pars pro toto steht, denen man wohl kaum absprechen kann wissenschaftlich zu arbeiten. Philologen, Historiker, Sprachwissenschaftler etc. sind auch häufig Disziplinen die zu Dr.phil. promovieren.

Wenn du jetzt dich an ihrem Thema aufhängst, oder an ihrer Disziplin, meinenwegen, aber der Schluß Dr.phil. -> Philosophie (im Sinne Fachdisziplin) geht daneben.

Im Übrigen, selbst in der Theologie gibt es Teilbereiche, die wissenschaftlich arbeiten, weil sie letztlich “normale” Disziplinen wie Altphilologie oder Geschichte mit einem spezialisierten Anwendungsgebiet betreiben. Es gibt in Deutschland ja auch Lehrstühle an denen sich im wesentlichen mit der Überlieferungsgeschichte und der Entstehung und Rezeption von bestimmten Texten als kulturellen Überlieferungen beschäftigt wird. Es gibt Romanisten die sich ihr Berufsleben lang mit Dante befassen.

Man kann natürlich fragen ob die Erforschung solcher Aspekte staatlich finanziert werden sollte (durch die Einrichtung und Erhaltung solcher Lehrstühle) – aber das ist ein anderer Aspekt und ob der Staat für etwas Steuergelder ausgibt ist weder ein notwendiges noch ein hinreichendes Kriterium für die Wissenschaftlichkeit des jeweiligen Faches.

Und bevor Missverständnisse auftreten: In Sachen Schavan bin ich im Ergebnis mit dir durchaus in Übereinstimmung. Als Wissenschaftlerin ernstzunehmen ist sie in meinen Augen nicht. Aus einem ganz einfachen Aspekt: Die Frau war ihr Berufsleben lang entweder in der Verwaltung (zwar eines Begabtenförderungswerkes für Studenten) oder in der Politik (als Hochschul- und Bildungspolitikerin) tätig. Aber ein Jurist der als Referent im Bauministerium arbeitet wird ja offensichtlich dadurch auch noch lange nicht zum Bauingenieur.


Skeptiker
24.1.2013 12:23
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> ohne Leistung einen Dr.

Niemand wirft ihr vor, nichts geleistet zu haben. Auch “eigenständig” mag das gewesen sein, keine Ahnung. Womöglich weiß sie unheimlich viel und hat brillant analysiert, was weiß ich. Bücherschreiben ist generell nützlich, ehrenhaft und wird sogar manchmal bezahlt, auch Bücher über gewisse Pers… pardon, Person und Gewissen.

Darum geht es aber nicht.


Satirist
24.1.2013 14:14
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Die Journalisten ergeben sich hier leider immer wieder den ewigen Metadiskussionen. Statt die Sache mal im Kern zu beleuchten wird über hypothetische Konsequenzen und Szenarien schwadroniert. Statt echte Information gibt es Soundbites von “hochkarätigen Forschern”.

Man könnte jedem, der halbwegs lesen kann, einen kurzen Auszug aus ihrer “Arbeit” zeigen (1), und er würde zu dem Schluss kommen, dass hier kopiert wurde. Da hilft auch nicht noch ein Gutachten, noch eine Sympathiebekundung und noch mehr “nach uns die Sintflut” ala “das war ja eh kein wissenschaftliches Fach damals”.

1: http://schavanplag.wordpress.com/2012/04/26/seite-113/


Knorka Kinte
24.1.2013 18:44
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@Hadmut:
Nachdenken kann ich gut. Du stellst es aber immer so dar, als ob jeder, der einen Dr. phil. hat, automatisch nichts geleistet hat oder nur abgeschrieben hat. Auch andere haben es oben angesprochen. Das hat mit Philosophie gar nichts zu tun, deswegen hat die vermeintliche Unwissenschaftlichkeit von Philosophie auch nichts mit dieser Dissertation zu tun.

Nun noch was Köstliches von obigem Link:
“Man muß den Menschen auf jeder Stufe der Entwicklung als Person verstehen, gleichzeitig besteht aber die Aufgabe des Menschen darin, immer mehr Person zu werden, denn “die Person ist nicht die Summe eines abstrakten Individuums und einer ebenso abstrakten statischen Umwelt, sondern die Person ist ein sich wahrscheinlich quantenhaft ausdehnendes einheitliches Wirkfeld.””

Na bitte, handelt sogar von Quantenphysik, haha.


O.
29.1.2013 0:55
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@Satirist
“Man könnte jedem, der halbwegs lesen kann, einen kurzen Auszug aus ihrer “Arbeit” zeigen (1), und er würde zu dem Schluss kommen, dass hier kopiert wurde. Da hilft auch nicht noch ein Gutachten, noch eine Sympathiebekundung und noch mehr “nach uns die Sintflut” ala “das war ja eh kein wissenschaftliches Fach damals”.”

Vielleicht kann man das ja bis nach der Bundestagswahl hinziehen mit dem Gutachten, oder notfalls noch ein drittes Gutachten anfordern …

Zum Thema Philosophie: die bildet mit der Erkenntnistheorie letztlich Grundlage der Wissenschaft.
Und es gibt da durchaus interessantes Zeugs, wobei wohl 98% der philosophen nur Schwafeln. Und wenn sie genug schwafeln, bekommen sie eine eigene Sendung (zumindest beim ZDF, oder bei ARTE gibt es auch eine Laberphilosophen-Sendung auf Grundschulniveau)

Und Informatik… seit wann ist die eine Wissenschaft?