Fahrende von Rollstühlen und Redende von Dummem
Da habt Ihr noch einen Brocken, bei dem Ihr Euch selbst überlegen könnt, ob Ihr es für Satire, Neo-Spießertum, Dummsprech oder was auch immer haltet.
Zum Begriff der Satire sei angemerkt, dass sie eine spöttische Übertreibung, Überzeichnung der Realität ist, und deshalb etwas keine solche mehr ist, wenn sie von der Realität überholt wird.
Ich hatte ja schon mehrfach angesprochen und beschrieben, dass die Politsprache verschiedenen Verdummungs- und Rhetorikmoden unterliegt. Früher gab es mal so eine Substantivierungsmode. Da wurde etwas nicht „entsorgt”, sondern die „Entsorgung durchgeführt”. Etwas wurde nicht neu geordnet, sondern man „befand sich in der Neuordnung”. Und so weiter. Alles das, was man in besseren Schulen im Deutschaufsatz als schlechte Sprache angestrichen bekam. Aber es waren halt nicht so viele Politiker auf besseren Schulen.
Dann gab es mal (oder gibt sie noch) diese Bar-Zeit, bei der alles auf -bar enden musste, meist auch noch die Reduzierung auf machbar. Etwas war nicht mehr möglich oder stand im Rahmen der verfügbaren Finanzmittel, man konnte sich nicht mehr vorstellen, dass etwas funktionieren könnte, man mutmaßte auch nicht mehr, dass sich für einen Vorschlag eine Mehrheit oder rechtliche Grundlagen finden könnten, alles war nur noch „machbar”. Manches war „verhandelbar”. Und zu vieles davon einfach sonderbar.
So eine kleine Nebenmode war „alternativlos”. Man begründete nicht mehr, man sagte nicht mehr, dass etwas wirtschaftlich, sozial oder warum auch immer geboten war, man reduzierte das einfach auf ein einziges, alles und nichts sagendes Wort, „alternativlos”.
Und nun reiten sie eben die Partizipiensprache, die sie, welch feine derbe Ironie, sie selbst nicht mal als solche erkennen, sondern immer wieder selbst als „Passivierung” der Sprache beschreiben. Man hüte sich vor Leuten, die die Sprache umbauen und uns Vorschriften machen wollen, und dabei ein Passiv nicht von einem Partizip Präsens Aktiv unterscheiden können. Denn Fahrende von Rollstühlen sind keineswegs passiv, sondern sehr aktiv. Sie sind nur doof, weil sie die deutsche Sprache nicht mehr beherrschen. Und man ist ein „Baron von Münchhausen” oder „Freiherr von und zu Guttenberg”, manche sind sogar ein „Mann von Welt”, aber kein „Fahrender von Rollstühlen”, ebensowenig wie man ein „Trinkender von Kaffee” oder ein „Essender von Obstkuchen” ist.
Und so zeigt sich immer wieder, dass die angeblich eingeführte Geschlechtergerechtigkeit eigentlich nur der Vormarsch der Dummen und Ungebildeten ist, denn letztlich geht es nicht ums Geschlecht, sondern um eine Verdämlichung und Reduzierung der Sprache auf ein Minimum. Immer häufiger fällt mir auf, dass gerade aus diesen politischen Ecken nicht nur immer öfter Trivial-, um nicht zu sagen Idiotensprache kommt, deren Satzkonstruktionen immer primitiver wird, sondern auch der Wortschatz und die Auswahl der grammatischen Satzkonstruktionen immer weiter abnimmt. Manche kennen nur noch ein Adjektiv, um Missfallen auszudrücken, nämlich „das ist Kackscheiße” (was noch nicht einmal ein Adjektiv ist, so weit ist es schon gekommen. Sprachliche Beschreibungen sind mitunter so reduziert, dass nur noch in Primitivlogik eine Schubladenzuordnung zu einem anderen Substantiv vorgenommen wird). Dazu fällt bei manchen Leuten auch noch penetrant auf, dass sie schon beim Sprechen alles in Abkürzungen und 140-Zeichen-Sätze reduzieren. Neulich las ich irgendwo, dass Professoren beklagen, dass viele Studenten nur noch einen Sprachschatz von wenigen hundert Worten aufweisen.
Wenn ich mich recht entsinne, war es im Deutschen ungefähr so, dass einige hundert Worte der absolute Minimal-Sprachschatz sind, um eine Notkommunikation aufrechtzuerhalten, Merkmal unterster Bildungsschichten. Gut gebildete Leute der Bildungsoberschicht mit guten Sprachfähigkeiten, aber in nicht-sprachlichen Berufen, lägen im Deutschen – wenn ich mich daran richtig erinnere – bei einem aktiven Wortschatz von bis zu 10.000 Wörtern, und die Sprachcracks bei einem teilpassiven Wortschaftschatz von bis zu 40.000 Wörtern.
Und da geht die Sprache derzeit eben in Richtung Verblödung, gleichzeitig in Richtung der Political Correctness mit festen Vorgaben, eben einer Art „Neusprech”. Primitivsprachkonstruktionen wie „Fahrende von Autos”, „Fahrende von Rollstühlen”, „Führende von Fahrrädern” sind ja schon eine extreme Primitivform, ähnlich wie „doppelplusgut” als Steigerungsform. An Orwell erinnert auch, dass da in regelmäßigen Abständen neue Sprachformen angesagt und alte abgesagt werden, und bei jeder Umformung eine weitere Verdummung eintritt.
Was wieder mal meine These belegt, dass es nicht um die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern von Dummen und Gebildeten geht. Aber vermutlich ist »Dumme« und »Gebildete« ja auch schon nicht mehr korrekt. Eine Zeitlang hätte man sie als „Liebe Dumme und Dumminen” oder „Dummschwätzer und Dummschwätzerinnen” anreden müssen, aber die heute tagesaktuelle Sprachschablone würde dann wohl als korrekt gegenderte Bezeichnung „Redende von Dummem” vorgeben.
Über die Rechtschreibreform waren sich schon alle einig, sie für ein Unterfangen Geistloser zu halten, und es heißt, unsere neue Bundesforschungsministerin – wie hieß die nochmal? Kann sich irgendwer an die erinnern? – habe mal gesagt, auch die Urheber der Rechtschreibreform hätten längst eingesehen, dass das Unfug und ein Fehler war, und nur aus Gründen der Staatsräson daran festgehalten wurde. Das schlimmste steht uns aber erst noch bevor, und auch aus dieser Sprachvermüllung wird man wohl nie wieder herauskommen.
27 Kommentare (RSS-Feed)
Leider kein Aprilscherz, wohl eher Realsatire:
https://docs.google.com/viewer?url=http://www.ace-online.de/fileadmin/user_uploads/Der_Club/Presse-Archiv/Verkehrsrechtsthemen/BGBl_I_Nr_12_S_367_vom_12_03_2013.pdf&embedded=true (beachte §53)
Da das eine komplette Neufassung der StVO ist, wird uns dieses “Dummsprech” wohl auch noch eine ganze Weile erhalten bleiben.
“Schöne” Beispiele sind der §5 Abs.4 und 8, §23 die Überschrift.
Das ist übrigens auch in manchen juristischen Texten jetzt hübsch.
“Der Angeklagte hat sich gegenüber dem Richter auszuweisen” wird dann zu “Der/die Angeklagte hat sich gegenüber dem Richter/der Richterin auszuweisen”. Was in einem Satz noch entfernt überschaubar ist, wird dann in Satzkonstruktionen wie
“Der/die Angeklagte hat seine/ihre Argumente dem Richter/der Richterin vorzutragen und seine/ihre Reisekosten zu belegen, so dass diese vom Sachbearbeiter/der Sachbearbeiterin geprüft werden können um sie/ihm diese zu erstatten” (fiktives Beispiel, aber es soll auch nur veranschaulichen, wie so ein Satzmonstrum dann aussieht”
Rollstuhlfahrer an sich ist ja schon dumm weil viele einen Rollstuhl nutzen, ihn aber nicht einmal fahren. Aber davon abgesehen wird es wohl bald “Rollstuhlnutzer jeden Geschlechts” heißen weil sonst ja diejenigen, die sich noch nicht für ein Geschlecht entschieden haben, sich ggf. ausgegrenzt fühlen – siehe Toiletten für diejenigen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen usw.
Seufz.
Ahja, die Kackscheiße. Es gibt zudem welche, die einen fahren lassen. http://www.youtube.com/watch?v=oC9-el-xV24
“Studierende” und “Fahrende” und ähnliche Käsinnen sind doch nur in der Mehrzahl zulässig. Der(!) Singular (nota: im Gegensatz zu “die(!) Mehrzahl”) führt da nur ins Genderabseits. Statthafte Einzahl ist allein: “Einzelne Fahrende”.
Auch eine Art, Steuergelder auszugeben. Bis alle Gesetzestexte gendergerecht überholt sind, dürfte Einiges zusammenkommen. Aber wir haben’s ja … Hauptsache, keiner fühlt sich durch die Sprache benachteiligt, zumindest bis zur nächsten Welle der gefühlten Ungleichbehandlung.
War da nicht was mit baufälligen Schulen, maroden Universitätsgebäuden, mangelnder IT-Infrastruktur, Löchern im Sozialsystem und ähnlichen Nebensächlichkeiten?
> “Entsorgung durchgeführt” … „befand sich in der Neuordnung” …
Seitens des Herrn Leitenden Ministerialdirektors gelangte eine Bereisung der zur baldigen Eröffnung in Planung sich befindlichen Anlagenbauten zur Durchführung.
Ist das nicht normalbehördlicher “Nominalstil”? Substantivierung und Passivierung. Unter dem Begriff kenne ich das, ist ja zu allen Zeiten viel drüber gelacht worden. Denen ging es damit doch in erster Linie darum, sich durch Amtsgeschwurbel vom Plebs abzuheben. Methode “Gottesdienst auf Latein”, also auch um die Leute dumm zu halten.
Im Plebs scheint es nunmehr aber mehr Gebildete und Selbstdenker zu geben als in der Politik (inkl Klerus und Bildungswesen usw.) *mirsodenk*, d.h. man muss ihnen das Hauptinstrument nehmen, dass sie haben, die Sprache bzw. eigentlich die Verständigung.
So weit so alt. Ist einfach die Methode der Wahl, da steckt sicher keine Verschwörung dahinter.
Kennt ihre eigentlich schon die “leichte Sprache”, z. B. “http://de.wikipedia.org/wiki/Leichte_Sprache” oder auch “http://www.bundestag.de/leichte_sprache/”?
Etwas OT, oder auch nicht:
“Gute Gründe für das Archäologie-Aus in NRW” –
http://www.ruhrbarone.de/gute-gruende-fuer-das-archaeologie-aus-in-nrw/
>Rollstuhlnutzer jeden Geschlechts
Du meinst wohl etwas wie “Rollstuhlnutzer und Rollstuhlnutzerinnen jeden und jedes Geschlechts”
Eine Buchempfehlung an alle, insbesondere an Hadmut: “Atlas Shrugged” von Ayn Rand.
Ja, Schinken, aber gutes Buch.
Ist das nicht normalbehördlicher “Nominalstil”? Substantivierung und Passivierung. Unter dem Begriff kenne ich das, ist ja zu allen Zeiten viel drüber gelacht worden. Denen ging es damit doch in erster Linie darum, sich durch Amtsgeschwurbel vom Plebs abzuheben.
Ein schönes Beispiel gibts dafür in der Gerichtsverhandlung im Film Idiocracy 😉
Der Herr Freischhauer bei SPON hat auch schon drüber geschrieben. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele diese Verhunzung der Sprache begrüßen.
Dummdeutsch im Straßenverkehr http://www.spiegel.de/politik/deutschland/neue-geschlechtsneutrale-stvo-dummdeutsch-im-strassenverkehr-a-891487.html
Schön finde ich den Kommentar von lubinca.
und dann noch: Wieso eigentlich DER Feminismus? Das ist doch nahezu ein Oxymoron. Muesste es nicht DIE Feminismus sein???
lol
Meine momentanen Favoriten (Favoritinnen?) an Dummsprech:
die Denkweise => die Denke
die Schreibweise => die Schreibe
Geschlechtersozialismus ist der neue Totalitarismus.
It will go on and on.
Wenn die Sprache verhunzt und die Geschlechter noch immer nicht gleichartig sind, was kommt dann?
Was wird dann verhunzt im Dienste der Gleichmacherei.
Die, die das verantworten/vorantreiben, verschwinden ja nicht einfach.
Werden sie einräumen, sie hätten sich geirrt, wenn ihr Gleichmacher- und Gleichrichterwahnsinn scheitert?
Oder nicht vielmehr noch eine Schippe drauflegen.
Und noch eine.
Und noch eine.
Dass Fahrende keine Fahrer sein müssen, was kümmern solche gedanklichen Schlampereien die Gleichmacher, wer will denn noch unterscheiden?
Der, der gefahren wird ist, ein Fahrender, der, der fährt, auch.
Zwischen Fahren und Gefahren-Werden unterscheiden?
Ist das nicht diskriminierend?
Die Entdifferenzierung der Sprache dient der Entdifferenzierung des Denkens.
Die Entdifferenzierung des Denkens dient den Zielen der Gleichmacher.
Die Wirklichkeit der biologisch fundierten Geschlechtlichkeit des Menschen können sie nicht verändern.
Aber wenigstens sollen wir’s nicht mehr merken, sollen wir nicht mehr darüber reden können.
Das ist kein Jux.
Da ist etwas sehr Bösartiges unterwegs.
Etwas, das nicht SEIN LASSEN kann.
Das Ungleichheit nicht erträgt und darum die Freiheit zerstören will.
Denn da Menschen nicht gleichartig sind, wird diese Ungleichartigkeit sichtbar bei Freiheit und Gleichberechtigung.
Darum muss ich beides abschaffen, der Gleichheit zuliebe.
Und Frau Baer redet von der anzustrebenden Asymmetrie des Rechtes.
Um der “Gerechtigkeit” willen, will sagen: DER GLEICHHEIT der neuen Sozialist.I.nnen.
Warum führt man nicht einfach DUDEN – offiziell neben Maskulinum, Femininum und Neutrum ein Unbestimmtum ein, etwa mit Endung auf „ski“ mit bestimmtem Artikel „dhs“ – ein sprachfaul gesächseltes „das“ – dazu?
Also „der Radfahrer“, „die Radfahrerin“, und als geschlechtlich unbestimmte Form „dhs Radfahrski“.
Und im Plural Endung auf „skir“ mit bestimmtem Artikel „dhe“.
Also statt „die Radfahrer“ künftig „dhe Radfahrskir“, wenn´s geschlechtsneutral sein soll.
Eine solche Lösung würde sich nahtlos in die Grammatik einfügen und den Lesefluß nicht stören.
Und es gäbe keine Gelegenheit mehr, überall die weibliche Form reinzuhunzen.
@Wildlife: Weil der Duden dazu nicht ermächtigt und befähigt, sondern nur ein gewöhnlicher privater Verlag wie jeder andere Verlag auch ist.
Außerdem wollen die das gar nicht, weil sie sehr sorgsam darauf achten, Sprache nur zu beschreiben und nicht zu machen oder zu beeinflussen.
http://www.pi-news.net/2013/03/fusgangerzone-und-fahrzeugfuhrer-verboten/
“abgebrochener Germanistikstudent” — 🙂
Also, der Führer kommt zurück in Form des Fahrradführers. Wenn der wüßte, daß er im WK I schon Führer war!
Jetzt hat es die Reifenlobby ja bis in die Straßenverkehrsordnung geschafft.
Carsten
—
“Die erfahrene Hausfrau behält bei einer Scheidung alles, bis auf ihren Ehemann.”
Robert Lemke
München (die pa) – Durch unterdrückte, gleichwohl gut vernehmbare vorzivilisatorische Lautäußerungen aufmerksam geworden, fand eine polizistisch tätige Amtsperson in den späten Nachmittagsstunden in einem Gebüsch im Englischen Garten zwei mit nicht-identischer, dem Anschein nach aber kompatibler sexueller Orientierung ausgestattete Angehörige der Öffentlichkeit bei der Ausübung biologistischer Stereotype auf.
Der Aufforderung, dies zu unterlassen und den ordnungsmäßigen Zustand der jeweiligen Oberbekleidung wiederherzustellen, konnte die oberhalb der anderen sich aufhaltende, dabei nach unten blickende an der Störung der öffentlichen Ordnung mitwirkende und zudem recht aufgebracht wirkende Person, behindert durch die mit Armen und Beinen ausgeübte Umklammerung seitens des in unmittelbarer Bodennähe und rücklings mit dem Boden sich in Kontakt befindlichen zweiten und einzigen sonstigen Mitglieds der ordnungsstörenden Gruppierung, nicht umgehend nachkommen.
Den Austausch der gegenseitigen subjektiven Wahrnehmung der jeweils anderen am sich der unmittelbar ordnungswidrigen Handlung anschließenden Dialog Teilnehmenden, verbunden mit Einschätzungen der jeweiligen näheren Zukunftsaussichten in den Kategorien Gesundheit und Aufenthaltsort, nahm die Amtsperson zum Anlass, den Delinquenzgrad des vorgefallenen und des sich im Vorfallen befindlichen Geschehens höher zu bewerten als zunächst vollzugsdienstlich für erforderlich erachtet, und die Überstellung von Verfahren und Verfahrensbeteiligten an die zuständige Haftrichtung einzuleiten.
Oder Haftrichterei? Oder Haftrichtdienst? Oder so.
Sprache macht doch Spaß 🙂
@Hadmut
O.k., der DUDEN ist die falsche “Institution” dafür. Aber die Rechtschreibdeform hat man ja irgendwo beschlossen, und diese Stelle könnte doch auch so etwas beschließen?
Es wäre eine saubere Sache und würde die Sprache reicher und treffender machen.
Ob die Sonne männlich oder weiblich sei, kann man dem Volksempfinden überlassen. Aber wo es um Menschen geht, die tatsächlich ein biologisches Geschlecht haben, wäre es im Sinnne der Genauigkeit und Ausdrucksstärke der Sprache wünschenswert, wenn die Sprache dieses bzw. die Ignorierung desselben auch im Text abbilden könnte.
@Wildlife: Wende Dich dazu an die Kultusministerkonferenz. Die waren das mit der Rechtschreibreform.
Und sowohl Dein Vorschlag, als auch die Kultusminister sind beide so dämlich, (und letztere so feministisch indoktriniert), dass sie ganz wunderbar zusammenpassen und man Deinen Vorschlag ohne jeden Zweifel sofort umsetzen wird.
Sie wollten den DUDEN entmachten, egal, was es kostet und was es zerstört.
Carsten
—
“Moses durfte das Gelobte Land nur sehen, aber nicht betreten: als Strafe für seinen Zweifel am Herrn. Haben die Briten die Grenzen Israels absichtlich so gezogen, dass die biblischen Orte
draußen blieben?”
Jürgen Möllemann
> Früher gab es mal so eine Substantivierungsmode. Da wurde etwas
> nicht „entsorgt”, sondern die „Entsorgung durchgeführt”. Etwas
> wurde nicht neu geordnet, sondern man „befand sich in der Neuordnung”.
> Und so weiter.[…]
Das war keine Mode. Gemeinsam mit der Passivisierung ist es ein Grundbestandteil des sog. “Amtsdeutsch”, einer mit Deutsch nah verwandten Sprache. Ein sehr schönes Beispiel ist der Text auf einem Hinweisschild, welches noch in einigen Straßenbahnen der Duisburger Verkehrsbetriebe zu finden ist:
| Pflicht des Fahrgastes ist es, sich auf dem Wagen
| sofort einen festen Halt zu verschaffen.
| Etwaige Folgen der Außerachtlassung
| dieser Bedingung sind selbstverschuldet.
Eine meiner Lieblingsstellen in Adele ist daher auch auf Seite 781 (in Version 0.14), in der dieses Wechselspiel zwischen natürlicher Sprache und Amtssprache auch typographisch im Dialog verarbeitet wird.
Beim letzten LPT der Piraten in Baden-Württemberg wurde auch so ein Knaller-Antrag zu einer “geschlechtergerechten” Satzung behandelt, der beispielsweise “Kandidat” durch “kandidierende Person” oder “Richter” durch “richtende Person” ersetzen wollte:
https://wiki.piratenpartei.de/BW:Antragsfabrik/Geschlechtergerechte_Satzung
Der Antrag wurde zum Glück abgelehnt…
Die Substantivierung stammt übrigens nicht aus der Politik, sondern aus der Verwaltungssprache. Dort vermeiden es die Beamten, das Wort “ich” zu benutzen und da man in Vermerken sonst immer Formulierungen wie “Der Unterzeichner” o.ä. benutzen müsste, wählt man eben passive Formulierungen.
Also statt
“Ich habe das Kraftfahrzeug entsorgt.”
dann
“Das Kraftfahrzeug wurde entsorgt.”
Leider funktioniert das nicht immer und deswegen braucht man mehr Substantive. Hat man nicht genügend, macht man sich einfach welche. 🙂
Ich habe vor einigen Tagen einen Bericht über den LoveParade-Ablauf in Duisburg gesehen. Besonders beim OB, den ich schon vorher nicht als sympathisch erlebt hatte, fiel mir auf, wie oft er sprachlich auswich:
“Man war ja ganz geschockt, und man hatte nicht gleich alle Informationen”. “Da konnte nur getrauert werden.”
Hätte er (wo das offensichtlich zutraf) von “wir” gesprochen: “Wir hatten nicht gleich alle Informationen” – dem wäre kaum zu widersprechen gewesen. Gerade von einem Verantwortlichen erwarte ich aber auch die Verwendung des Wortes “ich”. Es muss ja nicht ständig sein, ein “ich war schockiert” (nicht “geschockt”) klingt viel besser als “man war…”.
Übrigens trifft bestimmt “Fahrzeugführende _allerlei_ Geschlechts” auch nicht überall auf Gegenliebe. Ich mag das Wort und verwende das so gelegentlich 🙂
und müsste es nicht auch grammatikalisch richtig “Fahrende der Rollstühle” (bzw “des Rollstuhles” oder “Redende des Dummen” heißen? Nichtmal das bekommen sie hin, die Großkopferten, wenn sie schon an der ehemals schönen deutschen Sprache herumpfuschen. Der Dativ sei dem Genitiv sein Tod, heißt es schon seit einiger Zeit – dass dies aber so offen vorangetrieben wird, hätte ich nicht vermutet und erst recht nicht geglaubt.
Na, warten wir mal ab bis diesen Genies auffällt das “der Fahrende” immer noch einen männlichen Artikel hat und es dann “Fahrende und Fahrendinne von Rollstühlen (und Rollstühlinnen)” heißt.