Die Netzkompetenz der Grünen
Jetzt tun die immer so, als wären sie die Netz-Experten und Bürgerrechtler. Von wegen.
Neulich kam ja schon raus, dass die Grünen in ihrer Frühphase mehr von Päderasten gesteuert waren, als ihnen heute lieb ist. Heute spielen sie sich als die Beschützer der Kinder vor Missbrauch auf.
Dann wies mich ein Leser auf jene denkwürdige Aussage hin (für die jungen Leser: IuK stand früher mal für Information und Kommunikation):
„Die weitere Einführung neuer IuK-Techniken muß solange mit dem Ziel eines Einführungstopps bekämpft werden, bis ihr gesellschaftlicher Nutzen und ihre soziale Unschädlichkeit von den Befürwortern eindeutig nachgewiesen sind. Jedoch auch schon eine spürbare Behinderung der Herrschenden bei der Computerisierung der Gesellschaft und der Schaffung des ›Modell- und Testmarktes Bundesrepublik‹ hilft Schaden abzuwenden und trägt zur Entwicklung von kritischem Bewußtsein und politischer Handlungsbereitschaft in der Bevölkerung bei.“
Stammt laut dieser Blogseite aus der medienpolitischen Erklärung der Grünen aus der 8. Bundesversammlung im Dezember 1985. Dann gab’s da wohl laut dieser Webseite eine Studie des CCC, der sich damals gegen die Grünen positionierte:
„Wir hoffen, daß diese Studie dazu beiträgt, endlich aus der Sackgasse der weitverbreiteten Totalverweigerung herauszukommen und auf dem Gebiet der Computernutzung ähnlich zu experimentieren, wie dies in den 70er Jahren, mit dem Medium Video in den sogenannten ›Medienläden‹ geschehen ist. […] Es gibt absolut keine Chance, Fernmelde-Techniken zu bremsen, zu verhindern oder gar zu verbieten. Es sei denn, man ist bis zur letzten Konsequenz bereit und in der Lage, technisch unterstützte Kommunikation zwischen Menschen beurteilen, kontrollieren und verbieten zu können. […]
Nicht zuletzt diese Grüne Politik hat mit dazu beigetragen, daß es in der Bundesrepublik keine der Staddteilzeitungen, freien Radios oder der Videoszene vergleichbare Computerpraxis gibt, die als erprobte Gegenposition zur herrschenden Computeranwendung gelten kann.
Vor diesem Hintergrund tragen die Grünen im Effekt dazu bei, daß der Computer nur mit den Interessen herrschender Kreise besetzt wird und als ”Strukturverstärker” ausschließlich zentralistische Ideologie transportiert. Herrschaft hat schon immer darauf Wert gelegt, das historisch jeweils fortgeschrittenste Medium zu kontrollieren und einzuschränken.
Dieses Ansinnen ist bereits soweit fortgeschritten, daß selbst die Phantasie der sogenannten Alternativ-Szene kaum in der Lage ist, das Medium Computer mit eigenen Bedürfnissen zu verbinden.”
Totalverweigerung. Und die Erkenntnis, dass es in der Konsequenz die Grünen selbst sein müssten, die Fernmeldetechnik überwachen, kontrollieren, beurteilen, verbieten. Starker Tobak. Insbesondere der untere Teil des Zitats lässt die Grünen wie eine Art Facebook/Google mit Zensur erscheinen, eine Art Zwangsmethode der Computernutzung.
Nun wies mich ein weiterer Leser auf eine weitere Webseite hin, in der es um das Bundestagswahlprogramm der Grünen von 1987 geht, in dem sie massiv gegen die Digitalisierung des bis dahin analogen Fernsprechnetzes durch ISDN wettern. Zitat Seite 46/47:
DIE GRÜNEN verkennen nicht, daß es bereits Zwänge zu Computernutzung und technisierte Kommunikation in Arbeit und Privatleben gibt. Allerdings werden allzu oft gefährliche und sozial schädliche Produktion durch Automatisierungstechniken erst möglich, wie uns die Atomtechnologie drastisch vor Augen führt. Andererseits sind durch kapitalistisch industrielles Wirtschaften ungeheure Altlasten entstanden, die selbst bei einem sofortigen Stopp aller umweltvergiftenden Produktion noch Jahrhunderte lang überwacht und beherrscht werden müssen. Wenn neue Techniken hierzu rationell eingesetzt werden können und wenn ihr Einsatz nicht als Alibi für weitere, nun aber „genau meßbare“ Umweltzerstörung mißbraucht wird, treten DIE GRÜNEN hier punktuell im Sinne der Gefahrenabwehr für den Gebrauch von IuK-Techniken ein.
DIE GRÜNEN befürworten eine bedürfnisorientierte Technikentwicklung auch im Kommunikationsbereich. DIE GRÜNEN unterstützen den Widerstand gegen IuK-Techniken und
fordern:
- Ausweitung der Mitbestimmungsrechte über Betriebe und Branchen hinweg, um der übergreifenden technischen Vernetzung begegnen zu können.
- Verbot von Personalinformationssystemen und sonstiger Systeme, die geeignet sind, die Beschäftigten zu verdaten.
- Keine Digitalisierung des Fernsprechnetzes.
- Keine Dienste- und Netzintegration im Fernsprechnetz (ISDN).
- Keine Glasfaserverkabelung (Breitband-ISDN).
- Stopp des Kabel- und Satellitenfernsehens.
- Wirksame parlamentarische Kontrolle der Post.
DIE GRÜNEN sind für Boykottmaßnahmen gegen Erzeugnisse der IuK-Industrie wie Bildschirmtext und sind für die Entwicklung alternativer Technologien und nicht-technologischer Alternativen. DIE GRÜNEN wollen eine breite öffentliche Debatte über diese Techniken, damit nicht wieder einmal die Interessen weniger Mächtiger über die Zukunft entscheiden. Diese öffentliche Auseinandersetzung wird notwendig konfliktorientiert verlaufen müssen.
Drollig, nicht? Der Vernetzung »begegnen«. Verbot von Personalinformationssystemen. Keine Digitalisierung des Fernsprechnetzes. Keine Breitbanddatennetze. Konfliktorientierte Boykottmaßnahmen.
Und heute rennen sie alle mit dem iPhone herum (warum haben die noch kein iPhone für das analoge C-Netz und dessen Wiedereinschaltung gefordert?), Skypen und Twittern wie die Blöden, „entdecken Breitbandinternet als Universaldienst” (Wow, und das schon 2011), Tabea Rößner von den Grünen tönte 2011
Breitband für alle – Deutschland schneller, weiter, besser anbinden
Der Breitbandausbau in Deutschland hängt hinterher. Wir haben deshalb in einem Gutachten prüfen lassen, ob das Recht auf einen Breitbandanschluss machbar ist. Das Ergebnis: Wir fordern einen Breitbandschluss von 6 Mbit/s für jeden Haushalt. Aber nicht nur diese Basisversorgung ist nötig, sondern auch der Ausbau des schnellen Glasfasernetzes.
Ein hoher Pfeifton, mehrere Knattergeräusche und ganz viel Rauschen: So ähnlich klang die Melodie eines 56 k Modems, wenn man früher versuchte, sich ins Internet einzuwählen. Was für viele Deutsche schon den Hauch von „Damals, als…“ hat, ist für andere noch immer lästiger Alltag. […]
Die Bundestagsfraktion sieht ungenutzte Chancen für unser Land, deshalb wollen wir jetzt die Grundlagen schaffen: Breitband für alle, nicht nur in den dichtbesiedelten Gegenden, sondern auch im ländlichen Raum. Deshalb haben wir ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den rechtlichen Rahmen geprüft hat. Als einzige Fraktion im Bundestag fordern wir nicht nur eine Zahl, sondern zeigen auf, wie ein Universaldienst und der Glasfaserausbau rechtlich (vor allem in Hinblick auf die EU-Ebene) und finanziell ausgestaltet werden kann.
Toll. Erst boykottieren und bekämpfen sie den Netzausbau, und dann werfen sie anderen vor, dass es nicht vorangeht damit. 1986 hatten sie noch „Keine Glasfaserverkabelung” gefordert (siehe oben), aber 2013 werfen sie Schwarz-Gelb vor, beim Glasfaserausbau in Sachsen zu bremsen. Jetzt sind sie für „Datenautobahn Erzgebirge – Breitband bis ins letzte Dorf“.
Jau. Echte Kapazitäten.
Und deren »Netzexperte« Konstantin von Notz motzt gerade herum, dass die Regierung sich nicht genug mit dem Netz auskenne, und das „Ausmaß der Probleme” nicht erkenne. Und bezeichnet das Abhören selbst als eine durch einen Whistleblower aufgedeckte Tatsache, als ob man es vorher nicht hätte wissen können.
Wahnsinn.
Bevor da Zweifel aufkommen: Die Grünen sind immer noch auf dem Technik-Verweigerungstripp. Sie verpacken es jetzt nur anders. Das ganze Gender-Gesülze, auf das sie so abfahren, geht in dieselbe Richtung. Die wollen ja alles, sogar die Informatik enttechnisieren. Gleichzeitig aber twittern.
Wird Zeit, dass man für die Grünen mal eine Version von Twitter aus Holz baut.
Nachtrag:
Von Notz behauptete ja in der zitierten Rede:
Die Debatte hier und heute spiegelt insgesamt aufs Traurigste wider, warum diese Bundesregierung im Bereich des Datenschutzes überhaupt nichts auf die Reihe bringt bzw. gebracht hat. Sie verstehen schlicht das Ausmaß der Probleme nicht. Sie haben nicht verstanden, was es bedeutet, wenn im Internet durch Geheimdienste und bestimmte Konzerne der grundrechtlich verbriefte Datenschutz erodiert.
„Grundrechtlich verbrieft”. Ich würde ja zu gerne sein Gesicht sehen, wenn ihm mal jemand erklärt, dass es das Internet auch außerhalb von Deutschland und deutschem Grundgesetz gibt, und dass die NSA, GCHQ, die USA, England, Google, Twitter, Facebook und so weiter alle nicht in Deutschland liegen und das Grundgesetz dort gar nichts zu melden hat. Außerdem sind Grundrechte auch in Deutschland keine „verbrieften Rechte”, denn das Recht basiert ja nicht darauf, dass jemand ein Brief ausgestellt wird. Der Begriff kommt aus dem Aktienrecht und hat mit Grundrechten gar nichts zu tun. Aber woher sollte ein Konstantin von Notz sowas alles auch wissen? Er ist ja nur promovierter Jurist. Kommt vielleicht davon, dass er in evangelischem Kirchenrecht promoviert hat. Im Kirchenrecht gibt’s ja Ablassbriefe.
12 Kommentare (RSS-Feed)
Jedenfalls näher dran als an »verbrieften Grundrechten«.
In den 90er Jahren haben die Grünen noch den unterirdischen Bahnhof in Stuttgart gefordert. Jahre später setzten sie sich an die Spitze der Protestbewegung.
Netzkompetenz mit der Grünen Bettwäsche: http://www.spiegel.de/fotostrecke/ari-plikat-ich-rieche-angstschweiss-fotostrecke-98509-10.html
Heute fordern die Grünen eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Ist das gleiche in grün.
>Jo, aber im evangelischen Kirchenrecht? War da nicht was?
Ich möchte im Vereinsrecht unseres Gesangsvereins “Halbe-Lunge” promovieren, geht das? (Später auch mit Gendertütü
http://www.allmystery.de/i/t5767e0_206348d1269090753-zalman-gs-1000-se-und-.jpg)
> Ich möchte im Vereinsrecht unseres Gesangsvereins “Halbe-Lunge” promovieren, geht das?
Bei Frauen ja, die können damit auch Professorin für Informatik, Physik usw. werden.
Männer: Nein. Oder nur gegen viel Schmiergeld.
Haben die Grünen nicht vor Jahren ihr (wenig genutztes) Forum gekillt und stattdessen auf Facebook, Blogs und Twitter verwiesen? Ich finde es ja immer noch Ironisch dass die CDU die erste Partei war, bei der eine Vernetzung von Abgeordneten stattfand
Hadmut, dass die Politiker aller Parteien ahnungslos durchs #neuland stolpern: d’accord. Grausam. Aber dass eine Partei oder eine Person eine unhaltbare archaische Position räumt, muss man doch grundsätzlich erstmal gutheißen. Zu sagen “du bist ein Depp, weil du früher mal das und das gedacht hast” führt doch nicht weiter. Klar, jetzt haben sie halt neue unhaltbare Ansichten.
@Skeptiker:
> Aber dass eine Partei oder eine Person eine unhaltbare archaische Position räumt, muss man doch grundsätzlich erstmal gutheißen.
Nicht so ganz.
Erstens nicht, dass sie jetzt so tun, als wären sie schon immer die Netzwerk-Digital-Partei gewesen.
Zweitens nicht, dass sie das jetzt den anderen Parteien vorwerfen.
Drittens nicht, weil sie die archaische Position ja gar nicht richtig geräumt haben, sondern über die Gender-Schiene ja immer noch vertreten.
Viertens nicht, weil sie nichts tun und nur ne große Klappe haben und fordern, fordern, fordern.
Ja war nicht mein stärkster Beitrag. “Grundsätzlich” schließt ja immer “aber” ein, und insoweit steht mein Argument noch. Ich war auch mal Grünwähler, ist aber schon länger vorbei. Piraten gehen auch nicht mehr. Reine #$%&§ das alles.
Gleichwohl: Dass Politiker “fordern”, ist … Politik! Das ist das, was die tun. Man wählt sie ja nicht wegen vergangener Großtaten (bekanntestes Beispiel Churchill 1946), sondern wegen der zukünftigen. Naja im Prinzip. Also für ihre Forderungen. Dass dabei auch die zuständigen Leute immer mal was fordern, was in ihren eigenen Kompetenzbereich fällt, merken die wahrscheinlich aus lauter Gewohnheit gar nicht. Und in der Opposition gibt es nach diesem platten Weltbild eh keine Taten, sondern nur Forderungen, aktuelle Stunden, Petitionen und kleine Anfragen.
Könnte man nicht auch meinen, dass die Grünen von Anfang an geradezu Propheten waren und dass deren schlimmsten Befürchtungen bzgl. der “neuen” Technik sich aus heutiger Sicht bewahrheitet haben? Müssten wir den damaligen Grünen nicht voller Respekt und Bewunderung angesichts solcher Kompetenz und Weitsicht applaudieren?!
ich frag ja bloss 😉
“in evangelischem Kirchenrecht promoviert hat. Im Kirchenrecht gibt’s ja Ablassbriefe”
Jo, aber im evangelischen Kirchenrecht? War da nicht was?