Nein, interaktives Fernsehen will ich nicht!
Ich war vorhin bei einer Veranstaltung des „Digitalen Salons”, in der es heute um neue Formen des Kinos und der Übertragung der Filme ging.
Ein Thema dabei waren interaktive Sendungen, bei denen die Zuschauer auf die Handlung Einfluss nehmen. Wurde wohl schon so als innovatives Konzept und als Rettung der Branche betrachtet, aber ich finde das gar keine gute Idee.
Die ersten Bedenken habe ich schon bei der Struktur, weil es dann nämlich am einheitlichen Faden fehlt. Ich glaube, sowas macht die Handlung kaputt. Ich muss dabei etwa an diese unerträglichen Gerichtsshows denken, die es mal eine Zeitlang im Privatfernsehen gab. Die hatten das auch mal so gemacht, dass die nur den Anfang vorgaben und die Schauspieler frei improvisieren sollten. Die wussten dann teilweise selbst in der Mitte nicht, was am Ende rauskommt, und haben sich was aus den Finger gesogen, in Echtzeit. Entsprechend schwachsinnig war das dann. Und ich muss an Star Wars Teil 1 denken, wo das Podracer-Rennen auf mich immer so wirkt, als wäre das nur geschrieben, um eine Zweitverwertung in Videospielen zu verbessern. Ähnliche Effekte dürfte es dann mit den Ansatzpunkten für Zuschauerentscheidungen geben.
Der zweite Punkt ist, dass ich das gar nicht will, dass die breite Masse Einfluss nimmt, weil dann doch wieder nur Mainstream und Political Correctness rauskommt. Im Prinzip sieht man das ja gerade bei Lanz, denn effektiv wird dort ja gerade eine Art interaktives Fernsehen geprobt. Alles was nicht linkskonform-political correct ist, soll rausfliegen. Es bleibt nur noch dummes, kantenloses Mehrheitengewäsch übrig. Sowas möchte ich nicht als Fernsehen.
Der dritte Punkt ist, dass die Leute verdummen. Wir haben ja jetzt schon das Problem, dass die Leute keine Zeitung mehr lesen, sondern sich per Newsticker, Follower usw. ihre Informationsquellen so zusammenstellen, dass sie nur noch das lesen, was ihrer Meinung entspricht und sie lesen wollen. Können sie dann auch noch die Filme beeinflussen, kommt da auch immer nur noch das raus, was rauskommen soll. Dann gibt es nur noch politisch korrekte Filme. Und nur noch solche, in der die Frauen die Guten und die Männer die Bösen sind.
Der vierte Punkt ist die Gefahr. Denn damit kann man wahnsinnige Personenprofile und Gesinnungsprüfungen machen. Wer soll Vorstand werden? Der Mann oder die Frau? Joggerin und Bösewicht allein bei Nacht im Park. Wollt Ihr ne Vergewaltigung oder nicht? Deutscher prügelt sich mit Türke. Wer soll gewinnen? Gerade erregen wir uns darüber, dass die Fernseher melden, welches Programm wir schauen. Und trotzdem sollen wir dann künftig übermitteln, wie wir die Handlung gerne hätten? Mit so einer gewöhnlichen Daily Soap wie Lindenstraße oder GZSZ lassen sich trefflich große Personengruppen subtil überwachen und ausforschen.
Daraus ergäben sich ganz neue Methoden der Rasterfahndung. Hätte man beispielsweise irgendein typisches Verbrechen, bei dessen Aufklärung man nicht weiterkommt, könnten die Profiler Stories erfinden, die man in die Soap einbaut, und schauen, wer sich wie der Gesuchte verhält. Und wenn man das im großen Stil über Jahre beobachtet, kann man dann sowas wie eine Gesinnungs-Schufa bauen. Sucht man dann einen Job oder in Berlin eine Wohnung, muss man dann sein Gesinnungszeugnis vorlegen.
Nee, will ich nicht. Ich will, dass sich bei einem Film einer überlegt, was er sagen und darstellen will, und das durchziehen. Fertig.
11 Kommentare (RSS-Feed)
Ach, den Kokolores graben sie regelmäßig alle paar Jahre wieder aus. Das letzte Mal habe ich von dieser tollen Idee, und wie sie alles revolutionieren wird, gelesen, als die DVD herauskam.
Es wird enden wie die Möglichkeit bei DVDs, Szenen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Ein oder zwei Pornostreifen probieren’s aus, dann gerät es in Vergessenheit. Bis in fünf Jahren wieder einer auf diese tolle Idee kommt.
Hmm. Bei den Privaten könnte das aber eingeschränkt funktionieren, wenn die Leute bereit sind dafür anzurufen. Auf dem Wege bekommt man mehr Einnahmen und muss trotzdem nicht mehr Material drehen. Facebook und Co dürften sich noch nicht gut genug monetarisieren lassen, um den Aufwand zu rechtfertigen.
Letztlich würden sich solche Geschichten selbst abschaffen, weil sie keine Geschichten mehr sind. Sie wären schlicht und einfach langweilig. Ich erwarte von einem Buch oder Film oder was auch immer doch Komplexitätsreduktion, vielleicht greife ich zu hoch, aber letztlich muss ich mich doch immer fragen, was wollte der/die mir erzählen? Irgendeine Essenz muss doch da sein, sonst können noch nicht mal die Kritiker sich streiten.
Alain Resnais hat mal was gemacht, ich habe den Film damals gesehen, aber kaum noch was in Erinnerung. Da war das THEMA des Films Pfadabhängigkeit http://de.wikipedia.org/wiki/Pfadabh%C3%A4ngigkeit
http://de.wikipedia.org/wiki/Smoking_/_No_Smoking
Sollte ich mal wieder ansehen, der Mann hat gute Filme gemacht.
Gibts doch konzeptuell schon lange, und es war schon immer ein Rohrkrepierer… Schon Der DVD Standard kennt die Option der Betrachtungswinkelumstellung, die man auch als Entscheidungsoption für den Film nutzen kann. Sinn macht das nur bei Pornos.
Interaktive Filme akzeptiere ich in die Richtung von Heavy Rain, aber auch da sind der Freiheit Grenzen gesetzt.
Davon abgesehen sollte die Handlung weitgehend unbeeinflusst vom Konsumenten bleiben. Wo kommen wir denn dann im Falle einer Serie wie Game of Thrones hin, wo eben nach einander beliebte Charaktere den Löffel abgeben? 😀
Solche Bestrebungen gibt es auf einer anderen Ebene auch schon
http://www.defiance.com/de/
http://en.wikipedia.org/wiki/Defiance_%28TV_series%29
Jaja vom Mitmach-Fernsehen hat schon Truffaut 1966 in seiner Verfilmung des Bradbury Romans Fahrenheit 451 phantasiert. Scheint irgendwie so eine Art von Running Gag der Fernsehbranche zu sein, der regelmäßig alle fünf Jahre wieder hochpoppt. Außer Telefon-Joker und die ganzen schlechten call-in Sendungen auf den einschlägigen Kommerzkanälen hat sich das aber nicht durchgesetzt.
Technisch mag ja inzwischen einiges möglich sein. Ich bezweifle aber das so etwas angenommen wird. Die meisten erwarten vom Fernsehen, dass sie auf dem Sofa liegend berieselt werden. Wer Interaktion will der greift zur Spielkonsole, spielt Online-Rollenspiele oder ähnliches.
Letztendlich scheint mir diese Idee vom “interaktiven” Fernsehen einfach nur als ein Ausdruck der Angst der Fernsehverantwortlichen gegenüber dem Internet zu verlieren.
Wenn dann kommt das ohnehin zuerst bei den Pornos und wird interaktiv über die FastForward-Taste gelöst: “soll der Mann fragen warum da Stroh liegt oder soll ohne Dialoge gleich losgelegt werden?”
soll der Mann fragen warum da Stroh liegt
Warum liegt denn da Stroh?
Warum hast du eine Maske auf?
– der wohl bekannteste Pornodialog im dt. Sprachraum. Wird aber OT 😉
Was für eine Maske ?
– Loriot
Geht es darum, dass man in Echtzeit (bspw. zusammenhängender Film) entscheidet oder am Ende einer Episode (einer Serie) abstimmen kann, wie es weiter geht (bspw. eine Abstimmung der Zuschauer, wie der Protagonist versuchen soll, aus einer bestimmten Situation herauszukommen)?
Zum zusammenhängenden Faden: Ich kenne sowas aus dem Buchbereich, das hat am Ende eines Abschnittes ein “soll X, dann lies bei Y weiter, soll Z…” stehen.
Bei einem mir nicht so gut in Erinnerung gebliebenen Buch gab es nur einen “richtigen” Weg, der Rest endete schnell mit dem Ableben des Protagonisten.
Bei einem mir besser in Erinnerung gebliebenen Buch (“Fünf Freunde”) konnte man bspw. entscheiden, welche Richtung die Protagonisten gegangen sind, aber auch da gab es manche Schleifen, die nichts zur Handlung beigetragen haben (und es gab Minuspunkte, war ein interessantes Konzept).
Auf einen Film Einfluss zu nehmen habe ich vor gefühlt 10+ Jahren in der P.M. gelesen und selbst da kam es mir nicht richtig vor. Eher wie ein Multiplayer-Spiel.