Die Konstruktion des Monsters
Ein zwar kritisierens-, aber auf jeden Fall hörenswerter und interessanter Beitrag auf SWR2.
Leser haben mich auf den Beitrag Bestie, Testosteronmonster, Vergewaltiger von Christoph Kucklick auf SWR2 (MP3-Download) aufmerksam gemacht.
Bisher hieß es ja immer aus den Gender Studies, der Mann sei das neutrale, unbefrachtete, natürliche Wesen, und die Frau als benachteiligt konstruierte Geschlecht eine Erfindung finsterer Wissenschaftler im 17. oder 18. Jahrhundert.
Kucklick stellt es nun umgekehrt dar: Der Mann als das Monster, der Vergewaltiger, der für alles Verantwortliche, der Missetäter, der an allem schuld ist, sei damals erfunden worden. Weil man mit dem Fortschritt der Moderne plötzlich eine ganz andere Welt hatte, und sich mit der auch viele Nachteile einhandelte, an denen man irgendwem die Schuld geben musste.
Sehr interessant.
Aber auch mit Vorsicht zu genießen. Kucklick redet auch mehrfach von „Diskurs”, und mir ist inzwischen jeder suspekt, der diesen Begriff aus dem Reich des Geisteswissenschaftlergeschwätzes verwendet (ebenso wie „Stereotyp”, „Lebensentwürfe” oder „konstruierte Rollenmodelle”). Das sind mittlerweile so ziemlich eindeutige Erkennungsmerkmale für Sozioschwätzer. Und er fängt zwar stark an, kommt dann mittendrin aber auch mit diesem saudummen Gender-Geschwätz daher, dass nichts biologisch und alles nur kulturell anerzogen sei. Weil Frauen Matheaufgaben genausogut lösten, wenn man ihnen vorher sagt, dass sie gut seien. Als ob das Sexual- und Überlebensverhalten (nur) aus Matheaufgaben bestünde.
Aber dennoch: Man sollte es sich mal anhören und es zur Kenntnis nehmen.
8 Kommentare (RSS-Feed)
> Allerdings nicht so neu wie man glauben möchte.
1-2 Jahre ist in dem Bereich ja noch “neu”.
Ich weiß schon was du meinst. Ich vermeide solche Wörter wenn möglich. Trotzdem sind einige typische Gender-Begriffe eigentlich gute Worte um einen Sachverhalt auf den Punkt zu bringen. Abseits davon schellen bei mir die Alarmglocken wenn ich »immer noch« lese.
Nebenbei wird Kucklick ebenfalls vom feministischen Lager kritisiert: http://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/786/792
Na ja, neu?
“Das Stereotyp vom unmoralischen, gewalttätigen, sexuell unersättlichen Mann ist weit vor dem Feminismus entstanden, an einer historischen Schlüsselstelle: zu Beginn der Moderne, um 1800. Die Geburt des maskulinen Zerrbildes ist also unmittelbar mit der Geburt der modernen Gesellschaft verbunden, seither schreiten beide, Moderne und verteufelte Männlichkeit, gemeinsam und untrennbar durch die Historie. Das Unbehagen an der Moderne wurde zum Unbehagen am Mann. Und umgekehrt.”
Auf einem Sender nebenan gab es mal Aehnliches:
http://mp3-download.ard.de/radio/radiofeature/muskelspiele_br_compl.mp3
Irgendwie kann ich es noch nicht recht einordnen.
Interessant finde ich, dass um den gleichen Zeitraum herum die Herrenmode schlichter wird, quasi zum Understatement tendiert. Hoher Status bei Männern wird nicht mehr durch prunkvolle oder martialische Kleidung signalisiert.
siehe auch
http://www.zeit.de/2012/16/DOS-Maenner
Ablenkung hier.
Diskurs heisst in gesellschaftskritischen Kreisen “die da oben”, Diskurskritik ist (meistens) eben auch Machtkritik. Man kann schlecht Zionisten in Habilitationen schreiben, nicht wahr?
Der Beitrag ist hörenswert. Allerdings nicht so neu wie man glauben möchte. In der SWR Mediathek findet er sich bereits im Oktober 2012. Das stimmt auch mit dem Erscheinungsdatum als Podcast in iTunes überein.
Thematisch behandelt der Stream das was Kucklick bereits 2008 in »Das unmoralische Geschlecht: Zur Geburt der Negativen Andrologie« veröffentlicht hat.
Ob man bestimmte Begriffe deshalb anders werten will bleibt jedem selbst überlassen.