Ansichten eines Informatikers

Hilfe, meine Kamera löst sich jetzt auch auf

Hadmut
21.2.2014 21:10

Vor fast sieben Jahren hatte ich gebloggt, dass sich sich meine damaligen (überwiegend in den 90er Jahren gekauften) Sigma-Objektive auflösen. Genauer gesagt, nicht die ganzen Objektive, sondern die Kunststoffummantelung des Minolta-Anschlussrings. Der früher angenehm-samtige Kunststoff bildete so eine widerlich-kaugummiartige klebrige Masse, die ich auch mit verschiedenen Lösungsmitteln nicht wegbekommen habe. Um die Objektive wenigstens noch halbwegs verwenden zu können, hatte ich die alle mit Isolierband umwickelt. Aber eigentlich Mist.

Na, dachte ich mir, dass die Objektive der Haupthersteller selbst zwar teurer aber besser sind, ist bekannt. Aber als Student war die Kasse nunmal knapp. Ich habe noch Minolta-Metall-Objektive aus den 80er Jahren, die im Prinzip sehr gut und eigentlich nicht gealtert sind, die aber technisch veraltet sind. Damals nahm man das mit der Schärfe noch nicht ganz so eng wie heute, und da sie keinen Entfernungsdekoder haben, funktioniert bei digitalen Minolta-/Sony-Kameras die Blitzsteuerung nicht so, wie sie soll.

Neulich beim Umräumen bin ich auf meine alte Dynax 700si von 1993 gestoßen. Eigentlich hatte ich damals noch eine 7000i und eine 8000i, die habe ich auch noch, aber die sind nicht mehr verwendbar, weil man die Batterien nicht mehr bekommt. Deshalb hatte ich für den Fall, dass man jemals nochmal einen Film belichten müsste, die 700si aufgehoben. Die verwendet zwar auch diese schrägen Lithium-Batterien, aber ich hatte noch einen Handgriff dazu, in den man gewöhnliche Mignon-(AA)-Akkus stecken kann.

Und wie ich das Ding so in die Hand nehme – Igitt! Der ebenfalls so samtig-gummierte Belag am Griffstück fänt an, so eine schmierige ölige Substanz abzusondern, die man nicht so einfach abwischen kann.

Irgendwie war diese Kunststoff-Ära ein Scheiß. Selbst mehr als doppelt so alte Kameras aus den 50er Jahren, die aus Metall und Glas gebaut waren, funktionieren noch prima. (Naja, nicht ganz, bei den Belederungen oder den Leder-Balgen noch älterer Kameras hat man bisweilen gegen den Schimmel zu kämpfen, und nicht selten bildet sich auch in den Linsen alter Objektive ebenfalls der Schimmel. Nicht im Glas, aber im optischen Kitt miteinander verklebter Linsen.)

*Seufz*

Das Zeug hält nicht. Man bekommt ja auch auf eBay und in Gebrauchtkamerabörsen kaum noch etwas dafür.

Schade eigentlich. Ich war früher mal so begeistert vom Sammeln alter Kameras. Vielleicht aber sollte man eine alte Kamera im Zeitalter der Massenproduktion doch eher betrachten wie einen alten Küchenmixer? Lebensdauer einfach abgelaufen, und weg.

Ich hätte da noch alte Minolta-Blitzgeräte, damals extrem innovativ und toll. Aber im Digitalalter technisch veraltet, weil TTL. Und die Kondensatoren und Blitzröhren sind ja nach 25 Jahren auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Erinnert mich aber an Bücher. Die waren mir früher auch mal heilig und unantastbar. Niemals hätte ich mich von einem Buch getrennt. Dann kam die Computertechnik, und Bücher waren in kürzester Zeit veraltet, während das Arbeitszimmer immer mehr zuwucherte. Die mussten dann auch raus.

Schade.

Heute würde man das geplante Obsoleszenz nennen. Aber welche technischen Artikel sind heute überhaupt noch dafür gebaut, 25, 30 Jahre verwendbar zu sein? Der ganze Digitalkram ist ja schon nach 5 Jahren hoffnungslos veraltet und wird nicht mehr unterstützt.

Oh je, oh je. Was haben wir da angerichtet?

Nachtrag: Nicht ganz so schlimm. Im Gegensatz zu den Objektiven ließ sich die Schmiere an der Kamera einigermaßen mit Waschbenzin und Küchenkrepp abwischen.

19 Kommentare (RSS-Feed)

Hanz Moser
21.2.2014 23:08
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Ach, die alten analogen Minoltas…
Ich habe sehr gute Erinnerungen an die Vorgängerin, die 7xi. Ach, was waren das Zeiten.


Hadmut
21.2.2014 23:13
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Die 7xi hatte ich auch mal. Habe ich aber schnell wieder verkauft, die fand ich von der Bedienung ganz gruselig.


derSchöpfer
21.2.2014 23:52
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Zwar nicht ganz on Topic.. Aber dennoch..

Ich habe vor einigen Monaten ein paar Tausend Dias aus den 80ern und 90ern digitalisiert.

Die Dias an sich waren in einem wunderbaren Zustand…

Nur waren die Diaschienen (oder wie man die Dinger auch immer nennt) mit einer Art Schaumstoff ausgelegt, damit die Dias nicht so hart aufschlagen, wenn man sie in die Schiene fallen lässt und die Dias auch beim Transport ein wenig gepolstert sind.
Ebenjener Kunststoff hat sich über die Jahre hinweg auch in ein widerlich klebriges Gemisch verwandelt, dass ich dann letztendlich von jedem Dia einzeln abkratzen durfte.

Weichere Kunststoffe scheinen wirklich nicht für die Ewigkeit gemacht (gewesen zu sein?).

Die Zukunft wird wohl erst zeigen, welche Qualität heutige Kuststoffe wirklich haben.


Hadmut
21.2.2014 23:59
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Ich hatte übrigens mal einen ziemlich preisgünstigen Staubsauger aus dem Supermarkt.

Im Prinzip war das Ding super. Hammermäßige Saugleistung, ich hatte in meinem ganzen Leben nicht so eine guten und starken Staubsauger, nicht mal die Markengeräte kamen da ran. Und der Motor usw. war auch sehr haltbar, das hat alles über 10 Jahre gehalten.

Aber die Plastikteile waren nur Schrott. Da ist schon nach kurzer Zeit eine Halterung abgebrochen, dann immer mehr, und schließlich habe ich ihn ausgemustert, weil man den Deckel nicht mehr dicht bekommen hat, nachdem er an drei Stelle gebrochen war.


kade
22.2.2014 1:51
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Klingt nach Soft-Lack als Übeltäter. Die Foren sind voll von Berichten das sich der angenehm weiche Kameragriff, das samtig anfühlende Armaturenbrett im Golf, Regenschirmgriffe und was sonst noch so mit dem Kram besprüht wurde nach ein paar Jahren in eine klebrige ölige Masse verwandelt hat.

Restaurationstipps scheint es aber keine zu geben. Eine google-Suche nach “Soft-Lack klebrig” offenbart das ganze Elend.


Joe
22.2.2014 9:42
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Ein künftiges Betätigungsfeld für 3D-Drucker?


Horst von Photoporst
22.2.2014 9:44
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Ich habe damals meine Dynax 7000i + Ausrüstung schnell verkauft als der Digitalkram losging, schon zu dem Zeitpunkt war die kaum noch was wert da schon längst wieder einige Nachfolgemodelle auf den Markt geworfen wurden. Als dann die ersten wirklich brauchbare Digitalen auf dem Markt waren war völlig Schicht im Schacht, nicht mal Händler nahmen die in Zahlung weil sie die Schaufenster voll hatten mit altem Gerümpel das keiner mehr wollte. Man muss da immer den Richtigen Zeitpunkt erwischen sonst ist das Geld total versenkt, bei Kameras geht besonders leicht, jedes Jahr neue Modelle, da sind wie Beerenfrüchte, nur ein Tag verkaufbar, danach sind sie schon gamelig.


Thomas
22.2.2014 10:13
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Das Problem mit weichen Kunststoffen kenne ich. Wir haben das Problem mit den kleinen zylindrischen Füßchen von Telefonapparaten. Im Büro alles gut, aber im Reinraum werden die Dinger kaugummiartig. Wohlgemerkt fernab von Lösungsmitteln, nur starker Luftwechsel bei stabiler Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Das Zeug zerfällt chemisch und einzelne Bestandteile Dampfen aus. Allerdings ist der Luftwechsel bei gelagerten Kameras wahrscheinlich vernachlässigbar…

Was Staubsauger angeht: Der moderne zerdesignte Mist taugt nix. Keiner denkt da mehr an “form follows function”. Nein, es muss stylisch, representativ und modern aussehen. Dass man dann einen 2,4kW-Motor reinstecken muss, damit überhaupt was gesaugt wird, und den Krach dann auch noch wegdämpfen muss, das interessiert nicht. Und dann natürlich rumheulen, wenn die EU zu recht den Finger erhebt und Mäßigung verlangt.

Es geht aber auch anders. Z.B. der Henry von Numatic. Simples, effizientes Design mit wirklich großem Ansaugquerschnitt am Staubsaugerbeutel, großen Beutel und einer Saugleistung, die jedes deutsche Markengerät alt aussehen lässt – bei nur 600W Eingangsleistung. Bei Bedarf gibt es eine Turbo-Taste für 1200W Eingangsleistung. Die Geräte sind im professionellen Einsatz (z.B. Hotels) durchaus verbreitet.


Kreuzweis
22.2.2014 12:08
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Darf ich dem Hausherren zum Trost über das Nagen des Zahnes der Zeit eine geniale Wochenendlektüre ans Herz legen? Wer meint, Zukunftsseherei gäbe es nicht, kann hier eines Besseren belehrt werden:

“Um die große Idee des Sozialismus zu diskreditieren, ist schon vor 120 Jahren der Bourgeois Eugen Richter in den Sozialdemokratischen Zukunftsbildern mit diesem Horrorszenario (des Sotialismus) hausieren gegangen.”

http://www.antibuerokratieteam.net/wp-content/uploads/2012/04/Zukunftsbilder.pdf

(gefunden auf: http://www.politplatschquatsch.com/2014/02/mehr-als-wenig-braucht-kein-mensch.html)


Stuff
22.2.2014 14:49
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Dieser klebrige Kunststoff ist aber selbst in sündteuren Stereomikroskopen verwendet worden (NIKON), wir haben alle “Gummi”-Armierungen nach einigen Jahren mühsam entfernen müssen. BTW: Die Prime-lenses fast aller Hersteller haben nach so ~10 Jahren bei uns den Geist (=Verwendungsfähigkeit) aufgegeben, hässlichstes Beispiel das 2.8/55 Makro von Nikon, das in einem Kollimator eingebaut ist und nicht durch ein anderes ersetzt werden kann. Nur die 55 Jahre alte Leitz-Optik macht’s wie am ersten Tag…


Stuff
22.2.2014 14:59
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@Kreuzweis:
Tja, Richter hat die DäDäRäh und die Übernahme der Brrd durch dieselbe dergestalt treffend dargestellt, dass dieses Werk in den 60er Jahren nur als Fälschung vorstellbar schien. Wir (so eine Art skeptische Jugenbande) pflegten in Diskussionen ein Originalstück, in Fraktur gedruckt, bei diversen Veranstaltungen auszugsweise vorzulesen. Die Auflage war ja dazumals schier gigantisch, was auf ein Publikum schliessen lässt, das genau wusste worum es ging…


Hadmut
22.2.2014 15:19
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@Stuff: Ist mir jetzt nicht ganz klar, was das mit den Auflösungserscheinungen meiner Kamera zu tun haben könnte…


Hadmut
22.2.2014 15:32
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Das mit dem Soft-Lack scheint zu stimmen.

Ich hab nochmal meine alte 7000i und 8000i ausgekramt. Bei denen hat sich am Griff kein öliger, sondern ein eher fester, weißer Belag gebildet, der zwar kaum klebt, aber unangenehm ist, und sich nur mit Benzin und viel Reiben halbweg entfernen lässt.

Aber:

Der Belag ist umso stärker, je weniger man an der Stelle mit den Fingern hinkam. Da wo die Kamera wenig berührt ist, ist der Belag ganz dick. Da aber, wo man häufig angepackt hat, ist er dünn bis gar nicht vorhanden. Und der eigentliche Kunststoff des Griffs ist durchaus noch sehr gut.

Es scheint also bei den Kamera-Griffen von Minolta eben dieser Soft-Lack zu sein, der sich bei häufigem Gebrauch anscheinend auch abgenutzt oder abgerubbelt hat. Das hat man auch damals schon gesehen, als die 7000i noch in Gebrauch war, dass da, wo man häufig hinpackt, so eine dünne Schicht abgerieben worden war und stellenweise der blanke Kunststoff hervortrat.

Also wohl gar nicht so sehr ein Problem des Kunsstoffs, als der Beschichtung.


Horst von Photoporst
22.2.2014 15:53
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Also wenn man in Google nach Softlack sucht und die Autoschrauberforenthreads liest dann hilft nur Abschleifen. Interessant in welchen hochpreisigen Wagen die erste Generation dieser Lacke verwendet wurde und was das für eine Sauerei ist, das Nachfolgeprodukt ist aber auch nicht besser, nur anders schlecht. Eingebauter Wertverlust nach wenigen Jahren, so generiert man Umsatz.

Ich dachte immer diese rauhen Gummioberflächen kämen von einer rauheren Gussform für das Spritzgussplastikteil oder das wäre angeschliffen, sandgestrahlt,…


Horst von Photoporst
22.2.2014 16:00
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Diesen Lack gibts sogar in Dosen als “Flüssiggumi”: Plasti Dip, zum Sprayen und Eintauchen.
Also Griff kurz in die Brühe rein und er ist wie neu 😉


Hadmut
22.2.2014 16:03
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@Horst: Jo, am besten auch die Objektive reintunken. Dann werden die auch gleich wasserdicht.


Horst von Photoporst
22.2.2014 16:18
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Mal ersthaft: Das Gehäuse entspr. abkleben und drüber mit der Dose, wenn es nix ist lässt es sich wieder abziehen. Vermutlich bekommt man so die alte Schicht auch gleich ohne Schleifen mit weg, danach das Ganze nochmal in mehreren Schichten.

Auf youtube gibts mehrere Videos wie sie das Zeug nach dem Lackieren an den verwinkelsten Stellen abziehen, (Herstellerlogos,…) scheint sich sauber verarbeiten zu lassen.


Pete
22.2.2014 18:37
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Meinereiner, der des mehr mit HiFi-Zeug hat, kennt ein aehnliches Problem.
Einmal sind das Treibriemen in vorzugsweise Magnetbandgeraeten, die zu einer schmierigen, wirklich widerlichen und sehr weichen kaugummiartigen Masse zerfliessen. Es faengt damit an, dass diese Riemen jede Elastizitaet verlieren und plastisch werden, spaeter verfluessigen sie sich dann. Besonders gerne scheint es Philips getroffen zun haben, aber auch in anderen Fabrikaten, auch Fernost, habe ich das beobachtet.
Und dann gibt es die im Neuzustand so schonen Nextel-Beschichtungen der Gehaeuse von Revox. Auch die ist inzwischen sehr haeufig klebrig.
Andere Kunststoffteile werden hart und zerfallen, so z.B. die Spiralkabel an einigen meiner Funkgeraetemikrophone. Es beginnt damit, dass sich die Kabel mit einer weissen Schicht ueberziehen. Allerdings passiert das fast nur bei Kabeln, die ich laengere Zeit nicht benutzt habe.
Zuletzt hat man da noch die Fernbedienungen mit den Gummitasten. Die sind Bestandteil einer Tastaturmatte aus Weichkunststoff, im Spritzgussverfahren hergestellt. Diese Matten bluten nach einiger Zeit haeufig ihren Weichmacher aus, sie ueberziehen sich mit einer oeligen Schicht und dann leidet die Kontaktgabe, die FB funktioniert kaum noch.

Wie es aussieht, hat das ganze Problem einen Namen und der ist “Weichmacher”.


Stuff
24.2.2014 11:54
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@Hadmut:
Zu meinem Beitrag a: Die Laborausrüstungen, wiewohl NIKON-Optiken verwendet wurden, waren ja im Preis “professioneell”, also jenseits von gut&böse… Da hätte man schon erwarten können, dass Armaturen und Optiken länger halten.

Zu b: Man kann den Richter nicht oft genug empfehlen, es gibt im Netz auch einige Stellen, wo das Werk in lateinischer Schrift dargestellt wird. Gehört zur Gruppe der Werke, wo das berüchtigte “Lesebefehl!” angebracht ist.

mfg