Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anonymität in Web-Portalen
Heute ging eine BGH-Entscheidung durch die Medien. Was bedeutet die Entscheidung?
Der Bundesgerichtshof habe entschieden, dass Betreiber von Web-Portalen (oder je nachdem, welche Zeitung man liest, irgendwer, der irgendwas mit Internet macht), die Angaben zur Identität von Benutzer nur in sehr eng begrenzten Fälle wie etwa der Strafverfolgung herausgeben müsse. Siehe etwa Heise, Tagesschau, Welt.
Was heißt das?
Ganz eindeutig: Es heißt noch gar nichts. Die Urteilsbegründung ist nämlich noch nicht draußen. Und solange sie das nicht ist, sollte man sich mit Bewertungen derselben und sein Wasser zurückhalten. So einfach. Wird man abwarten und sich bis dahin mit der Presseerklärung des BGH begnügen müssen.
Gut, schauen wir mal, was wir in dem kargen Text finden können. Etwa das:
Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.
Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer – was hier nicht in Rede stand – eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG stellt auch eine Übermittlung an Dritte dar. Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift kommt außerhalb des Telemediengesetzes nach dem Gesetzeswortlaut lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Eine solche Vorschrift hat der Gesetzgeber bisher – bewusst – nicht geschaffen.
Das heißt nicht nur, dass der Betreiber eines Portals die Daten nicht herausgeben muss, es heißt sogar, dass er sie nicht herausgeben darf. Nicht überraschend, sondern nach bestehendem Recht konsequent und zwangsläufig so.
Komischerweise haben das gleich eine ganze Menge von Leuten und Schreibern als Freifahrtschein aufgefasst, anonym oder pseudonym jeden Mist abladen zu können. Ich plage mich ja selbst seit Jahren immer wieder mal mit Leuten herum, die sich allen Ernstes einbilden, sie hätten einen Rechtsanspruch, auf meinem Blog zu veröffentlichen, weil die Meinungsfreiheit gestatte, in fremden Medien mitzulabern. Seltsamerweise probieren die es auch nur bei Bloggern und Forenbetreibern, aber ich könnte mich nicht erinnern gehört zu haben, dass jemand von denen je verlangt hätte, mal bei der Tagesschau mit am Tisch stehen und eigene Meldungen vorlesen zu können oder im SPIEGEL eigene Artikel einbinden zu können. Ersteres wäre ja noch öffentlich-rechtlich, letzteres kommerziell. Aber ausgerechnet bei Privatleuten wollen sie mitschreiben dürfen. Dazu interessiert nun ein weiterer Satz aus der dünnen Presseerklärung:
Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite Betroffenen kann allerdings ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219), den das Oberlandesgericht im Streitfall auch bejaht hat.
Das heißt, dass zwar der Schreiberling selbst nicht gegriffen werden kann, aber der Betreiber selbst den Kopf dafür hinhalten muss, was da steht.
Es ist also anscheinend ein Urteil in die Richtung, dass zivilrechtlich nicht der Schreiberling irgendwelchen Drecks, sondern der Betreiber für die Unterlassung verantwortlich gemacht wird. Und das heißt eindeutig, dass der Betreiber auch allein darüber entscheiden kann und muss, was veröffentlicht wird und was nicht, denn die Urheber sind ja nicht greifbar.
Damit liegt die Entscheidung und Verantwortung darüber, ob ein Kommentar auf einer Webseite veröffentlicht wird, ganz allein beim Betreiber. Die Kommentatoren haben da keine Rechte auf Veröffentlichung.
Oder in der Konsequenz: Wer will, dass seine Meinung veröffentlicht wird, kann, darf und muss dies in einem eigenen Blog tun und die Verantwortung dafür selbst übernehmen. Es gibt keinen Anspruch gegen Dritte, alles zu veröffentlichen, was man hinwirft. Muss man dann schon selbst tun.
10 Kommentare (RSS-Feed)
@denn: Wie gesagt, erst mal das Urteil im Volltext abwarten. Aber man es könnte es so auslegen. Die Frage ist dabei, was „Unterlassungsanspruch” im Einzelfall heißt, denn eine Störerhaftung ist m. W. nicht sofort abmahnfähig, weil ihr kein bewusstes Fehlverhalten zugrundeliegt. Kann also sein, dass der betroffene Dritte erstmal kostenlos drauf hinweisen muss, da wäre ich mir jetzt aus dem Stand aber nicht ganz sicher.
Heißt aber auf jeden Fall, dass die Schwätzer, Trolle und Tröten falsch liegen, die da immer behaupten, man müsse sie gewähren lassen, weil das ja nicht Angelegenheit des Betreibers wäre.
(Ich hab eh nie verstanden, wie die zu der Ansicht kommen, sie hätten einen Anspruch darauf, in fremden Blogs zu publizieren. Konnten sie aber auch nie erklären, die grunzen immer nur „Meinungsfreiheit”.)
Bei der Tagesschau mit am Tisch sitzen bei lecker Kaffee und Kuchen eigene Meldungen vorlesen, oder im SPIEGEL eigene Artikel über Frau Merkel einbinden zu können, würde die gleich geschaltete Medienlandschaft positiv beleben.
@Kommentarschreiber: Mach hinne, will sehen.
Naja, es ist noch ein bisschen anders.
Es ging konkret in dem Fall um ein Bewertungsportal, über einen Arzt waren negative Behauptungen eingestellt worden, die wohl nachweisbar falsch waren.
Diese Form der “negativen Public Relation” ist ja durchaus nicht so selten, weshalb ich das Urteil auch als sehr zwiespältig empfinde.
Soweit mir bekannt muss der Forenbetreiber den Post ab positiver Kenntnis (also nicht einfach bei einer reinen Behauptung, dass die Aussagen falsch seien, diese Behauptung muss schon untermauert werden)entfernen. Vorher kann und sollte er den Poster zur Stellungnahme auffordern.
Das Gericht wies auch darauf hin, w i e die Daten doch zu ermitteln sind: Nämlich über eine Strafanzeige. Das macht Sinn, wenn der Inhalt zumindest strafrechtlich relevant sein k ö n n t e.
Die strafrechtliche Relevanz haben wir hier in dem Blog ja aber wohl eher nicht.
Jedenfalls noch nicht, Kritik am Feminismus könnte demnächst ja strafbar werden. ;_)
@denn:
Also festigt das Urteil, dass Webseitenbetreiber für die Halter dritter (Kommentarschreiber) bezahlen (Mahngebüren etc.) muss und das es somit gefährlich sein kann Kommentare unmoderiert freizustellen?
Nein. Verantwortlich bist Du erst ab Kenntnisnahme.
Du bist also auf der sicheren Seite, wenn Du unmoderiert machst. Dann kannst Du immer sagen, Du hattest noch keine Kenntnis. Wenn Du per Hand freischaltest, wird man Dir immer vorwerfen können, Kenntnis erlangt zu haben.
Wieweit ist dann Hatr davon betroffen? Da werden doch auch Text + Username (natürlich) ohne Einwilligung übertragen.
Hmm. Macht das beim Spiegel einen Unterschied, wenn neben den bezahlten Trollen und Desinformanten auch Unbezahlte schreiben?
@Hadmut: Falls es so ausgeht, wie es sich abzeichnet ist das eine hervorragende Möglichkeit, unliebsame Blogs und Foren zu schliessen. Verenfacht: Einfach Müll posten (lassen), Unterlassungsanspruch stellen, wieder Müll posten (lassen), teuer abmahnen.
Das betrifft aber nicht nur Blogkommentare, da würde ich dir zustimmen, sondern auch Bewertungen von Ärzten u.a., da läuft auch gerade ein Fall. Den Betreiber auf Unterlassung in Anspruch nehmen zu können, nur durch Behauptung dass etwas unwahr, Schmähkritik, verletzend etc. sei, bedeutet staatlich sanktionierte Zensur. Mit dem selben Argument wären journalistische Artikel von einer Unterlassungsverpflichtung betroffen.
Portale wo es darum geht bestimmte personen oder Kleinirmen, oder eben Ärzte zu bewerten sind was anderes als themenorientierte Kommentare.
Ein Privater Seitenbetreiber hat das Recht meinungen die seiner meinung nach nicht zu sdinem Angebot pssen nicht zu veröffentlichen.
Denn der Komentator kann ja jederzeit sein eigenes blog aufmachen und seine Meinung da darlegen.
Zensur ist eben erst dann da wenn es mir verboten wird meine Sache zu verbreiten.
Okay es gibt unterformen.
Der Kommentarbereich eines blogs ist ein Wohnzimmer.
Und da gelten die Regeln dessen, dessen Wohnzimmer es ist.
Und wenn die Staatsanwalstschaft jetzt kommt und die Adresse von xyz besucher der letzten Party haben will der gesagt hat das :
Gibts als Antwort: ich mach keine Ausweißkontrolle. Kann sein das Satz asdf gefallen ist, aber das ist nicht meine Sache.
Ich habe keine Verpflichtung meine besucher zu tracken. Weder auf meiner HP, noch in einem Blog oder sonstwo.
Also festigt das Urteil, dass Webseitenbetreiber für die Halter dritter (Kommentarschreiber) bezahlen (Mahngebüren etc.) muss und das es somit gefährlich sein kann Kommentare unmoderiert freizustellen?