Medienkrise: Leserkommentare abschalten?
Oder: Erkrankt Leyendecker gerade an Realitätsverlust?
Ein Leser hatte mich auf diesen Artikel bei Telepolis hingewiesen, den ich irgendwie packend und interessant fand (den Artikel, nicht den Leser).
Es geht darum, dass immer mehr Medien die Leserkommentare abschalten oder erschweren.
Ich kann nicht genau sagen, was der Auslöser dafür war, zumal ich selbst fast nie in anderen Medien kommentiere und nur selten Kommentare lese. Deshalb bekomme ich das nicht so direkt mit, wenn da die Kommentarfunktionen reduziert werden. Subjektiv aufgefallen (auch indirekt über Hinweise und Anmerkungen anderer) ist mir das vor allem im Zusammenhang mit Femismus-Themen, bei denen man immer stärker dazu überging, jede andere Meinung auszufiltern und wegzusperren, um den (falschen) Eindruck zu erwecken, alle Leser wären der Meinung des Autors.
Es passiert mir ja in letzter Zeit sehr häufig, dass ich mir bei Zeitungsartikeln denke, dass die jetzt aber ganz massiv Desinformation betreiben und lügen wie gedruckt, oder zumindest jegliche Recherche unterlassen haben und dazu ohnehin viel zu dämlich sind (ein Eindruck, der sich auf verschiedenen Journalistenkonferenzen, die ich besucht habe, massiv verfestigt hat). Gerade dann, wenn die Kommentare so selektiv ausgefiltert werden, um dem Leser systematisch einen falschen Eindruck von der „Volkesmeinung“ zu geben, muss man vorsätzliche Desinformation unterstellen. Und wer als Journalist nachlaufend zum Artikel so fälscht und desinformiert, der wird vor dem Schreiben des Artikels auch nicht besser gearbeitet haben.
Und gerade im Zusammenhang mit Feminismus ist mir diese ständige Lügerei, Fälscherei und Filterei sehr stark aufgefallen. Es werden ja sogar Artikel aus der Google-Suche geschossen und Twitter-Accounts über Fake-Beschwerden oder Sperr-Konzerte blockiert, um jede Andermeinung zu unterdrücken. Ich erinnere auch an diese unselige feministische Piratenveranstaltung, wo man von vornherein und per Aushängen versuchte, über das Hausrecht zu verbieten, eine andere Meinung überhaupt nur auszusprechen, und wo man einen, der das tat, von der Polizei entfernen ließ.
Sicherlich ist meine Wahrnehmung da nicht repräsentativ, weil ich mich halt gerade sehr intensiv mit dem Thema beschäftigte und damit zumindest ein Teil meiner Wahrnehmung auch durch meine eigene Gewichtung beeinflusst wird. Tatsache ist aber, dass ich noch nie so viel darüber gelesen habe, dass sich Leute über diese Zensur, Filterei und Desinformation beschweren, wie beim Thema Medien und Feminismus, und dass mir (in „demokratischen“ Ländern) noch nie so stark aufgefallen wäre, wie eklatant sich die Darstellung der Presse und deren Mainstream-Gebrabbel von der Realität und der Meinung der Leute unterscheiden. Man könnte meinen, dass Journalisten jeden Kontakt zur Realität verloren haben und nur noch über ihre Traumwelt und ihre utopische Fiktion phantasieren, als würden die in einer Matrix, einer Simulation leben.
Dass das so ist, ist nicht nur Beobachtung, sondern in dem Qualitätsverfall der „geisteswissenschaftlichen“ Ausbildung begründet, durch die ja fast alle Journalisten gegangen sind und an der sie irreparablen Hirnschaden genommen haben. Denn da im Allgemeinen (und in Soziologie, Philosophie, Feminismus usw. im Besonderen) hat sich ja diese Spinnerei verbreitet, dass nicht Sprache die Realität beschreibt, sondern Sprache und das Gesprochene die Realität erzeugt, und es keine äußerlich vorgegebene Wahrheit und Realität gäbe. Was gesprochen wird, erzeuge Realität, und Realität verschwinde, wenn sie nicht mehr gesprochen würde. Deshalb faseln ja auch so viele Journalisten von eröffneten Diskursen, Sprechakten, Dekonstruktion, Normativität und so. Die haben sich alle diesen Dachschaden eingehandelt, das zu glauben. Und die Folgen dessen sind fatal. Denn in diesem Weltbild gibt es kein wahr und falsch, keine Wahrheit und keine Lüge mehr. Es gibt keine Unwahrheit, sondern man erschafft sich einfach seine Realität, indem man einfach behauptet, was man will. Das Gesagte wird zur Wahrheit, einfach indem man es (oft genug) sagt. Es gibt kein Lügen, es gibt nur erzeugen, Sprachakte begehen, Diskurse eröffnen, die sich Realität schaffen. Umgekehrt gibt es auch keine erwünschte Realität, nichts was einem in die Quere käme. Denn man könne ja alles einfach dadurch „dekonstruieren“, dass man verhindert, dass es ausgesprochen wird. Sie nennen es „intervenieren“: Man kann sich alles Unbequemen entledigen, indem man (notfalls mit Gewalt oder Polizei) verhindert, dass es ausgesprochen wird, den „Sprachakt“ unterdrückt.
Wenn man sich einmal in diesem Blödsinn verfangen hat, ist natürlich so etwas wie Recherche, Untersuchung, Nachweis, sich durch Fakten vom Gegenteil seiner Meinung überzeugen zu lassen, nicht mehr möglich. Es gibt überhaupt keine Recherche, keinen Wahrheitsbezug mehr. Ein großer Teil der Journalisten ist fest davon überzeugt, dass sie nicht mehr die Realität beschreiben sollen (was sie ja ohnehin für unmöglich halten), sondern dass es ihr Auftrag und ihre „Macht” sei, eine utopische, anzustrebende Gesellschaft dadurch herbeizuführen, dass sie ständig und unentwegt schreiben, dass es schon so wäre, und möglichst flächendeckend verhindern, dass irgendeine andere Sicht der Dinge auch nur ausgesprochen wird. Deshalb prügeln die ja auch untereinander auf Kollegen ein, die etwas anderes als den feministischen Mainstream schreiben. Ich habe das mal erlebt, wie die auf einer Netzwerk-Recherche-Tagung (sic!) zwei Tage lang auf einem rumgehackt und einen Spießrutenlauf veranstaltet haben, weil es mal einer gewagt hat, ganz kleine, leise Kritik zu äußern. Weil die alle dem Dachschaden unterliegen, dass das Ausgesprochene sie in der Erschaffung der idealen Gesellschaft wieder weit zurückwirft. Ein unerwünschter „Sprechakt”.
Das ist eine zentrale Ursache dafür, dass Journalismus heute nicht mehr funktioniert und die Leser davonlaufen. Nicht das Internet, und auch nicht Google, wie sie so gerne jammern. Sondern diese Art ansteckenden (und anscheinend irreversiblen) Journalistenwahnsinns, den ich für eine leichte Mutation des Rinderwahnsinns halte. Die werden einer nach dem anderen zu bekloppt, um noch journalistisch arbeiten zu können.
Und aus dieser Ideologie heraus kommt auch dieser neue Stil des Journalismus, der den Journalismus nicht nur in die Pleite treibt, sondern ihn gleichzeitig hindert, das zu erkennen. Denn die glauben wirklich, sie könnten, sollten und müssten die Gesellschaft zu einem Ideal formen, indem sie permanent desinformieren – das muss man sich klarmachen: deren illegitimes, aber tatsächliches Ziel ist ja, eine andere Gesellschaft herbeizureden, indem sie behaupten, wir hätten sie schon, also gewollt falsch informieren, vulgo: lügen – und alles unterdrücken („intervenieren“), was nicht in dieses Ziel passt.
Deshalb kommen die auch nicht mit Leserkommentaren klar und wollen diese auch nicht darstellen: Denn da meldet sich ja die böse, alte Realität und würde sich durch Selbstdarstellung und solche „Sprechakte” selbst erhalten und reproduzieren. Was man nicht reden lässt, das stirbt durch Verschweigen aus, so denken sie.
Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere ist, und auch das habe ich ja schon oft beschrieben, dass diese Social-Network-Blase, die wir auf Twitter, Facebook und in all den Kommentaren in Blogs und Foren so finden, hochgradig verlogen ist. Da wird auch massiv gefälscht und desinformiert, und hinter einen großen Teil scheinbarer Echtmenschen stecken Agenturen, Fälscher, oder konzertierte Aktionen. Ich habe schon oft erwähnt, und kann es nur immer wieder wiederholen, dass in meinen Augen bei uns das Volk selbst der übelste Zensor ist (und nicht etwa der Staat). Es heißt zwar immer, dass Demokratie und Redefreiheit nur möglich sind, wenn man auch anonym oder pseudonym reden kann, was ich auch gar nicht in Abrede stellen will. Tatsächlich aber ist ein großer Teil der Menschheit charakterlich nicht in der Lage, damit umzugehen, und rastet sofort aus, wenn sie glauben, dass sie unbeobachtet sind. Man sagt ja, Gelegenheit macht Diebe. Und die Leute klauen wie bekloppt, sobald sie meinen, dass sie es unbeobachtet könnten, es andere schon getan haben (Broken Window Syndrom) oder irgendein Ausnahmezustand herrscht (diese wahnsinnige Plünderei, sobald mal irgendwo Randale, Hochwasser, Erdbeben oder sowas ist). Meiner Beobachtung nach macht Gelegenheit nicht nur Diebe. Gelegenheit macht auch Lügner. In ganz ähnlicher Weise. Man sieht das ja auch an den Shitstorms, die ja im Prinzip auch nichts anderes sind als ein ordinärer Lynchmob der untersten Kategorie.
Das Ergebnis ist bitter:
Da prallen zweie aufeinander, Journalismus und die – ja, wie nennen ich das eigentlich? – digitale social world, die beide immanent verlogen und nicht (mehr) glaubwürdig sind. Wer von beiden ist das größere Übel?
Oder ist die Frage falsch gestellt? Ist jedes der beiden Übel das größere Übel, wenn es das überragende Übel ist?
Können sich zwei Übel gegenseitig so im Zaum halten, dass deren Summe ein kleineres Übel als jedes für sich ist?
Ist es am Ende so, dass idiotische, verlogene Journalisten und ein durchgeknallter Kommentarmob, die aufeinander einprügeln, zusammen immerhin besser sind, als jedes für sich, und das unter den gegebenen schlechten Umständen vielleicht noch das beste ist, was wir ad hoc gerade kriegen können?
Oder ist es gar andersherum, nämlich dass sowohl auf Seiten des Journalismus, als auch auf Seiten des shitstorm-mobs überwiegend Geheimdienste und Agenturen die Fäden ziehen, und die beiden Seiten sich damit eigentlich gar nicht mehr unterscheiden, sondern das die gleiche Suppe ist, die vor lauter Tarnung gar nicht merkt, dass sie sich selbst bekämpft? Und man am besten fährt, indem man den ganzen Brei erst gar nicht mehr zwischen Journalisten und Kommentatoren differenziert, sondern im Ganzen ignoriert?
Wie ist es zu bewerten, dass sich da eine gegenseitige Ignoranz entwickelt? Zeitungen drucken die Leserkommentare nicht mehr, dafür kaufen und lesen Leser die Zeitungen nicht mehr? Ist das gut oder ist das schlecht? Und falls ja, für wen?
Immer wieder frappierend finde ich dabei, wie wenig der Journalismus in der Lage ist, sich selbst zu betrachten, und wie maßlos die sich immer selbst überschätzen und für qualitativ hochstehend erachten (was vielleicht auch dem psychischen oder einfach nur relativen Effekt geschuldet ist, dass sich fast jeder nach seinen eigenen Maßstäben für toll hält, egal wie niedrig die sind. Sie haben mal Studenten befragt, und von denen hielten sich x% für überdurchschnittlich. Ich weiß nicht mehr, wie hoch x war, aber irgendwie sowas um die 93% oder so.)
In Telepolis wird Hans Leyendecker – und den halten sie ja noch für einen ihrer besten – damit zitiert:
Guter Journalismus muss, zumindest wenn es um Recherche geht, völlig ergebnisoffen sein. Aber sind Leser ergebnisoffen? Will jeder Leser die Annäherung an die Wahrheit? (…) Es gibt Defizite bei den Medien und es gibt Defizite bei den Lesern. Es ist nicht leicht, Leute zu finden, die etwas Neues zu sagen haben und es gibt nicht so viele Leute, die etwas Neues erfahren wollen. (…) Es gibt Klicker, die glauben, sie verstünden von dem Geschehen da draußen dank der Klicks weit mehr als etwa der Auslandskorrespondent.
Wäre schön, wenn er an Journalisten wenigstens dieselben Maßstäbe anlegte wie an Leser.
Ersetzt mal in dieser Aussage einfach Leser durch Journalisten. Dann würde es nämlich passen.
Ausgerechnet in der Süddeutschen, also Leyendeckers Zeitung, gibt es gerade eine Reihe, die unter dem Titel „Die Recherche” (völlig absurd, denn sie recherchieren ja gar nichts) Political-Correctness und Feminismus-Verkündigungen gibt, bei denen schon von vornherein feststeht, was dabei herauskommen muss (Stichwort ergebnisoffen). Und es gibt immer mehr „Journalisten“, meinen, sie verstünden das Geschehen da draußen, indem sie Twitter lesen (und das meine ich nicht nur so, das geben einige von denen sogar offen zu und halten das auch noch für ein Qualitätsmerkmal, auf das sie stolz sind).
Leyendecker ist im Vorstand von Netzwerk Recherche. Und dort läuft es so, dass bei deren Veranstaltungen (vor allem durch ProQuote) feministisch auf alles eingeprügelt wird, was nicht stramm auf feministischer Linie ist. Da wird jede Recherche, jede Andermeinung erwürgt, und das durchaus unter Anwendung von Gewalt, nämlich durch Anprangerung, Verleumdung, Jagd.
Man sollte Leuten wie Leyendecker das Schlimmste antun, was man ihnen journalistisch antun kann: Man sollte sie mit den gleichen Maßstäben messen, mit denen sie ihre Leser messen.
Man wird verblüffend oft zu dem Ergebnis kommen, dass die Leser dabei besser abschneiden als die Journalisten.
Und dabei sind die Leser-Kommentare sogar kostenlos.
Geht endlich pleite.
56 Kommentare (RSS-Feed)
Leserkommentare abschalten ist schon irgendwie hilflos. Aber ich kann es verstehen, da ich oft als Moderator im Internet arbeite. Nehmen wir mal ausnahmsweise keine Feministinnen, sondern die gute, alte Tagesschau. Dort kann man kommentieren wie man will, wobei alles einzeln freigeschaltet wird. Nun sind selbst die freigeschalteten Kommentare starker Tobak. Da tummeln sich linke Weltverbesserer mit chronisch Mißtrauischen und Verschwürungstheoretikern. Zwischen drin immer wieder mal etwas Vernunft, so im Ansatz.
Eine Lösung habe ich auch nicht dafür, halte es für besser, Leserkommentare zuzulassen und dann muss der Leser eben durch (oder nicht).
Zitat: “Man sagt ja, Gelegenheit macht Diebe. Und die Leute klauen wie bekloppt, sobald sie meinen, dass sie es unbeobachtet könnten, es andere schon getan haben (Broken Window Syndrom) oder irgendein Ausnahmezustand herrscht (diese wahnsinnige Plünderei, sobald mal irgendwo Randale, Hochwasser, Erdbeben oder sowas ist.”
In diesem Zusammenhang empfehle ich sehr das Buch “Die Lust am Bösen” von Eugen Sorg.
Es macht deutlich, inwieweit wir alle “Böses” tun, wenn wir (ungestraft) die Gelegenheit dazu haben. Ohne ein funktionierendes Staatswesen, das sozial unerwünschte Verhaltensweisen (darüber muss natürlich idealerweise in einem demokratischen Prozess Konsens hergestellt werden…)unter Strafe stellt, ist der Anarchie Tür und Tor geöffnet. Dann wird unsere Spezies zum Raubtier – ein verstörender Gedanke.
Aus dem TP Forum kommt folgender Link der erklärt, dass nicht nur einfach Kommentare abgeschaltet werden sondern noch viel schlimmer in einer bestimmten politischen Richtung zensiert werden.
Wenn das stimmt ist es schon schwarzer Kanal verdächtig.
http://propagandaschau.wordpress.com/2014/09/28/der-spiegel-macht-sich-die-welt-wie-sie-ihm-gefallt/
Aber genau wegen solchen Informationen lese ich ab und zu gerne Kommentare (solange sie noch unzensiert sind).
„Schwarzer Kanal“ ist gut, den muss ich mir merken.
Schon sehr früh, ungefähr vor 40 Jahren fiel mir auf, dass von Themen, von denen ich Sachkenntnis hatte und über die Journalisten schrieben, es auffällig war, wie wenig Wissen die Journalisten von dem Thema hatten. Sie schwatzen schon damals das Blaue vom Himmel herunter. – Auffällig war mir auch, wie im Spiegel Fakten und Meinungen vermischt wurden, weshalb ich schon damals das Spiegellesen einstellte.
Was die Kommentare unter Online-Artikeln angeht, so ist da sicher viel Spreu im Weizen. Jedenfalls waren und sind für mich die Kommentare wichtig, um Sachverhalte herauszubekommen, die wie üblich im Artikel selbst nicht aufscheinen. So wie ich bei Wikipedia, wenn ich mich informieren möchte, die Diskussionsseite meist mehr schätze als den Artikel. Wegen der fehlenden Kommentare lese ich kaum noch Online Artikel der SZ und wegen der Zensur auch keine Artikel mehr von Zeit Online.
Und was die Fakeaccounts bei Facebook angeht, da gibt es immer noch Journalisten, die sich Netz-Experten nennen, die behaupten, man könne bei Facebook keine Fakes einrichten. Dabei habe ich seit Jahren nur einen gefakten und keinen anderen Account bei Facebook.
Servus
@Bärle:
Es gab neulich irgendwo einen interessanten Artikel über das Phänomen, dass den Leuten sehr häufig auf Gebieten, von denen sie selbst Ahnung haben, auffällt, wie lausig wenig Ahnung Journalisten haben, und sie ihnen dann auf anderen Gebieten, auf denen sie sich selbst nicht auskennen, plötzlich vertrauen, anstatt zu vermuten, dass die da genauso schlecht sind.
Ein Trick beim Spiegel (vereinzelte Artikel) ist es auch den Kommentarbereich zu verstecken, indem er unter dem Artikel weder eingebunden noch verlinkt wird.
Oder er wird oft auch ganz ausgeschaltet, das reine sperren von neuen Kommentaren war denen wohl zu peinlich.
Ein bischen muss ich da die Tageszeitungen in Schutz nehmen. Nach dem Beginn des Ukraine Konflikts kam in praktisch allen Foren eine Flut von Putin freundlichen Beiträgen die Fakten in grotesker Weise ausblendeten oder verdrehten. Auch ich würde davon ausgehen, dass diese Beiträge in keiner weise den Querschnitt der Lesermeinungen repräsentieren, sondern teils im Auftrag russischer Dienste geschrieben werden, teils von einer recht kleinen Zahl von verbitterten Dauerpostern stammen. Von der FAZ ist bekannt, dass sie deswegen inzwischen die Kommentarfunktionen zu Artikeln über die Ukrainekrise abgeschaltet hat. Dass die Zeitungen kein Forum für russische Kriegspropaganda machen lassen wollen ist verständlich. Schade ist, dass sie nicht die Entstehung dieser Forenbeiträge untersuchen und durch Veröffentlichung der Ergebnisse die Perspektive wieder gerade rücken.
Was passiert, wenn man diese Foren überhaupt nicht moderiert, konnte man bei Welt-Online besichtigen, bevor es die Bezahlschranke gab: Die überwiegende Zahl von Beiträgen bestand aus ein bis drei rausgekotzten Satzfetzen, je radikaler desto besser. Keine Argumente nur Anwürfe. Da macht sich dann auch sonst niemend mehr die Mühe fundieret Beiträge ins Forum zu schreiben, die würden dann nur in dem anderen Müll unter gehen.
Dass es viele Leute in den Redaktionen gibt, die gerne fundierte kritische Stimmen gleich mit ausblenden ist klar. Aber ganz ohne Moderation geht es einfach nicht, dass weisst Du ja selbst Hadmut.
> Aber ganz ohne Moderation geht es einfach nicht, dass weisst Du ja selbst Hadmut.
Ja.
Aber nachdem ich das Blog hier auch schon fast 10 Jahre führe, weiß ich auch, dass ich eigentlich nur 3 oder 4 Arten von Kommentaren ausblende:
- Natürlich den ganzen Spam, in dem zur Suchmaschinenoptimierungen von Bots Fake-Kommentare gepostet werden,
- Kommentare, die formal/sprachlich nicht gehen, ausfällig werden, beleidigend, in diesem Kotz-Ton gehalten sind, oder wenn Leute partout nicht einsehen wollen, dass das zu Ende ist, und sie völlig inhaltslosen Kommentar-Ping-Pong spielen oder zur Provokation trollen
- Persönliche Angriffe gegen mich, bei denen es nicht um den Artikel geht, sondern quasi anonyme Beleidigungsmails zu senden,
- Wenn es mit dem Thema nichts mehr zu tun hat und Leute versuchen, bei anderen Blogs trittbrettzufahren und deren Publizität für eigene Schreiereien zu nutzen oder die Diskussion zum Thema selbst abzuwürgen.
Mehr Arten fallen mir spontan nicht ein. Einen Bedarf, inhaltliche Kritik oder andere Sichtweisen und Meinungen auszublenden, habe ich nie gesehen. Und deshalb auch kein Verständnis für die Haltung der Zeitungen, alles, was nicht der von ihnen gepredigten Sichtweise entspricht, auszufiltern.
Menschen halten sich an Regel, wenn Sie sich von einer höheren Macht beobachtet fühlen: bei ca. 3:30-4:10
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=47303
@Wolfgang:
> Menschen halten sich an Regel, wenn Sie sich von einer höheren Macht beobachtet fühlen:
Ja.
Deshalb schrieb ich ja schon 2008, dass Religion und „Gott sieht alles“ der Vorläufer der Überwachungskameraattrappe war und nach demselben Prinzip arbeitet. Weil es die technischen Möglichkeiten noch nicht gab musste man den Leuten halt einreden, sich eine ständige Überwachung vorzustellen, damit sie sich an die Regeln halten.
“Schon sehr früh, ungefähr vor 40 Jahren fiel mir auf, dass von Themen, von denen ich Sachkenntnis hatte und über die Journalisten schrieben, es auffällig war, wie wenig Wissen die Journalisten von dem Thema hatten. Sie schwatzen schon damals das Blaue vom Himmel herunter.”
Eine Reportage ist mir dazu unvergesslich:
Als in GB der BSE-Hype umging, mußten viele Rinder dort zwangsgeschlachtet werden. Darüber berichtete eine junge Reporterin ausführlich und voll betroffen im ‘dlf’. Doch sie tröstete die Hörerschaft damit, daß die Rinder umweltfreundlich verbrannt werden würden und man so wenigstens Energie aus ihnen gewinnen würde …
Mir ist das verstärkt aufgefallen bei den vielen Artikeln zu Rußland und der Ukraine, wo viele Kommentare dann irgendwelchen hanebüchenen verschwörungstheoretischen Mist abgesondert haben, und in so großer Zahl, daß ernstgemeinte Kommentare nicht mehr durchkamen und irgendeine Art von vernünftiger Diskussion nicht mehr nötig war. Daß dort einige indirekt von der russischen Regierung über PR-Agenturen gekauft wurden, kann man nur vermuten.
Infolgedessen scheinen die meisten Onlinezeitungen inzwischen selektiv die Kommentare bei bestimmten Themen abzuschalten. Kann ich aber auch verstehen, denn wenn man als Zeitung plötzlich in einer Flutwelle solcher Kommentare gegenübersteht, hat man nur noch Arbeit durch die zwangsläufige Moderation, aber keinen echten Mehrwert durch ernstzunehmende Lesermeinungen mehr.
Das scheint nun auch für Themen wie Feminismus zu gelten, wo ja auch regelmäßíg Wellen von haßerfüllten Mobs aufeinandertreffen. Nur die Wenigsten setzen sich ja mit dem Thema so intensiv und sachlich auseinander wie Hadmut (was bisweilen wahrhaft schmerzlich sein muß).
NuoViso hat gerade ein Interview mit Christoph Hörstel zum Thema Medienpolitik veröffentlicht (~45min): https://www.youtube.com/watch?v=j31_fbA0gYU&t=1240
Hörstel spricht offen von Diffamierungsmethoden, begründet diese und deutet an, wie ein korruptes kriminelles Netzwerk aus Staat, Medien und anderen Organisationen die Gesellschaft regiert. Sehr interessant.
Meinungen über Medien der Öffentlichkeit aufzudrücken ist keiner Demokratie würdig.
Es gibt keine Unwahrheit, sondern man erschafft sich einfach seine Realität, indem man einfach behauptet, was man will. Das Gesagte wird zur Wahrheit, einfach indem man es (oft genug) sagt. Es gibt kein Lügen, es gibt nur erzeugen, Sprachakte begehen, Diskurse eröffnen, die sich Realität schaffen.
Ich schreibe also einfach irgendwo ins Internet (zum Beispiel bei Pastebin), wie ich es haben möchte und dann wird es Wirklichkeit. Genial! Wie praktisch! Früher hieß es noch:
Mit Usenetartikel schreiben wird kein Krieg entschieden. Ihr könnt euch den ganzen Tag hier aufregen, es wird sich dadurch im RL nichts ändern. Da müßt ihr schon eine Partei gründen oder sowas.
Aber jetzt, wo ich endlich aufgeklärt wurde, werde ich meine neugewonnene Macht natürlich auch einsetzen. Und schon bald die Weltherrschaft an mich reißen. 😉
@Jim
Vielleicht liegen die Putin-freundlichen Kommentare an den persönlichen oder objektiven Erfahrungen mit dem heutigen Russland. Mit Sicherheit werden auch einige bezahlte Kommentatoren.
Was mich an ihrem Beitrag verdutzt, ist die Tatsache, dass Russland in den letzten Jahrzehnten als Großmacht keinen Krieg befürwortet hat und somit auch keine Kriegs-Propaganda stattgefunden hat – höchstens Propaganda. Im Gegensatz zu der (teils aufgedeckten) breitgefächerten realen Kriegs-Propaganda der Westmächte in fast allen Medien und nicht nur im Kommentarbereich hatte diese allerdings keine kriegerischen Konsequenzen und wird somit völlig überbewertet.
[Halb-OT] Im Faz-Blog tobt sich Catherine Newmark aus:
“Aber der Kleinkrieg, der im Internet mittlerweile zwischen Feministinnen und einer immer lautstärkeren Backlash-Kohorte von ressentimentgeladenen Maskulisten tobt, ist zermürbend.”
(http://blogs.faz.net/10vor8/2014/11/13/feministinnen-streiten-2906/)
@Linker
Ich vermute auch, dass unter diesen Kommentatoren viele alte Genossen sind, die die moralische und politische Niederlage des Ostblocks als ihre eigene emfanden und nun auf den moralischen und politischen Sieg Russlands hoffen, um mit Ihrer eigenen Biographie wieder ins reine zu kommen.
Man kann durchaus auch die USA wegen ihrer zum Teil kriegerischen Aussenpolitik der letzten Jahre kritisieren und das haben gerade die deutschen Medien beim Ausbruch des letzten Irakkrieges auch ausgiebig getan. Die Annektion der Krim lässt sich allerdings nur mit einer Annektion Südkaliforniens vergleichen und von solch einer Art von Bruch des Völkerrechts scheinen mir die USA weit entfern zu sein.
> Es gab neulich irgendwo einen interessanten Artikel über das Phänomen, dass den Leuten sehr häufig auf Gebieten, von denen sie selbst Ahnung haben, auffällt, wie lausig wenig Ahnung Journalisten haben
Das ist der Gell-Mann-Amnesia-Effect: http://seekerblog.com/2006/01/31/the-murray-gell-mann-amnesia-effect/
Habe ich auch schon öfters gehabt 🙂
“Man wird verblüffend oft zu dem Ergebnis kommen, dass die Leser dabei besser abschneiden als die Journalisten”
Exakt. Wie viele Leserkommentare habe ich schon gelesen, die meilenweit faktenreicher, weniger ideologisch und sogar sprachlich den Journalisten-Artikeln überlegen waren. Die Journalisten wollen sich doch nur derlei Peinlichkeiten ersparen.
Heute morgen habe ich zufällig die verkaufte Auflage der BILD-Zeitung entdeckt. Der gehen pro Jahr so ca. 150.000-200.000 Käufer verloren. Bei einer Auflage von aktuell ca. 2,5 Millionen gibt es diese Zeitung in spätestens 10 Jahren nicht mehr.
Es gibt keine Unwahrheit, sondern man erschafft sich einfach seine Realität, indem man einfach behauptet, was man will. Das Gesagte wird zur Wahrheit, einfach indem man es (oft genug) sagt. Es gibt kein Lügen, es gibt nur erzeugen, Sprachakte begehen, Diskurse eröffnen, die sich Realität schaffen.
Oder wie es Eugen Hadamowsky (Reichssendeleiter a.D.) vor 80 Jahren mal so schön auf den Punkt brachte:
Felsenfest an seine Sache glauben, vor der stärksten Erregung nicht zurückschrecken und unermüdlich den selben Gedanken in das Hirn der Massen hämmern.
Nicht zu vergessen, in dem Artikel wird auch darüber nachgedacht, Leserkommentare Kostenpflichtig freizuschalten (1 euro pro Kommentar).
Wobei es bestimmt ein paar hirnrissige Leute gibt, die dafür Geld spenden wollen.
Irgendwie muss man ja an Geld kommen.
Vor über hundert Jahren wurde der Nagel zum Thema Presse schon auf den Kopf getroffen. John Swinton sagte dazu folgendes:
“So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.”
Wenn man dann noch die unzureichende Spracherziehung (und damit Diskussionsfähigkeit) in weiten teilen der Bevölkerung bedenkt, dann ist die Frage warum das Feld der Kommentare eine Wüstenei ist leicht zu beantworten.
Die Praktik der allgemeinen oder selektiven Zensur (mit Ausnahme von non-Kommentaren*) in Presseforen halte ich für problematisch aus zwei Gründen.
1.
Die Aufgabe als “vierte Gewalt” mit der sich die Journaille gern selbst überhöht, und sich andererseits auch eine Obligation (zumin. moralisch) auferlegt, wird ad absurdum geführt. Öffentliche Meinungsbildung und somit die politische Evolution des Volkes wird dadurch erheblich erschwert.
2.
Unerwünschte Meinungen und Ansichten die gesperrt wurden tragen nicht mehr zur gesamten Bild bei, wodurch die Allgemeinheit eventuelle extreme/radikale (ohne Wertung) Strömungen erst sehr spät entdeckt, was wiederum zur Folge hat das das “Für” und “Wider” dieser Ideen unabhängig von der breiten Bevölkerung schon sehr fest definiert ist, und wahrscheinlich für diese unbrauchbar geworden ist. Auch das hemmt eine Entwicklung in Politik und Kultur.
*Gewaltaufrufe, non-satirische Schmähungen, themafremdes.
Chirio und ich hoffe ich kann mit Gedankenstrahlen eine bestimmte Person dazu bringen mal wieder eine Veranstaltung der “Progressiven” zu besuchen. Die dabei entstandenen Erfahrungsberichte genießen nicht nur bei mir eine hohe Wertschätzung. Qapla’
“Aber der Kleinkrieg, der im Internet mittlerweile zwischen Feministinnen und einer immer lautstärkeren Backlash-Kohorte von ressentimentgeladenen Maskulisten tobt, ist zermürbend.”
Na wenn die das schon zermürbend finden, was wird wohl passieren, wenn die “ressentimentgeladenen Maskulisten” (Männer ist wohl als Begriff nicht mehr ausreichend?) tatsächlich mal zur Tat schreiten?
Feminismus existiert nämlich exakt solange, wie Männer den zulassen, keine Sekunde länger.
“Es gibt keine Unwahrheit, sondern man erschafft sich einfach seine Realität, indem man einfach behauptet, was man will. Das Gesagte wird zur Wahrheit, einfach indem man es (oft genug) sagt. Es gibt kein Lügen, es gibt nur erzeugen, Sprachakte begehen, Diskurse eröffnen, die sich Realität schaffen.”
Dass alles soziale Konstruktion ist, wird den Studenten schon im Grundstudium eingeimpft. Und soziale Konstruktionen, z. B. Theorien, bestehen gleichberechtigt nebeneinander. Wahrheit ist dann relativ zu der jeweilgen sozialen Konstruktion:
http://www.cuncti.net/haltbar/829-postmoderner-relativismus-an-universitaeten
> Dass alles soziale Konstruktion ist, wird den Studenten schon im Grundstudium eingeimpft.
Und dann wundern die sich, dass da nur irreparable Deppen rauskommen…
@Linker
Das Hörstel Interview ist hinter “Dieses Video ist privat” verschwunden. Oder kannst du es noch sehen?
Ist dieses der Ersatz dafür?
https://www.youtube.com/watch?v=j31_fbA0gYU&t=1240
> Es gab neulich irgendwo einen interessanten Artikel über das Phänomen, dass den Leuten sehr häufig auf Gebieten, von denen sie selbst Ahnung haben, auffällt, wie lausig wenig Ahnung Journalisten haben
Das ist der Gell-Mann-Amnesia-Effect
Dagegen sind Kommentarspalten von Blogs allerdings auch nicht gefeit. Neulich wollte hier jemand einen Zusammenhang zwischen Verzehr von Fisch und damit angeblich korrelierender Verlesbung von Skandinavien herstellen. Weil der Fisch ja so arg schwermetallbelastet sei, und das eine entsprechende hormonelle Wirkung habe. Na ja…
Dazu
Altfeministin Ilse Lenz in den Kommentaren. Höchst persönlich. Hervorgehoben und redaktionell bevorzugt.
Lügt dreist. Und die Leser merken es. Man beachte die Wertung. Trotzdem, die Redaktion ist unerschütterlich in ihrer Indoktrination.
> Denn da im Allgemeinen … hat sich ja diese Spinnerei verbreitet, dass nicht
> Sprache die Realität beschreibt, sondern Sprache und das Gesprochene die Realität
> erzeugt, und es keine äußerlich vorgegebene Wahrheit und Realität gäbe.
Das ist zwar in der Form total übertrieben, hat aber durchaus einen wahren Kern. Ich habe mal ein Buch über den “Radikalen Konstruktivismus” gelesen, der sich mit Wahrnehmung und Realität beschäftigt. Die Theorie ist hochinteressant und gar nicht so verrückt wie sie anfangs klingt. Ihre Begründer und Anhänger stammen vor allem aus dem naturwissenschaftlichen Bereich.
Die Kernaussage des radikalen Konstruktivismus ist, dass eine Wahrnehmung kein Abbild einer bewusstseinsunabhängigen Realität liefert, sondern dass Realität für jedes Individuum immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung darstellt. Deshalb ist Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität unmöglich; jede Wahrnehmung ist vollständig subjektiv.
…
Der RK besagt, dass das gesamte Wissen nur in den Köpfen von Individuen existiert und dass ein denkendes Individuum sein Wissen nur auf der Grundlage der eigenen Erfahrung über seine Körpersinne zusammenfügen kann. Kein Individuum kann die Grenzen seiner persönlichen Erfahrung überschreiten. Die Erkenntnis eines „objektiven Wissens“, der Wahrheit, der ontologischen Realität ist daher nicht möglich. Auch wenn viele Menschen die gleiche wissenschaftliche Erkenntnis für sich erfolgreich verwenden, wird diese dadurch nicht objektiv wahr.
…
Erkenntnis liefert kein Bild der realen Welt, sie liefert nur eine subjektive Konstruktion, die zur Welt „passt“ (wie ein Schlüssel zum Schloss passt). Sie ist wie ein „begriffliches Werkzeug, dessen Wert sich nur nach ihrem Erfolg im Gebrauch bemisst“.
SPIEGEL Online ist mit die übelste Zensurstelle im Netz. Gerade auch bei hirnrissigen Kolumnen wie von der Berg die letzten Wochen. Wie gut, dass es Blogs und andere Orte gibt, wo man (noch) frei seine Meinung äußern darf.
Das mit dem Konstruktivismus klingt nicht nur zufällig wie der Kreationsimus. Über beides schütteln Wissenschaftler den Kopf und beides ist insbesondere eine Glaubensfrage…
Das Hörstel Interview ist hinter “Dieses Video ist privat” verschwunden.
Gut, daß ich von hochflüchtigem Internetcontent mittlerweile gewohnheitsmäßig von allem ein lokales Backup anfertige. Dir hilft das jetzt natürlich nichts, da ich keine Verbreitungsrechte habe.
#geht_endlich_pleite 😉
@Thomas M.
Der Spiegel-Verlag und auch andere private Verlage sind nicht verpflichtet, Deine Meinung zu veröffentlichen. Du kannst jederzeit ein eigenes Blog afmachen und da deine Meinung reinzuschreiben. Daher ist das was der Spiegelverlag macht eigentlich nicht Zensur sondern einfach nur eine Filterung von Kommentaren, was zwar nicht so dolle ist, wenn damit ein bestimmter Eindruck erweckt werden soll. Das ist aber deren gutes Recht, wenn sie das für richtig halten.
Jedenfalls sollte man immer seinen Verstand gebrauchen, um solche Webseiten richtig einzusortieren.
@Yasar:
Absolut richtig.
Es ist ein häufig gemachter Fehler zu glauben, dass Meinungsfreiheit bedeuten würde, unter jede andere Meinung seinen Senf mit drunterkleistern zu dürfen. Das ist keineswegs so, sondern im Gegenteil: Meinungsfreiheit heißt nämlich auch, dass man selbst die Darstellung wählen und seine Meinung auch isoliert und abgegrenzt darstellen kann, ohne sie gleich durch einen Shitstorm u.ä. verwässern zu lassen oder sogar selbst verwässern zu müssen. Viele merken nicht, dass das, was sie für ihre Meinungsfreiheit halten, nur eine Verletzung der Meinungsfreiheit anderer ist. Außerdem ist Meinungsfreiheit ein Grundrecht und gilt damit zunächst mal nur gegenüber den Staatsgewalten, nicht gegenüber einem privaten Verlag. Ein anderer Punkt ist, dass fast alle Grundrechte Abwehrrechte gegen staatliches Handeln, aber kein Anspruch auf staatliches Handeln sind.
Was viele ebenfalls übersehen: Das Recht des SPIEGEL, einen Leserbrief nicht abzudrucken, korrespondiert mit dem Recht der Leser, den SPIEGEL für schlecht zu halten und ihn nicht zu kaufen. Wenn sich genügend viele Leute dem anschließen, macht der SPIEGEL dicht.
@Emil
Der “Radikale Konstruktivismus” von Maturana und Varela hat mit dem sog. “Sozialkonstruktivismus”, um den es hier geht, gar nichts zu tun. In den Theorien geht es jeweils um etwas ganz anderes. Im Radikalen Kontruktivismus geht es um den Einfluß des Gehirns auf unsere Wahrnehmung/Erkenntnis der Welt, im Sozialkonstruktivismus um die Schaffung von sozialen Sachverhalten (z.B. sozialen Rollenbildern).
Es hat natürlich mit “Meinungsfreiheit” nichts zu tun, ob eine Internetseite Kommentare anbietet oder nicht…
Wenn z.B. gar keine Kommentare möglich sind, so ist das für jeden Besucher klar und transparent zu erkennen – genaugenommen ist das sogar die einzige völlig transparente Lösung 😉
Wenn Kommentare möglich sind, so ist immer irgendeine Art von Filterung nötig, zuerst mal technisch, da sonst SPAM alles unbenutzbar macht, aber auch rechtlich, da man ja div. Sorten von illegalen Posts zumindest nach Kenntnisnahme entfernen muß. Das ist eigentlich unstrittig – es geht eben nicht anders.
Bei manchen Angeboten (wie z.B. auch hier) werden auch Beiträge gelöscht, die nur dazu dienen sollen, das Angebot zu stören, oder die Diskussionen zu sabotieren. Diese Filterung ist, zumindest in meinen Augen, sinnvoll, da dadurch die Diskussionen nicht aus dem Ruder (bzw. zu weit vom Thema weg) laufen. Diese zusätzliche Filterung sollte aber bereits dokumentiert werden, da sie nicht überall “Standard” ist. Diese Art Filterung verfälscht übrigens zwar nicht die Diskussionsrichtung der Kommentare – erweckt aber (wohl manchmal fäschlicherweise) den Eindruck, nur gesittete Menschen würden sich an der Diskussion beteiligen.
Die perfideste Form der Filterung ist jedoch rein inhaltlicher Natur. Wenn nur Posts mit bestimmten Meinungen durchgelassen werden, kann z.B. der Eindruck erweckt werden, ein Artikel wäre unstrittig und aller Kommentatoren wären sich einig. Selbst mit dieser Form der Filterung könnte man sich noch arrangieren, wenn sie dokumentiert wäre: stünde bei den Kommentaren klar drüber “abweichende Meinungen werden gelöscht”, so wüßte man immerhin, woran man ist. Selbstverständlich werden abweichende Meinungen aber stets nur gelöscht, um eben genau den Eindruck zu erwecken, daß alle dem Autor zustimmen würden. Es soll absichtlich ein falsches Bild der “Meinungen” wiedergegeben werden – und das ist nichts anderes als absichtliche Fehlinformation a.k.a Lügen. Derartige Seiten gehören öffentlich gebrandmarkt und postwendend ignoriert.
Es wird Zeit für ein verteiltes Forum, das man nicht zensieren kann und das kurzfristig auf solche Zeitungsartikel verweist.
Vielleicht so etwas wie Bitcoin, nur, dass Kommentare hinterlegt werden. Es muss ja nicht lange halten, vielleicht ein, zwei Wochen, damit man auf unsinnige Artikel Gegenstimmen werfen kann. Eine Browsererweiterung wäre dafür sehr geeignet.
Vergesst nicht die wirkungsvollste Manipulationsmethode bei Kommentaren: Nur sachliche Kritik am Artikel wegmoderieren. Die Lobhudelei bleibt und vor allem der hingerotzte Widerstand. So entsteht der Eindruck es würde nicht zensiert (weil sie sogar so schlimmes Zeug stehenlassen) und es einfach keine fundierte Kritik gibt.
@Michael
Du meinst sowas wie refefe (http://blog.refefe.de/) oder rerefefe (https://rerefefe.netaction.de/)?
Da tauchen dann wiederum verschiedene Probleme auf:
– Wie findet derKommentator das passende Forum?
– Wird dann gefiltert?
– Wer filtert was?
– Wer haftet?
– Und ist das Ding überhaupt benutzbar, wenn da jedeer seienn Müll dort absondert?
– Bekommt der originalautor überhaupt etwas davon mit?
usw.
Ach ja: http://blog.refefe.de/abmahnung.html um mal auf die Gefahren eines solchen Meta-Blogs hinzuweisen.
Noch ein nachtrag: Interessant der Hinweis in dem Anwaltsschreiben an refefe (bzw dessen Betreiber Linus Neumann), daß Fefe grundsätzlich nur seine eigene Meinung duldet. “Honi soit qui mal y pense” sag ich da nur. 🙂
“Weil es die technischen Möglichkeiten noch nicht gab musste man den Leuten halt einreden, sich eine ständige Überwachung vorzustellen, damit sie sich an die Regeln halten.”
Was zur Ausdehnung der eigenen Macht natürlich sehr nützlich ist.
Es gibt einen Gag von Volker Pispers, über den ich herzlich lachen musste, weil es nicht nur ihm so erging, sondern mir auch.
Eines Abends zappte ich herum und blieb bei der Tagesschau stehen… Ein Bericht folgte dem anderen und ich dachte: Das kenne ich doch alles schon. Das war doch letzte Woche Thema, das war doch vor einem Monat, das hier in der letzten Jahreszeit. Meine Güte, immer die gleiche scheiße und immer die gleiche Message. Dann las der Tagesschausprecher was vor. Ich dachte im ersten Moment: Huch, den sah ich schon lange nicht mehr…öhm, Moment…der ist doch schon tot. Jepp, es war die Tagesschau vor 30 Jahren.
Ähnlich ergeht es mir auch, wenn ich die Presseartikel durchlese. Schon bei der überzogenen Überschrift, weiß ich eigentlich schon, was für eine Message stehen wird. Man liest es nur noch schnell quer. Sucht schnell die zu erwartende Schlagwörter und weiß ganz genau, was drin steht. Wenn mal nicht, fällt das beim Querlesen auf und man schaut dann schon genauer hin. Aber in der Regel bleibt es beim Querlesen. Das was mich inzwischen mehr interessiert, sind die Kommentare. Ob es dem Journal gefällt oder nicht, ich denke, wenn keine Kommentare mehr vorhanden sind, wird meine Wenigkeit kaum noch Interesse haben, überhaupt noch die Presse zu lesen. Die 20-Uhr Nachrichten genügen für den Tag dann alle mal.
Sich mehr Zeit zu nehmen, um sich politisch korrekt verblöden zu lassen, reicht die Zeit am Tag vollkommen aus. Investigative Journalismus ist inzwischen für mich schon ein zweideutiges Wort geworden. Sowas kommt tatsächlich mal vor. Aber in der Regel hat der Journalist seiner politischen Vorstellung investiert als er präzise untersucht und was aufgespürt hat.
Es wird Zeit für ein verteiltes Forum, das man nicht zensieren kann und das kurzfristig auf solche Zeitungsartikel verweist.
Schon mal vom Usenet gehört? Das ist genau das. Genau dort bekam ich die ersten von Mainstream abweichenden Meinungen zu Gesicht. Gleichzeitig macht jegliches Fehlen einer Zensurmöglichkeit das System anfällig für Spam und systematisches Trollen, da jegliches Filtern auf Nutzerseite passieren muß.
Das Usenet ist mangels Nutzung so gut wie tot und es ist wahrscheinlich absichtlich zu Grunde gerichtet worden. Vielleicht hat AOL im September 1993 sogar explizit den Auftrag dafür bekommen. Wer weiß…
@Marc
>Die Lobhudelei bleibt und vor allem der hingerotzte Widerstand.
Und für Letzteren kann man mittels sorgfältigst konstruierter Sockenpuppe ganz zur Not auch noch selbst sorgen.
Und für Letzteren kann man mittels sorgfältigst konstruierter Sockenpuppe ganz zur Not auch noch selbst sorgen.
Ist es nicht denkbar, daß die Verlage ihre “Leserkommentare” als Clickbait eh großenteils selbst schreiben, um die Verweildauer auf ihren Webseiten künstlich hochzutreiben? Oder warum hat jedes Provinzblättchen reichlichst davon? Also ich kenne niemanden, der Zeit hat, beim Kleinposemuckeler Käseblatt trivialste Copy&Paste-Artikel zu kommentieren. Trotzdem steht immer irgendwelches Geschwafel unter jedem Artikel.
Und dabei könnte man bequemerweise natürlich auch gleich genau die “Leserkommentare” erzeugen, die zum gerade gewünschten Narrativ passen: “Putin-Versteher fluten Foren!”
@yasar Du weißt dass das ein Aprilscherz war und Fefe, Linus und Markus das zuvor untereinander abgesprochen haben.
Wieviel “Gleichberechtigung” verträgt das Land?
@Michael:
Wäre das Forum was für Ihre Zwecke?
http://www.wgvdl.com/forum3/
@yasar:
Man achte auf das Datum: Die Abmahnung war ein April-Scherz! 😉
@heinz: Das war die Übungsaufgabe. 🙂
Natürlich weiß ich das, weil das damals gleich irgendwie nicht gepaßt hat. Aber ich fand es bemerkenswert, daß da in dem angeblichen Anwaltsschreiben betont wird, daß fefe keine anderen Meinungen außer seiner duldet.
Und das tragische ist ja, daß solche Abmahnungen tatsächlich vorkommen und vermutlich auch kommen würden, wenn die Verlage sich “bedroht” fühlen.
Sehr schön zur Qualitätsmedienkrise passen auch die Prüfkriterien für “seriöse” Webseiten in an Münchener Gymnasien verteilt werden:
Jegliches Userfeedback enthält Goldnuggets für den Seitenbetreiber/Artikelautor, das gilt insbesondere für journalistische Medienbeiträge.
Da sind wir uns wohl alle einig. Es ist eher eine Frage der Anreicherung: Ob es Sinn macht, das Gold aus den Nutzerkommentaren zu fördern, hängt vom Kosten/Nutzen-Verhältnis ab.
Die uns heute zur Verfügung stehenden Methoden, Kommentare auf Sinnhaftigkeit, sachlich wertvollen Inhalt im Sinne einer ausgewogenen, qualitativ bereichernden Perspektiv- und Meinungsvielfalt zu prüfen sind begrenzt. Normalerweise erledigen diese Arbeit Moderatoren per Hand! Halbautomatische Methoden wie semantische Textanalyse, künstliche Neuronale Netze für Bewertungen stecken noch in den Kinderschuhen.
Wir haben ein IT-Projekt gestartet, dass sich die Schaffung genau dieser Methoden auf die Fahnen geschrieben hat:
ikantos.de will Tools entwickeln, die Nutzerkommentare hinsichtlich ihrer Qualität bewertet. Dazu sollen sowohl automatisierte Algorithmen wie auch ausgeklügelte Technologien zur Bewertungen von Kommentaren durch die Nutzer selbst zum Einsatz kommen. Auf diese Weise können Kommentare eine Qualitätsgewichtung bekommen, und Troll-Meinungen werden auf Grund ihres geringen Gewichts gar nicht mehr angezeigt, oder eben nur dann, wenn der Leser sich auf ein geringes Qualitätslevel einlässt.
Kritik an den Mainstreammedien haben keinen wirklichen Sinn, diese machen nur ihren Job – das heisst, die Interessen ihrer Auftraggeber zu vertreten – ändern wird man dadurch nichts. Eine wirkliche ‘Revolution’ können nur die Mediennutzer selbst lostreten, indem sie sich ihrer Macht als Konsumenten bewusst werden. Und es muss Tools geben, über die sich die Medienkonsumenten nachhaltig artikulieren können.
Ich bin mir gar nicht einmal sicher, ob solch ein Ansatz den Interessen der Mainstreammedien entgegengesetzt wäre. Das wirkliche Einbeziehen der Medienkonsumenten auf die Gestaltung des Angebots, der Qualität und Ausgewogenheit der Berichterstattung wurde als ein zukünftiger Trend in der Mediennutzung identifiziert (http://www.wdr-mediagroup.com/unternehmen/publikationen/newsletter/corporate-newsletter-oktober-2014/mediennutzung-2024-grundlagenstudie-deckt-sechs-wesentliche-trends-auf/). Indem diesem Bedürfnis Rechnung getragen wird, eröffnen sich ganz neue Geschäftsmodelle. Warum sollten die Mainstreammedien diese Chancen nicht wahrnehmen wollen?
Für iKANTOS-News (http://ikantos.de) suchen wir engagierte Unterstützer und Mitstreiter: Journalisten, Programmierer, Mathematiker, Soziologen, Kommunikationswissenschaftler etc. Vielleicht hat ja der eine oder andere Lust und kennt jemanden, den diese Thematik ansprechen würde. Jedenfalls freue ich mich auf euer Feedback! Dieter.
@guteLaune: Das würde mich interessieren.
Ein virales Video über angebliche sexuelle Übergriffe auf der Straße, über das viele Medien dieser Tage grundnaiv berichtet haben, hat sich inzwischen übrigens als Fake entpuppt:
http://genderama.blogspot.de/2014/11/virales-video-uber-sexuelle-ubergriffe.html