Noch ne Lügenstory für die Presse
Manchmal ist die Realität schneller, als ich bloggen kann. Dabei geb ich mir ja schon alle Mühe, schnell zu sein.
Gestern ging so eine Meldung um die Welt und stand auch bei uns in der Presse, wonach ein 17-jähriger New Yorker Schüler immer in der Mittagspause an der Schule an der Börse gezockt hatte, während andere Schüler spielten, und das bereits seit er 9 Jahre alt war. Erst mit Penny-Stocks, dann mit irgendwelchen Derivaten. Inzwischen habe der 70 Millionen Dollar beisamen, schon seine eigene Wohnung und seinen BMW, ein Investor hätte ihm schon 150 Millionen zum Zocken gegeben, und sobald er 18 ist, will er seine Lizenz als Trader bekommen, einen Hedge Fond eröffnen und nächstes Jahr Milliardär werden. Hurra, alle jubelten über das Wunderkind.
Ich habe mich gestern schon gewundert, weil überhaupt keine Belege oder Fakten da waren. Kein Beleg für die Geldmengen, weil er angeblich selbst nur angedeutet habe, wieviel er habe, „hohen achtstelligen Betrag“ und so. Meines Wissens muss man auch in den USA für sowas volljährig sein (sonst würde der Begriff der Volljährigkeit ja nichts mehr bedeuten). Da hatte ich mich schon gewundert, dass die dem das alle so glauben, insbesondere, dass mal wieder die ganze Presse-Meute von einer einzigen Nachrichtenquelle abschreibt, die selbst wieder nicht recherchiert, sondern nur mit dem Wunderkind gesprochen und über Hörensagen berichtet hatte.
Hatte ich mir schon auf den TODO-Stapel gelegt, aber gestern das Video mit Papier und Baer und heute das mit dem Urteil war mir wichtiger, zumal ich nicht damit gerechnet hatte, dass die Sache so schnell platzt. Eigentlich wollte ich bloggen, dass mir das mal wieder ganz komisch vorkommt. Ich hatte vermutet, dass da irgendwer anderes dahintersteckt und da ein Wunderknabe erfunden und gemacht werden soll. (Könnt Ihr Euch noch an das Wunderkind Lars Windhorst erinnern? Um den sind sie auch alle herumgetanzt, am Ende war er ein Windbeutel.)
Heute ist es schon schwer, die Jubel-Artikel von gestern über das sagenhafte Wunderkind noch zu finden. Bei Focus gibt’s noch einen. War alles gelogen. Genauer gesagt: Es war nur eine Börsensimulation der Schule zum Lernen.
Nun schreiben dieselben, was für ein armes Würstchen der ist: Stern, Bild, Focus.
Mist. Hab ich unterschätzt. Wäre mal wieder ein hübsches Ding für mein Blog gewesen, wenn die ganze Presse über den Typen jubelt und ich als erster daran zweifle, weil’s nicht plausibel ist. Hab ich zu niedrig priorisiert.
Zeigt aber wieder mal, wie kritiklos unsere Presse völlig kritiklos jeden Scheiß abschreibt, den irgendwer anderes in die Welt setzt. Das gab’s ja neulich schon bei der angeblichen Vergewaltigung im Rolling Stone (wo allerdings die Washington Post der Sache nachging und sie aufdeckte). Oder bei Tugce.
Damit können die wirklich enormen Schaden anrichten und mit solchen Meldungslawinen auch Firmen ruinieren, etwa deren Umsatz oder Börsenkurs vernichten.
Die schreiben heute nur noch auf Geschwindigkeit. Völlig egal, ob’s stimmt, es muss um jeden Preis verhindert werden, dass bei der Konkurrenz (schon) was steht, was man selbst noch nicht hat. Also sofort raushauen, auch mit Schreib- und Satzfehlern.
Ich kann mich erinnern, dass auf den Journalisten-Veranstaltungen von Netzwerk Recherche früher mal der Slogan „Be First. But first be sure.“ verbreitet wurde. Scheint nicht bei allen angekommen zu sein.
Nachtrag: Interessant sind auch die englischen Seiten, ich hatte gestern schon einige gelesen. Etwa New York Magazine. Oder – jetzt – New York Observer. Gestern fanden noch alle den Typen sehr beeindruckend, mit Prahl-Fotos, da war er noch der Teen-Wolf of Wall Street, heute werden er und sein Berater-Kumpel als „baby-faced boys“ tituliert. New York Post hat die Story zurückgezogen und sich entschuldigt, lässt sie aber lesbar.
15 Kommentare (RSS-Feed)
Sind Börsensimulationsspiele nicht leicht sinnlos, da die Reaktion des Marktes auf den Spekulanten schlecht abgebildet werden kann (Nachahmer, etc.)?
[…] Gestern ging so eine Meldung um die Welt und stand auch bei uns in der Presse, wonach ein 17-jähriger New Yorker Schüler immer in der Mittagspause an der Schule an der Börse gezockt hatte, während andere Schüler spielten, und das bereits seit er 9 Jahre alt war. Erst mit Penny-Stocks, dann mit irgendwelchen Derivaten. Inzwischen habe der 70 Millionen Dollar beisamen, schon seine eigene Wohnung und seinen BMW, ein Investor hätte ihm schon 150 Millionen zum Zocken gegeben, und sobald er 18 ist, will er seine Lizenz als Trader bekommen, einen Hedge Fond eröffnen und nächstes Jahr Milliardär werden. Hurra, alle jubelten über das Wunderkind. Zum Rest des Beitrags […]
HaHa…
Soso, der böse Junge hat der Presse ein Märchen erzählt und die presse hat es ohne nachzuprüfen übernommen.
Dieser böse Junge aber auch.
Man stelle sich mal vor, der Junge hätte behauptet, Journalisten könnten fliegen. Wären die dann alle aus dem Fenster gesprungen?
…
Moment! Liebe Journalisten: Ihr könnt fliegen!!!!
@ Hadmut
Sieh es doch mal so: Alle schreiben beim anderen ab (ist das eigentlich heute in den Schulen erlaubt?), haben alle eine Story für die leeren Spalten und irgendwann überprüft mal einer die Story (geht wahrscheinlich reihrum, jeder ist mal mit prüfen dran), stellt fest, dass die Story falsch ist, bringt die Meldung, die alle anderen wiederum abschreiben. So bekommt man billig Kontent und füllt seine Spalten. Win-Win für die Presse, wen interssiert da schon die Wahrheit? Und vor allem: Welcher Leser glaubt denen noch?
Glaubhafte Grüße,
Euer Dirk
@maSu
Man stelle sich mal vor, der Junge hätte behauptet, Journalisten könnten schreiben. Würden die dann alle …?
Ich fürchte ja.
Echt dumm gelaufen. Da wollte die Presse im Multikulti-Wahn offenbar einen jungen Musel zur Finanz-Fachkraft hochjazzen und dann war alles nur ein Hoax. Und der Name erst: “Mohammed Islam”! Der ist so gut, besser könnte man den gar nicht erfinden.
Endlich mal eine Schule, die ihrem pädagogischen Auftrag nachkommt.
Die lektion, dass sich Arbeit nicht lohnt, kann man gar nicht früh genug lernen.
guter Artikel von Gabor Steingart, Handelsblatt
http://meedia.de/2013/11/15/die-sieben-versaumnisse-des-journalismus/
Das ist doch keine Wunder,
Solche Artikel werden oft von SoftBots (also Programmen) geschrieben.
Man muss nun nicht alles glauben was hier steht:
In dem fall stimmt es wohl aber.
http://www.golem.de/news/softbots-roboter-veraendern-den-journalismus-1412-111053.html
Hmm, Herr Danisch ist doch Informatiker, ich habe mich schon gefragt wie er so viel in kurzer Zeit schreiben kann. :-))
cu
> Hmm, Herr Danisch ist doch Informatiker, ich habe mich schon gefragt wie er so viel in kurzer Zeit schreiben kann. :-))
Mist, einer hat’s gemerkt…
Ein wichtiges Macht-Prinzip ist, die “Informationen” in rascher Folge zu verbreiten und die Themen abrupt zu wechseln.
Wenn man dann nachgedacht hat, ist schon niemand mehr am Ergebnis interessiert und die Absicht hinter der Information ist “aufgegangen” und bestimmte Sichtweisen sind in den Rezipienten tief verankert.
Ja, die Karawane zieht weiter.
Wer aber kann, in der Kürze und Schnelligkeit, fundiert auf die verbreiteten “Informationen” reagieren?
Welche der “Informationen” dient nur zur “Beschäftigung” und mit welchen sollte man sich kritisch auseinandersetzen?
Apropos lügende Presse:
Dieser Sascha Lobo aka angeblicher Internet Experte hat als Kolumnist zum Stürmerartigen Trommelfeuerhetze des SPON gegen Pegida aus gelassen:
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-ueber-pegida-der-latenznazi-a-1008971.html
Überschriftszitat: “Ein neuer Bürgertypus betritt die Bühne: der Latenznazi ”
Hab da mal zurückgepostet “Ein neuer Kolumnistentypus betritt die Bühne: der Latenznazi ”
und im Kommentartext selbst “Mal sehn ob, die die andere so verunglimpfen diesen Kommentar posten etc.”
Natürlich nicht gepostet worden.
Man betrachte sich aber einmal die Art der wenigen durchgelassenen kritische Kommentare. Zart andeutend.
Alle anderen Hetzartikel des SPON genauso. Widerlich.
Hier noch ein interessanter Fund:
Das Poynter Institute ( http://en.wikipedia.org/wiki/Poynter_Institute ) vergibt jedes Jahr einen “Award” für ‘Media errors and corrections’.
Die Lügengeschichte der angeblichen Vergewaltigung an der Virginia University hat den Preis gekriegt “Error of the Year”.
Error of the Year: Rolling Stone’s Campus Rape Story
It should go down as one of the most cautionary tales of confirmation bias in journalism. It’s also an example of how to not to behave when your organization publishes a disastrous piece of reporting.
Die Geschichte mit dem Jungen, der angeblich Millionen erhandelt haben soll, ist ebenfalls dort “geehrt” worden.
http://www.poynter.org/news/mediawire/306801/the-year-in-media-errors-and-corrections-2014/
(man muss ein bisschen nach unten scrollen, direkt nach dem Photo mit “D’oh!”)
Mal wieder ein Beitrag der meine These belegt.
Die das die Presse nutzlos ist weil Sie eh nur Sche… schreibt und schädlich weil Sie Energien bindet.