Ansichten eines Informatikers

Doktorgrad ohne Fachangabe?

Hadmut
10.6.2015 20:25

Leute, weiß da jemand Bescheid?

Ich habe hier gerade eine Dissertation von 1969 (Deutschland) vorliegen, die nur auf „zur Erlangung der Doktorwürde der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der …Universität…” lautet und bei der kein spezifischer Doktorgrad angegeben ist (also rer.nat. oder phil.).

Weiß jemand, ob, wie weit und bis wann Doktorgrade ohne nähere Angabe in Deutschland üblich (und zulässig) waren? Ich war eigentlich der Meinung, dass die Fachangaben zu Doktorgraden im 19. Jahrhundert eingeführt worden wäre.

26 Kommentare (RSS-Feed)

Uwe
10.6.2015 21:15
Kommentarlink

“Deutschland”

BRD oder DDR?


Hadmut
10.6.2015 21:21
Kommentarlink

> BRD oder DDR?

BRD. Guter Punkt, hätte ich genauer sagen sollen.


idiota
10.6.2015 21:22
Kommentarlink

Ich hab hier eine” Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der philosophischen Fakultät der … Universität …” aus dem Jahr 2000 vorliegen. Machen Sie es sich nicht so schwer, der Doktorgrad ist derjenige den Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der Uni 1969 vergeben hat, wie auch immer der lautet.


Hadmut
10.6.2015 21:25
Kommentarlink

> der Doktorgrad ist derjenige den Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der Uni 1969 vergeben hat, wie auch immer der lautet.

Das ist genau der Punkt. Derjenige hat auch im allgemeinen Umgang den Doktor immer nur ohne Fachangabe verwendet, und an einer bestimmten Stelle, die man normalerweise nicht sehen würde, eine Fachangabe verwendet, die nicht zu Mathematik passt.


ex_pyx
10.6.2015 22:02
Kommentarlink

@idiota: “Machen Sie es sich nicht so schwer, der Doktorgrad ist derjenige den Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät der Uni 1969 vergeben hat,”

An sich haben Sie schon recht (meine Technische Fakultät zB vergab grundsäztlich nur den Dr.-Ing. , andere Fakultäten zB nur den Dr. rer.nat.); das ist also fakultäten-spezifisch.

Andererseits: die Mediz. Fakultät vergibt ja auch den Dr.med. UND den Dr.human-biol. , vielleicht gibt’s da Fakultäten, die “Wahlmöglichkeiten” haben…


Radio Eriwan
10.6.2015 22:58
Kommentarlink

Moin moin,

den drei von mir befragten Quellen nach, ist das was Du meinst eher eine Option als ein Muss.

1. lt. der allwissenden Müllhalde ist das je nach Uni unterschiedlich geregelt. Mir ist das auch schon mal aufgefallen, dass je nach dem wo die Herrn Doktoren promiviert haben, der Zusatz des Titels variiert hat.

Interessant ist die Aussage die Vielfalt der unterschiedlichen Doktorgrade existiert nur in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum
-> http://de.wikipedia.org/wiki/Doktor#Unterscheidung_nach_F.C3.A4chern

2. Treffer bei Tante Google
-> http://doktorandenforum.de/fertig/titelfuehren.htm#wie

3. ein mir gut bekannter Professor (Maschinenbau) äußerte sich so wie Du in Kommentar #4. Vom Tenor her, wenn es grad mal nicht passt wird der gerne mal ‚vergessen‘.

so long and thanks for all the fish


Ron
10.6.2015 22:59
Kommentarlink

In der Schweiz bekommen Naturwissenschaftler und Mathematiker beide mWn einen Dr. phil.

Ich weiß jetzt auch nicht, ob nicht sogar in der BRD, wegen der ganzen unterschiedlichen Prüfungsordnungen, man als Mathematiker mal dort einen Dr. rer. nat. mal einen Dr. phil. bekommt und das mit anderen Naturwissenschaften ebenso sein kann.

Die geistige Müllhalde kennt zumindest ne ganze Menge verschiedener Doktorgrade, die ganz schön viele Dopplungen enthalten:

http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_akademischer_Grade_(Deutschland)#Doktorgrad


quarc
11.6.2015 1:04
Kommentarlink

Geht es jetzt um das Titelblatt der Dissertation oder um den Gebrauchs des Doktorgrades? Was Du “Fachbezeichnung” nennst, ist ja in der Regel auch nur die Bezeichnung der promovierenden Fakultät, in der verschiedene Fächer zusammengefasst sind. So würde “rer.nat.” auch bloß die Information abkürzen, die in

| „Doktorwürde der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät”

enthalten ist. Vermutlich hat die betreffende Fakultät damals nichts anderes verliehen, so dass dann das “rer.nat.” auf dem Titelblatt verzichtbar war.

Andererseits — wenn Dir die Dissertation vorliegt, wirst Du doch wohl nach kurzer Sichtung sehen, um welches Fach es sich handelt.


Hadmut
11.6.2015 8:11
Kommentarlink

@quarc: Um beides. Derjenige hat seinen Doktor immer ohne Fachzusatz verwendet, aber an einer unauffälligen, aber wichtigen Stelle plötzlich und anscheinend einmalig eine Fachbezeichnung hinzugefügt, die er nicht hat. Deshalb habe ich mir die Diss herangeholt, um das mal nachzuprüfen.


EI
11.6.2015 6:32
Kommentarlink

Der Titel, den eine Fakultät verleiht, steht in der Promotionsordnung, und diese ist im allgemeinen im Staatsanzeiger, Amtsblatt o.ä. des betreffenden Bundeslandes veröffentlicht. Kannst du uns noch die Universität nennen?


Hadmut
11.6.2015 8:19
Kommentarlink

@El: Aus taktischen leider gerade nicht.


Celos
11.6.2015 6:33
Kommentarlink

Vermutlich kann diese Fakultaet nur einen bestimmten Doktorgrad vergeben, und der steht in der Dissertationsordnung. Auf der Urkunde wird der stehen. Dass der nicht auf der Arbeit steht, ist Schlamperei, oder einfach uebersehen worden. Kann auch sein, dass der da garnicht drinnen stehen muss, wieder je nach Dissertationsordnung.

@Ron: Haengt von der Hochschule ab.


Ingo H.
11.6.2015 7:24
Kommentarlink

An meiner alten Uni (TUHH) war es so, dass sie zu Anfang nur den Dr.-Ing. vergeben durften. Wenn dann Natur- oder sogar Geisteswissenschaftler dort promovierten, bekamen sie – notgedrungen- den Dr.-Ing. Das hat sich erst ab etwa 1995 geändert.


Lercherl
11.6.2015 8:14
Kommentarlink

Faust.
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerey und Medicin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Thor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doctor gar,

An der Uni Wien gabs zum Beispiel bis 1975 die selben vier Fakultäten wie seit dem Mittelalter (und eine fünfte, weil Theologie x 2, kath. + evang.). Der Doktor hieß so wie die Fakultät, Dr. phil, Dr. med., Dr. jur., Dr. theol. Ein Dr. phil. war alles von Mathematiker, Chemiker, Zoologe usw. bis Psychologe.


Volker
11.6.2015 9:41
Kommentarlink

Hallo Hadmut,

OT:
Das hier passt doch gut in Deine Themenwahl:
Ein Nobelpreisträger, der wg. einer Bemerkung über Frauen in Laboren zurücktreten mußte:

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/tim-hunt-nobelpreistraeger-gibt-uni-posten-wegen-sexismus-vorwuerfen-auf-a-1038234.html

Gruß


chmt08
11.6.2015 11:21
Kommentarlink

@Ron

auch die Schweiz ist bunter. An manchen gibts den Dr. phil. an anderen einen Dr. phil. nat, und die ETH vergibt ganz selbstbewusst einen Dr. sc. ETH Zürich 🙂


Konrad
11.6.2015 13:44
Kommentarlink

“Deutschland” reicht aus. Damit war immer schon klar, was gemeitn war.
Das andere war die “DDR”.

Konrad


Doktor
11.6.2015 14:48
Kommentarlink

Ey’ Hadmut, kannste checken, wa’, manche Fuckultäten (oops!) stecken dir ‘nen Dr. rer. nat. ODER ‘nen Dr. Ing. Echt wahr, ey. Kommt drauf an, was du rübergeschobn hast. Als Diss, meinich. Mehr praktisch gibts Dr. Ing. Mehr theoretisch kannste Dr. rer. nat. ham. Dr. Ing. is’ eh häufiger. Dr. rer. nat. kommt aber auch vor. Rrüllps!


Wisser
11.6.2015 16:21
Kommentarlink

Es gibt Fakultäten, die sowohl Dr. Ing. als auch Dr. rer. nat. vergeben.
Ein Beispiel hierfür ist typischwerweise die E-Technik. Die meisten E-Techniker, die promovieren, bekommen den Dr. Ing.. Die E-Technik bietet jedoch auch Raum für etwas anwendungsfernere Forschung, vgl. theoretische E-Technik. Wer mit so etwas promoviert, bekommt den Dr. rer. nat.. Er darf sich dann über mehr akademisches Prestige verbunden mit geringeren Gehaltsaussichten in der Industrie freuen.


Emil
11.6.2015 21:46
Kommentarlink

An meiner Uni war die Informatik ursprünglich in der Math-Nat-Fak angesiedelt und vergab den Titel Dr. rer. nat. Später wurde sie der Tech-Fak zugeschlagen und vergab ab dann den Titel Dr. Ing. Eine Wahl bestand nicht, der Dr. Ing. wurde aber von vielen als “minderwertiger” angesehen (“kein echter Doktor”).


Emil
11.6.2015 21:55
Kommentarlink

Ich hab bei Wikipedia noch was zum Dr.-Ing. (nur mit Bindestrich!) gefunden:

Beim Dr.-Ing. (Doktor-Ingenieur) handelt es sich um den mit einer Promotion erlangten akademischen Grad eines Doktors der Ingenieurwissenschaften.

Wegen des damaligen Widerstandes der klassischen Universitäten gegen das Promotionsrecht im Bereich Ingenieurwissenschaften wurde für den Grad die Schreibweise mit Bindestrich und in Fraktur festgelegt, im Gegensatz für die Abkürzungen der sonstigen „lateinischen“ Doktorgrade in lateinischer Schrift ohne Bindestrich. Der Grad wird in Deutschland bis heute in der Schreibweise mit Bindestrich vergeben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Dr.-Ing.

Daher auch die immer noch weitverbreitete Meinung, dass es sich nicht um einen richtigen Doktorgrad handelt.


ex_pyx
11.6.2015 22:00
Kommentarlink

@Emil: wenn man bedenkt, dass 90% aller Chemiker den Dr.rer.nat. machen, so sagt das viel über dessen Qualität aus – oder glaubst du, dass wirklich 90% der Abschliessenden SO gut sind? In den Ingenieurswissenschaften ist das massiv weniger, vielleicht bei 5-10%.

Und nebenbei: er schreibt sich Dr.-Ing. (mit Bindestrich)


chmt08
11.6.2015 22:43
Kommentarlink

Gibgs inzwischen einen Dr. ing.? Früher gabs den immer nur mit Bindestrich als Dr.-ing. und muss(te?) auch so geführt werden. Angeblich weil die echten rer. nat. die -ings nicht als echte “Wissenschaft” ansahen…


CountZero
12.6.2015 10:05
Kommentarlink

@ex_pyx:

Die Idee des ‘Promotionsstudiums’ besteht darin, die Qualifikation zum ‘selbständigen wissenschaftlichen Arbeiten’ zu erlernen (jedenfalls im Idealbild….).

Bei Chemikern ist diese Qualifikation sowohl für eine universitäre als auch für eine industrielle Karriere wichtig. Daher promovieren fast alle (Diplom-)Chemiker auch. Das bedeutet nicht, dass die vor dem Beginn der Promotion ‘besser’ wären als die, die es nicht tun. Ein promovierter Naturwissenschaftler ist nach meiner Erfahrung in fast allen Fällen (auch hier gibt es hoffnungslose) erst nach der Promotion zur selbständigen(!) wissenschaftlichen Arbeit in der Lage.

Ich glaube schon, dass das vor allem bei Informatikern (und ganz besonders in der Teilmenge der Software-Entwickler) anders ist. Da ist meine Stichprobe (von promovierten Informatikern) aber nicht besonders groß…

Für einen Ingenieur ist die Qualifikation der selbständigen wissenschaftlichen Arbeit nicht so wichtig, der soll ja keine neuen Naturgesetze oder Stoffe finden, sondern funktionierende Autos, Kräne und Brücken bauen (dh. im wesentlichen bekanntes Wissen nutzbringend anwenden). Außerdem sind die Promotionsbedingungen üblicherweise völlig verschieden: Naturwissenschaftler bekommen eine halbe BAT IIa-Äquivalent und promovieren 2.5 (Chemiker) – 5 Jahre (Physiker) Vollzeit (mit ‘nen paar Übungen zwischendrin, die sie halten müssen), Ingenieure bekommen eine ganze Stelle, managen den Lehrbetrieb für den Lehrstuhlinhaber, machen nebenbei ‘was für die Promotion und bekommen nach 3-5 Jahren die Urkunde zum Dr.-Ing.

Da man in den 3-5 Jahren in der Industrie viel mehr verdienen kann und eben Berufserfahrung sammelt, ist eine Promotion für einen Ingenieur meistens recht unattraktiv. Für einen Chemiker ist sie notwendig, weil er als Dipl.-Chem. in der Industrie nur als qualifizierter TA eingesetzt werden würde.


Manfred P.
12.6.2015 13:19
Kommentarlink

@chmt08

Meistens ist das ja auch keine echte Wissenschaft, was die Dr.-Ings in ihrer Promotion machen.

Das kann aber auch bei einem rer. nat. der Fall sein. Die Übergänge sind da fließend.


DrMichi
12.6.2015 21:41
Kommentarlink

Schon in den 80ern war der Chemiedoktor notwendig, weil man sonst nicht angestellt wurde oder “nur” fürs Labor. In der Pharma z.B.
Wer damals tortzdem keinen Doktor machte, wird heute auf die Strasse gestellt. Aus erster Quelle weiss ich, dass nach Abschlüssen sortiert wurde bei einer Restrukturierung in der Region. Eigentlich völlig sinnlos, aber das ist halt heute so mit diesen Betriebswirtschaftlern und HR-Menschen. Mal sind die Doktore zu teuer, mal werden die sog. Unqualifizierten entlassen. Weitere Felder, die das Doktorat als billige Arbeit missbrauchen und später sogar den Abschluss nicht estimieren: Life Sciences, Biotechnik und -informatik.