Oh, was’n scheiß Film…
Ich war gerade nochmal im Kino. Down Under Berlin.
Ich sollte das Kleingedruckte genauer lesen.
Ich gehe eigentlich schon lange nicht mehr ins Kino, aber wollte diese Woche ja ganz oft rein, wegen des Down Under Berlin Festivals mit Filmen aus Australien und Neuseeland. Hat zeitlich leider nicht geklappt, wie ich mir das vorstellte. Zwei Filme habe ich mir auf DVD bestellt (darunter den Maori-Film, über den ich berichtet habe, und Wake in Fright, einen ganz wüsten Film über wüste Australier, der als verschollen galt und von dem sie vor ein paar Jahren in einem Müllcontainer zufällig doch noch eine Kopie fanden, und der als sehr charakteristisch gilt).
Also wollte ich heute noch die letzte Gelegenheit ergreifen und bin noch mal rein.
Das Problem ist, dass die Filmbeschreibungen nicht so ganz eindeutig sind, weil sie oft mehrere Filme oder Vorfilme zeigen und da nie so ganz klar wird, was sich worauf bezieht. Zugegeben, ich hab’s auch nicht ganz sorgfältig und mit Anwalt gelesen. Die Ankündigung war
Sunday + Am I Dancing | REBUILDING THE CITY: CINEMA FOR CHRISTCHURCH
Sunday is a truly independent feature film set in Christchurch, New Zealand, one year after the devastating earthquakes. The city on the mend is a metaphor for Charlie and Eve’s relationship: one of past devastation, beauty and a chance at rebuilding bigger and better than before.
Irgendwie hatte ich da den Eindruck, dass es in dem Film irgendwie darum ginge, Christchurch nach dem verheerenden Erdbeben wieder aufzubauen.
Und gerade das hätte mich sehr interessiert. Ich war zweimal in Christchurch, das zweite Mal davon kurz vor dem Erdbeben. Und ich habe mich in Neuseeland sehr umfangreich über Erdbeben und die Schutzmaßnahmen interessiert, sie haben ja unzählige Museen und Ausstellungen dazu. Da wackelt’s ja auch ständig. Ich habe direkt neben der bekannten Kirche in der Innenstadt gewohnt, die schwer beschädigt wurde und teils eingestürzt ist. Auch viele andere Häuser, die man damals in den Nachrichten beschädigt oder eingestürzt sah, habe ich noch selbst gesehen. Und ein Supermarkt, aus dem berichtet wurde und aus dem man Bilder zeigte, dass da alles kaputt war, weil alles aus den Regal gefallen war und dort kniehoch Scherben usw. standen, war ausgerechnet jener Supermarkt, zu dem ich nach der Übernahme des Wohnmobils gefahren war um dort Lebensmittel und sonstigen Kram einzukaufen. Deshalb hätte mich das sehr interessiert, da irgendwas über die Schäden und die Reparaturmaßnahmen in Christchurch zu sehen. Deshalb bin ich da rein. Irgendwie hatte ich die Beschreibung in männlicher Naivität und in gewisser Oberflächlichkeit so verstanden, als ob es da irgendwie um die Aufräumarbeiten ginge.
Nee. Null. Zwei, drei mal kamen kurz Bilder von zerstörten Gebäuden vor.
Es war ein Schwangerschafts- und Beziehungsdrama.
Ein paar, sie arrangiert Blumengebinde, er ist Konvoifahrer, schmalzig-lischeehafter geht’s kaum. Es ist beides aber völlig egal, weil man sie sowieso nie dabei sieht, leben ihr Beziehungsdrama aus. Sie ist schwanger, er ist ständig unterwegs und kommt nur ab und zu mal vorbei, jetzt halt wieder. Endlose Gespräche. Rückblenden an ein, zwei glückliche Tage im vorschwangeren Zustand. Fröhliches Baden im Meer. Rückkehr in die Wohnung vom eleganten Date mit sofortiger Verlagerung Richtung Schlafzimmer (und dem Resultat einer Schwangerschaft). Jetzt sind sie getrennt, wollen aber wegen des Kindes herausfinden, ob es wieder zusammen klappt.
Nur Gerede. Mal gut gelaunt, mal schlecht gelaunt. Mal in der Wohnung, mal im Auto. Mal im Park. Ein Jogger kommt vorbei, den sie gut kennt und umarmt. Er will wissen, ob sie ihn liebt und erzwingt eine Aussage, indem er sich in Unterhosen in den See stellt. Er findet in ihrem Bad im Zahnputzbecher zwei Zahnbürsten, rosa und blau, und pinkelt heimlich auf die blaue, weil er glaubt, die gehöre dem vermeintlichen Nebenbuhler. Später erzählt sie rein zufällig, aber so völlig vorhersehbar, dass sie zwei Zahnbürsten hat, die blaue war die neue, an der irgendwas besonders war.
Er hatte sich einen Sohn gewünscht, sie sagt, es würde ein Mädchen. Er ist sichtlich enttäuscht, meint aber, das wäre auch gut. Gegen Ende des Films, als sich das Kind im Bauch mal bewegt, rutscht ihr ein „he..” raus und er fragt erstaunt, warum ein he, und sie sagt, es wäre doch ein Junge, sie habe nur Mädchen gesagt, damit er objektiver entscheidet. Er ist happy, weil es ein Junge wird. Klischee hoch drei. Der Fim heißt „Sunday”, weil sie das angebliche Mädchen „Sunday” nennen wollte. Nicht mal daraus wird was, denn es ist ja ein Junge.
Irgendwann regt er sich auch mal über Feminismus auf. Und er ist natürlich befremdet darüber, dass sie im Laden für Babyzubehör eine Milchpumpe kaufen will, kauft ihr die Milchpumpe dann aus Liebe aber selbst. Die steht übrigens im Regal direkt neben einer Wand voller Still-BHs des Mutterschaftswäscheherstellers „Hot Milk”, den gibt’s wirklich. Oh Herrjemine. Ich krieg zuviel.
Nur so’n Scheiß. Tödlich langweilig.
Im Abspann die Information, dass der Film von Frauen geschrieben und gemacht wurde. Unglaublich. Egal, welches Thema sie bekommen, hier „Stadt wird von Erdbeben zerstört und wieder aufgebaut”, sie machen ein Beziehungs-, Schwangerschafts- und Eifersuchtsdrama draus. Baden tief in diesem ganzen Beziehungssenf. Es geht um nichts anderes als die Paarbeziehung in Krise, endloses Gerede und gruselige Klischees. Und da wundern die sich, dass weibliche Filmemacher nur auf den Nebengleisen laufen.
Und nach dem Film hatten sie die Filmemacherin und den Soundkünstler auch noch da, die hat sich vorgestellt und sich erkundigt, ob jemand Fragen zu dem Film hätte. Es hatte niemand Fragen.
Also hab ich mich dann gemeldet.
Ja, ich sei da jetzt schwer enttäuscht. Ich hätte in einem Film unter dem Titel „Rebuildung the city” etwas mit „Rebuilding the city” erwartet, was denn der Film nun mit „Rebuilding the city” zu tun hätte.
Beide gucken etwas betreten. Ja, sagt sie, es sei ja vor dem Film in der Ansage bereits gesagt worden, dass die Einnahmen aus dem Film dem Projekt des Stadtwiederaufbaus zugute kämen.
Und dafür habe ich drei Stunden Zeit verheizt und 8 Euro Eintritt ausgegeben. Hätte ich das gewusst, hätte ich ihnen lieber 20 gegeben und wäre dafür zuhause geblieben.
Nachtrag: Um’s nochmal klar zu sagen, es geht mir auf den Wecker, wenn jemand bei Katastrophen trittbrettfährt, um seine Beziehungssuppe anzupreisen.
Einen Lichtblick gab’s aber doch. Einen Vorfilm, den ich super fand. Nämlich über die neuseeländische Tanzgruppe „Hip Op-Eration”. Die heißen deshalb so, weil sie alle uralt sind, die Älteste 96, und Spaß dran haben, fetzig zu tanzen. „Hip Op-Eration” als Anspielung auf Hip Hop und darauf, dass sie fast alle eine künstliche Hüfte bekommen haben. Doku-Video über deren Tanzübungen und Vorbereitungen. Ansprache des Trainers: „Ihr kommt alle mit nach Las Vegas, und wenn’s in der Urne ist!” – und die kringeln sich vor Lachen. Das ist etwas, was mir an Australien und Neuseeland soviel besser als an Deutschland gefällt: Die drehen da als Rentner richtig auf bis ins hohe Alter. In ziemlich vielen Museen, bei Fremdenverkehrsinformationen, Veranstaltungen, und alle dem Krams arbeiten da häufig ehrenamtlich Rentner, die sind da voll eingebunden und nehmen sich unglaublich viel Zeit, um Besuchern irgendetwas zu erklären. Irgendwie interessieren die sich dort nicht für ihr Alter.
Hab ich leider auf Youtube nicht gefunden, aber dafür einige andere, ähnliche Videos von denen.
14 Kommentare (RSS-Feed)
Ja, hinterher weiß ich es auch.
Ich hätte ja auch gar nichts gegen einen Beziehungsfilm gehabt, wenn’s was mit dem Thema zu tun gehabt hätte. Der Feuerwehrmann mit der Stadtarchitektin oder sowas, die sich in den Aufräumungsarbeiten verlieben oder sowas, das wäre ja noch OK gewesen.
The city on the mend is a metaphor for Charlie and Eve’s relationship.
Hast Du das wirklich überlesen?
Oops & pardon, scheiss cache/ refresh auch immer… .(
Geh doch mal ins Spy Museum Berlin das gerade aufgemacht hat. Sah in dem kurzen Nachrichtenspot sehr interessant aus. Hält moderne Aufmachung, aber Exponate die einige hundert Jahre zurückreichen…
Könnte was für Dich sein.
> Geh doch mal ins Spy Museum Berlin das gerade aufgemacht hat.
Guter Hinweis, Danke!
“Ich hätte in einem Film unter dem Titel „Rebuildung the city” etwas mit „Rebuilding the city” erwartet, …” Nunja, im Titel kommt ja weder Rebuilding noch Christchurch vor. Das war ja nur das Thema, unter dem der Film in Berlin gezeigt wurde.
“Egal, welches Thema sie bekommen, hier „Stadt wird von Erdbeben zerstört und wieder aufgebaut”, sie machen ein Beziehungs-, Schwangerschafts- und Eifersuchtsdrama draus.” Haben sie das Thema zugewiesen bekommen? War das eine Auftragsarbeit? Ich hätte eher vermutet, dass sie das Thema selbst aufgegriffen haben. Wenn du recht hast, musst du den Vorwurf des Trittbrettfahrens dem Auftraggeber machen.
Ich habe ihn ja nicht gesehen, aber von deiner Beschreibung her zu schliessen, hätte man da mehr draus machen können; die Liebesgeschichte mit dem Wiederaufbau verknüpfen und zeigen, wie aus den Trümmern wieder was entsteht.
Ein anderer, weiblich zumindest regisseurierter Film, bei dem man sich herrlich langweilen kann, jedenfalls für meinen Geschmack, ist “Lost in Translation”. In etwa das gleiche Thema nur mit 3 oder 4 Paaren in Japen. Lehre für mich: Wenn Regisseuse, dann Vorsicht.
»Also ich stehe mehr auf Godzilla, den japanischen…«
Auch bei seinen Verwandten wie Guilala wird man mitunter fündig, siehe Monster X gegen den G8-Gipfel von Minoru Kawasaki, 2008.
Trailer: http://m.youtube.com/watch?v=2wVjpy7p3bE
Der aktuelle Slogan ›Wir schaffen das!‹ deutet übrigens darauf hin, daß sich möglicherweise auch Deutschenland jetzt an der Produktion eines echten japanischen Monsterfilms versuchen will:
http://41.media.tumblr.com/12d9f2d22e8a18efb27bacc1c0a94c68/tumblr_mstfxjfGEW1shd00xo1_1280.jpg
🙂
Indie-Filme halt.
https://www.youtube.com/watch?v=kjwlrvcKcfI erklärt eigentlich alles.
@Cargo Cult Science
Haha, selten so gelacht. Der zweite Link ist ja wohl eher die Dooms Day Machine 🙂
cu
>Indie-Filme halt.
wobei sich independent auf die Finanzierung abseits der etablierten großen Studios (Walt Disney, Time Warner usw.) bezieht und nicht auf eine Stilrichtung wie Indie-Rock.
“Herr der Ringe” ist z.B. auch eine Independent-Produktion. Es sind also nicht nur langatmige Filme mit kleinem Budget.
Wasn ein Konvoifahrer?
> Wasn ein Konvoifahrer?
Ist mir auch nicht ganz klar. Vermutlich meinen sie einen, der einen Roadtrain durch Australien fährt.
Nanu das sagt doch alles:
The city on the mend is a metaphor for Charlie and Eve’s relationship:
Was ist daran missverständlich :-)). Wie kommt man da auf Stadtaufbauen? Metapher und Relationship, gruseliger gehts ja nicht mehr.
Also ich stehe mehr auf Godzilla, den japanischen 🙂
Und im übrigen sollte man nicht nur den Filmtitel und die Inhaltsbeschreibung ansehen sondern:
1 Wer macht den Film (Regie, Produzent)
2 Für Kenner, wer schrieb das Drehbuch
servus